Die süßeste Versuchung, seit es Männer gibt

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Ein Mann, der so sexy ist, dass sich praktisch alle Frauen die Finger nach ihm lecken? Den braucht Konditorin Ellie ganz bestimmt nicht. Ihr Leben ist kompliziert genug, zumal gerade ihre Bäckerei auf dem Spiel steht. Aber Jack Chapman, Abenteurer und berühmt-berüchtigter Journalist, strandet ausgerechnet vor ihrer Tür. Und da er ein Kollege ihres Vaters ist, kann sie ihn nicht einfach stehen lassen und Zuckerguss rühren, als sei nichts gewesen. Also lässt Ellie ihn herein. Erst in die Bäckerei, dann in ihr Bett - denn Jack ist die süßeste Versuchung, seit es Männer gibt …


  • Erscheinungstag 18.02.2014
  • Bandnummer 0004
  • ISBN / Artikelnummer 9783733700355
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ellie, dein Handy klingelt! Ellie, geh jetzt ran!“

Ellie Evans lächelte. Den personalisierten Klingelton hatte ihre beste Freundin Merri für sie aufgenommen. Ihre warme Stimme durchdrang jetzt klar und deutlich die Stille. Rasch griff Elli ihr Handy und presste es ans Ohr.

„El?“

„Hallo, du – wie geht es der kleinen Prinzessin?“, fragte Ellie und ging dabei gedankenverloren die Rechnungen auf ihrem Schreibtisch durch.

Die „Prinzessin“ war Ellies Patentochter Molly Blue, eine sechs Monate alte Diva, die sie alle um ihren süßen kleinen Finger gewickelt hatte. Merri erging sich sofort in einem viel zu ausführlichen Monolog über zahnende Babys, schmutzige Windeln, schlaflose Nächte und verschiedene Breisorten. Ellie, die sich immer noch nicht so ganz daran gewöhnt hatte, dass ihre partyfreudige, freiheitsliebende Freundin Mutter war, gab an all den richtigen Stellen ein nur halbwegs interessiertes „Hm“ von sich und schaltete innerlich ab.

„Okay, ich hab’s verstanden. Ich langweile dich“, sagte Merri, womit sie wieder Ellies Aufmerksamkeit ergatterte. „Aber normalerweise tust du zumindest so, als würdest du zuhören. Also, was ist los?“

Sie waren bereits seit ewigen Zeiten befreundet, insofern kannte Merri sie in- und auswendig. Und da sie nicht nur ihre beste Freundin, sondern auch ihre Angestellte war, konnte Ellie nicht länger warten, um ihr die vernichtende Neuigkeit mitzuteilen. Nervös ließ sie ihren Blick über den unordentlichen Schreibtisch ihres kleinen Büros im zweiten Stock ihrer Bäckerei und ihres Delikatessencafés gleiten und biss sich auf die Lippe. Panik schnürte ihr die Kehle zu.

Sie holte tief Luft. „Die Khans haben das Haus verkauft.“

„Welches Haus?“

„Dieses Haus, Merri. Wir haben sechs Monate, ehe wir ausziehen müssen.“

Ellie hörte, wie Merri scharf einatmete.

„Aber warum in aller Welt haben sie verkauft?“

„Sie sind in den Siebzigern, und ich vermute mal, dass sie den Stress leid sind. Wahrscheinlich haben sie ein halbes Vermögen für das Haus bekommen. Wir wissen doch, dass es meilenweit die teuerste Gewerbegegend ist.“

Ellie blickte aus dem Fenster auf den schneeweißen Strand und den tiefblauen Ozean dahinter. Es war erst einen Tag her, dass sie die Nachricht erhalten hatte, und es fiel ihr immer noch schwer, sie zu verdauen. Die Zukunft von Pari’s, der Bäckerei, die sich seit vierzig Jahren im Besitz ihrer Familie befand, war mehr als ungewiss.

