Eine Braut für Lord Holt?

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Die Aussicht, einen lieblosen Mitgiftjäger zu heiraten, schnürt der reichen Debütantin Winnifred ebenso die Luft ab wie das unbequeme Korsett, in das ihre Mutter sie zwängt. Aber wie findet man die wahre Liebe? Wie unterscheidet man einen Gentleman von einem Schurken? Um mehr über das Heiratsverhalten von Londons Aristokraten zu erfahren, befragt Winnifred auch den berüchtigten Wüstling Lord Asher Holt. Ein Fehler? Ungewollt erschauert sie sofort sinnlich in seiner Nähe, wie im Rausch genießt sie seine verführerischen Küsse, fühlt sich zum ersten Mal wirklich begehrt. Doch meint ausgerechnet Asher es ernst mit ihr?


  • Erscheinungstag 05.11.2021
  • Bandnummer 135
  • ISBN / Artikelnummer 9783751502382
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

London, Frühjahr 1827

Asher Holt erwachte davon, dass ein weicher, warmer Frauenleib gegen seine Hüfte prallte. Unter dem Schmerz einer nur haarscharf verfehlten Entmannung stöhnend, schob er die üppige Gestalt etwas zur Seite. „Immer schön sachte, Schätzchen, sonst bleibt mein Vollblut heute im Stall.“

Verschlafen blinzelte er zu einem Paar großer grünbrauner Augen hoch, deren Iris von einem warmen Zimtton gerahmt war, und versuchte sich eines Namens zu entsinnen. Doch ihm wollte keiner einfallen. Er streifte seiner unbekannten Gefährtin die zerzauste, süß duftende Mähne rotblonder Locken aus der Stirn und musterte das herzförmige Gesicht, das rundliche Kinn, die rosigen Lippen. Durch eine feine Puderschicht schimmerten vereinzelte Sommersprossen, auf den Wangen formten sich hektische rote Flecken. Ob sie wohl Zitronensaft benutzte, wie so viele andere Frauen es taten, um diese kleinen Schönheitsfehler auszumerzen, fragte er sich zerstreut.

Es wäre schade drum. Er hatte schon immer eine Schwäche für Sommersprossen gehabt.

Andererseits würde sie mit einem solchen Teint in den Augen der Gesellschaft nie als große Schönheit gelten. Und doch … hatte sie etwas an sich. Ein gewisses Etwas.

Das seiner Erinnerung allerdings auch nicht auf die Sprünge half.

Doch was wollte man auch erwarten mit einem solchen Brummschädel? Sein Kopf drohte ihm entzweizuspringen wie eine ausgetrocknete Samenkapsel, und er brachte kaum einen zusammenhängenden Gedanken zustande. Sein Gehirn schien in Watte gehüllt, die sich auch als pelziger Belag auf seine Zunge gelegt hatte.

„Sie sind betrunken“, beschuldigte ihn das hübsche Geschöpf und rümpfte die Nase. „Sie stinken wie ein ganzes Fass Rum.“

Das würde einiges erklären. „Seltsam“, gab er dennoch zurück. „Ich betrinke mich nie.“

„Umso dümmer, ausgerechnet jetzt damit anzufangen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.“

Ungehalten schnaubend schob sie ihn von sich. Das gestattete ihm einen Blick auf eine vierreihige Perlenkette und eine Fülle cremefarbenen Seidentafts, überzogen von einem Netz feinsten Silberlamés, auf dem sich noch mehr Perlen ausbreiteten, ein ganzes Meer winzig kleiner Perlen.

Die geheimnisvolle Fremde sah aus, als sei sie einer Austernbank entstiegen. Oder einer Schatztruhe.

In seinem Hinterkopf regte sich eine Erinnerung. Doch so träge, wie seine Gedanken gerade vorankamen, würde es Tage dauern, bis die Erkenntnis das dichte Wattemeer durchdrungen hätte, das ihm aus Augen und Ohren zu quellen drohte.

Er setzte sich auf, begleitet von einem leichten Schwindelgefühl, und stellte fest, dass er noch immer dieselben Kleider trug wie gestern: Breeches, Mantel, seine alten Reitstiefel. Auch das zerschlissene Interieur der Kutsche kam ihm bekannt vor, die dunkelroten Sitze, die an manchen Stellen schon so fadenscheinig waren, dass sie einen blassen Lachston angenommen hatten.

Seine perlenschimmernde Meerjungfrau zog derweil an den Kordelzügen der Fensterblenden. Er konnte nur hoffen, dass sie dabei hinreichend Fingerspitzengefühl bewies, denn das heruntergekommene Gefährt war nur noch Flickwerk und drohte bei einem falschen Blick zusammenzubrechen. Von einem falschen Handgriff ganz zu schweigen.

Und da, kaum hatte er es gedacht, riss auch schon die struppige Quaste von der Kordel, lag wie ein totes Tier in ihrer behandschuhten Hand, und er wappnete sich gegen alles, was noch kommen mochte. Aber der Wagen hielt der unsensiblen Gewaltanwendung stand.

Ungerührt zog die Unbekannte an der nun nackten Schnur und schälte den brüchigen Stoff vom Fenster. Trübes graues Licht fiel ins Wageninnere und trieb einen neuen Keil in seinen Schädel. Er verzog das Gesicht und zog sich in die hinterste Ecke zurück, während sie hinaus in den feinen Nieselregen blickte, dessen Nässe die Stufen der Kirche dunkel färbte.

Anscheinend konnte sie dem Ausblick ebenso wenig abgewinnen wie er, denn sie wandte sich gleich wieder ab und ihm zu. Die sinnliche Unterlippe zwischen die Zähne gezogen, fing sie seinen Blick auf und starrte ihn flehend an.

Plötzlich überkam ihn ein seltsames Déjà-vu … Aber wer sie war, nein, das wusste er noch immer nicht. Nur, dass sie sich schon einmal begegnet waren, schien ihm jetzt sicher.

„Und?“, sagte sie und gestikulierte ungeduldig zwischen ihnen hin und her. Ihre Lippen teilten sich in atemloser … Vorfreude? Furcht?

Was es auch sein mochte, er fühlte sich beinahe genötigt, einmal tief für sie Luft zu holen. „Was – und?“, fragte er.

„Und worauf warten wir noch?“

Ah. Das verstand er sofort.

Langsam ließ er seinen Blick über ihre üppige Gestalt wandern, ehe er ihn auf die nicht minder opulenten Perlen über ihrem Busen richtete, der sich unter ihren schnellen Atemzügen rasch hob und senkte. Sie konnte bloß eine Kurtisane sein, jung und noch nicht lang im Geschäft, vielleicht auf der Suche nach einem neuen Gönner. Er musste sie, nachdem er sich um Sinn und Verstand getrunken hatte, in seine Kutsche eingeladen haben.

Schade um die verschenkte Gelegenheit. „Verzeih, Süße. Ich kann dich mir nicht leisten, auch wenn ich wünschte, dass dem so wäre. Außerdem vermeide ich es, Arbeit und Vergnügen zu verquicken. Meiner Ansicht nach sollten Sinnesfreuden ein uneingeschränktes Pläsier sein und frei von finanziellen Verpflichtungen.“

Eine steile Falte grub sich zwischen ihre goldbraunen Brauen, und ihre Nase krauste sich. „Was zum …“

Dann blieb ihr der Mund offen stehen, und das Blut schoss in ihre Wangen.

Sie schluckte und rückte in einer Wolke raschelnden Seidentafts von ihm ab. In ihrem silberfarben benetzten Kleid sah sie aus wie eine rotflaumige Raupe kurz vor der Verpuppung.

Doch weit gefehlt. Sichtlich erzürnt schaute sie ihn an und fuchtelte mit dem Zeigefinger vor seiner Nase herum.

„Sie sollten sich schämen. Es würde mir nicht im Traum einfallen, mich als billiges Flittchen oder als … Kurtisane feilzubieten. Jane warnte mich bereits, dass Sie etwas schwer von Begriff seien, aber wie hätte ich ahnen können, dass sie mich einem solchen Hornochsen ausliefert!“ Erneut warf sie einen Blick durchs Kutschenfenster. „Oh je, was jetzt? Ich wusste gleich, dass es ein Fehler ist, aber was hätte ich tun sollen? Ein Zurück gibt es nicht, dafür habe ich gerade gesorgt.“

Asher war bereit, ihr den Hornochsen durchgehen lassen. „Jane?“, fragte er stattdessen. „Welche Jane?“

„Ihre Cousine natürlich!“

Er war sich ziemlich sicher, keine Cousine namens Jane zu haben. Aber vielleicht war sie ihm auch bloß im trüben Sumpf zwischen seinen Ohren abhandengekommen.

Die junge Frau spießte ihn derweil mit einem ungehaltenen Blick auf, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie auf eine Antwort wartete. Als keine kam, schüttelte sie den Kopf. „Ich fasse es nicht. Könnten wir alles Weitere vielleicht während der Fahrt klären? Mein Vater dürfte mein Verschwinden mittlerweile bemerkt haben und wird jeden Moment aus der Kirche gestürzt kommen.“

Die Androhung väterlichen Zorns brachte Leben in Asher. Er rief dem Kutscher zu, dass er losfahren solle. Die Peitsche knallte, der Wagen setzte sich mit einem Ruck in Bewegung und mit ihm das Innere seines Schädels.

Aus verkniffenen Augen riskierte er einen weiteren Blick auf seine Begleiterin. Wenn sie sich aufregte, wirkte der zimtbraune Ring ihrer Iris mehr wie ein Flammenreif um tiefe grüne Seen. Und während er sich in diese Seen versenkte, wurde sein Kopf allmählich klarer.

