Feuriger Flirt in Italien

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Alles ausgebucht in dem malerischen italienischen Küstenort! Aber Kelly hat Glück: Der unwiderstehlich attraktive Geschäftsmann Massimo Castellini lädt sie spontan in seine Luxusvilla ein. Doch dann verführt er sie nicht nur zu einem heißen Sommerflirt, er stiehlt ihr auch ihr Herz …


  • Erscheinungstag 06.08.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519892
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Er war absolut umwerfend. Groß, dunkelhaarig und attraktiv. Kelly lächelte und vergaß für einen Moment ihre Sorgen, während sie zusah, wie der Mann das Segelboot zur Anlegestelle lenkte.

Kräftige, breite Schultern. Ein schlanker Körper, die Bewegungen voller Selbstvertrauen und Anmut. Dichtes schwarzes Haar, herrlich vom Wind zerzaust und verwegen lang. Ja, definitiv sehr attraktiv. Und vom Boot zu schließen, wahrscheinlich auch noch reich.

Möglicherweise verkörperte er genau das, wonach sie suchte.

Die Augustsonne brannte hier an der italienischen Küste am Spätnachmittag immer noch heiß. Kelly blinzelte, um den Mann besser sehen zu können. Ungefähr dreißig, schätzte sie. Seine Augen wurden von einer Sonnenbrille verdeckt. Kelly beobachtete, wie er das Tau warf, geschickt vom Boot sprang und das Boot vertäute. Die weißen Shorts und das blaue T-Shirt gaben den Blick frei auf muskulöse, sonnengebräunte Beine und Arme. Zu ihrem Ärger spürte sie angesichts dieser männlichen Pracht weibliches Interesse in sich aufflackern. Dies war nun wirklich nicht der richtige Augenblick für romantische Fantasien.

Sie steckte in Schwierigkeiten, und es sollte ihr egal sein, wie attraktiv oder reich er war oder wie toll sein Boot. Wichtig war nur, dass er der englischen Sprache mächtig war. Denn im Moment brauchte sie jemanden, der Englisch sprach.

Allein in einem fremden Land, verloren und ohne Anhaltspunkt, saß Kelly auf der Holzbank im Hafen. Das war nun wirklich nicht der beste Anfang für ein neues Leben. Oder zumindest für ein neues Kapitel ihres Lebens.

Sie wollte endlich auf eigenen Füßen stehen, immer das tun können, was sie wollte, und wann immer sie es wollte. Und sie wollte niemandem gefallen und keine Anordnungen befolgen.

Diese Freiheit würde grandios werden. Und das Beste war, dass sie dieses Abenteuer im sonnigen Italien begann.

Da war sie nun also, hilflos, ahnungslos …

Ich habe dir gleich gesagt, dass es eine blödsinnige Idee ist, allein nach Italien zu fahren. Beinahe hörte sie Ricks Stimme in ihrem Kopf. Wie ärgerlich. Das Kapitel Rick war ein für alle Mal vorbei. In ihrem neuen Leben gab es für Rick keinen Platz mehr.

„Du sprichst ja nicht mal die Sprache“, hatte er zu bedenken gegeben. „Und außerdem weißt du nicht, wie das Apartment aussieht. Es kann eine mittelalterliche Absteige voller Ratten sein. Nimm doch endlich Vernunft an, Kelly!“

„Es wird ein Abenteuer“, hatte sie dagegengehalten. Einschüchtern ließ sie sich von ihm ganz bestimmt nicht. Tapfer hatte sie ihre neuerdings kurz geschnittenen Locken geschüttelt und ihn herausfordernd angelächelt.

Allerdings hatte er das kein bisschen lustig gefunden. Noch Tage danach bombardierte er sie mit Einwänden, und am Ende verbot er ihr sogar zu fahren. Verbot.

Was zu viel war, war zu viel. In diesem Moment hatte Kelly ihre Beziehung beendet. Sie konnte seine kontrollierende, überfürsorgliche Art einfach nicht mehr ertragen. Das war vor einem Monat gewesen, und sie hielt es für die beste Entscheidung, die sie jemals getroffen hatte. Selbst wenn es ihr eine Heidenangst eingejagt hatte, ihr Leben vollkommen umzukrempeln.

