Endlich zu dritt!

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Als Jim zu der schwangeren Frau in den Fahrstuhl steigt, hat er nicht erwartet zum Geburtshelfer zu werden. Doch der Fahrstuhl bleibt stecken, und Heather bekommt Wehen. Also hilft er der kleinen Diane auf die Welt. Das süße Baby wächst ihm sofort ans Herz - genau wie seine Mutter. Doch Jim trägt ein Geheimnis aus der Vergangenheit mit sich herum.


  • Erscheinungstag 07.04.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773359
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Bitte halten Sie den Fahrstuhl fest!“, rief Heather Fitzpatrick und beschleunigte mühsam ihren Schritt. Atemlos betrat sie die Kabine. „Danke.“ Sie lächelte den Mann an, der die Tür aufhielt. „Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Fahrstuhl der langsamste der Welt ist, aber zumindest gehört er zu den Top Ten.“ Sie rieb sich das Kreuz, um den Schmerz zu lindern, der sich vor drei Monaten dort eingenistet hatte. „Ich konnte die Vorstellung nicht ertragen, zehn Minuten warten zu müssen, bis er wieder in dieses Stockwerk kommt.“

„Das kann ich verstehen“, murmelte der Mann, und es gelang ihm dabei nicht, den Blick von ihrem Bauch zu lösen.

Mittlerweile war Heather daran gewöhnt, dass Männer sie mit einem Ausdruck anblickten, der an Panik grenzte. „Ich weiß, was Sie denken“, sagte sie, während sie eine Hand auf ihren Bauch legte und sich an die Wand lehnte. „Es sieht schlimmer aus, als es ist. Laut meiner Ärztin dauert es noch eine Woche, bis ich entweder platze oder gebäre. Ich bin überzeugt, dass Sie für die kurze Fahrt bis in die Tiefgarage nichts zu befürchten haben.“

„Versprochen?“, hakte er leise und neckend nach.

„Nein, aber meine Ärztin schwört, dass es stimmt. Ich war gerade bei ihr, und entgegen meiner inständigen Bitte hat sie mich zu mehreren weiteren Tagen des Ausbrütens verdonnert.“

„Das klingt schmerzlich.“

„Ich hoffe, dass es bald vorüber ist, aber nicht nur, weil ich es leid bin, schwanger zu sein.“ Heather rieb sich den Bauch. „Ich kann es kaum erwarten, mein Baby kennenzulernen.“

Aufreizend langsam schloss sich die Tür. Nach einigen Sekunden setzte sich die Kabine gemächlich in Bewegung. Heather ermahnte sich, ruhig zu atmen. Normalerweise störte es sie nicht, in einem Fahrstuhl zu sein, aber die Schwangerschaftshormone hatten Angst vor geschlossenen Räumen hervorgerufen, so als wären Kreuzschmerzen und geschwollene Knöchel noch nicht genug.

Sie beobachtete, wie nacheinander die Lämpchen für den zweiten und den ersten Stock aufleuchteten, und wartete vergeblich auf das Licht für das Erdgeschoss. Stattdessen blieb der Lift plötzlich stehen. Ihr stockte der Atem. „Wir sitzen fest“, sagte sie und bemühte sich, nicht in Panik zu geraten.

„Vielleicht nicht.“ Der Mann drückte nacheinander den Knopf für die Tiefgarage und denjenigen zum Öffnen der Tür. Nichts geschah.

Heathers Brust war wie zugeschnürt. Ihr Verstand sagte ihr, dass es keinen Sinn hatte, sich aufzuregen, aber sie konnte es nicht verhindern.

„Geht es Ihnen gut?“, fragte er, als er von der Schalttafel aufblickte.

„Es ging mir nie besser.“

Es zuckte um seine Mundwinkel. „Sie sind keine gute Lügnerin.“

„Ich wollte es immer sein“, entgegnete Heather in dem Versuch, sich durch ein Gespräch abzulenken. „Aber Sie wissen ja, wie es so läuft. Als Kind strebt man danach, das Lügen zu erlernen, aber dann kommt einem die Binsenweisheit dazwischen, dass Lügen kurze Beine haben, und irgendwie habe ich es nicht geschafft.“

Er grinste. „Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich bringe uns heraus, wenn Sie nicht in Panik geraten.“

„Klingt großartig. Ich bin völlig ruhig. Nur zu, öffnen Sie die Tür jetzt.“

„Geben Sie mir eine Sekunde.“ Er griff zu dem Hörer unter der Schalttafel und wartete. „Ja, wir sitzen fest.“ Er hielt inne und lauschte. „Okay, wir halten durch. Wir sind zu zweit, und es geht uns gut.“ Er blickte zu Heather. „Geht es Ihnen immer noch gut?“

Sie nickte. Es stimmte zwar nicht, aber zweifellos wollte er nichts von ihren Ängsten hören.