Er lehnte sich zurück und streckte die Beine aus. Dabei stieß er gegen eine leere Flasche, die über den Boden der Kutsche kullerte und dabei ein paar weitere Erinnerungen in seinem schmerzenden Schädel löste. „Dann ist Ihr Vater wohl ein ziemlicher Tyrann?“

„Wie man’s nimmt. Er wird weder laut noch handgreiflich, wenn etwas nicht nach seinem Willen geht. Aber …“, sie hielt nachdenklich inne, die rosigen Lippen leicht gespitzt, „… er hat ein ziemliches Talent dafür, einem die Worte im Mund herumzudrehen“, fuhr sie dann fort. „Und ehe man es sich versieht, hat man sich seinen Wünschen gefügt, obwohl man das gar nicht wollte.“

Asher nickte mitfühlend, war er doch selbst mit einem Vater geschlagen, der sich meisterlich aufs Manipulieren verstand.

Genau genommen war das der Grund, warum er sich überhaupt in dieser absurden Situation befand. Wenn sein alter Herr nicht wäre, würden nicht Berge von Schulden auf Asher warten, um ihn lebendig unter sich zu begraben. Dunkel entsann er sich an einen aus der Not der Verzweiflung geborenen Plan, der ihn von dieser luziferischen Bürde befreien sollte.

Aber worin genau bestand der Plan?

Er hatte keinen blassen Schimmer, glaubte sich aber an einen vagen Widerwillen ob seines eigenen Tuns zu erinnern. Wobei, nein … Seine Abscheu musste immerhin so groß gewesen sein, dass er versucht hatte, sie mit einer ganzen Flasche Rum zu ertränken! Und dann war er hergefahren, hatte die ganze Nacht hier vor der Kirche gewartet, bis sich ihm am Morgen die Gelegenheit böte … seine letzte Chance …

Nein.

Asher setzte sich jäh auf, als die Erkenntnis kam. Und zuckte sofort wieder zurück, vom trüben Licht des Tages getroffen, das mitten durch die Kutsche schnitt.

Das Gesicht in den Händen vergraben, stöhnte er kurz auf. „Um alle Zweifel aus dem Weg zu räumen“, sagte er dann. „Sie heißen …?“

„Miss Winnifred Humphries.“

„Ja, natürlich.“ Jetzt fiel ihm alles wieder ein.

Sie war die Erbin, die er entführen wollte.

1. KAPITEL

Eine Woche zuvor

Winnifred Humphries hätte sich nie träumen lassen, dass die Summe ihrer Existenz einmal auf Korsetts und Kuchen hinauslaufen würde. Eingeschnürt wie eine Weihnachtsgans beim Nachmittagstee. Fischbein und Hochzeitspläne.

Nachdem sie sich zu Beginn ihrer zweiten Saison verlobt hatte, hoffte sie auf rauschende Ballnächte und lauwarme Limonade. Funkelnde Kronleuchter und Terrassen im Mondschein. Geflüsterte Geheimnisse und verstohlene Küsse.

Aber nichts davon war für etwas mollige, sommersprossige Erbinnen vorgesehen.

Pflichtschuldig und schicksalsergeben schaute sie ihrem Verlobten hinterher, wie er zu seiner neuen Barouche enteilte, deren silberne Beschläge in der Mittagssonne funkelten wie frisch geprägte Münzen. Mr. Woodbine bedachte sie zum Abschied lediglich mit einem zerstreuten Winken, und seine Schritte waren beim Verlassen des prächtigen Stadthauses der Humphries deutlich leichter und beschwingter als bei seinem Eintreffen.

Ihre eigenen Schritte hätten wohl auch leicht und beschwingt sein können, wenn sie bloß richtig durchatmen könnte! Aber Mutter, in ihrem unermüdlichen Streben nach einer schlanken und anmutigen Tochter, hatte Winnifreds Korsett anlässlich des Besuchs von Mr. Woodbine noch fester zurren lassen als sonst.

Was jedoch nichts nützte. Jeden Kuchenkrümel, der ihre Lippen passierte, begleitete er mit einem missbilligenden Blick. Das hatte sie so sehr geärgert, dass sie gleich das ganze Stück aufaß, obwohl sie eigentlich gar keinen Hunger hatte.

Zusammen mit dem Tee blähte jener letzte Trotzhappen sich jetzt zu kontinentalen Dimensionen auf. Das große Land Plumcakia erstreckte sich nun in ihr, und seine Bewohner waren eine wilde Horde, die mit spitzen Speeren Krieg gegen ihre Lunge und ihr Zwerchfell führten.

Die Hand an den Bauch gelegt, flehte sie beide Parteien um Frieden an. Dann begab sie sich zurück in den Salon zu ihren Freundinnen, die ihr gleich das Korsett lockern würden.

Leider hielt auch Mutter sich noch in dem goldfarben tapezierten Raum auf und zupfte an den roten und rosa Rosen in der kobaltblauen Meiping-Vase herum. Ihr scharfer Blick traf Winnifred, und sie schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Ich hatte dich vor dem Pflaumenkuchen gewarnt, meine Liebe.“

Winnifred wechselte vielsagende Blicke mit Jane Pickerington und Elodie Parrish, die artig nebeneinander auf dem chintzbezogenen Kanapee saßen. Ihre Freundinnen waren mit Lady Waldenfields andauernder, wenn auch leider vergeblichen Suche nach Perfektion wohlvertraut.

Vorsichtig ließ Winnifred sich auf die Kante eines gepolsterten Lehnstuhls sinken und achtete darauf, ihre Taille nur ja nicht zu beugen, denn ein berstendes Korsett wollte sie lieber nicht riskieren. Es hätte diesem Nachmittag, der dank Mr. Woodbines Besuch und dem kurz zuvor eingetroffenen Brief schon sorgenvoll genug war, noch die Krone aufgesetzt. Da brauchte es keine umherfliegender Fischbeinspeere mehr, die ihre besten Freundinnen durchbohrten.

Wobei man es natürlich auch so sehen konnte, dass sie, wenn sie ohnmächtig wurde und ihr der Kopf auf den üppigen Busen sank, vielleicht an ihrer eigenen Leibesfülle erstickte und Mr. Woodbine dann nicht mehr heiraten müsste. Damit wäre allen gedient, und Mutter könnte die sterbliche Hülle ihrer Tochter ohne Gegenwehr nach der neuesten Mode einkleiden, die nach einer schmalen, tiefen Taille und zierlichen Puffärmelchen verlangte.

Mit einem flachen Atemzug, der ihr dennoch tief ins Fleisch schnitt, wandte sie sich an ihre Mutter. „Wenn ich mich recht entsinne … waren deine Worte … ‚Nimm dir etwas von dem Kuchen, Liebes. Er ist köstlich.‘“

„Meine Worte, ja. Aber ich hob dabei die Brauen“, erwiderte Lady Waldenfield und machte es vor.

Als Meisterin ihres Fachs verstand sie es, mit dem dezenten Spiel ihrer Brauen ein gehöriges Maß an Tadel auszudrücken, das zudem kaum Falten auf der noch jugendlich glatten Stirn warf. Man mochte kaum glauben, dass Imogene Humphries eine Tochter von zweiundzwanzig Jahren hatte. In ihrem violett karierten Seidenkleid hätte sie, gertenschlank und modisch elegant, auch auf den Seiten von La Belle Assemblée eine gute Figur gemacht. Das Korsett trug sie nur der Form halber, denn eigentlich brauchte sie es nicht, und ihr golden schimmerndes Haar war stets kunstfertig frisiert, was man von Winnifreds Nest aus rotblonden Locken wahrlich nicht behaupten konnte.

Glücklicherweise hatte Mutter es schon vor Jahren aufgegeben, die Mähne ihrer Tochter bändigen zu wollen.

„Da du ihn in nicht einmal einer Woche heiraten wirst“, fuhr Mutter fort, „solltest du etwas mehr auf Mr. Woodbines Befindlichkeiten achten. Dir dürfte kaum entgangen sein, wie er dich jedes Mal, wenn du die Kuchengabel zum Mund führtest, mit wachsendem Missmut musterte. So etwas macht er bei Lady Stanton nicht. Zufälligerweise habe ich die beiden gestern Abend zusammen auf einer Dinnerparty gesehen. Sie trug ein unglaublich elegantes Kleid aus …“

„Dir ist schon bewusst, dass deine Bewunderung der Geliebten meines Verlobten gilt?“, unterbrach Winnifred sie.

Ihre Wangen glühten vor Scham, und in ihrem Bauch rumorte es vor Wut. Ein Vulkan brach aus im Lande Plumcakia, begrub alle Eingeborenen unter heißen Lavaströmen und brannte ihr in der Kehle. Winnifred schluckte und wagte kaum, den Blick vom goldenen Intarsienschmuck des zierlichen Tischchens vor sich zu heben und ihre Freundinnen anzuschauen.

„Hab dich nicht so“, beschied Mutter sie. „So ist das eben in unseren Kreisen. Mr. Woodbine und Lady Stanton kannten sich schon, als von dir noch keine Rede war. Sie war eine arme, kinderlose Witwe, seine Familie hat sich gegen die Heirat gestellt. Was blieb ihm anderes übrig? Niemand wäre so naiv zu glauben, dass er sie jetzt fallen lässt, bloß weil er eine junge Frau mit stattlicher Mitgift heiratet.“

Winnifred fühlte sich so begehrenswert wie ein Rupfensack voller Golddukaten, den ein Straßenräuber bei Nacht und Nebel davonschleppte. Wie charmant, daran erinnert zu werden, dass man bloß Mittel zum Zweck war – das praktische, wenn auch wenig attraktive Behältnis, in dem ein Vermögen von einer Hand in die andere wechselte.