Hier war sie nun, im sonnigen Italien. Und ihr Abenteuer, auf eigenen Füßen zu stehen, konnte beginnen. Auch wenn es sich recht seltsam anließ. Eigentlich hatte sie sich unglaublich mutig und tapfer gefühlt. Aber jetzt, verschwitzt, erschöpft und verloren, fühlte sie sich kein bisschen heldenhaft mehr.

Vor zwei Stunden war sie am Bahnhof angekommen und hatte dann eine geschlagene Stunde auf Signor Bernardini gewartet, der sie abholen und zu ihrem Apartment bringen sollte. Leider war er nicht aufgetaucht. Kein Problem, hatte sie gedacht. Dann würde sie das Apartment eben selbst finden. Sie hatte die Adresse, also konnte es ja nicht so schwer sein. Der Karte zufolge, die man ihr geschickt hatte, lag es direkt im historischen Ortskern. Vielleicht wartete Signor Bernardini ja dort auf sie. Sie hatte sich einen kleinen Leihwagen genommen, ihr Gepäck hineingeworfen und sich auf die Suche gemacht.

Fünfundvierzig Minuten später war sie mit den Nerven am Ende. Das Apartment konnte sie nirgends finden, ebenso wenig einen Parkplatz. Zu Fuß hätte sie wenigstens jemanden suchen und nach dem Weg fragen können. Und so war sie am Hafen angelangt, anscheinend dem einzigen Ort, wo man parken konnte. Mit zitternden Knien war sie aus dem Wagen geklettert. Sie kam sich wie eine geschlagene Kriegerin vor. Dennoch fühlte sie sich allmählich besser. Ja, sie kannte sich nicht aus. Aber das war noch lange kein Weltuntergang. Immerhin befand sie sich nicht in der Sahara oder im Dschungel von Borneo. Sie war mitten in der Zivilisation, in einem italienischen Örtchen voller Leute und Pasta. Sie würde überleben.

Jetzt brauchte sie nur noch einen Fremdenführer, der ihr den Weg zeigte. Einen, der Englisch sprach.

Und dieser römische Gott in Shorts direkt vor ihrer Nase machte den Eindruck, als würde er diesen Ansprüchen genügen. Der Gott richtete sich auf, nahm die Sonnenbrille ab und rieb sich den Nasenrücken. Dann fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. Kellys Herz tat einen Satz. Er sah wirklich zu gut aus, um wahr zu sein.

Sie stand auf und trat auf ihn zu, gerade als er sich umwandte und sie erblickte.

Ihre Blicke begegneten sich. Es war, als durchzuckte sie ein elektrischer Schlag.

Ihr Herz raste. Was sie hatte sagen wollen, war ihr mit einem Mal entfallen. Außer diesen Augen war ihr nichts mehr bewusst.

Die Zeit blieb stehen.

Dann atmete Kelly tief durch und schluckte. Es war heiß hier in der Sonne. Entsetzlich heiß. „Verzeihung“, setzte sie mit seltsam heiserer Stimme an. „Sprechen Sie Englisch?“

„Ja.“

„Oh, gut.“ Erleichtert reichte sie ihm den Zettel mit der Adresse. „Eine geschlagene Stunde lang fahre ich jetzt schon hier herum und kann diese Adresse nicht finden. Vielleicht können Sie mir helfen.“

Er studierte den Zettel, den der notaio ihr geschickt hatte. Hinter ihm sprang jemand vom Boot, ein Mädchen im Teenageralter, mit endlosen Armen und Beinen und langem, glänzenden Haar.

Das Mädchen sah Kelly neugierig an. Sie war sechzehn oder siebzehn, schätzte Kelly. Sehr hübsch, schlank, mit dunklem Haar, klaren grauen Augen und einem knappen Top, das ihren flachen Bauch zeigte. Ein kleiner Rucksack baumelte ihr achtlos von der Schulter.

Cosè questa?“

Der Mann antwortete ihr auf Italienisch und sah dann Kelly an. „Ich glaube, ich weiß, wo das ist. Wir bringen Sie hin, es ist nicht weit von hier. Zeigen ist leichter als erklären.“

Das war Musik in ihren Ohren, doch plötzlich fühlte sie sich unsicher. Wegen dieses Mannes und der Spannung, die zwischen ihnen lag. „Ich will Ihnen keine Umstände machen. Ich meine …“

„Kein Problem. Man läuft nur fünf Minuten.“

Sein Gesicht spiegelte nur ruhige Selbstbeherrschung wider, doch Kelly spürte, dass auch er die Anziehungskraft zwischen ihnen fühlte.