Er legte den Hörer auf und drehte sich zu ihr um. „Sie glauben, dass eine Sicherung durchgebrannt ist. Also werden wir warten müssen, während sie eine neue Sicherung einsetzen.“

Heather musterte ihn. Offensichtlich war sie nicht die Einzige, die nicht gut lügen konnte. Er mied ihren Blick. „Was verschweigen Sie mir?“

„Nichts.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und mied immer noch ihren Blick.

„Das ist, als würde ich sagen, dass ich nur ein kleines bisschen schwanger bin. Kommen Sie. Was hat der Typ gesagt?“

Schließlich blickte er in ihr Gesicht. „Es wird fast eine Stunde dauern.“

„Besteht die Gefahr, dass die Kabine abstürzt?“

„Nein. Wir sind in Sicherheit, aber es wird eben eine kleine Weile dauern.“

Sie atmete auf. „Ich glaube, das kann ich überleben.“

„Sind Sie sicher?“

Er wirkte besorgt. Heather gestattete sich, es zu genießen. Sie fragte sich, wann sich das letzte Mal jemand um sie gesorgt hatte. Ihre Ärztin wollte sichergehen, dass sie richtig aß und regelmäßig ihre Vitamine nahm. Sie hatte einige Arbeitskollegen, die sich nach ihr erkundigten, ebenso wie ihre Mutter, aber niemand machte sich wirklich Sorgen.

„Es geht mir gut, wirklich.“ Sie blickte sich um. „Aber ich muss mich hinsetzen.“ Vom Verstand her wusste sie, dass der Boden ebenso weit entfernt war wie damals, als sie mit vierzehn Jahren zu wachsen aufgehört hatte. Aber mit zunehmendem Umfang schien er sich weiter und weiter entfernt zu haben.

Der Mann trat einen Schritt auf sie zu. „Wie kann ich Ihnen helfen?“

Sie streckte die Hände aus. „Wenn Sie mich etwas bremsen könnten, wäre es großartig.“

Mit festem Griff nahm er ihre Hände. Sie holte tief Luft und glitt an der Wand hinab, ließ sich von ihm halten, bis sie schließlich saß und die dünnen Beine ausgestreckt waren. Sie war unglaublich außer Proportion. Manchmal fühlte sie sich wie eine Karikatur.

Der Mann setzte sich ihr gegenüber. „Ich bin Jim Dyer.“

„Heather Fitzpatrick.“

„Es freut mich, Sie kennenzulernen, Heather.“

Ein Grübchen erschien in seiner Wange, als er lächelte. Nie zuvor war ihr ein Mann mit einem richtigen Grübchen begegnet. Es war hübsch, ebenso wie seine blauen Augen und der Mann selbst. Sein entspanntes Verhalten erleichterte ihr die Situation. Beinahe hätte sie vergessen können, dass sie in einem Fahrstuhl festsaß.

Es erwies sich als Fehler, daran zu denken. Daher suchte sie nach einem neutralen Gesprächsthema, um sich von ihrer steigenden Angst und dem ständigen Druck im Rücken abzulenken. Der Schmerz wanderte zum Bauch, doch sie nahm an, dass es nur an der unbequemen Position auf dem Fußboden lag. „Was tun Sie beruflich?“

„Ich besitze eine Charterfirma für Helikopter. Am Flughafen von Van Nuys. Ich bin wegen der jährlichen Untersuchung zur Flugtauglichkeit hier.“

Sie musterte seine breiten Schultern und seine gesunde Gesichtsfarbe. Er trug ein langärmeliges Hemd, eine Khakihose und abgewetzte Stiefel. Wie fast jede normale Frau wusste sie einen Mann zu schätzen, der einen wohlproportionierten Körper besaß. In ihrem gegenwärtig unförmigen Zustand sagte ihr seine Gestalt umso mehr zu.