Sie müsste schön dumm sein, wenn sie glauben würde, dass er sie aus Zuneigung heiratete. Mr. Woodbine hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er ihre Gegenwart eher als Zumutung empfand.

Ihr Vater war es, der die Verbindung arrangiert hatte. Winnifreds Einwänden wurde keine Beachtung geschenkt, als Viscount Waldenfields Wahl auf Mr. Woodbine fiel, der, an dritter Stelle in der Erbfolge eines Herzogstitels stehend und mittellos genug, um leichte Beute zu sein, genau der Richtige schien.

Zu allen anderen Enttäuschungen ihres Lebens gehörte auch die Erkenntnis, dass Heiraten nichts weiter als eine Pflicht war, die man seiner Familie schuldete. Warum sehnte ihr törichtes Herz sich dann noch immer nach Liebe? Nach einem Mann, der sie um ihrer selbst wollte und nicht wegen ihres Vermögens?

„Na, na. Deshalb brauchen wir doch nicht gleich einen Flunsch zu ziehen.“ Mutter kam zu ihr, um am linken Fledermausärmel von Winnifreds chromgelbem Kleid herumzuzupfen, bis der linke sich exakt so bauschte wie der rechte. Dann hob sie die nach Rosenwasser duftende Hand an Winnifreds Wange und sah ihre Tochter mit ernster, ungewohnt sanfter Miene an. „Ich versuche lediglich, dich vor unangemessen romantischen Gefühlen zu bewahren. Dir ist doch gewiss klar, dass auch ich einst eine junge, vermögende Braut war? Glaub mir, es ist besser, vorher zu wissen, worauf man sich einlässt, als mit jedem Ehejahr neuerlich enttäuscht zu werden.“

Ganz kurz glaubte Winnifred, ihre eigene Sehnsucht in den Augen ihrer Mutter gespiegelt zu sehen.

Dann drückte Imogene Humphries wieder das geschmeidige Kreuz durch und winkte Jane und Ellie mit eleganter Hand zu. „So, Mädchen, dann lasse ich euch mal allein. Und lasst euch nicht von Winnifred dazu überreden, ihr Korsett zu lockern. Sie hat schon den ganzen Tag ihre Dienerin mit Konfekt zu bestechen versucht. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, unsere Winnifred bis nächste Woche in perfekter Brautform zu haben.“

Sie zwinkerte den beiden zu, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Salon.

Sobald sie weg war, ließ Winnifred sich in ihren Stuhl zurücksinken, ihre zerdrückte Tournüre das perfekte Sinnbild aller geplatzten Träume. „Bleibt bloß noch zu hoffen, dass die Welt bis nächste Woche untergeht. Liegt London zufällig auf einem Vulkan?“

Ellie beugte sich vor und blies den dunklen Pony aus ihrer Stirn. Sie hielt nur selten mit ihren Gefühlen hinterm Berg, und ihre hellbraunen Augen glühten wie Bernstein, ihre Wangen waren noch rosiger als sonst. „Winnie“, sagte sie, „du kannst Mr. Woodbine unmöglich heiraten.“

Können könnte sie schon“, fügte Jane in ihrer logischen Art hinzu und nickte, dass die feinen braunen Löckchen in ihrem schiefen Haarknoten wippten. „Nur wäre es sehr unklug und würde ihr wohl den Rest ihres Lebens zur Hölle machen.“

„Danke“, sagte Winnifred trocken. „Gut zu wissen, dass meine Freundinnen so sehr um meine Gefühle besorgt sind.“

„Prue wäre unserer Meinung, wenn sie jetzt hier wäre. Wo bleibt sie überhaupt? Heute treibt sie es mit ihrer Unpünktlichkeit wirklich auf die Spitze.“

„Prue kommt nicht. Wisst ihr das denn nicht?“ Winnifred schaute zwischen ihren Freundinnen hin und her. „Oh je, dann ist es doch schlimmer als ich dachte.“

„Wovon redest du?“ Jane sah sie unter dunklen Wimpern hervor fragend an.

Neben ihr stieß Ellie einen Laut des Entsetzens aus. Alle Farbe wich aus ihrem sonst so strahlenden Gesicht. Sie war kreidebleich. „Etwas Schreckliches ist passiert. Ich kann es spüren … Ja … dunkle Kräfte weilen unter uns.“

Ellie neigte dazu, überall Tod und Verderben zu sehen. Ihre Furcht vor dem Jenseits war nur unwesentlich kleiner als Mutters Horror davor, Winns Korsett zu lockern.

„Nein, nein. Prue ist bloß …“ Winnifred versuchte unbeschwert zu klingen und sich nichts anmerken zu lassen, bis sie es mit Sicherheit wusste. „Prue ist ganz kurzfristig verreist.“

Der Himmel stehe uns bei! Genau das haben meine Tanten zu mir gesagt, als ich klein war und mein Kanarienvogel eines Morgens verschwunden war. Ein paar Tage später hat der Hund des Gärtners Goldie unter dem Rosenkohl ausgebuddelt.“

Winnifred verschwendete einen kostbaren Atemzug, um tief zu seufzen. „Nur dass ich damit nicht sagen wollte, Prue sei von uns gegangen. Sie ist wirklich verreist.“

„Wäre Prue etwas passiert, würde Winnie es uns wohl schon vor dem Tee gesagt haben.“ Jane schüttelte den Kopf. „Sie hätte es uns gleich an der Tür schonend beigebracht, die Diener mit Riechsalz in Reichweite, sollten wir ohnmächtig werden. Wobei mir einfällt …“

Sie bückte sich nach ihrer Tasche, einem Ungetüm mit rotem Paisleymuster, das sie sich nun auf den Schoß hievte, um in den unergründlichen Tiefen zu kramen. Jane war berühmt dafür – oder wohl eher berüchtigt, je nachdem –, stets für alle Eventualitäten gewappnet zu sein.

„Ah. Hier haben wir es“, verkündete sie und hielt ein kleines braunes Fläschchen hoch wie einen Siegerpokal. Nachdem sie den Stopfen gezogen hatte, wedelte sie Ellie damit unter der Nase herum. „Meine neueste Komposition. Ich habe sie mit Lavendel angereichert. Belebend, aber mit einer durchaus angenehmen Note. Was sagst du dazu?“

Ellie hustete und gab ein unverbindliches Gemurmel von sich. Janes Erfindungen waren meist recht … speziell.

Während ihre Freundinnen abgelenkt waren, beschloss Winnifred, den Brief zu holen, der auf dem schmalen Schreibschränkchen am anderen Ende des Salons lag. Beim Aufstehen hielt sie vorsichtshalber die Luft an, doch schon gaben ihre Kleider eine ganze Folge knarrender Laute von sich, die entweder vom baldigen Bersten der Nähte kündeten, wenn nicht gar davon, dass dem baumstammdicken Fischbeinstab, der das Korsett und sie zusammenhielt, plötzlich ein neuer Ast wuchs. Irgendwie gelang es ihr, sich ohne verheerende Zwischenfälle aufzurichten und den Raum zu durchqueren.

Mit dem Brief in der Hand kehrte Winnifred zu ihren Freundinnen zurück.

„Der traf kurz vor euch ein, weshalb mir noch kaum Zeit blieb, seinen Inhalt zu verdauen.“ Genau wie den Pflaumenkuchen, dachte sie und ließ sich achtsam wieder auf ihrem Stuhl nieder. „Prudence schreibt: ‚Liebste Winnie, bitte entschuldige meine Sauklaue. Ich schreibe dir dies in größter Eile, weil ich noch heute Morgen fortmuss! Wahrscheinlich werde ich nicht rechtzeitig zu deiner Hochzeit zurück sein, und das nur wegen eines blöden Missverständnisses. Die Sache ist die, dass Vater mich gestern Abend in den Gärten von Sutherfield Terrace erwischt hat … und ich nicht so allein war, wie ich es hätte sein sollen.‘“

Ellie schnappte nach Luft. „Gütiger Himmel! Sie wird mit einem Mann zusammen gewesen sein.“

„Ja, was denn sonst“, sagte Jane. „Aber die viel wichtigere Frage ist doch, mit wem war sie zusammen und in welcher Situation fand man sie vor?“

„Eins ist jedenfalls klar – ein Gentleman kann es kaum gewesen sein“, überlegte Ellie laut. „Sonst müssten ihre Eltern sie nicht wegschicken.“

„Aber hätte man ihn nach Sutherfield Terrace eingeladen, wenn er kein Gentleman wäre?“

Winnifred räusperte sich. „Bevor ihr beiden weiter spekuliert, könnte ich euch, solange ich noch etwas Luft habe, euch auch einfach den Rest vorlesen.“

Jane setzte sich mit einer ungeduldigen Geste auf. „Wir entwickeln bloß erste Hypothesen. Aber bitte, lies weiter.“

Winnifred suchte in dem hastigen Gekrakel nach der Stelle, wo sie stehen geblieben war. „Moment … große Eile … nicht zu deiner Hochzeit … in den Gärten von … ah ja, hier geht es weiter: ‚Und jetzt droht mein Vater damit, mich ins Kloster zu stecken. Meine Mutter konnte ihn zum Glück just heute Morgen noch dazu überreden, mich stattdessen zu Onkel und Tante zu schicken. Die beiden sind allerdings so fad und verknöchert, dass es am Ende auf dasselbe hinauslaufen wird. Du musst mir glauben, liebste Winnie, dass nichts, aber wirklich gar nichts, von Bedeutung zwischen mir und Lord F. vorgefallen ist. Ich bin nicht mal in ihn verliebt, kein bisschen. Oh verflixt, jetzt ruft Mutter nach mir. Ich melde mich noch mal ausführlicher von unterwegs. Von Herzen, deine Prudence Thorogood.‘“

„Die arme Prue!“, rief Ellie aus. „Auf dem Höhepunkt der Saison fortgeschickt zu werden. Glaubt ihr, dass dieser … Lord F. sie verführt hat?“

Jane spitzte die Lippen. „Wenn nicht verführt, so dürfte die Situation doch so brisant gewesen sein, dass ihre Eltern Anlass zur Sorge hatten, es könne bloß noch eine Frage der Zeit sein. Und da sie nicht mit einem Heiratsantrag rechnen, kann dieser Lord F. nur ein ausgemachter Wüstling sein.“

Winnifred dachte an ihre überschaubare Erfahrung mit Anträgen und daran, wie ihr beim Abendessen mitgeteilt wurde, dass sie verlobt sei. Bei Suppe und Kalbshirn. Nicht annähernd so aufregend wie ein Skandal im Garten.