Sie zeigte zum Parkplatz. „Ich habe ein Auto.“

„Ich auch“, gab er trocken zurück. „Am besten Sie lassen es vorerst stehen. Im Ort finden Sie bestimmt keinen Parkplatz.“

Sie nickte. „In Ordnung.“

„Ich brauche ein paar Minuten da drinnen, dann können wir los.“

„Danke.“

Damit ging er. Kelly atmete tief durch und lächelte dem Mädchen zu.

„Sind Sie Amerikanerin?“

„Ja, ich bin gerade in Neapel angekommen. Eigentlich sollte ich am Bahnhof abgeholt werden, aber es kam niemand.“

„Und jetzt wissen Sie nicht, wohin.“ Anscheinend fand das Mädchen Kellys Lage amüsant.

„Genau. Ich bin endlos herumgekurvt, aber in diesem Einbahnstraßendschungel habe ich mich hoffnungslos verfahren. Die Wegbeschreibung ist offenbar für Fußgänger gedacht.“

„Von wo in Amerika kommen Sie?“

„Philadelphia.“

„Wirklich? Meine beste Freundin Melissa kommt aus Philadelphia!“ Sie streckte Kelly die Hand entgegen. „Ich bin Valentina Castellini.“ Sie wies in die Richtung, in die der Mann verschwunden war. „Und das ist Massimo, mein Bruder.“ Sie zog eine Grimasse. „Ich möchte nächstes Jahr in den Staaten aufs College gehen, mit Melissa. Aber er will, dass ich in England zur Schule gehe.“

„Ich bin Kelly Olsen. Dein Englisch ist sehr gut. Hast du das in der Schule gelernt?“

„Ja, und von meinen amerikanischen und englischen Freunden. Ich gehe auf eine internationale Schule in Rom. Die meisten Fächer haben wir in englischer Sprache. Massimo sagt, heutzutage ist es wichtig, eine internationale Erziehung zu bekommen. Wegen der Globalisierung und so.“

Besagter Massimo trat gerade wieder aus dem Gebäude heraus. Er hatte seine Shorts gegen Kakihosen eingetauscht, und Kellys Puls beschleunigte sich, als sie seinen Blick auf sich spürte.

Seine Miene wirkte vollkommen ausdruckslos. „Hier entlang“, sagte er und zeigte zum Ausgang des Hafens.

Valentina legte ihm eine Hand auf den Arm. „Massimo, sie heißt Kelly und kommt aus Philadelphia!“

„Wirklich?“ Er klang ziemlich unterkühlt. Obwohl seine Augen und die dunklen Haarsträhnen, die ihm in die Stirn fielen, alles andere als kühl wirkten. Er streckte Kelly die Hand entgegen. „Massimo Castellini“, stellte er sich höflich vor.

„Kelly Olsen.“ Sie lächelte ihn freundlich an und versuchte, nicht dahinzuschmelzen, als sie seinen festen Händedruck spürte.

„Besuchen Sie hier Freunde?“, wollte Valentina wissen, als sie in die Straße einbogen.

„Nein, ich habe ein Apartment von meiner Großmutter geerbt. Ich will es mir ansehen und vielleicht ein bisschen hierbleiben.“

An einer Ampel blieben sie stehen. „Ihre Großmutter hat hier gewohnt? Sind Sie Italienerin?“ Valentinas Augen wurden groß. „Aber sie sehen gar nicht italienisch aus.“

Kelly lachte. Ihr blondes Haar und ihre blauen Augen waren eher nordischen Ursprungs.

Massimo Castellini bedachte seine Schwester mit einem tadelnden Blick. „Es ist unhöflich, so viele Fragen zu stellen.“

„Ach, das macht nichts“, wehrte Kelly ab. „Meine Großmutter war Amerikanerin. Sie hatte das Apartment von ihrer Schwester geerbt, die mit einem Italiener verheiratet war. Aber sie haben nie Kinder bekommen, deshalb hat meine Großmutter es mir nach ihrem Tod Anfang des Jahres vererbt. Ich habe keine Ahnung, wie das Apartment aussieht. Ich wusste ja nicht mal, dass es überhaupt existiert.“

Sie überquerten die Straße und bogen in eine Kopfsteinpflastergasse ein, die mit parkenden Autos, Motorrädern und Mülltonnen gesäumt war. Es war so eng, dass sie hintereinander gehen mussten.