„Warum können wir die Räumlichkeiten nicht weiter von den neuen Besitzern anmieten?“

„Danach habe ich mich schon erkundigt. Sie wollen größere Renovierungsarbeiten durchführen, um hochwertige Geschäfte anzusiedeln. Der Mietpreis wird dementsprechend steigen. Das können wir uns nicht leisten. Und was noch beunruhigender ist, ich habe mit Lucy geredet …“

„Der Maklerin?“

„Genau. Sie hat mir gesagt, dass Gewerbeflächen in St. James derzeit Spitzenpreise erzielen und dass es sowieso nur ganz wenige Objekte gibt – wenn überhaupt –, die sich für eine Bäckerei samt Café und Delikatessenladen eignen.“

Nach vier Jahrzehnten als wahre Institution in St. James und der False Bay stand Pari’s kurz vor dem Aus. Da Ellie eine der Teilhaberinnen war, musste sie mit dieser Situation irgendwie fertigwerden.

Sie hatte allerdings keine Ahnung, was sie tun sollte.

„Hast du es schon deiner Mum gesagt?“, fragte Merri ruhig.

„Ich kann sie nicht erreichen. Seit zehn Tagen haben wir keinen Kontakt. Ich glaube, sie ist gerade in einem Ashram … oder sie liegt irgendwo in Goa in der Sonne“, entgegnete Ellie müde. Wo sie jedenfalls nicht war, war die Bäckerei, um ihrer Partnerin/Tochter dabei zu helfen, das Dilemma zu lösen, in dem sie steckten.

Es war deine Idee, erinnerte sich Ellie. Du hast gesagt, dass sie gehen kann. Du hast ihr sogar selbst vorgeschlagen, dass sie ein Jahr Auszeit nehmen, ein bisschen Spaß haben und ihren Träumen folgen soll … Was hatte sie sich dabei nur gedacht?

„El, ich weiß, dass das kein guter Zeitpunkt ist, vor allem angesichts dessen, was du mir gerade erzählt hast, aber ich kann es nicht länger hinausschieben. Ich muss dich um einen großen Gefallen bitten.“

Als sie den ernsten Unterton in Merris Stimme hörte, runzelte Ellie die Stirn.

„Es ist alles in Ordnung, solange du nur Montag an die Arbeit zurückkehrst“, erwiderte sie. Merri war eine fantastische Bäckerin, und Ellie hatte ihr Talent sehr vermisst, während ihre Freundin in Mutterschutz war.

Das Schweigen, das ihrer Aussage folgte, lastete schwer. Oh nein … nein, nein, nein! „Merri, ich brauche dich“, flehte sie.

„Mein Baby braucht mich auch, El.“ Merri klang verzweifelt. „Und ich bin einfach noch nicht bereit, wieder zu arbeiten. Vielleicht in einem Monat. Sie ist noch so klein, und ich muss bei ihr sein … bitte? Sag mir, dass du das verstehst, Ellie.“

Dich verstehen? Ich habe deine Stelle nicht neu besetzt, weil ich sie für dich offen gehalten habe – weil du mich darum gebeten hast. Ich ackere mich hier zu Tode. Die Kunden vermissen dich …

„Noch einen Monat?“, bettelte Merri. „Bitte, bitte, bitte.“

Ellie rieb sich die Stirn. Was sollte sie sagen? Merri musste dank ihres sehr großzügigen Vaters nicht arbeiten. Wenn sie sie also zwang, sich zwischen der Bäckerei und Molly Blue zu entscheiden, dann würde die Backerei den Kürzeren ziehen. Sie würde den Kürzeren ziehen …

Es stand zu viel auf dem Spiel. Sie konnte auf keinen Fall riskieren, Merri zu verlieren. Mein Gott, sie war sechs Monate lang zurechtgekommen, sie würde auch noch einen weiteren Monat überstehen. Irgendwie.

