Fest der Hoffnung, Fest der Liebe

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An das Wunder der Liebe glaubt Meredyth nicht - sie hat sich mit ihrem Leben ohne einen Gemahl, der ihr sein Herz schenkt, abgefunden. Erst als ihr der schneidige Allen Mansfell romantisch den Hof macht, flammt in ihr zaghaft Hoffnung auf. Hoffnung auf ein Fest voller Liebe...


  • Erscheinungstag 26.11.2014
  • ISBN / Artikelnummer 9783733764517
  • Seitenanzahl 88
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL
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„Merry! Merry, sie sind da! Komm schnell!“

Meredyth Wellingford stand im Speisezimmer und überwachte die Lakaien dabei, wie sie den großen Tisch um ein weiteres Tischblatt erweiterten, als sie hörte, wie ihre jüngere Schwester sie in die Eingangshalle rief. „Bin schon unterwegs, Faith!“

Mit fröhlich federndem Schritt und einem Lächeln auf den Lippen ging Meredyth in die Große Halle. Wie sie die Weihnachtsfeiertage liebte! Der Duft der Tannen- und Kiefernzweige, welche die Treppen und Kaminsimse schmückten, das würzige Aroma des Glühweins und der appetitliche Geruch des Festtagsbratens; Mistelbündel und stachelige Stechpalmenzweige; Weihnachtslieder vor dem Kamin, in dem das Julscheit knisterte. Aber vor allem liebte sie es, wenn ihre Familie nach Hause kam, wenn ihre Geschwister wieder wie früher unter dem Dach von Wellingford versammelt waren.

Zuerst sollte ihr Bruder Colton eintreffen, der von Oxford anreiste und seinen besten Freund Thomas Mansfell mitbrachte. Da Wellingford auf dem Heimweg zum Familiensitz des Freundes im Norden lag, war Thomas oft bei ihnen zu Besuch; normalerweise verbrachte er auf dem Hin- und Rückweg von der Universität ein paar Tage bei ihnen.

Gerade als Meredyth zu ihrer Schwester in der Eingangshalle stieß, hörten sie schwere Schritte auf der Treppe draußen, gefolgt von einem lauten Klopfen an die Eingangstür. Twilling, ihr alter Butler, eilte herbei, um zu öffnen.

„Faith! Merry!“, rief Colton und schloss sie beide in die Arme, als sie auf ihn zugerannt kamen. „Wie schön, wieder zu Hause zu sein!“

„Wie schön, dich bei uns zu haben“, entgegnete Merry. Mit leisem Bedauern betrachtete sie das jüngste Mitglied der Wellingford-Sippe. Nachdem ihre Mutter sich von ihrer letzten Niederkunft nie richtig erholt hatte, hatten Meredyth und ihre ältere Schwester Sarah sich um den Jungen gekümmert und ihn unterrichtet, bevor er dann aufs Internat ging. Anstelle des freundlichen, eifrigen Jungen, den sie einst nach Eton geschickt hatte, stand nun ein junger Mann vor ihr, der größer war als sie, mit goldbraunen Locken und leuchtenden blauen Augen. Mein kleiner Bruder entwickelt sich zu einem hübschen jungen Mann, stellte Meredyth fest.

„Die Eingangshalle sieht wirklich sehr festlich aus.“ Eine weitere männliche Stimme riss sie aus ihren Überlegungen.

„Danke, Thomas. Sei uns herzlich willkommen“, sagte sie und wandte sich dem Freund ihres Bruders zu. „Ich hoffe, du bleibst ein paar Tage, ehe du nach Hause weiterreist? Ich habe für dich dein übliches Zimmer herrichten lassen.“

„O ja, bitte sag, dass du ein bisschen bleibst!“, mischte sich auch Faith ein. „Es ist so angenehm, dich wiederzusehen.“

„Ich freue mich auch, dich zu sehen, du kleine Range“, erwiderte Thomas und zog an einer von Faiths goldenen Locken, bevor er sich wieder zu Meredyth umdrehte. „Ich würde liebend gern ein paar Tage hier ausruhen, ehe ich mich ins Weihnachtsgetümmel daheim stürze. Und ich hoffe, es macht dir nichts aus, aber ich habe mir erlaubt, meinem Bruder Allen zu sagen, er könnte auch hier übernachten. Er kam aus London, um mit uns nach Norden zu reisen, gerade als Colton und ich Oxford verlassen wollten.“

„Natürlich ist er uns willkommen“, sagte Meredyth. „Du hast schon so viel von ihm erzählt, dass ich das Gefühl habe, ihn zu kennen, obwohl ich ihm noch nie begegnet bin.“ Im Lauf der Jahre hatte Thomas ihnen recht oft von den Abenteuern seines älteren Bruders berichtet, den er so bewunderte – von seinen Fähigkeiten im Reiten und Fechten, seinem Dienst als verwegener junger Unteroffizier, der während des Waterloo-Feldzugs Botschaften für Wellington überbrachte, der Fachkenntnis, mit der er die Verwaltung der Familiengüter übernommen hatte.