Sie löste den Blick von seinem eindrucksvollen Bizeps und ermahnte sich, dass es sich für eine schwangere Frau nicht geziemte, einen fremden Mann anzuhimmeln. Sie zermarterte sich das Hirn nach einer geistreichen Bemerkung. Da ihr keine einfiel, gab sie sich mit dem Offensichtlichen zufrieden. „Sie sind Hubschrauberpilot?“

„Ich habe Piloten, aber gelegentlich übernehme ich einen Flug.“

„Ich habe noch nie einen bestiegen.“

„Fliegen Sie gern?“

Sie dachte an ihren einzigen Flug nach Florida, um ihre Mutter zu besuchen. „Gern wäre übertrieben. Es stört mich nicht.“

„Flüge in Verkehrsmaschinen sind anders als in Helikoptern. Man ist vom Geschehen entfernt und kann nichts sehen.“

„Sie lassen es so klingen, als ob das schlecht wäre.“

„Ist es das nicht?“

„Ich glaube nicht.“

„Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wenn Sie Ihr Baby haben und sich besser fühlen, kommen Sie zum Flugplatz hinaus, und ich gebe Ihnen eine Sightseeing-Tour über das Tal. Von da oben sieht alles besser aus.“

„Das ist furchtbar nett. Als Gegenleistung könnte ich Sie ein paar Windeln wechseln lassen.“

„Ich habe verstanden. Sie müssen nicht in einem Helikopter fliegen, wenn Sie nicht wollen.“

„Oh, vielen Dank.“ Sie lächelte und rückte auf dem harten Boden herum. Der Schmerz im Rücken wurde beständig schlimmer. Sie sehnte sich danach, in ihr Bett zu kriechen, doch selbst das brachte ihr in letzter Zeit keine Erleichterung. Sie fühlte sich, als hätte sie einen Basketball verschluckt, der beständig weiter aufgepumpt wurde.

„Und was tun Sie?“, erkundigte sich Jim. „Oder sollte ich sagen, was haben Sie getan?“

„Oh, ich arbeite noch. In einer Fabrik am Fließband.“ Sie rümpfte die Nase. „Es ist kein toller Job, aber die Bezahlung ist großartig, und ich bekomme einen Bonus, weil ich die Nachtschicht übernommen habe. Ich beabsichtige, bis zum letzten Tag zu arbeiten, damit ich einen längeren bezahlten Mutterschaftsurlaub kriege.“

Sie stöhnte beinahe laut auf, als sie daran dachte, dass sie an diesem Abend in die Fabrik gehen musste.

„Ich habe außerdem ein Buchhaltungsbüro zu Hause“, fuhr Heather fort. „Ich gehe zum College, und mir fehlen nur noch zwei Kurse bis zum Abschluss in Steuerberatung. Daher kann ich für kleine Firmen die Bücher führen.“ Sie rieb sich den Bauch. „Der Zeitpunkt für die Schwangerschaft ist großartig. Ich habe Ersparnisse, und durch den bezahlten Mutterschaftsurlaub und mein Büro kann ich wahrscheinlich mindestens ein Jahr zu Hause bei meinem Baby bleiben. In der Zwischenzeit suche ich mir etwas als Buchhalterin. Die Arbeit in der Fabrik bringt zwar Geld ein, ist aber nicht die angenehmste auf dem Planeten.“ Sie schlug sich eine Hand vor den Mund. „Entschuldigung. Ich erzähle Ihnen viel mehr, als Sie wissen wollten.“

„Keineswegs. Es gefällt mir, von Ihren Plänen zu hören. Sie scheinen viele Stunden zu arbeiten. Ist das okay?“ Er deutete mit dem Kopf auf ihren Bauch.

