Ein Date, ein Kuss, ein Heiratsantrag

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Chanel seufzt lustvoll. Demyan ist so sündhaft sexy, dass sie machtlos ist gegen den himmlischen Zauber seiner Zärtlichkeiten. Warum bloß plagt sie trotzdem das Gefühl, er wäre nicht ganz aufrichtig? Er hat ihr doch sogar einen Heiratsantrag gemacht – nach nur drei Dates!


  • Erscheinungstag 05.05.2022
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514705
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

„Wer ist diese Person?“ Demyan sah seinen Onkel, den König von Volyarus, fragend an.

Auf dem riesigen antiken Schreibtisch lag eine Serie von Fotos, die allesamt ein und dieselbe junge Frau zeigten. Auf den ersten Blick war nichts Außergewöhnliches an ihr zu entdecken. Auffallend waren lediglich ihre unbändige rote Lockenmähne sowie die ausdrucksvollen grauen Augen, deren Farbe an Sturmwolken erinnerte. Augen, die auf jedem einzelnen Foto mehr an Gefühlsregung verrieten, als Demyan in einem ganzen Jahr zeigte.

König Fedir betrachtete die Fotos einen Moment lang schweigend, bevor er aufblickte. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden Männern war so groß, dass man sie für Vater uns Sohn hätte halten können. Dennoch war Demyan nur der Neffe des Königs, und obwohl er als „Ersatzthronerbe“ wie ein angenommener Sohn im Palast aufgewachsen war, war er sich des Unterschieds stets bewusst.

„Das ist Chanel Tanner“, beantwortete Fedir seine Frage sichtlich widerstrebend.

„Tanner?“, wiederholte Demyan aufhorchend.

„Ja.“

Zwar war der Name in den Vereinigten Staaten sicher so weit verbreitet, dass es für Demyan keinen Grund gab, sofort eine Verwandtschaft zu Bartholomew Tanner zu vermuten, einem der Gründungspartner von Yurkovich Tanner. Wenn nicht das Porträt des texanischen Ölpioniers, das in der Westhalle des Palasts hing, der Frau auf den Fotos so bemerkenswert ähnlich gewesen wäre: die gleichen roten Locken, die hohe Stirn, das energische Kinn und nicht zuletzt die ungewöhnlichen grauen Augen. Aber während sie bei Bartholomew vor Übermut sprühten, war der Blick der jungen Frau meist auffallend ernst.

Bartholomew Tanner hatte den internationalen Konzern mit ins Leben gerufen, auf dessen Erfolg sich der gegenwärtige Wohlstand des Staates Volyarus gründete – und der Wohlstand der Familie Yurkovich. Zu früheren Zeiten hatte Bartholomew Tanner selbst einen beachtlichen Anteil an diesem Konzern besessen.

„Sie sieht aus wie Baron Tanner“, bemerkte Demyan. Für seine Verdienste beim Aufspüren von Ölvorkommen und anderen Bodenschätzen in Volyarus war Bartholomew Tanner von König Fedirs Großvater in den Adelsstand erhoben worden.

Fedir nickte. „Sie ist seine Ururenkelin und die Letzte seiner Linie.“

Demyan lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah den König abwartend an. Sein Interesse war geweckt.

„Ihr Stiefvater, Perry Saltzman, hat sich wegen eines Jobs für seinen Sohn an unser Büro in Seattle gewandt. Offensichtlich steht der Junge kurz vor dem Abschluss seines Wirtschaftsstudiums.“

„Und warum erzählst du das mir? Freundliches Händeschütteln fällt doch mehr in Maksims Ressort.“ Zudem war sein Cousin, Fedirs einziger Sohn, auch geübter, wenn es darum ging, Bittsteller diplomatisch abzuweisen. Demyan fehlte es an Geduld. Es hatte auch Vorteile, wenn man nicht als Kronprinz heranwuchs.

„Er ist noch in den Flitterwochen.“

Was nicht erklärte, warum die Sache nicht warten konnte. „Nur noch wenige Wochen. Hat das nicht so lange Zeit?“ Und wenn es nur um einen Job für den Sohn von Mr Saltzman ging, warum lagen dann die Fotos seiner Stieftochter auf dem Tisch?