Sie wünschte sich, dass so etwas einmal, nur ein einziges Mal, auch ihr passierte. Dass ein Mann völlig verrückt nach ihr war und sich mit ihr in den Garten stahl. Oder sie zumindest mit verlangendem statt mit abfälligem Blick betrachtete.

Mr. Woodbine würde sie nie auf diese Weise anschauen. Zwischen ihnen war nicht der Hauch von Leidenschaft. Und doch war sie dazu verdammt, ihn in einer Woche zu heiraten.

Sie stand wieder auf, fort von der Umklammerung des Stuhls. Aber sie fühlte sich noch immer gefangen und glaubte zu ersticken.

Sie fächelte sich mit dem Brief Luft zu und versuchte ihre Gedanken auf Erfreulicheres zu richten. „Aber was, wenn dieser Mann … Prue wirklich mag? So sehr, dass er, ach, was weiß ich … keinen Gedanken mehr daran verschwendet hatte, ob man sie entdecken könnte oder nicht. Und wenn er nun nach diesem Abend mit ihr ein anständiger Mensch werden und sie unverzüglich heiraten will?“

Janes feine Brauen schnellten in die Höhe, in ihren Augen blitzte der Schalk. „Was du dir immer vorstellst, Winnie.“

„Nein, ich meine das völlig ernst. Woher will Prue – oder woher sollten wir – denn seine Absichten kennen? Es ist ja nicht so, als würden Debütantinnen auf dem Pensionat über das Verhalten heiratswilliger Gentlemen aufgeklärt.“

„Das gäbe doch ein gutes Lehrbuch ab: Einführung in das Heiratsverhalten des gebürtigen Aristokraten“, sagte Ellie und lachte.

„Eigentlich ist das gar keine so schlechte Idee.“ Winnifred merkte, wie ihr ahnungsvolle Schauer über den Rücken liefen. Sie bekam vor Aufregung eine richtige Gänsehaut. „Jane redet doch schon ewig davon, dass sie ein Buch schreiben möchte.“

„Werde ich auch. Und?“

„Dann schreib doch einfach das! Stell dir nur vor, welche Hilfe es den Frauen wäre. Zu wissen, an welchen Zeichen man erkennt, ob ein Gentleman heiratswillig ist – oder eben nicht.“

„Es mag dir entgangen sein, aber ein Mauerblümchen wie ich hat weder viel Erfahrung mit Gentlemen noch mit Wüstlingen.“

„Dann sollten wir das vielleicht nachholen.“

„Winnie, du bist wirklich skandalös!“ Ellie grinste, und ihr Gesicht strahlte vor Aufregung.

Jane klopfte sich mit einem Zeigefinger an die Lippen. „Wenn ich so nachdenke, ist unsere liebe Prue ja längst nicht die einzige Debütantin, die man nach einem solchen Vorfall fortgeschickt hat …“

Winnifred nickte in atemlosem Eifer. „Es ist eine richtige Landplage. Bestimmt gibt es jede Saison Dutzende von uns, die der irrigen Annahme erliegen, man würde ihnen mit ehrlicher Absicht den Hof machen.“

„Und nicht nur das“, pflichtete Jane ihr bei. „Wenn wir das Geheimnis lüften könnten, was die Brautwerbung eines ehrenwerten Gentlemans vom betörenden Charme des Wüstlings unterscheidet … Stellt euch nur mal vor, welchen Wissensvorsprung uns das verschaffte!“

„Den brauchst du dann gar nicht mehr, es sei denn, du willst dich als Wahrsagerin betätigen“, bemerkte Ellie trocken. „Aber im Ernst, wie willst du an dieses Wissen gelangen, du größte Gelehrte unserer Zeit?“

„Wir werden alle drei zusammenarbeiten müssen. Oder vielmehr wir beide, da Winnie ja kommende Woche heiratet und dann erst mal in die Flitterwochen entschwindet.“

„Ich fahre nicht in die Flitterwochen.“ Winnie spürte, wie es ihr schon wieder die Luft abdrückte. Nur, dass es diesmal nicht am Korsett lag. „Sowie er meine Mitgift sicher hat, möchte Mr. Woodbine sich ein herrschaftliches Anwesen zulegen. Was heißt, dass ihr für das Lehrbuch auf mich zählen könnt.“

Jane neigte bedächtig den Kopf. „Hat er nicht schon ein Haus?“

„Ja, hat er, aber wir sind übereingekommen, dass es besser wäre, getrennt zu leben. Meine Eltern bewohnen ja auch verschiedene Etagen, um sich nicht unnötig über den Weg zu laufen. Das ist praktisch wie zwei Häuser. Und für die beiden funktioniert das ganz prima.“

Um Gleichmut bemüht, wandte sie sich ab und trug den Brief zurück zum Schreibtisch.

„Und das möchtest du wirklich – ein solches Leben führen?“, fragte Ellie.

„Ich habe nicht vor, wie eine goldene Uhr an Mr. Woodbines Westenzipfel zu hängen. Von mir aus kann er sein Haus und seine Geliebte behalten, wenn ich dafür zum ersten Mal in meinem Leben gewisse Freiheiten erhalte.“

„Freiheit dürfte wohl das entscheidende Wort sein“, verkündete Jane und erhob sich gleichfalls.

Wie ein Blitz in geblümtem Musselin glitt ihre elfengleiche Gestalt zur Tür. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass draußen niemand war, schloss sie die beiden weiß lackierten Flügel und kehrte an ihren Platz zurück, um abermals in ihrer Tasche zu wühlen.

Winnifred wechselte einen fragenden Blick mit Ellie, die aber bloß mit den Schultern zuckte und dann schnell zur Seite schaute, als ob sie im Bilde wäre, was hier gespielt wurde, es aber nicht verraten wolle.

„Und hier haben wir es!“, rief Jane triumphierend. Sie brachte ein Metronom zum Vorschein, das sie mitten im Raum auf den Boden stellte und einen schnellen Takt schlagen ließ.

„Möchtest du uns mit einem kleinen Ständchen beglücken?“, fragte Winnifred.

Jane nahm sie bei der Hand und geleitete sie feierlich an ihren Platz. „Wir wollen nur vermeiden, dass jemand mithört.“ „Genau“, fügte Ellie ungewohnt ernst hinzu. „Unser Plan ist zu wichtig, um ihn von heimlichen Lauschern durchkreuzen zu lassen.“

Verwirrt schaute Winnifred zwischen ihren Freundinnen hin und her. „Was für ein Plan?“

Jane setzte sich, zerstreut, wie sie nun mal war, auf den flachen Tisch, doch ihre Miene war so resolut, als wüsste sie genau, was sie tat. „Unser Plan, dich vor der Heirat mit Mr. Woodbine zu bewahren. Er …“

„Hat dich nicht verdient“, warf Ellie ein und reckte rebellisch die Faust.

„… hat sich taub für jeden deiner Wünsche gezeigt“, fuhr Jane unbeirrt fort. „Willst du wirklich jemanden heiraten, der …“

„Ein eingebildeter Fatzke ist, den nur dein Vermögen interessiert?“

„Ellie, bitte!“ Jane warf ihrer Freundin einen scharfen Blick zu. „Ich habe noch den ganzen Morgen über an der Ausarbeitung gefeilt, und wenn du so weitermachst, kommen wir über Seite eins nicht hinaus.“

„Dann spring doch gleich bis zu der Stelle vor, wo Winnifred am Tag ihrer Hochzeit aus der Kirche türmt und sich in der Kutsche deines Cousins auf die Flucht begibt.“

„Wie bitte?“

„Jetzt siehst du, was du angerichtet hat. Wir wollten Winnifred doch schonend darauf vorbereiten, und du springst einfach vor zu Seite drei.“ Kopfschüttelnd holte Jane ihr zusammengefaltetes Manuskript aus der ominösen Tasche und blätterte vor zu besagter Stelle.

