Geheime Rache – berauschende Küsse?

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Nach dem plötzlichen Ende seiner Karriere kehrt Countrysänger Ethan ins Familienunternehmen Black Oak Bourbon zurück. Als neuer Boss der PR-Abteilung steht er vor einer ganzen Reihe von Herausforderungen. Und die größte davon heißt Lilly! Nie zuvor hat er eine so atemberaubende Frau wie seine Assistentin getroffen. Obwohl er genau weiß, dass er Privates und Berufliches voneinander trennen sollte, gibt er seinen heißen Gefühlen nach. Was Ethan nicht ahnt: Seine hinreißende Geliebte verfolgt einen perfiden Racheplan …


  • Erscheinungstag 08.07.2025
  • Bandnummer 142025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534949
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

K. C. Leonard

Geheime Rache – berauschende Küsse?

1. KAPITEL

Lilly Carlisle lenkte ihren Wagen durch die Einfahrt, die von einem großen, schmiedeeisernen Torbogen überspannt wurde, auf dem der Name Black Oak Ranch prangte.

Riesige Eichen säumten die kiesbestreute Straße. Dahinter erstreckten sich Weiden, so weit das Auge reichte. Das Ranchhaus kam erst nach mehreren Minuten Fahrt in Sicht. Es bestand aus mehreren Flügeln und Anbauten, die sich an das zweistöckige Haupthaus anschlossen, das über eine riesige Veranda und einen Balkon verfügte, der sich über die gesamte Front zog. Die Fassade war in einem hellen Grau gehalten, mit weißen Akzenten um die Fenster und die Haustür. Auch die Geländer der Veranda und des Balkons waren weiß gestrichen.

Es wirkte imposant, fast schon ein bisschen herrschaftlich. Vor allem aber war es gewaltig.

Lilly stellte den rostroten Subaru seitlich vor der Veranda ab, wo schon zwei andere Wagen – einer davon ein schnittiger Mustang – parkten, und stieg aus. Für einen Moment raubte ihr die Hitze regelrecht den Atem. Sie strich glättend über ihren anthrazitfarbenen Bleistiftrock und wünschte sich kurz, dass sie sich statt ihres Kostüms für ein luftiges Sommerkleid entschieden hätte. Doch sie war hier wegen eines Jobs, da war es besser, einen seriösen Eindruck zu machen. Auch wenn die Sonne vom Himmel brannte und Lilly das Gefühl hatte, in ihrem viel zu warmen Outfit jeden Moment zu zerfließen.

Nach kurzem Überlegen ließ sie die Jacke, die zu dem Ensemble gehörte, im Wagen und schwankte auf ihren hohen Absätzen, die immer wieder im lockeren Kies der Einfahrt einzusinken drohten, zur Verandatreppe. Sie war froh, dass niemand sie so sah. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie gerade besonders professionell wirkte.

Als sie die Tür erreichte, spürte sie, wie ihr Schweißtropfen den Rücken hinunterrannen. Doch daran ließ sich jetzt nichts ändern. Sie klopfte an, und zum Glück dauerte es nicht lange, bis geöffnet wurde.

Eine Frau in einer gestärkten weißen Bluse und einem schwarzen Rock stand ihr gegenüber. „Ja, bitte? Wen darf ich melden?“

„Mein Name ist Lilly Carlisle. Ich habe einen Termin mit Miss Montgomery.“

„Sie werden bereits erwartet, Miss Carlisle“, erklärte die Frau, bei der es sich, wie Lilly annahm, vermutlich um die Haushälterin handelte. „Kommen Sie bitte herein.“ Sie bedeutete ihr mit einer Handbewegung, ihr zu folgen. „Darf ich Ihnen vielleicht eine Erfrischung anbieten?“

„Ein Glas Wasser wäre sehr nett, danke. Die Hitze draußen ist kaum zu ertragen. Die Sommer in Texas sind schon wirklich brutal.“

„Sie kommen nicht von hier?“

Lilly schüttelte den Kopf. „Ursprünglich stamme ich aus Großbritannien. Bis zu meinem siebzehnten Lebensjahr habe ich mit … mit meiner Mutter in London gelebt. Dort war es wesentlich kühler, das kann ich Ihnen sagen.“

Sonst redete sie nicht so viel, aber sie war nervös und konnte sich nicht bremsen. Das Lächeln der Haushälterin war noch immer freundlich, aber sie erwiderte nichts, was Lilly als Wink mit dem Zaunpfahl betrachtete. Sie schluckte den Rest des Monologs, der ihr auf der Zunge gelegen hatte, hinunter.