Thomas grinste. „Da bin ich froh! Für mich wäre das ganz schön peinlich geworden, wenn ich ihn allein hätte weiterschicken müssen. Er wollte sich noch kurz um die Pferde kümmern – aber hier ist er schon.“ Er deutete auf den großen dunkelhaarigen Gentleman, den Twilling soeben in die Eingangshalle einließ.

„Meine Damen, darf ich euch meinen Bruder Allen vorstellen. Allen, hier sind Merry und Faith Wellingford – zwei von Coltons Schwestern.“

„Miss Wellingford, Miss Faith – angenehm!“, sagte der Neuankömmling und beugte sich über ihre Hände. An Meredyth gewandt, sagte er: „Ich habe von Thomas schon so viel von Wellingford gehört, dass ich entzückt bin, endlich auch einmal herkommen zu dürfen – wenn es Ihnen wirklich recht ist, wie Thomas mir versichert hat, dass Ihnen ohne Vorankündigung ein weiterer Gast aufgehalst wird.“

Als der Gentleman sich aufrichtete, konnte Meredyth kaum ein Aufkeuchen unterdrücken. Im Gegensatz zu ihrem halbflüggen Bruder war Allen Mansfell ein richtiger Mann – und unglaublich attraktiv. Obwohl sie groß war für eine Frau, überragte ihr Gast sie noch um einiges. Dunkelbraune Locken fielen ihm in die Stirn, und seine Augen in dem markanten Gesicht waren von einem aufsehenerregenden Grün. Sein Blick hielt den ihren fest, und einen Augenblick lang hatte sie das Gefühl, sie wären die einzigen Menschen in der Halle.

Ein wenig verwirrt, senkte sie den Blick, ließ ihn anerkennend von den breiten Schultern über den kräftigen Oberkörper bis zu den muskulösen Oberschenkeln wandern, die von den ledernen Breeches vorteilhaft zur Geltung gebracht wurden. Als sie schließlich wieder zu ihm aufsah, verspürte sie eine prickelnde Anziehung, die stärker war als alles, was sie seit dem Tod ihres Verlobten James vor vielen Jahren empfunden hatte.

Sie schüttelte den Kopf und versuchte, ihre fünf Sinne beisammenzuhalten. „Wenn Sie nach dem gegangen sind, was Thomas von mir erzählt hat, dann überrascht es mich, dass Sie sich überhaupt hergewagt haben.“

Er lachte, wobei sein beunruhigender, verstörender Blick immer noch auf sie gerichtet war. „Ich versichere Ihnen, dass er nur in den höchsten Tönen von Ihnen gesprochen hat.“

„Ich hoffe, ihr habt uns auch noch etwas zum Dekorieren übrig gelassen“, unterbrach Colton sie und sah sich in der mit Tannen- und Kiefernzweigen geschmückten Halle um. „Nachdem wir ein ganzes Semester über staubigen Büchern gesessen haben, sind Thomas und ich recht erpicht darauf, über Land zu reiten und Misteln, Stechpalmen und anderes Gesträuch herbeizuschaffen.“

„Faith und ich haben mit der Halle angefangen, aber viel weiter sind wir nicht gediehen. Wir brauchen euch Gentlemen, damit ihr uns Weihnachtsdekoration bringt. Ich dachte, wir warten mit dem Sammeln auch noch, bis Sarah, Elizabeth und Clare mit ihren Familien eingetroffen sind. Es würde den Kindern bestimmt großen Spaß machen, mit euch auszureiten.“

Colton grinste sie an. „Typisch Merry – noch nicht mal alle da, und schon kommandiert sie uns herum.“

„Sie ist aber eine hervorragende Kommandantin“, meinte Thomas. „Wenn man sich Wellingford jetzt anschaut, kann man sich gar nicht vorstellen, wie es hier ausgesehen hat, als ich zum ersten Mal zu Besuch gekommen bin. Das Herrenhaus total baufällig, die Pächterhäuschen halb verfallen, die Felder lagen brach. Merry hat da wirklich Erstaunliches geleistet; sie hat das Haus und die Güter wunderbar hergerichtet und sich darum gekümmert, dass das Land wieder bebaut wird.“

Wenn Thomas nicht fast so etwas wie ein Bruder für sie gewesen wäre, hätte Meredyth sich vielleicht geschämt für das freimütige Bild, das er von Wellingfords traurigem Zustand kurz nach dem Tod ihres Vaters entworfen hatte. Doch da sein Bruder Allen durch Thomas sicher erfahren hatte, wie sehr ihr spielsüchtiger Vater den Familiensitz vernachlässigt hatte, hatte sie nicht das Gefühl, Erklärungen abgeben oder sich entschuldigen zu müssen. „Die Zeit ist eine kompetente Verwalterin, und ein Zufluss von Bargeld kann wahre Wunder vollbringen“, erwiderte sie.

