Entscheidung am Dreikönigstag

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Warwickshire, 1226: Unfassbar! Lady Giselle ist nicht bereit, zu heiraten. Dabei wollte Sir Myles Buxton beim Weihnachtsfest um ihre Hand anhalten! Mit edlen Gaben will er ihr Herz erobern. Doch was schenkt man einer Maid, die nichts so sehr begehrt wie ihre Freiheit?


  • Erscheinungstag 05.12.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759995
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Warwickshire, Allerheiligen 1226

Am Tisch ihres Lords gab es einen scheppernden Knall, und die Ritter, die sich nach dem Morgenmahl noch im prunkvollen Speisesaal aufhielten, unterbrachen ihre Gespräche und starrten hinüber.

Was hast du da gerade gesagt?“ Sir Wilfrid Wutherton hielt immer noch den Stiel des Kelches umklammert, dessen Fuß er eben mit voller Wucht auf die hölzerne Tischplatte geschmettert hatte.

Dieser Ausbruch von Zorn richtete sich offensichtlich gegen seine Nichte Giselle, und das gab keinem der Anwesenden einen wirklichen Grund zur Besorgnis. Sie nahmen ihre Gespräche wieder auf, manche geradezu amüsiert. Der Lord konnte sich zwar unerbittlich geben, wenn es um sein Mündel ging, doch jedermann wusste, dass seine polternde Strenge nur eine augenzwinkernd inszenierte Posse war.

Giselles Zuversicht allerdings schwand bei der heftigen Reaktion ihres Onkels. Deshalb setzte sie ihr lieblichstes Lächeln auf und versuchte, alles andere um sich herum auszublenden. Wenn sie diese Chance nicht beim Schopfe packte und Sir Wilfrid jetzt gleich mit ihrem Wunsch konfrontierte, konnten Tage und Wochen vergehen, bis sich eine neue Gelegenheit ergab. Er war nicht oft allein im Saal anzutreffen, wenn das Wetter gut genug für einen Jagdausflug war. Meistens war er von einem ganzen Hofstaat von Leuten umgeben, was in Anbetracht der Größe seiner Ländereien und seiner Burg, ebenso wie der seines Ranges und seines Wohlstandes nichts Ungewöhnliches war. Vor allem aber wegen seiner Geselligkeit und Herzensgüte scharten sich die Menschen um Lord Wutherton, und eben diese Gutmütigkeit war Giselles einziger Trumpf.

„Ich erwarte natürlich kein Mitspracherecht bei der Auswahl meines zukünftigen Gatten, lieber Onkel“, säuselte sie mit zuckersüßem Lächeln. „Ich wünsche mir nur, ihn ablehnen zu dürfen, sollte er mir vollkommen unpassend erscheinen.“ Sir Wilfrid beugte sich zu ihr hinab, bis seine buschigen grauen Augenbrauen beinahe ihre Nasenspitze berührten. „Ich will doch nicht hoffen, dass Lady Katherine dir diesen Floh ins Ohr gesetzt hat.“

„Aber nein, lieber Onkel, ganz und gar nicht“, versicherte Giselle, denn tatsächlich waren Lady Katherines Ansichten über die Ehe alles andere als liberal. Allen jungen Damen, die zur Erziehung in ihre Obhut übergeben wurden, hatte sie eingetrichtert, dass es ihre Aufgabe sei, dem Familienoberhaupt bedingungslos zu gehorchen. Ob Vater, Onkel, Bruder oder sogar Cousin, was diese für ihre Zukunft beschlossen, durfte eine junge Dame nicht infrage stellen. Im Laufe der Jahre hatte Giselle beobachtet, dass man sich, sobald man schließlich verheiratet war, immer weiter von Freunden und Familie entfernte. Selbst mit Cecily Debarry, ihrer engsten Freundin, gab es nach deren Hochzeit mit Bernard Louvain keinerlei Kontakt mehr. Schon bei seinem Antrittsbesuch bei Lady Katherine hatte Giselle das Empfinden gehabt, dass seine Höflichkeit und seine guten Manieren nur aufgesetzt waren. Cecily hatte sie später kein einziges Mal mehr besucht, und das legte den Verdacht nahe, dass ihr Ehemann ein selbstsüchtiger Tyrann war.