Der Eingangsbereich war ein mehr oder weniger quadratischer Raum, dessen Wände eine hochwertige Seidentapete zierten. An einer Seite stand eine antike Kommode aus dunklem Holz, auf der ein Blumengesteck kunstvoll arrangiert worden war.

Rechts führte eine Treppe mit geschwungenem Geländer ins obere Stockwerk. Doch die Haushälterin führte Lilly durch eine Tür in den hinteren Bereich des Gebäudes.

Der Raum, den sie betraten, war groß und lichtdurchflutet, aber die dunkle Einrichtung mit dem wuchtigen Mahagoni-Schreibtisch, den vollen Bücherregalen und den schweren, weinroten Damastvorhängen ließ ihn trotzdem irgendwie düster wirken.

„Warten Sie bitte einen Moment hier“, sagte die Haushälterin. „Ich hole Miss Montgomery für Sie.“

Lilly nickte, dann war sie allein. Sie widerstand der Versuchung, sich in dem Büro umzusehen. Es wäre schon ein Glückstreffer, wenn sie gleich auf Anhieb fände, wonach sie suchte. Aber vielleicht war es trotzdem einen Versuch wert. Auf diese Weise könnte sie sich immerhin diese Farce von einem Vorstellungsgespräch ersparen. Andererseits – wenn sie erwischt wurde, dann wäre diese Chance verspielt. Und das konnte sie sich beim besten Willen nicht leisten.

Sie atmete tief durch und setzte sich auf den Stuhl, der dem Schreibtisch gegenüberstand. Er war gepolstert und wirklich sehr bequem. Trotzdem fühlte sie sich, als würde sie auf einem Ameisenhügel sitzen.

Als die Tür sich öffnete und eine hochgewachsene, schlanke Frau mit schulterlangem rotblondem Haar hereinkam, drohte die Aufregung sie zu überwältigen. Doch sie hatte sich schnell wieder im Griff, wischte ihre schweißfeuchten Hände unauffällig an ihrem Rock ab und erhob sich.

„Miss Carlisle.“ Die Frau streckte Lilly eine Hand entgegen. „Es freut mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Charlotte Montgomery, wir hatten miteinander telefoniert. Aber bitte, nehmen Sie doch wieder Platz.“ Charlotte Montgomery selbst setzte sich auf den ledernen Bürosessel hinter dem Schreibtisch. „Sie haben sich auf die Stelle als persönliche Assistentin meines Bruders beworben, die wir ausgeschrieben haben. Warum?“

Lilly zuckte innerlich zusammen. Was war das für eine Frage? Wusste Charlotte Montgomery, warum sie wirklich hier war? Wusste sie, dass …?

Nein, sie weiß gar nichts, beruhigte Lilly sich. Es war einfach nur eine völlig harmlose Frage, wie sie bei Vorstellungsgesprächen immerzu gestellt wurden.

Alles ganz normal. Es war nur ihre eigene Anspannung, die sie Dinge anderes verstehen ließ, als sie gemeint waren.

„Ich bin erst vor Kurzem aus persönlichen Gründen nach San Antonio gezogen und nun auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung. Als ich Ihre Anzeige sah, erschien es mir fast wie ein Wink des Schicksals.“

„Ihrem Lebenslauf habe ich entnommen, dass Sie zuvor schon als persönliche Assistentin gearbeitet haben?“

Lilly nickte. „Ja, in London. Für den Geschäftsführer einer Werbeagentur. Ich habe alle üblichen Aufgaben erledigt, bin ein echtes Organisationstalent und daran gewöhnt, eigenverantwortlich zu agieren.“

„Das ist genau das, was wir hier brauchen.“ Ein Lächeln umspielte Miss Montgomerys Mundwinkel. „Wie Sie ja bereits wissen, geht es um meinen Bruder, Ethan Montgomery. Er war lange Zeit nicht im Unternehmen involviert. Aber jetzt ist er zurück und kann jede Unterstützung gebrauchen, die er bekommen kann, um hier Fuß zu fassen. Er wird die Marketing- und PR-Abteilung von Black Oak Distillery übernehmen. Und mit Ihrer Erfahrung wären Sie ihm sicher eine große Hilfe.“

„Er ist Sänger, nicht wahr?“ Lilly hatte über ihn gelesen. Über Jahre war er immer wieder auf den Titelseiten gewesen, seine Karriere als Countrystar stets eine Schlagzeile wert. Und immer, wenn Lilly ihn gesehen hatte, hatte sie an ihre Mutter gedacht und daran, dass …

Nein, nicht jetzt, ermahnte sie sich und zwang sich ein strahlendes Lächeln auf die Lippen.