„Nachdem ich mit der Instandhaltung der Güter meines Vaters gekämpft habe, Miss Wellingford, bin ich mir wohl bewusst, dass es mehr braucht als Geld, um sie in einem guten Zustand zu erhalten“, erklärte Allen. „Das Land und die Höfe, an denen wir vorbeigekommen sind, haben alle vorbildlich ausgesehen, und das Haus hier ist wunderschön. Dass Sie hart arbeiten, ist offensichtlich.“

„Allerdings“, warf Colton ein. „Merry ist eine so hervorragende Verwalterin, dass ich sie wohl weiterhin beschäftigen werde, wenn ich heirate und endgültig nach Wellingford zurückkehre.“

„Deiner Braut würde ein solches Arrangement wohl kaum behagen“, gab Merry scharfzüngig zurück und spürte, wie ihr Gesicht heiß wurde. Unverblümt und unsensibel, wie junge Männer meist waren, war Colton natürlich gar nicht klar, dass er seine unverheiratete Schwester gerade endgültig als alte Jungfer gebrandmarkt hatte. Was sie ja auch war – aber trotzdem hätte sie darauf verzichten können, dass ihr Bruder es vor einem so attraktiven Mann wie Mr. Mansfell herausposaunte.

Obzwar an die acht Jahre älter als der siebzehnjährige Thomas, war Allen Mansfell immer noch zwei Jahre jünger als sie. Bei diesem entmutigenden Gedanken wurde ihr noch unwohler zumute, und sie ermahnte sich streng, dass sie über die unziemliche sinnliche Reaktion hinwegkommen müsse, die er in ihr hervorgerufen hatte.

Da Meredyth plötzlich das Bedürfnis verspürte, Allen Mansfells allzu überwältigender Gegenwart zu entkommen, und zudem aus Faiths Miene schloss, dass ihre Schwester sich von der Unterhaltung ausgeschlossen fühlte, sagte sie: „Faith, führe unsere Gäste doch in den vorderen Salon. Ich sage Twilling, dass er Glühwein bringen soll, während ich mich darum kümmere, dass ein weiteres Zimmer hergerichtet wird.“

An Mr. Mansfell gewandt, fügte sie hinzu: „Ihr Schlafzimmer ist gleich fertig. Wenn ich irgendetwas tun kann, um Ihnen den Aufenthalt in Wellingford angenehmer zu machen, zögern Sie bitte nicht, es mir zu sagen.“

Zu ihrer Überraschung ergriff Allen ihre Hand und beugte sich darüber. „Ich bin sicher, dass Sie es mir überaus angenehm machen werden“, murmelte er. Sein warmer Ton und die Hitze, die seine Hand abstrahlte, ließen sie erneut zusammenzucken.

Hastig zog sie ihre prickelnde Hand zurück, knickste und wandte sich ab, wobei sie sich seines Blickes im Rücken äußerst bewusst war, als sie die Treppe hinaufstieg.

Nachdem sie seinem Blick entkommen war, begab Meredyth sich in den Gästeflügel, um den Raum in Augenschein zu nehmen, den sie Allen zuzuweisen gedachte, und zu prüfen, ob dort mehr gebraucht wurde als frisches Bettzeug. Während ihr Blick auf dem großen hohen Bett ruhte, dachte sie an Mr. Mansfells samtige Bemerkung, dass sie es ihm sicher angenehm machen würde. Plötzlich überlief es sie heiß.

Sie benahm sich einfach lächerlich – wie konnte sie dieser müßigen Bemerkung eine Doppeldeutigkeit beimessen, die ein Gentleman einer unverheirateten Dame des ton niemals zumuten würde! Es war schon schlimm genug, dass sie unter seinem Blick errötete wie ein Schulmädchen! Sie musste sich wirklich in den Griff bekommen, sonst tat sie noch etwas, das ihm verriet, welche Wirkung er auf sie ausübte. Die Vorstellung, er könnte etwas ahnen und würde die Idee dann voll Abscheu – oder, schlimmer noch, Mitleid – von sich weisen, war zu demütigend, als dass sie sie ernsthaft in Betracht ziehen wollte.