„Maksim soll nichts davon erfahren. Er wäre nicht einverstanden mit dem, was getan werden muss.“ Fedir strich sich mit den Fingern durchs Haar, das noch genauso dicht und dunkel wie Demyans war, ohne eine Spur von Grau. „Du kennst meinen Sohn doch. Er kann unerwartet … widerspenstig sein.“

„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.“ Nach Demyans Erfahrung gab es tatsächlich nur wenig, was Maksim nicht für sein Land getan hätte. Er war ja sogar bereit gewesen, die Frau, die er liebte, aufzugeben, weil das Risiko bestanden hatte, sie könnte nicht den gewünschten Thronerben liefern.

Fedir sammelte die Fotos wieder ein und stapelte sie so, dass zuoberst ein Schnappschuss lag, der ausnahmsweise eine unbeschwert lächelnde Chanel zeigte. „Als Bart Tanner 1952 einwilligte, meinem Großvater bei der Auffindung von Ölvorkommen auf den volyarischen Inseln zu helfen, erhielt er als Gegenwert für seine Bemühungen und seinen fachkundigen Rat sowie für die Bereitstellung von Fachleuten und Ausrüstung eine Beteiligung von zwanzig Prozent an der Firma.“

„Das weiß ich.“ Für alle volyarischen Kinder war Landeskunde in der Schule Pflicht.

Hetman Maksim Ivan Yurkovich der Erste hatte seinen gesamten Reichtum in das Land investiert und sich schließlich zu seinem Monarchen aufgeschwungen. Spätestens mit der Krönung seines Sohnes zum König von Volyarus hatte sich die Monarchie des Hauses Yurkovich fest etabliert. In den folgenden Jahrzehnten war jedoch nicht alles zum Besten gelaufen für die Wirtschaft des kleinen Landes. Bis der abenteuerlustige Bartholomew Tanner nach Volyarus kam, um dort nach Öl zu suchen.

„Bei seinem Tod war er immer noch im Besitz dieser Anteile“, fügte Fedir nun finster hinzu.

„Nein!“, protestierte Demyan ehrlich geschockt.

„Leider doch.“ König Fedir stand auf und ging zu dem großen Fenster mit Blick über die Hauptstadt. „Ursprünglich geplant war, dass seine Tochter den jüngsten Sohn meines Großvaters heiraten sollte.“

„Großonkel Chekov? Aber …“ Demyan verstummte vielsagend. Herzog Chekov war Zeit seines Lebens Junggeselle geblieben, aber nicht, weil Tanners Tochter ihm das Herz gebrochen hätte, sondern weil er mehr Interesse an Männern zeigte als an Frauen. Tatsächlich galt es längst als offenes Geheimnis, dass sein persönlicher Kammerdiener weit mehr als nur ein Bediensteter gewesen war – in den 50er Jahren hätte sich der Herzog jedoch niemals zu seinem Geliebten bekennen können.

Die Zeiten hatten sich geändert, aber einige Dinge würden wohl immer beim Alten bleiben: Die Pflicht gegenüber Familie und Land galt damals wie heute gleichermaßen.

„Trotzdem war die Ehe beschlossen“, meinte König Fedir deshalb lakonisch. „Es kam nur deshalb nicht zur Heirat, weil sie mit einem Ölarbeiter durchbrannte.“

Was zur damaligen Zeit allerdings ein ziemlicher Skandal gewesen sein musste. „Aber ich dachte, Baron Tanner hätte seine Anteile dem volyarischen Volk vermacht“, meinte Demyan.

„Ein hübsches Lügenmärchen, das sich mein Großvater erdacht hat.“

Demyan überlegte laut. „Der Gewinn aus diesen zwanzig Prozent Anteilen wurde eingesetzt, um in Volyarus Straßen zu bauen, Schulen zu finanzieren … Verdammt!