„Hier geht es zur Piazza di San Bonaventura“, erklärte Massimo. „Merken Sie sich das.“

Kelly sah sich um und versuchte, sich die kleinen Lädchen zu merken, an denen sie vorbeikamen: einen Blumenladen, eine Apotheke, einen kleines Café, dessen Tische mit rot-weißen Tischdecken bedeckt waren. Es duftete nach frisch gebrühtem Espresso.

Indem sie sich auf die Umgebung konzentrierte, konnte sie sich von dem Mann vor ihr ablenken. Wie er so mit weit ausholenden Schritten durch die Gasse ging, war er die Aufmerksamkeit jeder Frau wert. Da lenkte sie ihren Blick doch lieber auf … Gemüse.

Der Markt, den sie nun passierten, bot ein farbenfrohes Bild. Tomaten, Zucchini, Kräuter, Pfirsiche, Trauben, Pflaumen und Melonen, selbst frischer Fisch wurde angeboten. Hier würde Kelly wahrscheinlich in den nächsten Monaten einkaufen gehen. Der Gedanke gefiel ihr. Sie würde die italienische Küche kennenlernen und irgendwann selbst italienisch kochen.

Massimo bog um eine weitere Ecke, und Kelly und Valentina folgten ihm. Ein Motorrad überholte sie mit halsbrecherischer Geschwindigkeit. Hinter dem Fahrer, einem jungen Mann, saß seine Freundin, die Arme eng um seine Taille geschlungen.

Der Duft von frischer Pizza erinnerte Kelly daran, dass sie seit Stunden nichts gegessen hatte. Die Gasse, in die sie nun einbogen, war so schmal, dass keine Autos hindurch fahren konnten. Durch einen Torbogen traten sie in einen Hof.

„Hier ist es“, verkündete Massimo, und Kelly sah sich um.

Hohe Wände mit zahlreichen Balkonen ragten über ihnen auf. Überall hing Wäsche zum Trocknen in der Sonne. Im Hof stand eine Palme im Topf. Wie in einer Reisebroschüre oder einem Film. Fehlte nur noch, dass Sophia Loren auf einen der Balkone heraustrat und ihnen zuwinkte.

„Das da ist es.“ Massimo zeigte auf eine grüne Tür, von der die Farbe abblätterte. Er las die Namensschilder. „Hier. Haben Sie einen Schlüssel?“

„Nein.“ Wie peinlich. „Ich hatte gehofft, dass hier jemand auf mich wartet. Eigentlich hätte ich schon am Bahnhof abgeholt werden sollen, aber vielleicht …“

Massimo läutete, doch niemand öffnete. Auch bei den anderen Klingeln hatte er keinen Erfolg.

Von einem der Balkone rief eine Frau etwas auf Italienisch zu ihnen hinunter.

Kelly schaute hinauf und erblickte nicht Sophia Loren, sondern eine alte Frau mit blauen Lockenwicklern im Haar. Sie brachte gerade ihre Wäsche hinein.

Massimo antwortete auf Italienisch, und dann entwickelte sich eine rasante Unterhaltung.

Kelly hasste es, so hilflos zu sein. Sie verstand kein Wort. Da stand sie ohne Schlüssel vor ihrem eigenen Apartment, und kam sich wie eine Idiotin vor. Was mochte dieser Mann von ihr denken?

Aber es sollte ihr egal sein, was er von ihr hielt. Die Meinung anderer Leute war nicht mehr wichtig, am wenigsten die eines Mannes.

„Sie sagt, dass niemand zu Hause ist“, übersetzte Valentina flüsternd.

Die Frau wusste anscheinend genau, wann welcher Nachbar kam und ging. Die Wäsche an die Brust gedrückt, ging sie in ihre Wohnung.

Massimo wandte sich Kelly zu. „Offenbar haben Sie eine Pechsträhne. Niemand ist da, und Sie werden nicht in Ihr Apartment kommen. Sonntags ist das Büro des notaio geschlossen.“ Mit gerunzelter Stirn betrachtete er den Brief des Anwalts. Kelly fragte sich, warum er so grimmig aussah.