„Ja. Ich bin sehr gesund.“

Er wirkte nicht überzeugt. „Trotzdem müssen die langen Arbeitszeiten Ihrem Mann Sorgen bereiten.“

„Ich bin nicht verheiratet. Also ist das kein Problem.“

„Oh.“ Jim wirkte ein wenig verlegen. „Nun, dann eben dem Vater Ihres Babys.“

Sie lehnte den Kopf zurück an die Wand und schloss die Augen. „Der Vater meines Babys ist eine nutzlose Ratte“, sagte sie in ruhigem Ton. „Und ich bin ein Dummkopf.“ Sie schlug die Augen auf und zuckte die Achseln. „Er hat mir erzählt, dass er geschieden sei, und ich habe ihm geglaubt. Obwohl er ständig auf Reisen war.“

„Es war gelogen?“

„Jedes Wort. Wie sich herausstellte, war er nur vorübergehend von seiner Frau getrennt. Während er sich mit mir traf, erwog er eine Versöhnung mit ihr. Nicht, dass er mir je etwas davon gesagt hätte.“

Heather versuchte, diese Gedanken zu verdrängen. Es hatte keinen Sinn, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Luke war ein Tiefpunkt in ihrem Leben, aber sie war über ihn hinweg. Das Gute daran war, dass sie ein Baby bekam, denn sie hatte sich immer Kinder gewünscht. Wie ihre Mutter zu sagen pflegte, hatte selbst die dunkelste Wolke einen Silberstreifen.

„Er hat gleichzeitig mit Ihnen beiden verkehrt?“, hakte Jim entrüstet nach.

Sie hatte vergessen, dass es immer noch ein paar anständige Männer auf der Welt gab. „Stellen Sie sich vor, wie ich mich erst mal gefühlt habe. Als ich ihm sagte, dass ich schwanger bin, hat er mich verlassen und ist zu ihr zurückgekehrt. Wie sich herausstellte, war auch sie schwanger.“ Erschrocken presste sie die Lippen zusammen. „Das ist verrückt. Ich habe Ihnen gerade etwas unglaublich Intimes erzählt, und dabei kenne ich Sie gar nicht. Es tut mir wirklich leid. Normalerweise plappere ich nicht so drauflos. Es muss an den Hormonen liegen.“

„Es liegt am Fahrstuhl. Ich habe gehört, dass Fahrstühle diese Wirkung ausüben.“

„Offensichtlich nur auf Frauen“, murrte sie. „Ich habe nicht gehört, dass Sie Ihr Herz ausschütten.“

„Ich habe nichts Interessantes zu verkünden. Sonst würde ich es tun.“

„Vielleicht können Sie sich etwas einfallen lassen. Sie wissen schon, nur damit ich mich besser fühle.“

Er überlegte einen Moment. „Wie wäre es, wenn ich gestehe, dass ich früher eine Frau war?“

Heather lächelte. Sie betrachtete seine überaus männliche Gestalt. „Sehr unwahrscheinlich. Fällt Ihnen nichts Besseres ein?“

„Tut mir leid, nein.“

Sie lachten beide.

„Ich könnte ihn für Sie zusammenschlagen“, sagte er unvermittelt.

Verwirrt blinzelte sie. „Wen?“

„Den Vater Ihres Babys. Ich nehme an, dass er nicht an seinem Kind interessiert ist, wenn er zu seiner Frau zurückgekehrt ist.“

Sie nickte bedächtig. „Er will nicht, dass seine Frau von der Affäre erfährt. Das Baby anzuerkennen würde bedeuten, ihr die Wahrheit zu sagen. Mir ist es lieber, dass mein Kind keinen Umgang mit einem derart schadhaften Charakter hat und ihn nie kennenlernt.“ Beschützend legte sie die Hände auf den Bauch. „Ein Anwalt hat die Dokumente aufgesetzt. Luke hat jedes Recht auf das Kind abgetreten, und ich habe mich verpflichtet, ihn nie zu kontaktieren und keine Alimente zu fordern.“

Jim stieß einen empörten Laut aus. „Der Kerl hat wirklich eine gute Tracht Prügel verdient.“

Lange Zeit starrte sie ihn schweigend an. Er war unglaublich gut aussehend und, soweit sie aus ihrer flüchtigen Bekanntschaft schließen konnte, ein echter Held.

„Führen Sie in Ihrer Freizeit alte Damen über die Straße?“

„Nein. Aber ich finde, dass ein Mann immer das Richtige tun sollte. Sie sind nicht in der Lage, dem Kerl eine Lektion zu erteilen, also biete ich mich an.“

Erstaunt stellte Heather fest, dass er es ernst meinte. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal einen anständigen Mann getroffen hatte, der jünger als fünfzig war.