„War ich bis jetzt nicht immer eine folgsame Nichte, lieber Onkel?“, schmeichelte sie. „Ich habe mich klaglos unter die Fuchtel von Lady Katherine begeben und habe immer alles getan, was von mir erwartet wurde. Ich habe Euch auch nie um etwas gebeten, doch nun bin ich es, die mit wem auch immer verheiratet werden soll, und ich finde, ich habe ein Mitspracherecht verdient.“

Sir Wilfrids Lider flatterten, und für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als hätte Giselle ihn erweichen können. Doch dann lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, griff nach dem Kelch und murmelte: „Deine Bitte kommt zu spät. Ich habe schon jemanden für dich gefunden.“

Giselle schluckte. „Was? Ihr … Ihr habt …?“

„Ja. Die Verlobung wurde schon arrangiert, als du noch bei Lady Katherine warst.“ Giselle sah ihrem Onkel fest in die Augen. „Und warum habt Ihr mir nichts davon gesagt?“

Sir Wilfrid blickte stumm in seinen Kelch, hob ihn an die Lippen und nahm einen großen Schluck.

„Bitte, Onkel, ich möchte es wissen. Habt Ihr mir noch nichts gesagt, weil die Verlobung vielleicht noch nicht spruchreif ist? Hat der Auserwählte eventuell noch Vorbehalte?“

„Natürlich nicht! Bei dem Vermögen, das dir bei deiner Heirat zugesprochen wird, müsste er verrückt sein.“

Das war es also. Ihr Vermögen, das Erbe, über das sie oder besser gesagt ihr Gatte verfügen konnte, sobald sie verheiratet war. Giselle wusste, dass es sich dabei um eine erhebliche Summe handelte, aber wie hoch sie genau war, das wusste sie nicht. „Wenigstens haltet Ihr ihn also nicht für einen Dummkopf.“ Giselle versuchte, sich vor ihrem Onkel nichts von dem Aufruhr anmerken zu lassen, der in ihrem Innern tobte. Die Entscheidung war bereits gefallen, und sie konnte nichts mehr dagegen tun. „Dürfte ich erfahren, wer der Auserwählte ist?“

„Es ist Sir Myles Buxton.“

Giselle hatte diesen Namen noch nie gehört, aber das war im Grunde auch nicht anders zu erwarten. Die wenigen Männer, die sie vom Hörensagen kannte, konnte sie an einer Hand abzählen. Lady Katherine hielt es für unschicklich zu klatschen, und unter Klatsch verstand die eiserne Lady schon den Austausch selbst der harmlosesten Neuigkeiten.

„Und darf ich fragen, lieber Onkel, wie alt er ist?“

„Fünf Jahre älter als du.“

Gott sei Dank! Wenigstens war er kein alter Mann! Aber irgendetwas musste ihn doch bewogen haben, um ihre Hand anzuhalten.

„Ist er womöglich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten?“

„Wo denkst du hin, Kind? Glaubst du etwa, ich wäre von Sinnen? Viele wohlhabende junge Herren würden sich glücklich schätzen, in unsere Familie einheiraten zu können!“

„Es tut mir leid, Onkel, ich wollte Euch nicht verärgern. Ich würde nur gern wissen, warum die Verlobung noch nicht bestätigt ist, wo Ihr doch gar nicht vorhattet, mich vorher zu fragen.“

„Er muss nur noch den Vertrag unterschreiben, das ist alles.“

Dies war vielleicht die allerletzte Chance, ihren Onkel umzustimmen, und Giselle griff nach ihr wie ein Ertrinkender nach einem Strohhalm. „Ich bin sicher, dass Ihr eine gute Wahl für mich getroffen habt, lieber Onkel. Aber wenn die Verlobung noch nicht offiziell ist, könntet Ihr mir doch die Bitte gewähren, an Eurer Entscheidung teilzuhaben. Immerhin wäre das mein gutes Recht.“

Sir Wilfrid traute seinen Ohren nicht. „Von welchem Recht sprichst du?“, polterte er und vergoss dabei ein paar Tropfen des dunkelroten Weines auf dem weißen Tafeltuch. „Wer in drei Teufels Namen hat dir das eingeflüstert? Du kannst dir nicht die Freiheit nehmen, ihn abzulehnen!“

„Lady Katherines Priester sagt da aber etwas anderes. Ich habe ihn befragt, und er hat mir versichert, dass jede junge Dame das Recht hat, den Gatten, den ihre Familie für sie ausgesucht hat, abzuweisen.“ Ein Diener kam herbeigeeilt und versuchte, die Weinflecken auf dem weißen Leinen so gut es ging zu entfernen.