„Genau. Selbst in guten Zeiten würde es die wirtschaftliche Stabilität unseres Landes ernsthaft ins Wanken bringen, wenn wir gezwungen wären, Chanel Tanner den Gegenwert plus Zinsen auszuzahlen.“

Geschweige denn in der gegenwärtig schwierigen Wirtschaftslage. „Sie ahnt nichts von dem ihr zustehenden Erbe, oder?“ Denn in dem Fall hätte Perry Saltzman sich bestimmt nicht um einen Job für seinen Sohn bemüht, sondern Volyarus längst auf Hunderte von Millionen verklagt. „Wie lautet der Plan?“

„Heirat. In Bartholomews Testament gab es nämlich einen Vorbehalt. Sollte einer seiner direkten Nachfahren je in die königliche Familie von Volyarus einheiraten, würden seine zwanzig Prozent an das Volk zurückfallen, abzüglich eines angemessenen Unterhalts für den Erben.“

„Das ergibt doch keinen Sinn.“

„Doch, wenn du den Rest der Geschichte erfährst. Tanners Tochter wurde von ihrem Geliebten sitzen gelassen. Denn der war bereits verheiratet, wodurch ihre überstürzte Trauung null und nichtig wurde.“

„Dann hätte sie Herzog Chekov also immer noch heiraten können.“

„Er weigerte sich kategorisch, weil sie von dem anderen Mann schwanger war. Es war ein großer Skandal, der in der Öffentlichkeit ziemlich breitgetreten wurde. Tanner setzte seine Hoffnung darauf, ihr Sohn könnte eines Tages in unsere Familie einheiraten und auf diese Weise den Namen Tanner für alle Zeiten mit dem Königshaus Yurkovich verbinden.“

„Aber geschäftlich gab es diese Verbindung doch längst!“

„Das genügte ihm nicht.“ König Fedir seufzte. „Er wollte eine familiäre Verknüpfung, in der, wenn möglich, sein Name weitergetragen würde. Familie bedeutete ihm viel. Zwar sprach er angeblich mit seiner Tochter nie wieder ein Wort, sorgte aber finanziell für sie. Unter einer Bedingung.“

„Dass ihr Sohn den Namen Tanner beibehielt.“

„Genau.“

„Und dieser Sohn hatte dann vermutlich ebenfalls einen Sohn?“

„Ja, nur einen.“

Demyan nickte. „Chanels Vater. Du hast aber gesagt, sie wäre die einzige lebende Tanner aus Bartholomews Linie?“

„Das stimmt. Sowohl ihr Großvater als auch ihr Vater starben bei einem schweren Laborunfall. Sie waren beide Chemiker wie Chanel, hatten allerdings ihr eigenes privates Labor, während sie Forschungsassistentin ist.“

Die Frau mit der wilden roten Lockenmähne war ein Wissenschaftsfreak, ein Bücherwurm? „Und keiner in der Familie hat je etwas von ihrem Anspruch auf Tanners Firmenanteile gewusst?“

„Nein. Bartholomew hatte wirklich die feste Absicht, sie wieder dem Volk von Volyarus zu übereignen. Das hat er meinem Großvater gesagt. Aber er war Ölsucher, und das ist ein gefährlicher Beruf. Er starb, als sein Enkel noch ein kleiner Junge war. Mein Großvater traf dann Vorsorge für die finanzielle Absicherung der Ausbildung eines jeden Kindes aus Bartholomews Linie.“

„Einschließlich Chanel?“

„Ja. Und ihr Vollstipendium hat dann offenbar Perry Saltzman auf die Idee gebracht, die alte Verbindung der Familie seiner Stieftochter zum Unternehmen Yurkovich Tanner auch für seinen Sohn zu nutzen.“

„Was erwartest du jetzt von mir? Soll ich für sie einen volyarischen Ehemann finden?“

„Um den Bedingungen des Testaments zu genügen, muss er ein Yurkovich sein.“

„Aber dein Sohn ist schon verheiratet.“

„Du bist es noch nicht.“

Genauso wenig wie Demyans jüngerer Bruder, doch der zählte für Fedir nicht. Denn nur Demyan war wie ein Sohn des Monarchen herangewachsen. „Du möchtest, dass ich sie heirate.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.