Ellie biss sich auf die Lippe. „Also gut, Merri.“

„Du bist die Beste – ich muss los. Die Prinzessin ruft.“ Jetzt konnte auch Ellie Mollys hartnäckiges Babygeschrei hören. „Ich versuche, im Laufe der Woche in die Bäckerei zu kommen, damit wir darüber reden können, was zu tun ist. Mach’s gut! Ich hab dich lieb.“

„Ich dich auch …“ Ellie hörte das Tuten, das ihr sagte, dass die Verbindung unterbrochen worden war, und warf ihr Handy auf den Schreibtisch.

„El, da vorne ist jemand, der dich sprechen will.“

Ellie blickte von Samanthas fröhlichem Gesicht – sie war eine ihrer Kellnerinnen – zu der altmodischen Uhr über ihrem Kopf und runzelte die Stirn. Die Bäckerei und das Café hatten vor zehn Minuten geschlossen, wer konnte das sein?

„Wer ist es?“

Samantha zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Er hat mir nur gesagt, dass dein Vater ihn geschickt hat. Er wartet allein draußen im Vorraum … wir sind schon alle auf dem Heimweg.“

„Danke, Sammy.“ Während ihre Mitarbeiterin den Laden verließ, drehte Ellie sich mit ihrem Schreibtischstuhl um und schaute auf den Bildschirm hinter sich. Sie hatten sowohl im vorderen Laden, in der Bäckerei als auch im Lagerraum Kameras angebracht, die ihr Livebilder auf den Monitor sendeten.

Ellie hob die Augenbrauen, als sie ihn sah. Er stand vor der langen Reihe von Kühlschränken mit Glastüren. Ein Rucksack baumelte von seinen breiten Schultern. Seine Wangen zierte ein Dreitagebart, die kastanienbraunen Haare waren ein wenig zu lang.

Jack Chapman. Okay, sie war überrascht. Jede Frau, die hin und wieder einen der Hauptnachrichtensender schaute, würde das charakterstarke Gesicht unter den zerzausten Haaren erkennen. Ellie wusste nicht, ob er bekannter war für seine dichten, beklemmenden Kriegsreportagen oder für die Tatsache, dass er wie ein Filmstar aussah.

Die eigentlich wichtigen Fragen lauteten aber ohnehin: Warum war er hier? Was wollte er? Und was in aller Welt hatte sich ihr Vater dabei gedacht?

Sie griff nach ihrem Handy, ging rasch ihr Adressbuch durch und drückte dann auf den grünen Knopf.

„Ellie – hallo!“, grüßte ihr Vater mit seiner tiefen Stimme über Tausende von Meilen hinweg.

„Dad, warum ist Jack Chapman in meiner Bäckerei?“

Sie hörte, wie ihr Vater heftig den Atem einzog. „Ist er schon da? Gut, ich habe mir bereits Sorgen gemacht.“

Natürlich hast du das, dachte sie. In den vergangenen zehn Jahren – seit ihrem achtzehnten Geburtstag – hatte sie zugehört, wie ihr Vater von Jack Chapman schwärmte – dem Sohn, den er sich immer gewünscht, aber nie bekommen hatte. „Er ist das Vorbild für eine neue Generation an Kriegsreportern“, hatte er gesagt. „Unvoreingenommen, stark. Er ist bereit, sich in ein Thema zu stürzen, ohne an seine eigene Sicherheit zu denken. Er sucht immer die Story hinter der Story und kann Emotionen beiseiteschieben, um an die Wahrheit zu kommen …“ Bla, bla, bla …

„Also noch einmal: Warum ist er hier?“, wiederholte Ellie.

„Er hat ein Interview mit einem somalischen Warlord geführt, der völlig ausgerastet ist. Sie haben ihm sein Bargeld und seine Kreditkarten abgenommen und ihn mit vorgehaltenem Maschinengewehr in den nächsten UN-Flieger Richtung Kapstadt gesetzt“, entgegnete Mitchell Evans kurz und knapp. „Du musst ihm ein Bett zur Verfügung stellen.“

Himmel, Dad, habe ich ein B&B-Schild auf der Stirn kleben?