Eine flüchtige Skizze zeigte eine Gestalt in glockenförmigem Kleid, die durch ein Kirchenfenster schlüpfte, das … „Sind das Flammen, die aus dem Fenster schlagen? Ihr habt vor, die Kirche in Brand zu stecken?“

Jane betrachtete stirnrunzelnd die Zeichnung. „Natürlich nicht. Das sollen Tauben sein.“

Winnifred schaute genauer hin, konnte aber beim besten Willen keine Tauben erkennen. „Und das auf meinem Kopf ist dann ein Vogelnest?“

„Nein, das sind deine Haare, das sieht man doch. Ich hatte deine Flucht so geplant, dass wir zwei Dutzend Tauben in der Kirche freilassen, was eine heillose Verwirrung schafft, inmitten derer du dich dann aus dem Fenster stehlen kannst. Wie du siehst, habe ich den Ablauf hier genau festgehalten …“

„Ich kann doch nicht von meiner eigenen Hochzeit weglaufen.“

„Genau genommen kannst du alles, wenn du es nur möchtest“, beschied Jane sie streng. „Es ist deine Entscheidung“, fuhr sie in milderem Ton fort. „Wir leben nicht mehr im Mittelalter, sondern im neunzehnten Jahrhundert.“

Ellie pflichtete ihr hastig bei. „Winnie, mir ist der Gedanke unerträglich, dass du einen Mann heiratest, der bei allem, was du sagst oder tust, missbilligend dreinschaut, und der sich zudem weigert, mit dir in die Flitterwochen zu fahren, obwohl du schon dein ganzes Leben darauf wartest, endlich etwas von der Welt zu sehen.“

Es stimmte, dass Mr. Woodbine vielem, wofür Winnifred sich interessierte, wenig bis nichts abgewinnen konnte. Nicht einmal in den Hyde Park wollte er mit ihr fahren!

Sie versenkte sich in die Betrachtung der Zeichnung. „Aber stellt euch nur mal vor, welche Blamage das für meine Eltern wäre. Mein Lebtag habe ich sie schon enttäuscht, erst, weil ich ein Mädchen war, dann weil auch sonst alles an mir nicht stimmte. Jetzt kann ich doch wenigstens meiner letzten Pflicht als Tochter nachkommen und mich ohne Skandal verheiraten.“

Ellie schnaubte. „Die beiden müssen den grässlichen Woodbine ja nicht ertragen. Du schon.“

„Aber vor meiner eigenen Hochzeit davonzulaufen …“

„Auf Seite vier habe ich die möglichen Szenarien mal durchgespielt.“ Jane klopfte mit dem abgekauten Ende ihres Bleistifts auf die dichtbeschriebenen Bögen. „Und so, wie ich das sehe, wäre dir mit der Heirat am wenigsten gedient. Ansonsten dürftest du wenig zu verlieren haben. Schließlich hält dein Vater nicht viel vom Reisen und verlässt London bloß, um auf seinen Landsitz zu gelangen. Ich halte es folglich für sehr unwahrscheinlich, dass sie dich fortschicken, so wie Prues Eltern es getan haben.“

„Weil sie andere Methoden haben, um einen zu strafen. Schweigen zum Beispiel. Mein Vater beispielsweise hat seit zehn Jahren nicht mehr mit seiner Schwester gesprochen. Er wechselt ja kaum ein Wort mit meiner Mutter. Ich glaube, er würde mich konsequent kaltstellen – und es würde ihm überhaupt nichts ausmachen.“

„Wenn du mich fragst, so haben deine Eltern dich nicht verdient“, erklärte Jane. „Sie zeigen dir zumindest nicht, dass du ihnen etwas bedeutest. Am liebsten würde ich meine Eltern bitten, dich zu adoptieren. Bei elf Kindern kommt es auf ein weiteres nun wirklich nicht an. Wahrscheinlich würden sie nicht mal merken, dass noch jemand Neues durchs Haus rennt.“

Ellie griff nach ihrer Hand. „Meine Tanten haben dich auch von Herzen gern. Du könntest jederzeit zu uns kommen, wenn Jane sich mal wieder tagelang in ihren Büchern verkriecht.“

Winnifred lachte gerührt und merkte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Sie konnte von Glück sagen, wenigstens solch wunderbare Freundinnen zu haben.

Dennoch, die Liste möglicher Szenarien auf Seite vier erschreckte sie doch sehr. Sie wollte nicht so viele Unbeteiligte ins Chaos stürzen. Und wer konnte ihr garantieren, dass ihr danach ein besseres Leben beschieden war? Oder dass sie Liebe fand?

Am Ende wäre der ganze Skandal umsonst, und es stellte sich heraus, dass kein Mann sie ohne Aussicht auf ihr Vermögen würde lieben können. Und vielleicht ja nicht mal dann. Sie konnte gut und gern darauf verzichten, ihre schlimmste Befürchtung bestätigt zu finden.

Kopfschüttelnd legte sie den Plan beiseite. „Ich kann das nicht. Oder vielmehr, ich werde das nicht tun.“

So. Jetzt hatte sie es gesagt. Ein Machtwort gesprochen.

Sie wartete, ob sich ein Gefühl der Erleichterung einstellen würde. Weil sie das Richtige getan hatte. Aber nichts dergleichen geschah.

Stattdessen glaubte sie schon wieder zu ersticken. So sehr, dass sie sich wirklich wünschte, ihr Korsett würde bersten. Sie wollte sich Luft in die Lungen saugen, wollte frei atmen. Aber Mutter hatte ihre Kleider gleich mit doppelter Naht anfertigen und mit Bruststreckern ausstatten lassen, sodass sie in ihnen feststeckte wie in einem Käfig.

„Verstehe“, sagte Jane langsam und faltete die Seiten wieder zusammen. „Wir stehen dir natürlich zur Seite, wie auch immer du dich entscheidest.“

Ellie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und zwang sich zu einem Lächeln. „Dann konzentrieren wir uns jetzt einfach auf unser Buchprojekt.“

Jane versenkte den Plan in den Tiefen ihrer Tasche und holte ein kleines Notizbuch hervor. „Wir fangen am besten damit an, die Namen aller Männer zu notieren, die wir kennen und überlegen uns, was wir über sie wissen. Das verschafft uns eine solide Basis, von der aus wir weiterarbeiten können. Jede von uns übernimmt bestimmte Aufgaben und schreibt dann auf Grundlage der gesammelten Erkenntnisse die entsprechenden Kapitel.“

„Ich erkläre mich bereit herauszufinden, wer dieser schändliche Lord F. sein könnte. Das bringt uns bestimmt schon auf einige Ideen“, verkündete Ellie.

„Winnie, du könntest uns doch sicher ein wenig Einblick verschaffen, was junge Frauen in der Hochzeitsnacht erwartet“, schlug Jane vor, mit rein wissenschaftlichem Interesse und ohne auch nur den Hauch des Errötens.

Ellie hingegen schoss das Blut in die Wangen. „Jane!“, rief sie. „Du kannst sie doch unmöglich danach fragen!“

Winnifred hätte schwören können, dass sie selbst knallrot angelaufen war.

„Ich … ich bin mir sicher, dass es kein Vergnügen ist“, stammelte sie. „Mutter meinte zu mir, die erste Nacht im Ehebett müsse ich mir vorstellen wie damals, als unser Kutschenrad brach und wir uns das letzte Stück zu unserem Landsitz in die volle Postkutsche zwängen mussten – eine schwitzige, unangenehme Angelegenheit, bei der man ständig angerempelt wird und den heißen Atem einer anderen Person im Gesicht hat.“

Ellie schüttelte sich.

Jane schrieb eifrig mit.

Und Winnifred … Wenn sie ehrlich war, wollte sie nicht weiter darüber nachdenken, bis es sich nicht mehr vermeiden ließ.

„Mein Beitrag zu unserer Recherche könnte darin bestehen, dass ich mich unter verheirateten Bekannten umhöre und herausfinde, was sie vor den Altar geführt hat“, bot sie an.

Aber sie wusste jetzt schon, zu welchem Ergebnis sie gelangen würde – dass viele Gentlemen für Geld schlicht zu allem bereit waren.

2. KAPITEL

Für Geld würde Asher Holt seine Seele verkaufen … wenn er denn noch eine hätte. Aber dieser flüchtige Hort von Hoffnung und Moral war ihm schon vor Jahren abhandengekommen. Ungefähr zu der Zeit, als er sich die Gewohnheit zugelegt hatte, nur noch schwarze Krawatten zu tragen.

Er trug sie als Zeichen der Trauer um das hoffentlich nicht mehr allzu ferne Ableben seines Vaters. Leider erfreute sich der Marquess of Shettlemane noch immer guter Gesundheit, und seine Lebensgeister dürften jedes Mal, wenn er seinen einzigen Sohn um Geld anging oder ihn um solches brachte, neue Kraft schöpfen.

Wenn er so weitermachte, wurde er noch unsterblich.

Aber zumindest würde es bald mit Ashers ständiger Sorge vorbei sein, seine Tage wegen der Schulden und Betrügereien seines Vaters irgendwann im Fleet-Gefängnis fristen zu müssen.

Die Uhr schlug elf, und Asher atmete erleichtert auf, als er einen Mann im weinroten Rock an der Tür zum Billardzimmer des White’s auftauchen sah. Lord Berryhill, der in vielem an ein aufgeschrecktes Pferd erinnerte, ließ den Blick über die Spieler huschen, die mit dem Queue ihr Glück versuchten, und über jene, die über Schach- und Backgammonbretter gebeugt saßen, bis er schließlich Asher an einem der Kaminplätze entdeckte.

Berryhill nickte ihm zu und kam angetrabt. Mit steifen, nervösen Bewegungen ließ er sich auf dem Sessel gegenüber nieder und schob eine Zeitung über den Tisch. „Da ist alles drin“, flüsterte er.

Wie ein alter Trickbetrüger fischte Asher mit geübten Fingern das Geld zwischen den Seiten hervor und ließ es in seinem Hemdsärmel verschwinden.

„Wollen Sie denn nicht nachzählen?“ Berryhill schluckte schwer und zerrte an seiner weißen Krawatte. Sein rechtes Knie schoss auf und ab wie der Kolben einer Dampfmaschine. Der Mann war ein wahres Wunderhorn nervöser Ticks.