Miss Montgomery nickte nur.

„Wenn Sie mir eine Chance geben, werde ich helfen, wo ich kann, Miss Montgomery.“

„Charlotte, bitte“, entgegnete die andere Frau. „Sie müssen wissen, dass unser Vater das Unternehmen testamentarisch uns allen dreien, also mir und meinen beiden Brüdern, überlassen hat. Wir müssen zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass es in fremde Hände fällt.“

„Ihr anderer Bruder …“

„Liam. Sein Name ist Liam.“

„Er ist auch hier?“

Seufzend schüttelte Charlotte den Kopf. „Nein, noch nicht. Ich habe nach dem Tod meines Vaters erst einmal kommissarisch die Leitung des Unternehmens übernommen. Was meine Brüder betrifft … Ich arbeite noch daran.“

Lilly horchte auf. War das vielleicht noch eine weitere Chance, an ihr Ziel zu gelangen? Nur für den Fall?

„Wie auch immer“, sagte Charlotte, „Sie haben den Job, wenn Sie ihn wollen. Ethan kann froh sein, eine so fähige Assistentin an die Seite gestellt zu bekommen, die ihm hilft sich einzuarbeiten. Ich habe ein gutes Gefühl bei Ihnen, Lilly.“

Dieses Mal musste Lilly sich nicht zum Lächeln zwingen. „Wunderbar. Wann soll ich anfangen?“

„Von mir aus gleich morgen früh.“ Charlotte erhob sich. „Kommen Sie, ich stelle Sie meinem Bruder vor.“

Lilly stand ebenfalls auf und folgte ihr zur Tür, die sie nun öffnete und …

„Oh, hallo.“

Der Mann, der ihr gegenüberstand, war atemberaubend attraktiv. Schwarzbraunes Haar, dunkler Teint, tiefbraune Augen und ein markantes Kinn, das von dunklen Stoppeln bedeckt war. Anders als auf den Titelbildern der Magazine trug er weder einen Cowboyhut noch spitz zulaufende Stiefel. Das Einzige, was an den Countrystar Ethan Montgomery erinnerte, waren die schwarzen Jeans und das ebenfalls schwarze, kurzärmelige Hemd.

Sein welliges Haar reichte ihm bis knapp über die Ohren. Eine Strähne war nach vorne gefallen und hing ihm in die Stirn, die leicht gerunzelt war. Lilly fiel auf, dass sein kamerawirksames Lächeln fehlte. Er wirkte ernst. Frustriert? Bitter?

„Ethan“, sagte Charlotte. „Das ist Lilly Carlisle – deine neue Assistentin.“

„Mr. Montgomery“, stieß Lilly hervor, fast ein wenig überrascht, dass sie vollkommen normal klang, obwohl ihre Knie butterweich waren und ihr das Herz wie verrückt klopfte. „Ich freue mich schon sehr auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.“

Ethan stand am Fenster seines Büros im obersten Stockwerk des Hauptgebäudes. Von hier aus konnte man geradewegs auf das Dach der Veranda und die Zufahrt blicken, wo jetzt gerade seine Schwester Charlotte die Frau verabschiedete, die fortan seine persönliche Assistentin sein sollte.

Es war nicht so, als hätte er nicht früher schon Mitarbeiter gehabt. Eifrige junge Männer und Frauen, die dafür sorgten, dass vor Auftritten das spezielle Wasser, das er gern trank, für ihn bereitstand. Die dafür sorgten, dass er pünktlich von seinem Hotel zum Veranstaltungsort gelangte und danach unbehelligt wieder zurück.

„Mädchen für alles“ hatte Martin sie immer ein wenig abfällig genannt, wofür Ethan seinem besten Freund dann einen mild tadelnden Blick zugeworfen hatte.

Martin …

Rasch wandte er sich vom Fenster ab und holte tief Luft. Mit einer Hand fuhr er sich durchs Haar. Sie zitterte leicht, wie er ungehalten feststellte. Wie lange würde es noch dauern, bis er sich endlich wieder im Griff hatte?

