Julia Exklusiv Band 394

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DIE SÜSSE RACHE DES MILLIARDÄRS von LYNN RAYE HARRIS

Caroline Sullivan wusste, dass er eines Tages in ihr Leben zurückkehrt. Aber sie hat gehofft, dass es zu ihren Bedingungen geschehen würde … Irrtum! Ihr Ex-Geliebter, Milliardär Roman, kauft das Sullivan-Imperium und hat sie da, wo er sie haben will: in seinen Händen …

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  • Erscheinungstag 11.10.2025
  • Bandnummer 394
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533966
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Lynn Raye Harris, Michelle Smart, Trish Morey

JULIA EXKLUSIV BAND 394

Lynn Raye Harris

1. KAPITEL

Kauft russischer Milliardär Luxuswarenhauskette in Finanznöten?

Sie war hier. Roman Kazarov wusste es mit absoluter Gewissheit, auch wenn er sie noch nicht gesehen hatte. Seine Begleiterin seufzte frustriert, um seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Er gönnte ihr nur einen flüchtigen Blick.

Gelangweilt. Die Frau war zweifellos schön, aber sie langweilte ihn. Nach einer Nacht in ihrem Bett drängte es ihn schon weiter.

Es kostete ihn Überwindung, ihre Hand auf seinem Arm nicht abzuschütteln. Aus einer spontanen Laune heraus war er an diesem Abend mit ihr hier hergekommen. Weil Caroline Sullivan-Wells da sein würde. Wobei es Caroline natürlich völlig egal wäre, ihn in Begleitung einer schönen Frau zu sehen. Vor fünf Jahren hatte sie ihm unmissverständlich klar gemacht, wie gleichgültig er ihr war.

Damals hatte ihn ihre Zurückweisung bis ins Mark getroffen. Jetzt empfand er nichts mehr … außer kaltblütiger Entschlossenheit. Ein ganz anderer Mann war nach New York zurückgekehrt, als vor fünf Jahren abgereist war.

Reich. Skrupellos. Ein Mann mit nur einem Ziel vor Augen.

Ehe der Monat zu Ende war, würde Sullivan’s, die von ihrer Familie gegründete Luxuswarenhauskette, ihm gehören. Das war der Gipfel dessen, worauf er hingearbeitet hatte, sozusagen das Sahnehäubchen auf seinem Kuchen. Er brauchte Sullivan’s nicht, aber er wollte es. Einst war er einer von Frank Sullivans Lakaien gewesen, bis der ihn sang- und klanglos feuerte, sein Arbeitsvisum aufkündigte und all seine Träume von einem besseren Leben für seine Familie in Russland zerstörte.

Dabei war er nur so vermessen gewesen, sich in Caroline zu verlieben. Wie Ikarus in der griechischen Mythologie, der mit wächsernen Flügeln der Sonne zu nahe kam, stürzte er schnell und tief. Doch jetzt war er zurück, und weder Caroline noch ihr Vater konnten noch aufhalten, was er in Bewegung gesetzt hatte.

Wie auf ein Stichwort teilte sich die Gästeschar vor ihm und gab den Blick auf eine Frau auf der anderen Seite des Saales frei. Ihr goldblondes Haar und ihr makelloser Alabasterteint schimmerten im funkelnden Licht des Kronleuchters über ihr.

Roman durchfuhr es heiß. Sie war immer noch wunderschön, atemberaubend. Und sie berührte ihn immer noch, was ihn erst recht wütend machte. Mit eisernem Willen verdrängte er die Erinnerung an die erlebte Lust in ihren Armen, bis er Caroline ganz kühl und kritisch beobachten konnte. Ja, besser so. Abscheu und Hass waren die angemessenen Gefühle. Er presste die Lippen zusammen.

Genau in diesem Moment schaute sie auf, als hätte sie im Kreis ihrer Freunde den feindseligen Blick gespürt. Ein wenig irritiert sah sie sich um und bemerkte Roman. Sofort wurden ihre Augen groß, und die rosigen Lippen öffneten sich erstaunt. Sie hob eine Hand an den schlanken Hals, besann sich anders und ließ sie rasch wieder sinken. Aber Roman hatte gesehen, welche Wirkung sein Anblick auf sie hatte. Einen Moment lang sahen sie einander an. Dann war es Caroline, die den Blickkontakt abbrach. Sie sagte etwas zu der Person an ihrer Seite, wandte sich ab und verließ eilig den Raum.

Anstatt zu triumphieren, hatte Roman das seltsame Gefühl, als hätte sie ihn erneut zurückgewiesen. Wie vor fünf Jahren, als seine Welt eingestürzt war. Doch das konnte jetzt nicht mehr passieren. Heute lag die Macht bei ihm.