„Sie sind ein netter Mensch, Jim Dyer. Ich weiß, dass Männer es hassen, als nett bezeichnet zu werden, weil es nicht männlich und nicht sexy ist. Ich hoffe aber, dass Sie es mir nachsehen und mein Kompliment einfach akzeptieren. Ich meine es sehr ehrlich.“

„Vielen Dank.“

Sie seufzte leise. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn sie in den vergangenen zehn Jahren einen Mann wie Jim statt der drei Taugenichtse kennengelernt hätte, mit denen sie sich eingelassen hatte? Sie verdrängte den Gedanken. Es führte zu nichts, über die Vergangenheit nachzudenken. Momentan ging es ihr großartig. Sie war gesund, stand kurz vor der Entbindung und hatte keine finanziellen Sorgen. Sie hatte alles, was sie brauchte. Was war schon dabei, wenn ein paar Träume unerfüllt blieben?

„Was denken Sie gerade?“, fragte Jim.

„Dass ich mich sehr glücklich schätzen kann.“

„Weil Sie mit mir in einem Fahrstuhl festsitzen?“

Seine Augen waren von einem unglaublich leuchtenden Blau und dazu von langen Wimpern umrahmt.

„Verglichen mit einigen anderen Möglichkeiten sind Sie der ideale Fahrstuhlbegleiter. Sie scheinen nicht so leicht in Panik zu geraten, und das ist gut so. Einer von uns sollte ruhig und beherrscht bleiben.“

„Sie halten sich großartig. Ich merke kaum, dass Sie nervös sind.“

„Oh, vielen Dank.“ Ein stechender Schmerz durchbohrte sie. Es kam so überraschend, dass sie nicht atmen, ja nicht einmal schreien konnte. Dann verging es, und sie fragte sich, was, in aller Welt, mit ihr geschah.

Jim blickte zu dem Hörer an der Kontrolltafel und überlegte, ob er nachfragen sollte, wie lange die Reparatur noch dauern würde. Bisher hielt Heather sich großartig, aber die Aufregung konnte nicht gut für sie sein. Sie hatte ein hübsches Gesicht mit großen grünen Augen. Sie war klug, witzig und schwanger. Was für ein Schuft musste der Mann sein, der ihr den Rücken gekehrt hatte?

Sein Blick glitt zu ihrem prallen Bauch. Sie sah aus, als hätte sie schon vor einem Monat entbinden sollen. Er wollte nicht an Kinder und seine Vergangenheit denken. Also konzentrierte er sich ganz auf Heather. „Was ist los?“, fragte er erschrocken, als sie plötzlich zusammenzuckte.

Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie zog die Knie an und ballte die Hände zu Fäusten. Ein dunkler, feuchter Fleck breitete sich auf dem Teppichboden aus.

Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie befeuchtete sich die Lippen und versuchte zu lächeln. „Ich hasse es, unsere so kurze Bekanntschaft auszunutzen, aber ich fürchte, ich kriege dieses Baby. Und zwar jetzt.“

2. KAPITEL

„Sie machen Witze, oder?“, fragte Jim verzweifelt. Er wollte nicht glauben, was er gehört hatte. Es durfte nicht wahr sein.

Der feuchte Fleck auf dem Teppich wuchs, als sie von einer weiteren heftigen Kontraktion erfasst wurde. Heather schloss die Augen und rang nach Atem.

„Es tut mir leid“, murmelte sie, als der Schmerz nachließ. Sie versuchte zu lächeln. „Ich wünschte, es wäre ein Scherz, aber wie Sie vermutlich sehen, ist die Fruchtblase geplatzt. Es ist so weit.“

Ihr Gesicht war mager und blass, genau wie ihre Arme und Beine. Sie trug ein grünes Kleid mit kurzen Ärmeln, das sich um sie bauschte und sie wie ein kleines Kind aussehen ließ, das sich in den Sachen seiner Mutter verkleidet hatte. Nur dass nichts Kindliches an ihrem Unbehagen oder ihrem dicken Bauch war.