Sie nahm den Brief an sich. „Morgen gehe ich zum Notar.“ Zuversichtlich lächelte sie ihn an. „Vielen Dank, dass Sie mir den Weg gezeigt haben. Jetzt weiß ich immerhin, wo es ist.“

Ob sie es jemals wiederfinden würde, war eine andere Frage.

„Wo bleiben Sie denn jetzt?“, wollte Valentina wissen.

„Ich suche mir ein Hotel. Hier gibt es ja eine Menge davon, das habe ich schon herausgefunden.“ Sie lächelte. „Aber zuerst muss ich meinen Wagen holen.“

„Haben Sie ein Zimmer reserviert?“, fragte Massimo Castellini.

Er war so verdammt groß. Kelly kam sich ganz klein vor. Energisch straffte sie die Schultern und gab sich Mühe, so zu wirken, als habe sie die Situation voll im Griff.

„Nein, ich wollte erst schauen, ob das Apartment bewohnbar ist. Aber ich werde schon etwas finden.“ Im Apartment zu wohnen, hätte ihren Geldbeutel geschont. Andererseits stand das Apartment seit über einem Jahr leer. Sie hatte keine Ahnung, ob es überhaupt noch bewohnbar war. In Anbetracht der verwitterten Tür und der schäbigen Balkone war sie sich da auch nicht mehr sicher.

„Nichts reserviert? Dann bleibt Ihnen das Pech treu“, bemerkte er trocken. „Um diese Jahreszeit sind sämtliche Hotels ausgebucht. Besonders jetzt, wo das Musikfestival stattfindet.“

Kelly sank das Herz. „Irgendwo werde ich schon etwas finden. Ich bin nicht wählerisch.“

„Die Treppen des duomo, des Doms“, bemerkte er lakonisch.

„Sie können doch bei uns bleiben“, schlug Valentina vor, als wäre es die einfachste Sache der Welt, eine völlig Fremde zu sich nach Hause einzuladen.

„Nein, das geht nicht. Es ist …“

Valentina zuckte die Achseln. „Aber warum denn nicht? Es ist überhaupt kein Problem, oder, Massimo? Wir haben jede Menge freie Zimmer.“

„Nein, das ist wirklich kein Problem“, stimmte er gnädig zu.

Das verstieß gegen alle ihre Regeln. Schließlich wollte Kelly selbstständig sein in diesem neuen Kapitel ihres Lebens. „Sie kennen mich nicht einmal.“

Entnervt verdrehte Valentina die Augen. „Sie sehen nicht aus, als würden Sie das Tafelsilber stehlen.“ Sie grinste. „Nicht, dass es mir etwas ausmachen würde. Kommen Sie schon, es wäre lustig. Und außerdem können Sie mir mit meinem Englisch helfen.“

„Das ist sehr nett, aber ich kann wirklich nicht …“

„Natürlich können Sie“, fiel ihr Massimo ins Wort. Sein Ton duldete keinen Widerspruch. „Im Moment finden Sie sowieso nichts anderes. Und morgen können Sie zum notaio gehen und alles regeln.“ Ohne ein weiteres Wort nahm er sie beim Ellbogen und führte sie auf die Straße zurück.

Schon wieder brach Kelly ihre Regel, ein unabhängiges Leben zu führen. Wieder einmal kümmerte sich ein Mann um sie.

Auch noch ein Fremder.

Und zu allem Überfluss ein äußerst attraktiver Italiener mit einem gefährlichen Funkeln im Blick.

2. KAPITEL

Es war wie im Kino: Kelly stand verloren auf der Straße. Dann kam plötzlich ein wohlhabender Italiener vorbei – und zack befand sie sich plötzlich in seiner luxuriösen Villa mit Blick auf das Mittelmeer. Sie verfügte über einen wunderschönen Raum mit eigenem Bad und Bidet. Ganz in elegantem, hauchzarten Jadegrün gehalten, mit funkelnden Designerarmaturen. Dicke Handtücher in Jadegrün lagen bereit.

„Kommen Sie zurecht?“, fragte Valentina. Das Mädchen lehnte im Türrahmen und hatte es offensichtlich nicht eilig.

Kelly sah sich überwältigt um. „Es ist einfach fantastisch. Danke.“

„Mein Zimmer ist gleich auf der anderen Seite vom Flur“, erklärte Valentina. „Falls Sie irgendetwas brauchen, einfach klopfen.“

„Mache ich, danke.“

„Ach, und Essen gibt es um halb neun auf der Terrasse.“

Das Mädchen ging.