„Zum Wohle von Volyarus, ja. Die Ehe muss ja nicht von Dauer sein. In dieser Hinsicht gibt es im Testament keine Auflagen. Denk in Ruhe nach“, fuhr Fedir beschwörend fort, als Demyan sichtlich verblüfft schwieg. „Wir beide wissen, dass die noch gesunde Wirtschaft unseres Landes angesichts der prekären Wirtschaftslage in der Welt auf Messers Schneide steht. Die Folgen wären nicht auszudenken, wenn wir Miss Tanner auszahlen müssten.“

„Siehst du die Sache nicht zu dramatisch? Es ist doch gar nicht gesagt, dass diese komplizierte und längst vergessene Nachlassregelung je entdeckt wird.“

„Das ist nur eine Frage der Zeit, vor allem, wenn jetzt ein Mann wie Perry Saltzman mitmischt. Der hat eine Nase für Geld und Beziehungen.“

„Dann leugnen wir den Anspruch einfach. Dem königlichen Hof stehen doch bei Weitem andere Mittel zur Verfügung als dieser jungen Frau.“

„Das Risiko ist zu groß. Vergiss nicht, dass andere Länder nur allzu gern territoriale Ansprüche auf Volyarus geltend machen würden. Warum sollten sie nicht versuchen, über diese unbeanspruchten Anteile die Hand auf einen Teil von Volyarus zu legen?“

Ja, warum nicht? Demyan wusste, dass König Fedir genauso wenig wie er selbst zögern würde, einen solchen politischen Vorteil auszunutzen. „Also werde ich sie heiraten, dafür sorgen, dass die Anteile wieder rechtmäßig an den Staat Volyarus zurückfallen, und mich dann wieder scheiden lassen?“, vergewisserte er sich, ob er den Plan seines Onkels richtig verstanden hatte.

„Wenn sie ihrem habgierigen Stiefvater auch nur entfernt ähnlich ist, ja“, antwortete Fedir unverblümt. „Andererseits könnte sie ja auch jemand sein, mit dem du gut klar kommst und dich arrangieren kannst.“

Der zweifelnde Blick des Königs verriet, dass er es nicht für sehr wahrscheinlich hielt. Demyan glaubte auch nicht daran, dennoch war sein Weg vorgezeichnet. Seine Pflicht gegenüber seinem Land und dem Wohl seiner Familie ließ ihm nur eine Wahl: Er würde die kleine Wissenschaftlerin verführen – und heiraten.

1. KAPITEL

Demyan setzte sich noch rasch die schwarz umrandete Brille mit Fensterglas auf, bevor er die Tür zu dem Laborgebäude aufstieß. Die Brille war die Idee seines Onkels gewesen, ebenso wie die graue Armani-Strickjacke, die er über dem lose über der Jeans getragenem Hemd trug. Es war Demyans Idee gewesen, sein Outfit mit Jeans zu komplettieren, denn er wollte möglichst überzeugend den „eifrigen Unternehmer“ verkörpern.

Diese Hosen stellten sich als erstaunlich bequem heraus. Tatsächlich hatte Demyan bisher keine einzige Jeans besessen. Seit er denken konnte, hatte er ja stets das Beispiel für seinen jüngeren Cousin, Kronprinz Maksim von Volyarus, abgeben müssen. Dabei waren sie im Grunde sehr verschieden. Maksim war nicht nur ein mit allen Wassern gewaschener Unternehmer, sondern auch ein gewiefter Politiker. Demyan überließ die Politik lieber den Diplomaten.

Für seine gegenwärtige Aufgabe würde er seinen unerbittlichen Charakter allerdings etwas weichspülen müssen. Und das galt nicht nur für sein äußeres Erscheinungsbild, sondern auch für sein Verhalten! Demyan wollte seine anvisierte Beute schließlich nicht in die Flucht jagen.

Er klopfte flüchtig an die Tür, bevor er das Labor betrat, in dem Chanel Tanner arbeitete. Sie war allein, denn sie arbeitete wie gewöhnlich die Mittagspause durch, wie er bereits aus dem Bericht seines Ermittlers wusste.