„Du willst also Sir Myles Buxton ablehnen, obwohl du ihn noch nie gesehen hast?“

Giselle spürte, dass sie an Boden gewann, ein kleines Stückchen nur, aber das war sie nicht mehr bereit, aufzugeben. „Also gut, ich werde ihn mir ansehen. Wann kann ich ihn treffen?“

„Er kommt an Weihnachten zu uns, um den Vertrag zu unterzeichnen.“

„Also gut, lieber Onkel“, sagte Giselle und versuchte, dabei so sachlich wie möglich zu klingen. „Ich schlage Euch Folgendes vor: Dieses Jahr werde ich allein die Festlichkeiten für die Feiertage vorbereiten. Ich werde Euch beweisen, dass ich eine reife Frau bin, die Entscheidungen fällen und die Verantwortung für den gesamten Ablauf des Festes übernehmen kann. Wenn ich Euch während dieser zwölf Tage davon überzeugen kann und Ihr nichts zu bemängeln habt, gesteht Ihr mir dann auch eine Entscheidung über die Verlobung zu?“

Sir Wilfrid kratzte sich nachdenklich an seinem dichten grauen Vollbart. „Du meinst also, dass du in der Lage bist, die zwölftägigen Festlichkeiten, von Weihnachten bis Epiphanias, allein zu organisieren? Die Unterkünfte für unsere Gäste und ihre Dienerschaft, die Verköstigung, die Auftritte der Künstler, der Chöre und der Musiker, und die Ausstattung des Festsaals?“

Giselle zögerte nur einen winzigen Augenblick. Ja, sie wusste, dass sie dazu in der Lage war; auf solche Aufgaben war sie vorbereitet und hätte sich an noch viel größere herangewagt, wenn sie sich damit ihre Freiheit erkaufen konnte. „Ja, Onkel, das bin ich.“

„Dann bin ich einverstanden, Giselle.“

Erleichtert sprang seine Nichte auf, verbeugte sich hastig und versicherte: „Ihr werdet sehen, lieber Onkel, alles wird zu Eurer Zufriedenheit verlaufen. Aber jetzt entschuldigt mich bitte, ich habe noch viel zu tun.“

Sir Wilfrid sah ihr nach, wie sie den Saal in Richtung der Großen Halle durchquerte.

Sie war zart und wunderschön, aber auch dickköpfig und eigenwillig. Ihr einmal nachzugeben war ein Risiko, konnte es doch weiteres Aufbegehren Giselles nach sich ziehen. Allerdings – die Gefahr, dass sie Sir Myles Buxton ablehnen würde, wenn sie ihn erst einmal kennengelernt hatte, war verschwindend gering. Keine junge Dame, die noch einigermaßen bei Verstand war, würde das tun. Nicht einmal Giselle.

Ein paar Wochen vergingen, und Giselle stürzte sich mit Begeisterung in ihre neue Aufgabe. Der frostig-feuchte Winter war inzwischen eisig und bitterkalt geworden, und so musste sie mehr Vorräte anlegen als bislang geplant, um die Versorgung der Gesellschaft nicht zu gefährden. Der Niederschlag der vergangenen Tage war in der letzten Nacht zu einer dicken Eisschicht gefroren, die Innenhof und Vorplatz der Burg bedeckte. Etliche Lieferantenkarren waren bereits im Matsch der aufgewühlten Wege stecken geblieben. Einige der Gäste waren wegen des zu erwartenden schlechten Wetters schon früher angereist, andere wiederum würden später als angekündigt eintreffen. Giselles sorgsame Planung hinsichtlich der Unterbringung und der Verköstigung der Besucher drohte allmählich ins Wanken zu geraten, und sie musste improvisieren.

Iestyn, der Küchenmeister, sollte ihr dabei helfen, doch er lamentierte in einem fort nur über die faulen Dienstboten, den Fisch, der seiner Ansicht nach nicht frisch geliefert worden war, und die schwindenden Salzvorräte. Sein Hoheitsgebiet, die Küche, sah aus wie Vater Pauls Beschreibung der Hölle, als Giselle sie betrat. Obwohl die oberen Fensterflügel alle geöffnet waren und kalte Luft von draußen hineinströmte, war es drinnen heiß und stickig.

Auch die Betriebsamkeit der Köchinnen, der Küchenmägde und – jungen hatte beinahe etwas Verstörendes. Ein paar Knaben drängten sich mit Mehl- und Weinfässchen, Obstkörben und Kisten mit gedörrtem Fisch durch die Enge. Zwei weitere drehten die Spieße mit Ochsen- und Hammelfleisch über einer Feuerstelle und gaben dabei sorgsam acht, dass das Fleisch nicht verbrannte und der herabtropfende Saft nicht vergossen wurde. Am Ende des großen Holztisches redeten und lachten zwei Burschen, während sie im Takt mit Mörser und Stößel Gewürzkräuter stampften.