Ellie bemühte sich redlich, Nein zu sagen, doch stattdessen kam etwas völlig anderes aus ihrem Mund. „Wie lange?“

Gott, sie war ein solcher Feigling.

„Also, pass auf, Zuckerschnute …“, begann ihr Vater, worauf Ellie die Augen verdrehte. Das klang gar nicht gut. „Jack hilft mir dabei, ein Buch über das Privatleben von Kriegsreportern zu schreiben – meines eingeschlossen.“

Interessant – nur hatte sie keine Ahnung, was das mit ihr zu tun hatte. Da Mitchell es aber nicht mochte, wenn man ihn unterbrach, wartete sie geduldig, bis er zu Ende gesprochen hatte.

„Er muss sich mit meiner Familie unterhalten. Ich dachte, er könnte eine Weile bleiben, mit dir über das Leben mit mir reden …“

Entschuldigung … Leben mit ihm? Welches Leben mit ihm? Während der Auf-und-ab-Ehe ihrer Eltern war ihr Zuhause ein Ort gewesen, an dem ihre Mutter ihm die Wäsche wusch, wenn er zwischen zwei Einsätzen mal kurz auftauchte. Wohingegen er sein Leben in all den Ländern verbrachte, aus denen die meisten Menschen herauszukommen versuchten: Irak, Gaza, Bosnien. Zuhause war ein Ort, an dem er hin und wieder mal vorbeischaute. Die Arbeit war seine eigentliche Leidenschaft, seine Muse, seine lebenslange Geliebte.

Verbitterung nagte an ihr. Es gab immer eine Story, die wichtiger war als alles andere, weshalb Mitchell alle bedeutenden Ereignisse in ihrem Leben verpasst hatte. Weihnachtskonzerte und Ballettaufführungen, Schwimmwettbewerbe und Vater-Tochter-Tage.

„Der Verleger und ich möchten, dass Jack sein eigenes Leben hinzufügt – immerhin ist er der beste Kriegsreporter seiner Generation –, aber Jack dazu zu bringen, über sich selbst zu sprechen, ist ungefähr so wahrscheinlich, wie Wasser in der Wüste Gobi zu finden. Er hat kein Interesse daran. Auch heute noch ist er mir genauso sehr ein Rätsel wie damals, als ich ihm das erste Mal begegnete. Also, wirst du mit ihm reden?“, fragte Mitchell. „Über mich?“

Oh, großer Gott. Musste das sein? Wirklich?

„Vielleicht.“ Was – wie sie beide wussten – hieß, dass sie es tun würde. „Aber Dad, ganz ernsthaft? Du kannst nicht einfach deine Streuner bei mir abladen.“ Natürlich konnte er das. Schließlich war er Mitchell Evans, und sie ließ sich ständig zu Dingen überreden, die sie eigentlich nicht wollte.

Ellie rieb sich die Schläfe. Konnte dieser Tag ihr noch mehr abverlangen? Wenn es wenigstens normale Leute gewesen wären, dachte sie. Der letzte Kollege ihres Vaters, den sie beherbergt hatte – auch auf seine Bitte hin –, hatte sich mit ihrem Wein volllaufen lassen und danach versucht, sie anzubaggern, ehe er auf ihrem Perserteppich eingeschlafen war. Und jeder Kameramann, Produzent oder Korrespondent, den sie je kennengelernt hatte – inklusive ihrem Vater –, war völlig durchgeknallt. Vermutlich war es eine notwendige Voraussetzung, wenn man über menschliche Konflikte und Katastrophen berichten wollte.