Vorsichtig näherte er sich ihrem mit Büchern und Papieren überhäuften Schreibtisch, wo sie konzentriert einen Bericht in ihren Computer tippte. „Hallo“, sagte er leise, um sie nicht zu erschrecken.

Eine unnötige Sorge, wie sich herausstellte, denn Chanel winkte nur mit einer Hand und drehte sich nicht einmal um. „Lassen Sie es einfach auf der Bank neben der Tür.“

„Und was genau soll ich dort lassen?“, fragte er belustigt.

„Das Paket. Müssen Sie wirklich genau wissen, was darin ist? Bisher hat noch keiner gefragt“, murrte sie, während sie etwas auf einem Zettel notierte.

„Ich habe kein Paket. Aber ich habe einen Termin.“

Sofort wirbelte sie in ihrem Schreibtischsessel herum, dass die roten Locken stoben. „Wie? Was? Sie sind Mr Zaretsky?“

Er nickte, beeindruckt, wie perfekt sie seinen Namen aussprach.

„Ich habe Sie erst in einer halben Stunde erwartet.“ Sie sprang auf, wobei sie mit ihrem Labormantel ein Buch vom Stapel auf ihrem Schreibtisch zu Boden fegte. „Außerdem müssten Sie eigentlich zu spät kommen. Unternehmensvertreter, die daran interessiert sind, unsere Forschung zu finanzieren, kommen immer zu spät.“

„Tut mir leid, Sie zu enttäuschen, aber ich bin pünktlich.“ Er kam näher, hob das Buch vom Boden auf und reichte es ihr.

Nachdenklich nahm sie das Buch aus seiner Hand und rümpfte bezaubernd die Nase. „Das habe ich bemerkt.“

„Letztendlich, ja.“

Sie errötete zart, was die hellen Sommersprossen fast verschwinden ließ. „Ich dachte, Sie wären der Paketbote. Er flirtet immer. Ich mag das nicht, weshalb ich ihn so weit wie möglich ignoriere.“

Laut Demyans Recherchen war sie neunundzwanzig Jahre alt und konnte die Anzahl ihrer Dates im vergangenen Jahr an einer Hand abzählen. Da hätte er angenommen, sie würde sich über jeden kleinen Flirt freuen. Was er natürlich nicht sagte. Stattdessen schenkte er ihr das Lächeln, das er immer einsetzte, wenn er eine Frau ins Bett bekommen wollte. „Sagen Sie immer ungefiltert, was Sie denken?“

„Flirten Sie etwa auch mit mir?“ Sie sah ihn erschrocken an.

„Möglicherweise.“ Unbeholfen war wirklich kein Ausdruck für ihre Art.

„Aber warum?“, fragte sie sichtlich irritiert.

„Warum nicht?“

„Ich bin linkisch, was den zwischenmenschlichen Umgang angeht, aber nicht verzweifelt.“

„Sie halten sich für linkisch?“

„Jeder meint, ich wäre im Umgang mit Menschen unbeholfen, vor allem meine Familie. Und da sie alle kein Problem haben, Freunde zu finden und ein reges Gesellschaftsleben zu führen, beuge ich mich ihrer überlegenen Kompetenz auf diesem Gebiet.“

Ich finde Sie bezaubernd.“ Es überraschte ihn, dass er es tatsächlich ernst meinte.

Eine noch größere, aber nicht unliebsame Überraschung aber war es, dass er den „kleinen Wissenschaftsfreak“ unerwartet attraktiv fand. Zwar entsprach sie nicht den Topmodels, mit denen er sich üblicherweise blicken ließ, aber er hätte nur zu gerne gesehen, was sie unter dem unkleidsamen Laborkittel verbarg.

„Das geht manchen Menschen so, aber es verliert sich schnell.“ Sie seufzte niedergeschlagen, straffte im nächsten Moment jedoch die Schultern und gab sich sichtlich Mühe, ihre Gedanken zu verbergen. „Schon gut, ich bin daran gewöhnt. Ich habe meine Arbeit, und nur das ist wirklich wichtig.