Jim fluchte im Stillen und fragte sich, was, zum Teufel, er tun sollte. „Geht es Ihnen gut?“, fragte er unsicher und winkte dann ab. „Dumme Frage. Machen Sie sich nicht die Mühe zu antworten.“

„Und dabei hatte ich Ihnen versprochen, dass die Wehen nicht einsetzen, bevor wir die Tiefgarage erreichen.“

Ihr Ton klang gelassen, doch er sah die Angst in ihren Augen. Sie strich sich über die Stirn, zerzauste sich dadurch die Ponyfransen. Ihre Haare wiesen die Farbe von Weizen auf und waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

„Ich nehme an, es ist nicht zufällig Ihr Hobby, an Wochenenden Babys zur Welt zu bringen?“ Schweißperlen standen auf ihrer Stirn und ihrer Oberlippe. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihr Mund zitterte.

Er ging zu ihr und hockte sich neben sie. „Ich habe keine Übung darin, Babys zur Welt zu bringen, aber ich lerne sehr schnell.“ Er nahm ihre Hand und drückte sie. „Sie haben meine ganze Aufmerksamkeit. Ich versichere, dass ich großartig in einer Krise bin. Gemeinsam werden wir es durchstehen, okay?“

Sie nickte. „Stört es Sie, wenn ich schreie?“

„Müssen Sie es tun?“

„Momentan nicht, aber vielleicht später.“

„Dann tun Sie es.“ Aufmunternd drückte er erneut ihre Finger. „Ich werde noch mal nachfragen. Mit etwas Glück ist der Fahrstuhl längst repariert, bevor das Baby kommt.“

Erneut krümmte sie sich vor Schmerzen. „Bestimmt brauche ich Sie nicht erst zu bitten, auf Eile zu drängen.“

Jim zwang sich, ruhig zu wirken. Er war in der Marine in Erster Hilfe ausgebildet worden, aber die Kurse hatten keine Entbindung beinhaltet. Mit einem unterdrückten Fluch nahm er den Hörer ab.

Augenblicklich meldete sich ein Mann von der Wartung. „Ich weiß, dass Sie so schnell wie möglich da rausmöchten, aber es wird noch eine kleine Weile dauern. Es ist nicht die Sicherung, wie wir zuerst dachten. Dieser Fahrstuhl ist sehr launisch.“

„Ihre Probleme sind mir egal. Die Frau bei mir liegt in den Wehen. Sie hat starke Schmerzen und muss ins Krankenhaus, bevor das Baby hier kommt.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte einen Moment lang Stille, gefolgt von heftigen Flüchen. Jim hielt den Hörer vom Ohr ab.

Heather lächelte. „Offensichtlich haben Sie seine Aufmerksamkeit erregt.“

„Überrascht Sie das?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich hoffe nur, dass er etwas tun kann.“

Das hoffte Jim allerdings auch.

„Okay“, sagte der Techniker in den Hörer, „wir werden versuchen, den Fahrstuhl irgendwie zum Erdgeschoss zu bewegen, damit wir die Türen öffnen können. Inzwischen rufen wir einen Krankenwagen. Wie geht es ihr?“

„Ich weiß nicht.“ Jim blickte zu Heather. „Befindet sich Ihre Ärztin noch im Gebäude?“

Sie nickte. „Dr. Sharon Moreno. Im obersten Stockwerk.“

„Bitte benachrichtigen Sie ihre Ärztin. Dr. Sharon Moreno. Oberste Etage. Wir werden ihre Hilfe brauchen.“

„In Ordnung.“ Es klickte in der Leitung. Dann folgte Stille. Einen Moment später verkündete der Techniker: „Sie wird in fünf Minuten am Apparat sein.“

Jim drehte sich zu Heather um. „Sie holen Ihre Ärztin. Können Sie hierherrücken, damit Sie mit ihr reden können? Der Hörer reicht nicht so weit.“

Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. „Reden Sie mit ihr. Ich will mich nicht bewegen. Mir tut alles weh.“ Sie schloss die Augen und krümmte sich vor Schmerz.

Er wünschte sich sehnlichst, ihr helfen zu können. Doch er konnte nur dasitzen und auf die Ärztin warten.