Beim Kartenspiel hätte Asher ihm ein Vermögen abknöpfen können.

Auf seine gewohnt unnahbare Art zuckte er mit den Schultern, strich die Zeitung glatt und begann sie zu lesen. „Ich gehe davon aus, dass alles seine Richtigkeit hat.“

Das stimmte nicht ganz, denn Asher hatte das Geld sehr wohl gezählt. Während andere Jungen seines Alters auf Vaters Knien erste Bekanntschaft mit Philosophie und Religionslehre schlossen, hatte er erste Lektionen in Glücksspiel und Geldgier erhalten. Jahre der Übung hatten ihn gelehrt, beim bloßen Durchblättern mit dem Daumen einen Schein vom anderen zu unterscheiden. Diese Fähigkeit beherrschte er selbst dann, wenn das Geldbündel gefaltet in einer Zeitung lag.

Bereits im zarten Alter von sechs Jahren hatte er verinnerlicht, dass man, wenn es um Geld ging, keinem Menschen trauen durfte. Schon gar nicht dem eigenen Vater.

Berryhill rutschte an die Kante des Sessels vor und tupfte sich den Angstschweiß von der Stirn. Wieder musste Asher an ein scheuendes Pferd denken. „Hören Sie, Holt. Sie sind ein guter Mann. Oder zumindest besser als ich annahm. Es war das erste Mal, das ich gewettet habe, und als mein Pferd verlor, machte ich mir Sorgen, Sie könnten noch mehr aus mir herauszupressen versuchen. Zum Beispiel mit der Drohung, es meiner Mutter zu erzählen oder dergleichen. Man weiß schließlich, was Ihr Vater für ein Gauner ist, ein Halunke und Betrüger, der sein Wort … nun ja …“

Während die Worte nur so aus Berryhill herauspurzelten, musterte Asher sein Gegenüber kühl über den Rand der Zeitung hinweg, bis der andere seinen Mund über dem fliehenden Kinn zuklappte und jäh verstummte. Seine Wangen färbten sich rot, dann wurde er blass. Schließlich sprang er auf und wischte die feuchten Hände an den Hosenbeinen ab.

Was er über Ashers Erzeuger gesagt hatte, war zwar zutreffend, wenn nicht sogar eine Untertreibung. Wer den Marquess of Shettlemane einmal in voller Fahrt erlebt hatte, würde dieses Vergnügen sein Lebtag nicht vergessen.

Dennoch war es schlechter Stil, um nicht zu sagen ein Affront, jemandes Vater zu beleidigen.

„Wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfte“, bemerkte er, ehe dieses aufgeblasene kleine Pony ihm davonflitzen konnte.

Jetzt trat Panik in Berryhills Augen. „Ich wollte Sie keineswegs beleidigen.“

„Dann sollten Sie sich das nächste Mal, wenn Ihnen die Nerven durchgehen und Sie Ihre Worte nicht mehr im Zaum halten können, vielleicht rechtzeitig vom Tisch entfernen. Es könnte Ihnen einiges an künftigem Ärger ersparen.“

Berryhill schluckte und saugte mit einem schlürfenden Geräusch Luft durch seinen Überbiss. Mit zitternder Hand tippte er sich an den Hut und sah dann zu, dass er davonkam.

Von einer Mischung aus Irritation und Selbsthass erfüllt, atmete Asher hörbar aus. Er griff nur ungern auf Drohungen zurück. Es erinnerte ihn zu sehr daran, was sein Vater tun würde.

Doch wenn alles nach Plan lief, bräuchte er nie mehr zu wetten oder sich für Geld zu erniedrigen.

Wenn alles nach Plan lief, würden er und seine beiden Mitstreiter bald reich sein wie Krösus – aber nur, wenn er seinen Teil der Abmachung einhielt. Und es war mal wieder verdammt knapp geworden, denn das Schiff stach bereits morgen in See.

Die gegen Berryhill gewonnene Wette hatte ihm nun endlich das benötigte Geld verschafft. Asher war noch andere Wetten eingegangen, hatte heimlich gespielt, immer darauf bedacht, dass es sich ja nicht herumsprach.

Sein Vater hatte einen untrüglichen Riecher dafür, wo Geld zu holen war, um es dann sogleich wieder zu verprassen. Um seine unersättliche Gier zu befriedigen, schreckte Shettlemane vor nichts zurück. Er log und betrog, dass sich die Balken bogen. Erfand immer neue Geschichten, um sein Verhalten zu rechtfertigen, zerstörte Existenzen ohne Rücksicht auf Verluste. Und wann immer er sich mit den Konsequenzen seines Tuns konfrontiert fand, musste Asher für ihn die Kastanien aus dem Feuer holen.

Aber damit ist jetzt Schluss. Zum ersten Mal seit Kindertagen empfand Asher wieder so etwas wie Hoffnung.

Morgen würde er in eine bessere Zukunft aufbrechen, seinen Vater hinter sich lassen. Eine solche Chance würde sich vielleicht nie wieder bieten. Asher könnte ein Vermögen machen und hätte für dieses und die nächsten zehn Leben ausgesorgt. Nie wieder würde er den maßlosen Forderungen seines Vaters nachgeben, damit wäre ein für alle Mal Schluss.

Dabei hatte er seine Freunde, als sie ihm von ihrem Vorhaben erzählten, zunächst ausgelacht. Die Hollander-Zwillinge – auch bekannt als Numero eins und Numero zwei – waren ziemliche Einfaltspinsel, daher erschien es ihm mehr als fraglich, ob die Schatzkarte, die sie in ihrer kürzlich erworbenen Jagdhütte entdeckt hatten, echt war.

Schließlich hatte Asher sich aber doch bereit erklärt, die Authentizität der Karte zu prüfen, und als sich herausstellte, dass es das kleine, wie ein Seehund im Karibischen Meer liegende Eiland tatsächlich gab, sah auf einmal alles ganz anders aus. Zwar glaubte er noch immer nicht, dass es mehr sein könnte als ein gut gemachter Kinderstreich, denn wer sonst, außer Kindern, glaubte daran, einen verborgenen Schatz zu finden? Und er musste es wissen, denn er war selbst einmal ein solches Kind gewesen.

Eines Tages, Asher, hatte seine Mutter geflüstert, wenn sie ihn abends zu Bett brachte, eines Tages segeln wir beide auf einem Seeräuberschiff davon und fangen ein ganz neues Leben an. Nur wir beide. Ein Leben voller Abenteuer. Und wer weiß, vielleicht finden wir sogar einen sagenumwobenen Schatz!

Doch nachdem er sich dann ausführlich, wenn auch noch immer ausgesprochen skeptisch, in Seekarten und Briefe und Logbücher vertieft hatte, stieß er auf etwas, das seine Zweifel verstummen ließ. Die von den Hollanders erworbene Jagdhütte hatte nämlich einst Roderick Devine gehört, dem berühmt-berüchtigten Freibeuter. Angeblich sollte Devine auf den Weltmeeren zu solchen Reichtümern gelangt sein, von denen er nur einen Bruchteil an die Krone abtrat, dass ihm sein Kaperbrief entzogen wurde. Bevor man ihn wegen seiner Vergehen an den Galgen hatte bringen können, war er plötzlich wie vom Erdboden verschwunden und niemand hörte mehr von ihm, bis eines Tages sein Tod vermeldet wurde.

So kritisch Asher den Ergebnissen seiner Recherchen auch gegenüberstand, konnte er sie doch nicht abstreiten. Was im Gegenzug hieß, dass der in der Karte verzeichnete Schatz kein alberner Kinderstreich war, sondern dass es ihn tatsächlich gab. Oder seine Existenz immerhin im Bereich des Möglichen lag.

Die Zwillinge brannten bei dieser frohen Kunde vor Eifer und wären am liebsten sofort in See gestochen. Man werde sich gleich morgen um ein geeignetes Schiff samt Besatzung kümmern, um schnellstmöglich in die Karibik zu gelangen, verkündeten sie. Und er, Asher, müsse selbstverständlich mit von der Partie sein.

Asher indes wusste, wie Geld selbst die engsten Bande zerstören konnte. Und außer den Zwillingen und Viscount Ellery hatte er kaum Freunde, die den Namen verdient hätten. Die Hollanders waren zwar beide nicht die Hellsten, aber sie waren treue Seelen, auf die im Zweifel immer Verlass war. Wollte er diese Loyalität aufs Spiel setzen, sie am Ende gar verlieren?

Andererseits waren die beiden so gutgläubig und impulsiv, dass man sie kaum allein losziehen lassen konnte. Was wäre, wenn die eilig zusammengesuchte Mannschaft meuterte oder sich als Bande von Halsabschneidern entpuppte? Also hatte Asher sich unter der Bedingung, seinen Teil zu der Unternehmung beizutragen, bereit erklärt, mitzukommen. Denn eine gleichberechtigte Geschäftspartnerschaft schien ihm der einzige Weg, um ihre Freundschaft vor Schaden zu bewahren.

Wegen dieser Entscheidung war er jetzt hier, im White’s, um das nötige Geld aufzutreiben. Doch dank Berryhills einkassierter Wettschuld dürfte nun alles in trockenen Tüchern sein.

Zufrieden lehnte Asher sich zurück und schlug die Zeitung auf, ließ sich berieseln von den gedämpften Stimmen im Hintergrund, dem Klacken der Billardkugeln, dem Klappern der Würfel. Weil es für eine ganze Weile sein letzter Abend im White’s sein würde – oder überhaupt in London oder an Land –, wollte er die gediegene Behaglichkeit noch einmal so richtig auskosten.