Jetzt, wo er seinen Willen bekommen hatte, klang Mitchells Stimme wieder fröhlich und munter. „Jack ist ein guter Mann. Er hat vermutlich seit Tagen nicht geschlafen und seit einer Woche nicht mehr vernünftig gegessen. Ein Bett, eine Mahlzeit, ein Bad. Das ist doch nicht zu viel verlangt, denn du bist ein guter Mensch, mein süßes, süßes Mädchen.“

Mein süßes, süßes Mädchen? Pah!

Schon eher süßer, süßer Trottel.

Ellie warf einen weiteren Blick auf Mr-Heiß-genug-um-Schwermetall-zum-Schmelzen-zu-bringen. Er hatte einen wirklich umwerfenden Körper.

„Bist du Jack schon einmal begegnet?“, fragte Mitchell.

„Kurz. Bei deiner Hochzeit mit Steph.“ Ehefrau Nummer drei, die ganze sechs Monate bei ihm geblieben war. Ellie war achtzehn gewesen, furchtbar schüchtern, und Jack hatte kaum Notiz von ihr genommen.

„Oh, ja – Steph. Ich mochte sie wirklich … weiß immer noch nicht, warum sie gegangen ist“, murmelte Mitchell und klang dabei ernsthaft ratlos.

Himmel, Dad, ich helfe dir auf die Sprünge. Vielleicht hasste sie den Gedanken, dass der Mann, den sie liebte, fünf von sechs Monaten unterwegs war, sich in Afghanistan in die gefährlichsten Situationen stürzte und nur hin und wieder mal im Fernsehen zu sehen war. Vielleicht hasste sie den Umstand, dass sie nie wusste, ob du tot bist oder nicht. Es ist nicht gerade einfach, jemanden zu lieben, der dich nicht mal annähernd so sehr liebt wie seinen Job.

Sie, ihre Mutter und zwei weitere Ehefrauen waren immer an zweiter Stelle gekommen, wenn überhaupt. Und sie hatte das dämliche Muster auch noch wiederholt, in dem sie sich mit Darryl verlobt hatte. Einem Mann, der sogar noch weniger Zeit zu Hause verbrachte als ihr Vater, was schon eine Leistung war, denn ihres Wissens nach hatte er London nie verlassen.

Ich war wirklich ein solcher Trottel, dachte Ellie. Und daran hatte sich bis heute nichts geändert …

Vielleicht würde sie es irgendwann schaffen, sich ein echtes Rückgrat zuzulegen.

Ellie blickte auf ihr Handy und stellte fest, dass ihr Vater sich nicht verabschiedet hatte, ehe er auflegte. Sie zuckte die Achseln – war daran irgendetwas neu? Ein weiterer Blick auf den Monitor zeigte ihr, dass Jack allmählich ungeduldig wurde und mit dem Fuß auf den Boden tappte. Als er die Arme vor der Brust kreuzte, sah sie schwellende Muskeln. Obwohl das Bild schwarz-weiß war, wusste sie, dass er haselnussbraune Augen hatte, die manchmal grün-golden funkelten. Im Moment lag in ihnen eine Mischung aus Frustration, Erschöpfung und gehöriger Verärgerung.

Er war nicht mehr der Vierundzwanzigjährige, den sie vor zehn Jahren kennengelernt hatte. Er hatte sich verändert, war älter und härter geworden.

Sie warf ihr Handy auf den Schreibtisch, schob den Stuhl zurück, stand auf und atmete einmal tief aus.

Es spielte keine Rolle, dass er groß und muskulös war und ein verdammt attraktives Gesicht hatte, ermahnte sie sich. Verrückte konnten in der schönsten Verpackung daherkommen.

„Jack?“

Jack Chapman, der sich im vorderen Bereich der Bäckerei aufhielt, wirbelte herum, als er die verführerische, melodiöse Stimme hörte, und blinzelte. Dann blinzelte er noch einmal. Er wusste ja, dass er müde war, aber das war doch lächerlich …

Er hatte mit dem unbeholfenen, übergewichtigen, schüchternen Mädchen von Mitchs Hochzeit gerechnet, nicht mit diesem … Babe!