Heather stöhnte und schlang die Arme um ihren Bauch. „Es tut weh“, brachte sie atemlos hervor. „Ich habe Angst, Jim. Ich weiß, dass Sie das nicht hören wollen, aber es ist so.“

„Ich verstehe, dass Sie Angst haben.“ Er nahm ihre Hand. „Ich bin hier bei Ihnen. Ich gehe nirgendwohin.“

Es zuckte um ihre Mundwinkel. „Das könnten Sie auch nicht, selbst wenn Sie wollten.“

„Ich weiß, aber selbst wenn ich könnte, würde ich nicht weggehen.“

„Wirklich nicht? Schwören Sie?“

Er nickte. „Ich gebe Ihnen mein Wort.“

„Danke.“

In diesem Moment erklang eine Frauenstimme im Hörer. „Hier ist Dr. Moreno. Sind Sie das, Heather?“ „Nein, Frau Doktor. Mein Name ist Jim Dyer. Ich bin mit Heather im Fahrstuhl. Sie hat Wehen.“

„Kann ich mit ihr sprechen?“

Er wusste, dass Heather sich nicht aus eigener Kraft rühren würde. „Einen Moment bitte.“ Er ließ den Hörer baumeln. „Heather, die Ärztin möchte mit Ihnen sprechen. Lassen Sie mich Ihnen helfen, näher zum Hörer zu rücken.“ Er kniete sich neben sie und schob einen Arm unter ihre Beine und den anderen hinter ihren Rücken. „Bei drei.“ Er zählte, hob sie dann hoch und rückte sie näher zur Tür.

Sie atmete tief durch, bevor sie zum Hörer griff. „So viel also zu den weiteren Tagen, die Sie vorausgesagt haben, Dr. Moreno“, sagte sie mit einem Anflug von Humor. „Ist es das erste Mal, dass Sie sich irren?“ Sie lauschte einen Moment. „Ungefähr alle drei Minuten. Der Schmerz ist stark. Es fühlt sich an wie …“ Sie rang nach Atem und übergab keuchend den Hörer an Jim.

„Sie ist zäh“, sagte er zur Ärztin, „aber es ist hart für sie.“

„Das ist es für Sie beide. Haben Sie irgendeine medizinische Ausbildung?“

Er erzählte ihr von seinem Kursus in Erster Hilfe.

„Erstgeburten dauern notorisch lange“, teilte Dr. Moreno ihm mit. „Angesichts der Häufigkeit der Wehen und der Tatsache, dass die Fruchtblase bereits geplatzt ist, müssen wir jedoch davon ausgehen, dass das Baby nicht wartet, bis der Fahrstuhl repariert ist. Ich möchte Ihnen einige Dinge erklären, falls Sie das Kind holen müssen. Haben Sie schon mal ein Neugeborenes gesehen?“

„Eigentlich nicht.“ Dass die Ärztin ihm auftrug, bei der Geburt zu helfen, gefiel ihm ganz und gar nicht. Aber Heather war auf ihn angewiesen.

Dr. Moreno trug ihm auf, Heather auf den Rücken zu legen und ihr beim Atmen zu helfen. Er atmete entsprechend der Anweisungen und diente Heather damit als Vorbild, als die Wehen in immer kürzeren Abständen kamen und länger anhielten.

„Es tut so weh“, stöhnte sie nach einer besonders langen und intensiven Reihe von Wehen.

„Ich weiß. Aber Sie schaffen es.“ Jim hielt weiterhin ihre Hand und atmete mit ihr, während er sich fragte, warum etwas so Wundervolles wie eine Geburt so verdammt schwer für die Mutter sein musste.

Der kleine Raum schien immer enger zu werden. Er wusste nicht, ob es stickiger wurde oder es ihm nur so erschien. Während er Heather gut zuredete, wartete er auf einen sanften Ruck, der ihm verriet, dass der Fahrstuhl wieder funktionierte.

„Ich will pressen“, wisperte sie.

„Warten Sie.“ Er drückte ihre Finger mit einer Hand und wischte ihr mit der anderen den Schweiß von der Stirn. Den Hörer hielt er zwischen Schulter und Ohr geklemmt. „Sie will pressen“, teilte er der Ärztin mit.

„Verbieten Sie es ihr. Sie müssen zuerst prüfen, ob der Kopf des Babys schon zu sehen ist. Erst dann ist sie zur Entbindung bereit.“

Jim schluckte schwer. Er wollte nicht, dass Heather bereit für die Entbindung war, und er wollte schon gar nicht nachsehen. „Ich bin gleich wieder da“, sagte er und ließ den Hörer fallen.

„Was ist denn?“, wollte Heather wissen.

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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