So wie jetzt konnte es jedenfalls nicht auf Dauer weitergehen. Immer, wenn er die Augen schloss, holte die Vergangenheit ihn ein. Dabei wollte er nichts lieber als vergessen. Einfach nur ein normales Leben führen.

Deswegen war er vor zwei Wochen nach San Antonio zurückgekehrt. Weil er gehofft hatte, dass ihn hier nicht alles an die Dinge erinnern würde, die er in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verbannt hatte. Bisher hatte sich diese Strategie allerdings nicht als sonderlich erfolgreich erwiesen.

Überhaupt wusste er nicht, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, herzukommen. Die Black Oak Ranch war nicht nur mit positiven Erinnerungen für ihn verknüpft. Sein Vater war ein harter, manchmal ungerechter Mann gewesen, dem das Unternehmen über alles gegangen war.

Die Black Oak Distillery

Ethan hatte sich immer gewundert, dass Clifford Montgomery sich überhaupt entschlossen hatte, Kinder in die Welt zu setzen. Nun, vermutlich war es ihm lediglich darum gegangen, seine eigene Nachfolge zu sichern.

Wenn dem so war, war sein Plan ganz schön nach hinten losgegangen.

Wobei, eigentlich stimmte das gar nicht. Charlotte hätte das Unternehmen mit Leichtigkeit allein leiten können. Sie war stets diejenige unter seinen Geschwistern gewesen, die sich am meisten für die Ranch und die Produktion von Bourbon interessiert hatte.

Liam, sein älterer Bruder, hatte schon früh rebelliert. Mit dreizehn hatte er sich von einem Tag auf den anderen geweigert, Fleisch zu essen, kurz darauf war sein Interesse am Umweltschutz erwacht, und er hatte angefangen, ihren Vater offen für die Art und Weise, wie er sein Unternehmen leitete, zu kritisieren.

Dieses Verhalten war, erwartungsgemäß, beim alten Clifford alles andere als gut angekommen. Vor allem, da Liam als sein Erstgeborener in der Rangliste für seine Nachfolge bis dahin ganz oben gestanden haben dürfte.

Doch die Beziehung zwischen Vater und Sohn hatte sich nie von diesem ersten Aufbegehren erholt. Und so hatte Liam schließlich, nur zwei Tage nach seinem achtzehnten Geburtstag, die Flucht ergriffen.

Ethan selbst, als Jüngster, war ebenfalls oft mit ihrem Vater aneinandergeraten. Vor allem, weil Ethan die Musik stets wichtiger gewesen war als die Brennerei. Etwas, das Clifford Montgomery beim besten Willen nicht hatte nachvollziehen können.

Am Ende hatte auch Ethan, gerade volljährig geworden, seine Koffer gepackt und war nach Nashville, Tennessee, gereist, um dort sein Glück zu finden.

Sein Vater hatte ihm prophezeit, dass er es als Musiker nie zu etwas bringen würde. Dass er früher oder später in den Schoß der Familie zurückkehren würde. Aber das war nicht passiert.

Ganz im Gegenteil.

Von einem Talentscout entdeckt, war er jahrelang als Countrysänger durch die Vereinigten Staaten getingelt, hatte Konzerte gegeben und Alben aufgenommen. Seine Songs waren über die Countryszene hinaus erfolgreich gewesen, was zu größeren Konzerten und höheren Verkaufszahlen geführt hatte.

Nie war ihm auch nur für einen Moment der Gedanken gekommen, nach San Antonio zurückzukehren. Die Black Oak Ranch war Vergangenheit, nicht Zukunft, das hatte für ihn festgestanden.

Und jetzt …

Er schob den unbequemen Gedanken beiseite und wandte sich wieder dem Fenster zu. Unten war Lilly gerade dabei, in ihren Wagen zu steigen, einen schon etwas in die Jahre geratenen Japaner. Sie war hinreißend. Als er ihr vorhin zum ersten Mal begegnet war, hatte es ihm regelrecht den Atem verschlagen.

Sicher waren ihm im Laufe seiner Karriere eine Menge schöner Frauen über den Weg gelaufen. Und nicht wenige von ihnen waren ganz wild darauf gewesen, eine Nacht mit ihm zu verbringen.