Drei kräftige Mägde mit muskulösen Oberarmen standen in ihren neuen weißen Schürzen neben ihnen vor einer bemehlten Fläche und kneteten verschiedene Teige für Kuchen, Brot und Pasteten. Und in dem ganzen Gewühl schlängelte sich die Küchenkatze mit hocherhobenem Schwanz unter den langen schweren Eichenholztischen hindurch und schlug mit ausgefahrenen Krallen nach einem der Jagdhunde, mit denen sie sich ihr Revier teilen musste.

Alles in allem herrschte eine Atmosphäre höchst konzentrierter, aber unterschwellig freudig erregter Betriebsamkeit. Es war Weihnachten, und wenn die Arbeit erst einmal getan war, gab es zum Lohn ein besonders schmackhaftes Brot, reichhaltigeres Essen und besseren, feineren Wein als sonst. Wenn das Mahl serviert war, würden sie die Küche ganz für sich allein haben und auf ihre Weise mit Musik, Tanz und Spielen feiern können. Eure Herrschaft drückte gern ein Auge zu, wenn sie nur am nächsten Morgen wieder alle frisch zur Stelle waren. Zwölf Tage im Jahr herrschte Ausnahmezustand im Hause. Wenn sie vorüber waren, ging alles wieder seinen gewohnten Gang.

Zunächst aber musste Giselle den aufgeregten Küchenmeister beruhigen. „Fisch und Salz werden heute noch geliefert, Iestyn, mach dir keine Sorgen.“ Der Koch wischte sich mit einem Zipfel seiner Schürze die Schweißperlen von der Stirn. „Ihr wisst, Mylady, der Steinbutt soll heute Abend serviert werden. Er ist der frischeste Fisch, den wir für Geld kaufen konnten.“

„Und so soll es auch sein, mein lieber Iestyn, schließlich soll niemand meinen Onkel für einen Geizhals halten.“

Der Koch brach in brüllendes Gelächter aus und hielt sich den runden Bauch, der dabei wie Gelee wabbelte. „Einen Geizhals, Mylady, der Witz ist gut!“, prustete er. „Ihr hättet das Zeug zum Hofnarren, wisst Ihr das? Ihr Onkel und geizig, nein wirklich!“

Durch die beschlagenen Fensterscheiben sah Giselle ihre Kammerzofe Mary über den Hof auf den Küchentrakt zueilen, so schnell ihr das auf den vereisten Pflastersteinen möglich war.

„Bitte kommt ans Tor, Mylady“, rief sie ihr zu. „Kommt schnell!“

Mit einer flüchtigen Handbewegung verabschiedete sich Giselle aus der Küche und lief ihrer Dienerin entgegen. „Was ist denn passiert, Mary?“, fragte sie atemlos.

„Der Julscheit ist vom Wagen geglitten und hat sich im Tor verkantet, Mylady.“

Giselle erfasste mit einem Blick, was geschehen war. Jedes Jahr zur Weihnachtszeit brachte der Jagdaufseher aus den Wäldern, die zu den Ländereien ihres Onkels gehörten, einen großen Baumstamm. In ganz England war es Brauch, über die Weihnachtstage solch einen Julscheit im offenen Feuer zu verbrennen, und dieser hier war ein ganz besonders imposantes Exemplar, beinahe drei Meter lang. Während der Karren, auf den er geladen war, über die schlammigen Wege geholpert war, musste er verrutscht sein und klemmte nun im Burgtor fest.

„So ein Missgeschick“, stöhnte Giselle, raffte den Saum ihres braunen Hauskleides und schickte sich an, auf das Tor zuzulaufen. Für den Bruchteil einer Sekunde vergaß sie dabei die Glätte, rutschte aus und landete unsanft auf den vereisten Pflastersteinen. Verletzt hatte sie sich nicht, konnte sich auch sofort wieder aufrappeln und verwirrt und ein bisschen geniert den Zustand ihres Gewandes begutachten. Kein Wunder, dass die Dienstboten an den Fenstern und der Jagdaufseher, der neben dem Kopf seines Pferdes vor dem Karren stand, sie mit offenem Munde anstarrten. Das Kleid war verschmutzt und an einer Stelle eingerissen und ihr Sturz ein lächerliches Spektakel gewesen.

Autor

Margaret Moore

Ihre ersten Schreibversuche als Autorin machte Margaret Moore mit acht Jahren, als der verwegene Errol Flynn sie zu einer Geschichte inspirierte. Wenig später verfiel sie dem kühlen Charme von Mr. Spock aus Raumschiff Enterprise. Er ließ bei sich keine Emotionen zu – ganz anders als die Helden in ihren Romances!...

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