Kelly zog ihre verschwitzten Sachen aus und nahm in dem luxuriösen Badezimmer eine ausgiebige Dusche. Es war ein heißer, anstrengender Tag gewesen. Wie wohl tat da das kühle Wasser auf ihrer Haut. Sie nahm sich Zeit, und spürte, wie ihre Erschöpfung wich. Und als sie schließlich die Dusche ausstellte, fühlte sie sich angenehm erfrischt.

Sie schlug das nasse Haar in ein weiches grünes Handtuch und hüllte sich in ein Badelaken. Dann überlegte sie, was sie anziehen sollte. Sie dachte an Massimo und versuchte, seinen Namen laut auszusprechen, so wie seine Schwester es getan hatte. Mit Betonung auf der ersten Silbe. Massimo. Sie mochte den Klang. Stark und männlich, und gleichzeitig romantisch.

Massimo“, wiederholte sie, und im Geiste sah sie sein attraktives Gesicht, seinen athletischen Körper vor sich. Trotz seiner kühlen Beherrschtheit war ihr das Glimmen in seinem Blick nicht entgangen.

Ein leichter Schauer rieselte ihr den Rücken hinunter. Musste dieser Mann so unübersehbar … männlich sein?

Diese Komplikation konnte sie nun wirklich nicht brauchen. Für eine Weile wollte sie mit Männern nichts zu tun haben. Und doch konnte sie die Spannung zwischen ihnen nicht verleugnen. Massimo hatte nichts gesagt oder getan, um solche Gefühle in ihr zu wecken. Er hatte ihr lediglich den Weg zu ihrem Apartment gezeigt, und dann hatte er sie gnädig davor bewahrt, die Nacht auf den Stufen des duomo zu verbringen. Das war alles.

Kelly starrte auf das blaue Top in ihren Händen und warf es beiseite. Ein Koffer voller Kleidung, und trotzdem wusste sie nicht, was sie anziehen sollte. Sie konnte nicht glauben, dass ihr so etwas passierte. Signor Castellini hatte alles für sie geregelt, er hatte sie zurück zum Hafen geführt und dann angeordnet, sie solle ihm in ihrem Leihwagen zur Villa folgen. Valentina hatte er aufgetragen, mit ihr zu fahren, falls sie ihn in den engen Straßen verlieren sollte. Was natürlich prompt passierte.

Unwirsch wischte Kelly sich einen Wassertropfen von der Wange. Zugegeben, sie war froh, ein bequemes Bett zum Schlafen zu haben, aber die Situation ärgerte sie. Warum hatte sie schon wieder von einem Mann gerettet werden müssen? Da war sie gerade den Fängen des einen Kontrollfreaks entkommen, und schon saß sie im Haus des nächsten.

Massimo Castellini war es offensichtlich gewohnt, die Zügel in der Hand zu halten.

Und Kelly hatte sich gefügt, mehr oder weniger. Innerlich fluchend rubbelte sie sich das Haar trocken.

Sie sah in den Spiegel und seufzte. Mit diesen Locken war sie wirklich gestraft. Irgendwie glich sie einer Babypuppe, verdammt noch mal! Große blaue Augen, die hilflos schauten. Sie war sechsundzwanzig, ging aber gut für achtzehn durch, besonders in Jeans und T-Shirt. Vor ein paar Monaten hatte sie ihr langes Haar abschneiden lassen, um etwas reifer auszusehen. Leider war die Rechnung nicht aufgegangen. Noch dazu war Richard fuchsteufelswild geworden. Richard – so wollte Rick immer genannt werden, weil es in seinen Augen beeindruckender klang. Sehr zu seinem Ärger hatte Kelly es oft vergessen.

Die Sache mit der Frisur hatte ihr vor Augen geführt, wie falsch es zwischen ihnen lief. Viel zu lange war sie feige gewesen. Nicht, dass sie nicht gewarnt worden wäre. Ihre beste Freundin Bree hatte Rick immer Kontrollfreak-Ricky genannt. Aber Kelly wollte es damals nicht wahrhaben. Doch das war jetzt vorbei. Mit einem Mal hatte sie alles klar und deutlich gesehen. Wie hatte sie vorher nur so blind sein können? Sie seufzte. Erst mal musste sie das Kleine-Mädchen-Image loswerden.