Als er die neuesten Gesellschaftsnachrichten überflog, blieb sein Blick an den Worten Erbin und obszöne Mitgift hängen. Wie es aussah, fand in drei Tagen eine Hochzeit statt, durch die ein gewisser Mr. W– zu beträchtlichem Reichtum gelangen würde.

Nun, es sei ihm gegönnt. Auch Asher hatte sich bereits in der Rolle des Erbinnen heiratenden Aristokraten versucht, doch leider ohne Erfolg. Denn keine der Erbinnen seiner Bekanntschaft war mit einer Mitgift gesegnet, die obszön genug gewesen wäre, um ihn von der finanziellen Bürde zu befreien, die sich nach dem Tod seines Vaters wie Blei auf seine Schultern legen würde. Der Titel der Shettlemanes kam mit einer schmachvollen Reputation daher – und einem Berg Schulden, der stündlich größer wurde.

Aber eines nun gar nicht mehr fernen Tages, würde er, Asher, sich von alledem freimachen und als gemachter Mann zurückkehren, der mit erhobenem Haupt durchs Leben gehen könnte.

Oh ja, das würde er. Endlich schien sein Leben in der richtigen Spur zu laufen, endlich würde alles gut …

Da fiel plötzlich ein Schatten über seine Schulter und nahm ihm das Licht zum Lesen. Seine Kopfhaut begann zu kribbeln, ein kalter Schauer kroch ihm über den Rücken.

Verdammt.

Eine langgliedrige Hand, den Siegelring des Marquess of Shettlemane am kleinen Finger, schlug vor ihm auf den Tisch. „Da steckt er ja, mein Junge, der kleine Satansbraten!“

„Vater.“ Asher konnte sein eigenes Zähneknirschen in seinen Ohren dröhnen hören, und es bedurfte einer echten Willensanstrengung, seine Kiefer voneinander zu lösen, während er weiter vorgab, in die Lektüre der Zeitung vertieft zu sein.

Der Marquess nahm sein Schweigen wohl als Einladung, den soeben von Berryhill geräumten Platz einzunehmen, und offenbar richtete er sich auf eine längere Sitzung ein.

Die Zeit war unverdient gnädig zu ihm gewesen. Jemandem, der so verkommen war, der ohne jeden Skrupel log und betrog, hätte man seine Laster doch eigentlich ansehen müssen. Aber der Marquess gab noch immer eine gute Figur ab, er war schlank und hielt sich gerade für seine dreiundsechzig Jahre, sein schwarzes Haar war noch immer voll, wenn auch sichtlich von Grau durchzogen. Mit seinem maßgeschneiderten blauen Gehrock und der weiß gestärkten Krawatte wirkte er sogar respektabel. Doch wenn man sich von den vornehm markanten Zügen nicht blenden ließ, erkannte man bei näherer Betrachtung die bucklige und seelenlose Kreatur, die mit kaltem, nimmersattem Blick in den Abgründen seines Wesens lauerte.

„Hmm …“ Sein Vater legte die Hände an den Fingerspitzen zusammen. „Der Sessel ist noch ganz warm.“

Asher blätterte um. „Er steht ja auch am Kamin.“

„Oder jemand hat dir Gesellschaft geleistet. Ein kleiner Plausch mit vermögenden Freunden, vielleicht? Da fällt mir ein … als ich gerade hereinkam, meinte ich ein ziemlich selbstzufriedenes Lächeln in deinem Gesicht zu sehen. Für einen Mann gibt es nur zwei Gründe, so zu lächeln: Frauen und Geld. Und da mir nicht zu Ohren gekommen ist, dass du mal wieder eine Erbin an der Hand hast, wäre meine Vermutung, dass du zu unverhofften Reichtümern gelangt bist.“

„Die Vorstellung mag dir fremd sein, aber manchmal lächelt ein Mann auch einfach bloß, weil etwas ihn amüsiert. Und das mag sogar bei der Zeitungslektüre vorkommen.“

„Weißt du, was mich amüsiert?“

„Alter Adel mit Geld im Überfluss? Geschäftsbücher mit mehr Einnahmen als Ausgaben?“

Der Marquess schnaubte verächtlich. „Wie wäre es mit einem Sohn, der schwarze Krawatten trägt und sich einbildet, seinen Vater austricksen zu können?“

Da er wusste, wie sehr dem Marquess besagtes Kleidungsstück zuwider war, hob Asher das Kinn, damit der Alte es noch besser sehen konnte.

„Da dieser Sessel noch warm ist …“, Shettlemane verfolgte die Spur weiter wie ein Bluthund im Fuchsbau, „… und nur dieser dämliche Lackaffe Berryhill den Club verlassen hat, gerade als ich hereinkam, gelange ich zu dem Schluss, dass er es war, der hier saß. Das Kerlchen schien mir auch recht nervös. Und nachdem, was ich da von einem Rennen gehört habe, ein Chester-Wallach gegen eins von Knightswolds Vollblütern, dürftest du an die hundert Pfund gewonnen haben. Vielleicht sogar zweihundert.“

Mit geübtem Gleichmut erwiderte Asher den Blick seines Vaters. „Ich weiß nicht, was du da gehört haben willst, aber niemand wäre wohl so dumm, gegen Knightswolds Stall zu wetten.“

Außer einem blutigen Anfänger wie Berryhill, und genau darauf hatte Asher spekuliert.

„Ich kann das Geld an dir riechen, mein Junge“, erwiderte sein Vater und brach in dröhnendes Gelächter aus, was ihm einige schiefe Blick seitens der anderen Gentlemen einbrachte.

Asher ließ die Zeitung sinken und senkte die Stimme. „Du machst uns zum Gespött.“

Der Marquess bedachte die Runde mit seinem strahlendsten Lächeln. „Nur ein kleiner Plausch mit meinem Taugenichts von Sohn, meine Herren. Als Vater hat man nichts als Kummer, was?“

Als er sich wieder Asher zuwandte, nahm das Lächeln einen grausamen Zug an, und in seine Augen trat dieser unheilvolle Glanz. „Komm schon, her damit. Ich bin heute Abend noch bei Lord und Lady Fenquist eingeladen. Nach dem Dinner steht Kartenspiel an, und eine kleine Geldspritze käme mir ganz recht.“

Asher tat, als habe er nichts gehört, legte die Zeitung vor sich auf den Tisch und wies auf eine der Meldungen. „Hier steht, dass Lord Englebright im Fleet einsitzt. Du könntest ihm ruhig mal einen Besuch abstatten, immerhin hat er das dieser Wette mit dir zu verdanken.“

„Ich habe ihn nicht dazu gezwungen. Komm schon, Junge, ich bin gerade wirklich etwas knapp bei Kasse.“ Er setzte eine ungewohnt zerknirschte Miene auf. „Musste mir sogar schon was bei Lord Seabrooke leihen, und weißt du, was der Kerl dann zu mir gesagt hat? Mehr sei nicht drin, hat er gesagt, ich wäre nicht kreditwürdig! Und das nach all den Jahren der Freundschaft.“

„Unglaublich.“

„Ich habe meine Schulden noch immer zurückgezahlt, habe ich ihm erwidert, und wenn nicht ich, dann mein Sohn. Mein Sohn zahlt immer. Da hat Seabrooke zähneknirschend eingewilligt, die Schuld auf dich zu überschreiben, falls ich bis Mittwoch nicht gezahlt haben sollte. Aber viel war es sowieso nicht, das schüttelst du doch mal eben aus dem Handgelenk, oder?“

Asher maß ihn mit kühlem Blick. Es wäre nicht das erste Mal, dass er die Suppe auslöffeln musste, die sein Vater eingebrockt hatte. Trotzdem spürte er die altvertraute Wut und Ohnmacht in sich aufsteigen.

Die Hände auf den Tisch gestützt, erhob er sich und beugte sich über seinen Vater. „Diesmal kann ich dir nicht helfen“, sagte er leise, doch entschieden. „Weder von meinem noch vom Vermögen meiner Mutter ist etwas übrig, das sich zu Geld machen ließe. Dafür hast du hinreichend gesorgt.“

„Du vergisst Ashbrook Cottage.“

Das Haus seiner Mutter, Ashers einziges Zuhause. Sein Vater hatte versucht, ihm auch das zu nehmen, hatte die Treuhänder überreden wollen, ihm den Besitz zu übertragen, aber ohne Erfolg. Ashers Mutter hatte Ashbrook Cottage mit in die Ehe gebracht, es war Teil ihrer Mitgift gewesen. Wie es aussah, schien sein Vater keine Ruhe geben zu wollen, bis auch noch die letzte Erinnerung an sie getilgt war.

„Genügt es dir denn nicht, das Cottage förmlich ausgeweidet und jedes ihrer Erbstücke zu Geld gemacht zu haben? Willst du jetzt auch noch den Ort ihrer letzten Ruhe wegen deiner Spielsucht in fremde Hände geben? Ich muss meinem Großvater wirklich dankbar sein, dass er Ashbrook Cottage vor eurer Heirat wohlweislich in treuhänderische Verwaltung gab. Er wusste genau, woran er bei dir war. Schade, dass meine Mutter es an solcher Klarsicht fehlen ließ.“

Der Marquess schnaubte. „Dann wärst du jetzt nicht hier.“

Asher betrachtete die Bemerkung als Aufforderung zum Rückzug und ging, froh, dass er diesen Albtraum morgen ein für alle Mal hinter sich lassen konnte.

Erleichtert stellte er fest, dass die Verzweiflung seines Vaters wenigstens nicht so groß war, dass er sich an seine Fersen heftete. Oder – was ihm wahrscheinlicher erschien – der Marquess hatte längst jemand anderen im Visier, dem er ein paar Pfund aus den Rippen leiern konnte.