Die langen schwarzen Haare reichten ihr bis zur Taille. Rote und grüne Strähnen tanzten darin. In ihrem gebräunten Gesicht funkelten die strahlend blauen Augen umso mehr. Das kampflustige Kinn, das sie von ihrem Vater geerbt hatte, war unübersehbar.

Und dann waren da noch die schlanken, wohlgeformten Beine, die geradezu endlos wirkten.

„Hallo, ich bin Ellie. Mitchell hat mich gebeten, dich heute Nacht bei mir unterzubringen.“

Sein Puls beschleunigte sich, während er mühsam nach einer Erwiderung suchte. Irgendwann schaffte er es endlich, ein paar Worte hervorzubringen. „Ich bin dir wirklich dankbar. Vielen Dank.“

Meine Güte! Jack konnte sich gerade noch davon abhalten, mit einer Hand an sein Herz zu greifen, um nachzuprüfen, ob dort alles in Ordnung war. Bei seiner Geschichte…

Du hast keinen Herzinfarkt, du Idiot! Was für eine Überreaktion, Mann, jetzt komm mal wieder runter!

Na schön: Sie war nicht das, was er erwartet hatte? In seinem Job war das doch ganz normal, also warum hatte er plötzlich Herzrasen und einen ganz trockenen Mund?

Jack wippte ein wenig auf den Fersen hin und her, schaute sich um und bemühte sich sehr, sich nicht wie ein tölpelhafter Teenager zu benehmen. „Das ist ein wirklich netter Laden. Gehört er dir?“

Ellie blickte sich um, wobei ihre Mundwinkel leicht zuckten. „Ja. Meine Mum und ich sind Partner.“

„Ah …“ Er starrte auf die leeren Kühltheken. „Wo ist das Essen? Sollte hier kein Essen sein?“

Ihr Lächeln traf ihn bis ins Mark.

„Die meisten Backwaren sind ausverkauft, und die Delikatessen verstauen wir jede Nacht in unserem Kühlraum.“ Sie nestelte an dem Gurt ihrer Ledertasche. „Wie war dein Flug?“, fragte sie höflich.

Mit geprellten Rippen und mörderischen Kopfschmerzen auf dem Boden eines Frachtfliegers zu sitzen, der sich in heftigen Turbulenzen befand? Einfach toll. „Gut, danke.“

Die Wahrheit lautete, dass er völlig erschöpft, steif und ausgelaugt war und seine Seite sich anfühlte, als hätte ihm jemand ein glühend heißes Schüreisen hineingerammt. Er sehnte sich nach einer Dusche und einer Woche Schlaf. Sein Blick wanderte zu dem Kühlschrank mit den Softdrinks. Für eine Flasche Cola würde er im Moment einen Mord begehen.

Ellie bemerkte seinen Blick und deutete auf den Kühlschrank. „Bedien dich.“

Jack schnitt eine Grimasse. „Ich kann nicht dafür zahlen.“

„Ich denke, Pari’s kann es sich leisten, dir eine Dose aufs Haus zu spendieren“, versetzte sie trocken.

Sie hatte den Satz kaum zu Ende gesprochen, da öffnete er bereits den Kühlschrank, nahm eine rote Dose heraus und öffnete sie. Als die süßliche Flüssigkeit seine Kehle hinabrann, seufzte er. Der Zucker und das Koffein würden ihm ein, zwei Stunden Energie schenken. Vielleicht …

In diesem Moment ging ihm wieder auf, dass er am anderen Ende der Welt gestrandet war, und er fluchte innerlich. Nicht mal die verdammte Cola konnte er bezahlen. Bis er seine Ersatz-Bankkarten bekommen hatte, musste er sich Geld und ein Bett von Ellie leihen.

Er hasste das Gefühl, einem anderen Menschen verpflichtet zu sein, aber er erinnerte sich daran, dass es nur für eine Nacht war – zwei, wenn es hochkam.