Sie brauchte Make-up. Und sie sollte viel selbstbewusster wirken. Deshalb würde sie auch ihr knappes smaragdgrünes Kleid tragen. Sie hielt es sich vor und sah noch mal in den Spiegel. Vielleicht war es etwas zu kurz für ein Abendessen. Schließlich wollte sie nicht, dass der Mann auf falsche Gedanken kam.

Also wählte sie stattdessen eine schicke weiße Hose und ein schwarzes Seidenshirt. Dann trug sie mehr Lidschatten auf als gewöhnlich und entschied sich für einen knallroten Lippenstift. Sie sah Richards missbilligendes Gesicht geradezu vor sich. Frustriert stöhnte sie auf. Wann würde das endlich aufhören?

Sie konnte tragen, was sie wollte. Kontrollfreak-Ricky war zum Glück Geschichte. Seine Meinung zählte nicht mehr.

Und Mr. Castellinis ebenso wenig.

Sie straffte die Schultern. Es war nur eine einzige Nacht. Die würde sie schon überstehen.

Massimo stand auf der Terrasse und starrte auf die Stadt hinunter, deren Lichter in der Dunkelheit funkelten. Er liebte diesen Ort. Hier war er aufgewachsen, in dieser Stadt. Sie barg glückliche Kindheitserinnerungen. Hier entspannte er sich vom Stress und der Hektik Roms.

Momentan fühlte er sich allerdings alles andere als entspannt.

Warum musste Valentina auch diese Frau zu ihnen nach Hause einladen? Er hatte nun wirklich ein bisschen Ruhe und Frieden verdient. Den ganzen Tag hatte er sich auf dem Boot Valentinas Teenager-Geplapper anhören müssen. Und jetzt hatte er auch noch diese Blondine am Hals. Die Allerklügste schien sie nicht zu sein. Sie hatte weder einen Schlüssel noch ein Hotelzimmer reserviert. Einfach idiotisch! Frustriert trank er einen großen Schluck Weißwein. Leider dämpfte das seinen Ärger kaum.

Nach einem Tag auf dem Wasser hatte er auf einen ruhigen Abend gehofft. Stattdessen durfte er jetzt den Unterhalter für dieses sexy Püppchen spielen. Sie war eine Frau, die man nicht so schnell übersah. Und sie würde ihn nicht übersehen. Wenige Frauen taten das.

Sein Handy klingelte. Er fischte es aus der Tasche, und wie um seine Gedanken zu bestätigen, war prompt eine Frau in der Leitung.

„Hallo Elena“, begrüßte er sie höflich. Ein leichtes Schuldgefühl überkam ihn, weil er nicht mehr Begeisterung aufbrachte.

„Massimo“, säuselte Elena. „Man sagt, du bist zurück.“

„Ich bin seit einer Woche wieder im Land“, bestätigte er. Ein paar Tage hatte er seine Arbeit im Büro in Rom organisiert, dann hatte er Valentina vom Internat abgeholt und war mit ihr an die Südküste gefahren. Mimma hatte das Haus bereits geöffnet. Und er war nach seinen vielen Auslandsdienstreisen mehr als urlaubsreif. In der Villa konnte er von seinem komfortablen Homeoffice aus arbeiten und dennoch Zeit mit Valentina verbringen. Obwohl seine Schwester den Großteil des Jahres im Internat in Rom lebte, empfand auch sie die Villa als ihr wirkliches Zuhause. Es gab unterschiedliche Möglichkeiten, einen Teenager in den Sommerferien zu unterhalten. Sportcamps, Auslandstrips … aber da ihre Eltern nicht mehr lebten, fand er, ein bisschen Familienleben würde Valentina das Gefühl geben, irgendwo verwurzelt zu sein.

„Ich habe dich ja eine Ewigkeit nicht gesehen“, bemerkte Elena jetzt. „In welchem gottvergessenen Winkel der Welt warst du denn diesmal?“

Autor

Karen Van Der Zee
Karen van der Zee wuchs in Holland auf und begann schon früh mit dem Schreiben. Als junges Mädchen lebte sie ganz in der Welt ihrer Träume, verschlang ein Buch nach dem anderen und erfand zudem eigene Geschichten, die sie in Schulheften aufschrieb und liebevoll illustrierte. Leider entdeckten ihre Brüder eines...
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