Wie gut es sich anfühlte, das White’s hinter sich zu lassen und hinaus aufs Trottoir zu treten! Asher sog den fauligen Gestank des Londoner Abends in sich auf wie den Duft der Verheißung. Auf den regennassen Straßen rollten die Kutschen der Nachtschwärmer vorbei, von ferne hörte er das Lärmen einiger Rabauken. Wie leicht und beschwingt seine Schritte jetzt waren, da er den Weg zum Haus der Hollanders einschlug!

Seine Wohnung in der Brook Street hatte Asher vor kurzem aufgegeben, um Geld für die anstehende Reise zu sparen. Nichts hielt ihn mehr. Er freute sich auf das Abenteuer, das vor ihm lag. Auf ein neues Leben.

Eine solche Gelegenheit bot sich einem nur einmal, wenn überhaupt. Er würde seine Chance nicht verschenken.

Eine Kutsche rollte neben ihm heran. Aus dem Fenster streckte sich eine zierliche Frauenhand, die ihm mit feinem Spitzentaschentuch zuwinkte.

Wenn man von Gelegenheiten sprach …

Er ging langsamer und dachte, dass es doch nett wäre, sich zum Abschied noch mal zwischen den Schenkeln einer hübschen Frau zu verlieren. Wer wusste schon, wann sich die nächste …

„Werter Herr, würden Sie sich eher als Gentleman oder als Wüstling bezeichnen?“, fragte eine Frauenstimme aus dem Dunkel.

Das klang doch schon recht vielversprechend. Grinsend trat er an den Wagen heran. „Wenn die Umstände es zulassen, dürfte wohl jeder Mann ein wenig von beidem sein.“

Ein leises Lachen war die Antwort, und eine andere Stimme meldete sich zu Wort. „Eine solche Behauptung kann eigentlich nur ein Wüstling aufstellen. Und findest du nicht auch, Jane, dass etwas Abgründiges in seinen diabolisch dunklen Augen aufblitzt?“

Gleich zwei Frauenzimmer auf einmal? Die Nacht versprach immer besser zu werden.

„Du sollst doch keine Namen nennen, solange wir ihn rein zu Studienzwecken brauchen.“

Ein Paar Blaustrümpfe, wie es schien. Na gut, das könnte umso interessanter werden. „Sehr schön, meine Damen. Die letzte Gelehrte, die mich zu Studienzwecken brauchte, nahm mich mit in ihre Wohnung über der Buchhandlung, damit ich einen Blick auf ihre Sammlung erotischer Stiche werfen konnte.“

Mit Genugtuung hörte er, wie im Innern der Kutsche nach Luft geschnappt wurde, und trat vor bis an den Schlag. Jetzt brauchte es nur noch eine Einladung, sich zu ihnen zu gesellen, dann würde der Rest sich ganz von selbst ergeben.

Doch dann hörte er ein leises Lachen, das eindeutig nicht von einer Frau kam und ihn innehalten ließ. Letzter Tag an Land hin oder her, irgendwo zog sogar Asher eine Grenze.

„Vetter, ich weiß wirklich nicht, was es da zu lachen gibt. Wie ich dir vorhin erklärte, brauchen wir Studienobjekte für unser Buch, und es ist uns sehr ernst damit.“

Nachdem seine Augen sich ans Dunkel im Wageninnern gewöhnt hatten, konnte er auf der einen Seite zwei schlanke Gestalten ausmachen und auf der Bank gegenüber den breiten Schatten eines Mannes. „Worum genau geht es denn?“, erkundigte er sich.

Eine junge Debütantin mit frischem, wenn auch etwas unscheinbarem Gesicht spähte zum heruntergelassenen Fenster hinaus. „Wir wollen eine Art Lehrbuch schreiben …“

„Eine Einführung in das Heiratsverhalten des gebürtigen Aristokraten“, fiel ihre dunkelhaarige Begleiterin ihr ins Wort und beugte sich nun ebenfalls zum Fenster vor.

„… und dazu brauchen wir unter anderem auch die Perspektive des Wüstlings.“

„Warum fragen Sie nicht einfach ihn?“ Asher deutete mit einem Nicken auf den Mann gegenüber.

„Mein Vetter ist weder Wüstling noch Gentleman noch trägt er sich mit der Absicht zu heiraten.“

Ihre jungen, naiven Gesichter sowie das Wort Heirat genügten, um Ashers Interesse verfliegen zu lassen. Er würde sein abendliches Amüsement anderswo suchen müssen.

„Tut mir leid, ich bin verabredet. Viel Erfolg mit Ihrem Buch, meine Damen.“ Er tippte sich an den Hut und wollte sich zum Gehen wenden.

„Mist! Er kann jetzt nicht einfach weggehen – Jane, tu doch etwas!“

„Vetter, ich weiß, dass du anderorts erwartet wirst, aber könntest du uns wohl den Gefallen tun und den Gentleman dazu bewegen, noch einen Moment bei uns zu bleiben?“

Von drinnen keine Antwort. Es gab auch keine Vorwarnung.

Noch ehe Asher wusste, wie ihm geschah, flog der Kutschenschlag auf und traf ihn mit solcher Wucht, als habe jemand ihm einen Kinnhaken versetzt.

Dann wurde alles dunkel.

3. KAPITEL

Sobald Winnifreds Droschke an einer ihr völlig unbekannten Adresse in Southwark vorfuhr, schwante ihr nichts Gutes. Im trüben Schein der einzigen Straßenlaterne schien das schmale, windschiefe Haus wie ein Betrunkener auf die Straße zu wanken. Die Fenster hingen schief in verzogenen Rahmen, das Dach war halb eingefallen, das Holz verrottet und wo noch Putz zu sehen war, hatte er die Farbe von schmierigem Teer.

Hier konnte sie unmöglich richtig sein.

Doch dann tauchte an der offenen Tür ein bekanntes Gesicht auf. Ellie, die sich mit einer Hand die Kapuze ums Gesicht hielt und rasch die Straße hinauf- und hinabschaute, ehe sie Winnie ungeduldig heranwinkte. „Beeil dich, bevor dich jemand sieht.“

Mittlerweile doch recht beunruhigt, dabei aber neugierig, was es mit der Heimlichtuerei auf sich hatte, sprang Winnifred, ohne sich mit dem Kutschentritt aufzuhalten, aus dem Wagen und bat den Fahrer zu warten.

Als sie hinter Ellie ins Haus trat, sah sie Jane mit einer flackernden Kerze in der muffigen kleinen Diele stehen. „Ah, gut“, empfing Jane sie. „Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest, da deine Eltern doch heute zum Dinner geladen hatten.“

„Natürlich bin ich gekommen, du hattest schließlich geschrieben, dass es von großer Dringlichkeit sei. Nachdem ich mich bei Vater mit Kopfschmerzen entschuldigt hatte, habe ich mich hinausgestohlen. Und Mutter dürfte froh gewesen sein, dass ich mich noch vor dem Dessert verabschiedet habe. Aber verratet ihr mir jetzt vielleicht, warum ihr nicht gekommen seid und wir jetzt mitten in der Nacht in dieser gottverlassenen Ruine stehen?“

Winnifred schaute sich um. Das flackernde Kerzenlicht fiel auf Schutthaufen am Boden, armbreite Risse in den Wänden, durch die der Rosshaarmörtel zu sehen war, und durchhängende Türrahmen, die nur einen Lufthauch davon entfernt waren zusammenzukrachen und sie lebendig zu begraben. All das war nicht unbedingt vertrauenerweckend.

„Wir hatten kommen wollen und waren schon auf dem Weg, aber dann …“ Ellie warf einen nervösen Blick zu einem der dunklen Durchgänge.

Jane räusperte sich. „Bevor wir dir das jetzt erklären, möchte ich betonen, dass nichts davon meine Absicht war.“

„Das hast du auch damals behauptet, als du versucht hast, Schießpulver herzustellen“, warf Winnifred ein und fand alle dunklen Vorahnungen bestätigt, die sie seit Eintreffen der Nachricht in mal kleineren, mal größeren Wellen erfasst hatten. Während ihre Freundinnen ihr bedeuteten, sie möge ihnen nach nebenan folgen, hielt sie den Blick auf Janes vom Kerzenschein erhelltes Gesicht gerichtet. „Wie ich sehe, haben wenigstens deine Augenbrauen diesmal keinen Schaden genommen. Vermutlich sollte mich das optimistisch stimmen.“

„Ich habe nichts in Schutt und Asche gelegt – wenn es das ist, was du meinst.“

„Nein, diesmal ist es schlimmer“, fügte Ellie hinzu. „Eine kleine Explosion wäre gar nichts, verglichen mit dem hier.“

„Was könnte denn schlimmer sein als …“

Der Rest des Satzes blieb Winnifred im Halse stecken, denn als sie in den Raum traten, der einst die gute Stube gewesen war, fiel ihr Blick auf eine Gestalt, die dort ganz allein saß – an einen Stuhl gefesselt!

„Bitte sagt mir, dass ihr ihn schon so vorgefunden habt und ihm jetzt zu Hilfe eilen wollt.“

Autor

Vivienne Lorret

Bestsellerautorin Vivienne Lorret liebt Liebesromane, ihren pinkfarbenen Laptop, ihren Ehemann und ihre beiden Teenagersöhne (nicht zwingend in genau dieser Reihenfolge …). Sie beherrscht die Kunst, unzählige Tassen Tee in Wörter zu verwandeln, und hat sich mittlerweile mit zahlreichen wunderbaren Regency-Romances in die Herzen ihrer Leserinnen und Leser geschrieben.

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