Jack trank die Dose aus und blickte sich nach einem Mülleimer um.

Ellie nahm ihm die Dose ab, trat hinter die Ladentheke und entsorgte sie. „Nimm dir noch eine, wenn du möchtest.“

„Nein, danke, das reicht.“

Sie hob die Augenbrauen und begegnete seinem Blick. Jack dachte dabei, dass sie eine ganz bemerkenswerte Mischung aus Ost und West darstellte: Sie hatte die Haut ihrer indischen Großeltern und die blauen Augen und das Kinn ihres irischen Vaters. Ihr Körper sollte mit einem Warnschild versehen sein – lange Beine, schmale Taille, atemberaubende Brüste …

Da er sehr gut darin war, Körpersprache zu lesen, erkannte er das Misstrauen in ihrem Gesicht, viel Schüchternheit und einen Hauch Resignation. Konnte er es ihr verdenken? Er war ein Fremder, der in ihr Haus einziehen wollte.

„Coole Deko“, bemerkte er und versuchte, ihr die Befangenheit zu nehmen. An der Wand neben der Tür hing ein feuerrotes Kanu, aus dessen Sitzbereich kunterbunte Blumen wuchsen. „Ich glaube nicht, dass ich schon mal gesehen habe, wie Surfbretter und Kanus als Dekoration benutzt werden. Oder mit Blumen gefüllt.“

Ellie lachte. „Ich weiß. Sie sind ein bisschen viel des Guten, aber ich habe einfach verdammt viel Spaß an ihnen.“

Jack schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und zuckte zusammen, als der Taxifahrer draußen auf die Hupe drückte. Verdammt, den hatte er ja ganz vergessen! Es war ihm so unangenehm, dass es ihm die Kehle zuschnürte. Jetzt kam der harte Teil. Eine Dose Cola war eines …

„Ellie, es tut mir wirklich leid, aber ich bin da in eine etwas blöde Situation geraten … Wäre es vielleicht möglich, dass du meine Taxifahrt bezahlst? Natürlich werde ich es dir zurückzahlen, das verspreche ich.“

„Sicher.“ Sie holte ihr Portemonnaie aus der Tasche und reichte ihm ein paar Geldscheine.

Jack spürte, wie sich ihre Fingerspitzen dabei berührten, was ein Kribbeln in seinem Arm auslöste. Sein Körper hatte entschieden, dass er sie verdammt attraktiv fand, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte.

Mist, dachte er, während er aus der Tür marschierte, um sein Taxi zu bezahlen. Es war ihm wirklich nicht wohl dabei, sich zu einer Frau hingezogen zu fühlen, die die geliebte Tochter seines Mentors war, der er sich verpflichtet fühlen musste und mit der er nur zwei Tage verbringen würde, ehe er wieder aus ihrem Leben verschwand.

Ignorier es einfach, sagte er sich. Du bist ein erwachsener Mann und hast deine Libido im Griff.

Er blähte einmal die Wangen auf, als er dem Taxifahrer das Geld reichte. Hinter ihm öffnete sich die Tür, worauf er sich umdrehte und sah, wie Ellie seinen schweren Rucksack aus der Bäckerei wuchtete. Jack ignorierte seine Verletzung, eilte zu Ellie und nahm ihr den Rucksack ab. Diese verdammten Bastarde hatten ihm sein iPad abgenommen, sein Satelliten- und Mobiltelefon, sein Bargeld und seine Kreditkarten, aber sie hatten ihm seine dreckigen Klamotten gelassen.

Na ja, er hätte sie an ihrer Stelle auch nicht haben wollen …

„Ich muss nur noch kurz absperren, und dann können wir gehen“, sagte Ellie jetzt, ehe sie noch einmal in dem Gebäude verschwand.