Doch für Ethan war das nie infrage gekommen. Er war grundsätzlich nicht der Typ Mann, der eine Spur gebrochener Herzen in jeder Stadt zurückließ. Wenn, dann wollte er etwas Festes, eine richtige Beziehung, und nicht nur ein Abenteuer. Und für so etwas hatte er irgendwie auch nie Zeit gehabt. Außerdem hatte er seine Karriere nicht aufs Spiel setzen wollen. Er wäre nicht der erste Sänger gewesen, dem ein One-Night-Stand mit einem Fan zum Verhängnis wurde.

Für eine Frau wie Lilly Carlisle hätte er es aber möglicherweise doch riskiert.

Und jetzt würde sie seine persönliche Assistentin sein, was gleichzeitig aufregend und entsetzlich war. Denn wenn er eines gelernt hatte, dann, dass man die Finger auf jeden Fall lieber von zwei Sorten von Frauen hielt – von Fans und von Mitarbeiterinnen.

Er wandte sich vom Fenster ab, als sein Smartphone den Eingang einer neuen Nachricht verkündete. Seine Stirn legte sich in Falten, als er sah, wer der Absender war.

Brennan, natürlich.

Sein Manager bombardierte ihn seit seiner überstürzten Abreise mehrmals täglich mit Fragen und Vorwürfen. Ethan konnte es ihm eigentlich nicht einmal verübeln, schließlich hatte er sich einfach so bei Nacht und Nebel aus dem Staub gemacht. Brennan hatte sich eine goldene Nase mit ihm verdient, und natürlich war er nicht begeistert darüber, diese Einkommensquelle womöglich zu verlieren.

Seufzend legte er das Handy mit der Vorderseite nach unten auf den Tisch. Er würde sich später mit Brennan befassen. Irgendwann.

Er setzte sich hinter den Schreibtisch und klappte den Laptop auf, den Charlotte ihm überlassen hatte. Auf dem Bildschirm geöffnet war ein leeres Dokument. Der Cursor blinkte spöttisch.

Ethan seufzte. Er war der neue Leiter der PR-Abteilung von Black Oak Distillery. Keine Ahnung, wie seine Schwester darauf kam, dass er davon irgendetwas verstand. Um seine eigene PR hatten sich Brennan und das Label gekümmert. Und die hatten wiederum Experten engagiert, die sich mit solchen Dingen auskannten.

Ob es im Internet wohl Anleitungsvideos zu dem Thema „Wie man eine verdammt gute Marketingkampagne erstellt“ gab? Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen.

Zur Hölle, es war eine idiotische Idee gewesen, hierherzukommen. Doch Charlotte hatte ihn ständig bekniet, weil ihr Vater in seinem Testament bestimmt hatte, dass sie alle drei – Charlotte, Ethan und Liam – für mindestens drei Monate gemeinsam die Firma führen mussten, wenn sie verhindern wollten, dass alles unter den Hammer kam.

Bis vor Kurzem hatte er das nicht als seine Verantwortung gesehen. Charlotte hatte ihm leidgetan, sicher. Aber er hatte sein eigenes Leben, seine eigenen Probleme und vor allem hatte er seinem Vater den Gefallen nicht tun wollen. Aber dann hatte sich alles geändert. Und als er an jenem Morgen vor vier Monaten aus dem Krankenhaus in den hellen Sonnenschein getreten war, hatte er einfach nicht gewusst, wo er sonst hinsollte.

Sein bester Freund war gerade gestorben, und das hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Seine Karriere war sein ganzes Leben gewesen. Und von einem Moment auf den anderen hatte er sich nicht mehr vorstellen können, auch nur einen einzigen Tag so weiterzumachen, als wäre nichts geschehen. Trotzdem hatte er es noch eine Zeitlang versucht. Doch am Ende war ihm nichts anderes übrig geblieben, als sich sein Scheitern einzugestehen. Und so hatte er Charlotte angerufen und sich in den nächsten Flieger nach San Antonio gesetzt.

Nur dass er jetzt, da er hier war, keine Ahnung hatte, was er mit sich selbst anfangen sollte. Er wusste natürlich einiges über die Produktion von Bourbon. Man wuchs nicht in der unmittelbaren Umgebung einer Brennerei auf, ohne hier und da etwas aufzuschnappen. Etwas anderes hätte ihr Vater auch niemals zugelassen.

Doch war es wirklich das, was er wollte?

Vielleicht nicht. Aber in Ermanglung von Alternativen war es das, was er tun würde.