Das und vieles mehr hatte er bereits über sie aus den Recherchen erfahren, die er zusätzlich zu dem Dossier seines Onkels in Auftrag gegeben hatte. „Sie brennen für Ihre Arbeit.“

„Sie ist wichtig.“

„Ja, in der Tat. Deshalb bin ich ja hier.“

Ein unerwartet strahlendes Lächeln erhellte ihr Gesicht und brachte ihre grauen Augen zum Leuchten. „Sie ist wirklich wichtig. Und Sie werden es uns ermöglichen, die Parameter unserer gegenwärtige Studie entscheidend zu erweitern.“

„Das ist der Plan.“ Demyan war zu dem Entschluss gelangt, dass es der schnellste Weg sein würde, Chanels Gunst zu gewinnen, wenn er sich ihr als Investor im Auftrag eines großen Unternehmens näherte. Ganz offensichtlich hatte er richtig entschieden.

„Ich frage mich nur, warum Sie persönlich gekommen sind“, meinte Chanel ehrlich.

„Ich dachte, das hätten wir geklärt.“

„Die meisten Unternehmen spenden, ohne vorher jemanden zu schicken, der sich unser Institut ansieht.“

„Stört es Sie, dass Yurkovich Tanner es anders handhabt?“

„Nein, es irritiert mich nur. Ich meine, wie wollen Sie entscheiden, ob dies ein effektives Labor ist? Auch ziemlich windige Betriebe könnten einem Laien ein eindrucksvolles Labor vorgaukeln.“

„Die Universität von Washington ist ja wohl kaum ein windiger Betrieb.“

„Nein, aber Sie wissen schon, was ich meine.“

„Sie haben wirklich kein diplomatisches Gespür, oder?“

„Äh, wie meinen Sie?“

„Nun, im Prinzip haben Sie mich gerade als dumm bezeichnet.“

„Nein!“ Sie schüttelte heftig den Kopf.

„Nichts anderes haben Ihre Worte nahegelegt.“

„Nein, genauso wenig wie ich mich für dumm halte, weil ich stundenlang auf den Motor meines Autos starren und Ihnen doch nicht sagen könnte, wo sich der Katalysator befindet.“

„Er ist unter dem Motor.“

„Wirklich?“

„Gut, ich habe es verstanden. Aber Sie wissen immerhin, dass die Abgasanlage Ihres Autos einen Katalysator besitzt. Und genauso bin ich mit den grundlegenden Fakten der Laborforschung, die Sie hier betreiben, vertraut.“

„Ich weiß ja nur von dem Katalysator, weil der aus dem Auto meiner Mutter gestohlen wurde. Anscheinend ist das bei jugendlichen Rowdys sehr beliebt, weil er sich wegen des Edelmetalls darin gut verkaufen lässt. Mom war stinksauer.“

„Mit gutem Recht.“

„Vermutlich, allerdings finde ich es doch reichlich übertrieben, dass sie sich eine Lizenz zum Tragen einer versteckten Waffe besorgt hat und seitdem eine Pistole in ihrem Handschuhfach liegt. Schließlich saß sie doch nicht im Auto, als die das Ding gestohlen haben“, erzählte Chanel freimütig.

Wider Willen lächelte Demyan belustigt. „Ganz sicher haben Sie da auch recht.“

„Englisch ist nicht Ihre Muttersprache?“, fragte sie ebenso unerwartet wie direkt.

„Das ist richtig.“ Nur dass es selten bemerkt wurde. „Aber ich spreche akzentfrei.“

„Eine Spur zu perfekt.“ Sie betrachtete ihn nachdenklich. „Sie sind aus Volyarus, stimmt’s?“

Autor

Lucy Monroe
<p>Die preisgekrönte Bestsellerautorin Lucy Monroe lebt mit unzähligen Haustieren und Kindern (ihren eigenen, denen der Nachbarn und denen ihrer Schwester) an der wundervollen Pazifikküste Nordamerikas. Inspiration für ihre Geschichten bekommt sie von überall, da sie gerne Menschen beobachtet. Das führte sogar so weit, dass sie ihren späteren Ehemann bei ihrem...
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