Zum Glück würde er nur für ein paar Tage in Wellingford weilen. Und da der Rest der Familie jeden Augenblick eintreffen konnte, wäre sie bald viel zu beschäftigt mit den Mahlzeiten, der Unterbringung und Unterhaltung für ihre Schwestern, deren Gatten und Kinder, um sich mit der hypnotisierenden Wirkung von einem Paar lebhafter grüner Augen aufzuhalten – oder dem Flattern in ihrem Bauch.

Es war ja nicht so, als wären ihr in den Jahren nach dem Tod ihres Verlobten keine attraktiven Männer begegnet. Was hatte Allen Mansfell nur an sich, dass ihr Körper auf ihn mit einem Sinnenfeuer reagierte, das sie nach James’ Tod für erloschen geglaubt hatte?

Die dumpfe Trauer, die anstelle des ersten brennenden Schmerzes über den Verlust ihres Verlobten getreten war, erfüllte nun auch jetzt wieder ihre Brust. Sie schluckte hart und trat ans Fenster, wo sie blicklos hinausstarrte auf den kahlen Garten, während die Erinnerungen über sie hereinbrachen.

Wie sehr sie ineinander verliebt gewesen waren. Wie lebhaft sie sich an die Aufregung erinnern konnte, ihn zu küssen – wie sie das Gefühl gehabt hatte, von innen heraus zu schmelzen, wenn seine Zunge die ihre liebkoste und seine starken Hände ihre Brüste umfassten. Nicht zum ersten Mal bedauerte sie ihr Ehrgefühl, das sie veranlasst hatte, die erregenden Liebesspiele kurz vor der Erfüllung abzubrechen.

Sie hätten schließlich alle Zeit der Welt, einander zu genießen, wenn er aus Indien zurückkehrte, hatte James versprochen und sie sanft weggeschoben. Während er einen Finger über ihre von seinen Küssen angeschwollenen Lippen zog, versprach er ihr, jeden Zoll ihres Körpers zu liebkosen, wenn sie seine Frau war und sie nicht länger befürchten mussten, dass durch ihre Vereinigung ein Kind außerhalb des Ehebetts gezeugt werden könnte.

Jene letzte Nacht vor seiner Abreise war sie schwer in Versuchung geraten, ihn wieder an sich zu ziehen, ihre Brüste an seinen Oberkörper zu pressen, seine Lippen auseinanderzudrängen und ihn zu reizen, bis er die Beherrschung verlor und sie auf der Stelle nahm und den Pfad bis zur Erfüllung beschritt. Nur das Wissen, dass es eine Katastrophe wäre, wenn sie von ihm schwanger würde, hatte sie aufgehalten.

Jetzt, wo die Wahrscheinlichkeit, noch ein Kind zu bekommen, eher gering war, war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie damals die richtige Wahl getroffen hatte.

Es war nicht so, als hätte sie sich gegen die Ehe entschieden. Natürlich hatte sie es im ersten Jahr nach James’ Tod nicht für möglich gehalten, dass sie sich je wünschen würde, einen anderen zu heiraten, aber die Zeit hatte diese Gewissheit untergraben und ihren Kummer gedämpft. In den folgenden Jahren war sie in Wellingford geblieben, um ihre sterbende Mutter zu pflegen, und danach hatte eine Reihe anderer Verpflichtungen sie davon abgehalten, ihr Zuhause zu verlassen und nach London zu gehen, wo sie sich vielleicht wieder hätte verlieben können.

Nicht dass eine Heirat vollkommen ausgeschlossen war. Im Frühling würde sie mit Faith nach London reisen und ihre kleine Schwester zu allen Veranstaltungen des Heiratsmarkts begleiten. Aber sie war über zehn Jahre älter als ihre Schwester und die anderen jungen Mädchen, die in die Gesellschaft eingeführt wurden, und würde vermutlich Häubchen tragen und sich zu den anderen Matronen setzen müssen.

Außerdem träumte Meredyth im Gegensatz zu den jungen Mädchen, die neben Faith bald die Salons der vornehmen Gesellschaft bevölkern würden, nicht davon, Reichtum oder einen Titel zu heiraten. Den wohlhabenden Nachbarn, der um ihre Hand anhalten wollte, weil ihre Ländereien an die seinen angrenzten, hatte sie bereits weggeschickt. Und einen alten Freund der Familie – einen verwitweten Viscount, der für seine Kinder eine neue Mutter suchte – hatte sie sanft abgewiesen. Sie wurde von ihrer Familie geschätzt und verehrt, hatte eine ständig wachsende Schar Nichten und Neffen, die sie verwöhnen konnte, besaß Ländereien und den Witwensitz, in dem sie leben konnte, wenn Colton einmal eine Frau nach Hause brachte – niemals würde sie ihr Herz, ihre weltlichen Güter und ihre Zukunft einem Ehemann für etwas Geringeres als jene Liebe überlassen, die sie für James empfunden hatte.