Er wartete in der Abendsonne an der Ecke. Sein Rucksack lehnte gegen einen Pflanzkübel mit knallroten Blumen. Ihr mehrfarbiges Haar und ihre leuchtend bunte Bäckerei ließen darauf schließen, dass Ellie Farben liebte. Und zwar sehr.

Mitchell hatte erwähnt, dass seine Tochter Bäckerin war, worauf er mit einem rundlichen, biederen Hausfrauentyp gerechnet hatte – nicht mit einer schlanken, verführerischen, kreativen Traumfrau.

Er hörte, wie sich hinter ihm die Tür wieder öffnete und Ellie zurückkehrte. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, zog sie ein Sicherheitstor vor, das sie verriegelte.

Jack blickte von der altmodischen Bäckerei zu dem breiten Strand jenseits der Straße und musste unwillkürlich lächeln. Es war fast halb sieben, ein warmer Sommerabend, und am Strand und dessen Promenade tummelten sich zahlreiche Menschen.

„Wann geht die Sonne unter?“, erkundigte er sich.

„Spät. So gegen halb neun“, antwortete Ellie. Sie deutete auf die Straße hinter ihnen. „Ich lebe so nah bei der Arbeit, dass ich nicht mit dem Auto fahre … ähm … mein Haus liegt auf dem Hügel da vorne.“

Er warf einen Blick die steile Straße hinauf zu dem Berg dahinter und seufzte. Das war genau das, was er jetzt brauchte – eine Wanderung den Hügel hinauf mit einem schweren Rucksack. Was hielt dieser Tag eigentlich noch alles für ihn bereit?

Ihm entfuhr ein weiterer Seufzer. „Geh vor.“

Ellie nahm eine übergroße Sonnenbrille aus ihrer Tasche, setzte sie auf, und dann marschierten sie los. Sie kamen an einem Antiquitätengeschäft vorbei, einer Buchhandlung und einer nostalgisch wirkenden Apotheke – dort würde er sich einige Medikamente besorgen müssen, was allerdings unangenehme Fragen nach sich ziehen würde. Er wartete darauf, dass Ellie ein Gespräch anfangen würde, und das tat sie auch kurz da­rauf, denn ihre guten Manieren wogen scheinbar schwerer als ihre Schüchternheit.

„Also, was ist mit dir passiert?“

„Dein Vater hat dir nichts erzählt?“

„Nur, dass du von ein paar Gangstern überfallen und aus Somalia hinausgeworfen wurdest. Und dass du eine Bleibe brauchst, weil du völlig abgebrannt bist.“

„Vorübergehend abgebrannt“, korrigierte er sie. Mitchell hatte ihr nicht die ganze Geschichte erzählt, Gott sei Dank. Es war keine große Sache. Er hatte eine Frage zu der Entführung von Schiffen gestellt, was den Warlord offensichtlich zum Ausrasten gebracht hatte. Der Typ hatte seinen Gorillas befohlen, ihn zusammenzuschlagen. Er hatte ja versucht, sich zu wehren, aber sechs gegen einen … da standen die Chancen schlecht.

Sehr schlecht.

„Kann ich noch irgendetwas anderes für dich tun, abgesehen davon, dir einen Schlafplatz zu geben?“

Ihre Frage holte ihn in die Gegenwart zurück, und seine instinktive Antwort lautete: Eine gemeinsame Nacht mit dir wäre großartig.

Ernsthaft? Das hatte er gerade gedacht?

Jack schüttelte den Kopf und rief sich zur Ordnung. „Ähm … ich brauche nur ein Bett für eine Nacht, vielleicht zwei. Müsste mir ein Handy leihen und einen Computer, um ein paar E-Mails zu schreiben und eine kurze Berichterstattung, ach ja, und ich bräuchte eine Adresse, an die meine Ersatzbankkarten geliefert werden können …“, entgegnete er.

„Ich habe noch ein zweites Handy, und du kannst meinen alten Laptop benutzen. Meine Adresse schreibe ich dir gleich auf. Musst du eine Deadline schaffen?“

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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