Zumindest vorerst.

Und er konnte nicht leugnen, dass es zumindest eine Sache gab, auf die er sich freute: die Zusammenarbeit mit Lilly Carlisle.

Lilly schloss die Tür zu ihrem Apartment auf und wurde sogleich von Fraggles, der orangeroten Katze, empfangen, die ihr zugelaufen war und die ihr jetzt laut maunzend um die Fußknöchel strich.

„Ist ja schon gut, es gibt ja gleich dein Fresschen, meine Süße. Aber lass mich doch bitte erst mal reinkommen.“

Sie lachte angesichts des empörten Blicks, den Fraggles ihr zuwarf, bevor sie mit peitschendem Schwanz in Richtung Küche entschwand, wo sich ihr Futternapf befand. So wie Fraggles sich aufführte, hätte man fast annehmen können, sie wäre seit Tagen nicht mehr gefüttert worden. Dabei schaute Lillys Nachbarin, Mrs. Garner, eine alleinstehende ältere Dame, immer wieder nach dem Rechten, wenn Lilly arbeitete.

Lilly kickte ihre unbequemen Schuhe, die sie extra für ihr Vorstellungsgespräch gekauft hatte, von den Füßen und folgte ihrer Katze barfuß in die Küche.

Eine halbe Stunde später saß sie dann, mit einer satten Fraggels neben sich auf dem Sofa und ihrem Laptop auf dem Schoß im Wohnzimmer und fragte ihre Freundin Darcy, die in London bei einer Werbeagentur arbeitete, über deren Job aus.

In Wahrheit war es nämlich Darcy, die Erfahrung auf dem Gebiet von PR und Marketing besaß. Und sie war auch diejenige, die als PA tätig war. Bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr hatten Darcy und sie zusammen die Schulbank gedrückt, doch danach hatte Lillys Mutter ihren Zusammenbruch gehabt, und Lilly hatte die Schule verlassen und sich fortan um Alice Carlisle gekümmert.

Davon stand natürlich nichts in dem Lebenslauf, den sie bei Charlotte Montgomery eingereicht hatte. Mit den Gelegenheitsjobs, mit denen sie sich über Wasser hielt, hätte sie die Stelle wohl kaum bekommen. Nein, sie hatte einfach den Lebenslauf genommen, den Darcy ihr zur Verfügung gestellt hatte, und Namen und ein paar Daten geändert. Auch sämtliche Zeugniskopien stammten von Darcy, und Lilly hatte sie mit einem Bildbearbeitungsprogramm angepasst, sodass es so aussah, als wären sie von ihr.

Kurz: Sie hatte gelogen, dass sich die Balken bogen. Doch während sie normalerweise eine ehrliche Haut war, hielt sich ihr schlechtes Gewissen in Grenzen.

Die Montgomerys verdienten es nicht anders.

Clifford Montgomery war das beste Beispiel. Während eines vierwöchigen Aufenthalts in London hatte er ihre Mutter getroffen. Damals war Darcy gerade dreizehn gewesen, und sie hatte noch nicht so wirklich verstanden, was da eigentlich vor sich ging. Doch inzwischen wusste sie natürlich, dass Alice Carlisle dem charmanten und attraktiven Unternehmer regelrecht verfallen gewesen war. Er hatte ihr den Himmel auf Erden versprochen, und sie hatte drei ganze Jahre lang darauf gewartet, dass er endlich bei ihr bleiben und zu ihr stehen würde. Doch er war immer nur für ein paar Wochen im Jahr in London gewesen, und den Rest des Jahres hatte ihre Mutter damit verbracht, sich nach ihm zu verzehren. Und als er sie schließlich fallen ließ, war für Alice eine Welt zusammengebrochen. Und Lilly war es gewesen, die den langsamen, aber unaufhaltsamen Verfall ihrer Mutter miterlebt hatte. Alice hatte angefangen zu trinken, und irgendwann hatte ihr Körper dann nicht mehr mitgemacht. Lilly hatte an ihrem Bett gesessen, als es zu Ende gegangen war. Und das alles nur wegen dieses schrecklichen Mannes, der mit Menschen spielte wie mit Marionetten.

Dass er jetzt tot war, tat ihr nur aus einem einzigen Grund leid – und zwar dem, dass er jetzt nicht mehr miterleben würde, wie sie das Einzige, was ihm wirklich wichtig war, zerstörte.

Sein Unternehmen.

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