Meredyth warf einen letzten prüfenden Blick auf das Bett und ging hinaus. Auch wenn Allen Mansfell ihre Sinne zum Glühen brachte und somit bewies, dass die Leidenschaft immer noch in ihr brannte, wäre es doch ein Wunder, wenn eine Dame in ihrem Alter noch einmal die große Liebe fände.

Allen Mansfell lehnte im Salon am Kaminsims, ließ sich ein Glas Glühwein schmecken und sah nachsichtig zu, wie Miss Faith Wellingford versuchte, mit seinem Bruder Thomas zu flirten, der sie seinerseits abwechselnd neckte oder ignorierte, während er mit Colton über den vorgeschlagenen Jagdausflug am nächsten Tag sprach.

Miss Faith ist ein hübsches Ding, fand er. Sie ähnelte ihrer älteren Schwester Elizabeth, der eigentlichen Schönheit der Familie, die vor kurzem seinen Freund Hal Waterman geheiratet hatte. Mit ihrem reizenden Gesicht und ihrem ungekünstelten Charme würde Miss Faith vermutlich keine Schwierigkeiten haben, einen passenden Ehemann zu finden, wenn sie, wie sie ihm ernst erzählt hatte, im nächsten Frühling debütierte.

Bei dem Gedanken unterdrückte Allen einen Schauer des Missfallens. Nächsten Frühling würde er vermutlich auch nach London reisen. Obwohl es ihm nach Susannas Treulosigkeit sehr widerstrebte, je wieder einer Dame seine Hand und seinen Namen zu bieten. Nachdem er aber über den ersten Kummer und Zorn hinweggekommen war, hatte er erkannt, dass der Grund, warum er sich ihr überhaupt genähert hatte – der Wunsch zu heiraten, sich auf dem Familiensitz niederzulassen und seine Mutter mit Enkeln zu erfreuen –, ihn wieder auf den Londoner Heiratsmarkt führen würde. Diesmal hatte er jedoch nicht die Absicht, sein Herz zu verlieren.

Für einen heiratswilligen Gentleman bot die Londoner Saison die bequemste und umfassendste Ansammlung junger, vornehmer Mädchen, aus der ein Gentleman seine Auswahl treffen konnte. Eigentlich fand er die Vorstellung aberwitzig, er könnte sich ein Kind wie Faith zur Frau aussuchen.

An Susanna hatte ihn letzten Frühling ja gerade die souveräne Selbstsicherheit angezogen. Im Gegensatz zu anderen jungen Mädchen war sie in der Lage gewesen, ein intelligentes Gespräch zu führen – und verführerisch zu flirten –, statt bei jedem Wort, das er von sich gab, zu kichern oder zu erröten. Ganz zu schweigen von den offensichtlichen Reizen ihres üppigen Körpers …

Wütend schob er die Erinnerungen beiseite. Er hatte nun lang genug gezürnt und getrauert. Er würde sich von ihrer Untreue nicht länger die Laune verderben lassen.

Wenn er schon gezwungen war, sich wieder auf den Heiratsmarkt zu begeben, wäre Miss Faiths Schwester Meredyth weitaus mehr nach seinem Geschmack. Groß, schlank, ihr Haar etwas heller als das Goldblond ihrer kleinen Schwester, ihre Augen eher grau- als himmelblau und von großer Eleganz. Und dann war da dieser überraschende Funken der Erkenntnis gewesen, und diese Hitze, die sich bei seiner albernen und frechen Bemerkung über die angenehmen Seiten seines Aufenthalts förmlich durch seine Handschuhe gebrannt hatte. Eleganz und – im Gegensatz zu Susanna – Integrität, vereint in einem subtil sinnlichen Körper war eine ziemlich aufregende Kombination.

Autor

Julia Justiss
Julia Justiss wuchs in der Nähe der in der Kolonialzeit gegründeten Stadt Annapolis im US-Bundesstaat Maryland auf. Das geschichtliche Flair und die Nähe des Meeres waren verantwortlich für zwei ihrer lebenslangen Leidenschaften: Seeleute und Geschichte! Bereits im Alter von zwölf Jahren zeigte sie interessierten Touristen das historische Annapolis, das für...
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