Und dennoch nagte die Verbitterung immer noch an seiner Seele, ließ ihn nicht vergessen, wie tief und wie hart er damals gefallen war. Wie viel ihn jener Fall gekostet hatte, bevor er zu einem neuen Aufstieg hatte ansetzen können.

„Darling“, forderte seine Begleiterin seine Aufmerksamkeit, „hol mir einen Drink, ja?“

Roman schaute sie an. Sie war ein hübsches, verwöhntes Filmsternchen, anscheinend daran gewöhnt, dass die Männer ihr dank ihres Aussehens zu Füßen lagen und jede ihrer Launen widerspruchslos ertrugen.

Nun aber ließ etwas in Romans Blick sie stutzen. Schon überlegte sie, wie sie ihren Fehler wiedergutmachen konnte, während sie einen Finger verführerisch über seinen Smokingärmel gleiten ließ.

Zu spät. „Ich bin kein Dienstbote“, erwiderte er kühl. Ungerührt zückte er seine Brieftasche und nahm einen Einhundert-Dollar-Schein heraus, den er ihr in die Hand drückte. „Amüsier dich, solange du willst, und dann nimm dir ein Taxi nach Hause.“

Sie hielt ihn zurück, als er sich abwenden wollte. „Du lässt mich allein?“

Aus ihrem Blick sprach Verunsicherung, als zweifele sie plötzlich an der Wirkung ihrer Schönheit. Fast hätte sie Roman leid getan, wenn er nicht gewusst hätte, dass es nicht an Männern mangeln würde, die sie umschwärmten, sobald er sich abwandte. Deshalb nahm er ihre Hand von seinem Arm und küsste sie flüchtig. „Es soll nicht sein, maya krasavitsa, meine Schöne. Du findest einen anderen, der dich verdient.“

Damit ließ er sie stehen, um sich auf die Suche nach einer anderen Frau zu machen. Eine, die ihm diesmal nicht entkommen würde.

Caroline fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss und eilte mit pochendem Herzen zum Ausgang hinaus. Fröstelnd zog sie ihr Seidentuch um die Schultern.

Roman. Sie blinzelte gegen Tränen an, lächelte aber tapfer, als der Portier sie fragte, ob sie ein Taxi wolle.

„Ja, bitte“, sagte sie atemlos. Roman Kazarov. Ausgerechnet ihn musste sie hier treffen. Aber sie hätte eigentlich damit rechnen müssen. Die Zeitungen waren ja voll davon, dass er zurück in der Stadt war. Und mit welcher Mission.

Natürlich war ihr klar gewesen, dass sie ihm wieder begegnen würde, nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass es so bald passieren würde. Viel mehr hatte sie erwartet, ihn in einer Vorstandsetage zu treffen.

Wie sollte sie es ertragen, ihm je wieder gegenüberzutreten? Ein einziger Blick quer durch den Saal hatte genügt, um ihre Gefühle heftig in Aufruhr zu bringen. Sie hätte nicht gedacht, dass es nach all der Zeit immer noch so sein würde. Nach allem, was geschehen war.

„Caroline?“

Der warme Klang seiner Stimme machte das Aussprechen ihres Namens zu einer Liebkosung. Wie hatte sie ihn einmal geliebt! Doch das war vorbei. Sie hatte ihre Wahl getroffen, würde unter denselben Umständen immer wieder genauso handeln. Damals hatte sie Sullivan’s gerettet, und genau das würde sie heute wieder tun. Mochten Roman Kazarov und sein multinationaler Konzern auch andere Vorstellungen haben.

Entschlossen wandte sie sich zu ihm um. Im Dunkeln würde er nicht bemerken, dass ihre Lippen beim Lächeln zitterten. „Mr. Kazarov!“ Es klang eine Spur zu schrill. Sie musste ihre innere Balance wiederfinden, die sie in dem Moment verloren hatte, als sie ihn an diesem Abend so unvermittelt gesehen hatte.

Nun blickte sie direkt in seine faszinierenden eisblauen Augen, und ihr stockte buchstäblich der Atem. Er war immer noch sündhaft sexy und attraktiv. Breite Schultern, eine athletische Figur, dichtes dunkles Haar und markante Züge, die die Fotografen liebten. O ja, seit er in den letzten zwei Jahren in der internationalen Szene aufgetaucht war, hatte sie viele Fotos von ihm gesehen. Nie würde sie aber das erste vergessen, als Jon ihr beim Frühstück die Zeitung mit dem Hinweis zugeschoben hatte, sie müsse sich unbedingt anschauen, wer dort abgebildet sei.

Caroline hatte sich fast an ihrem Kaffee verschluckt, und ihr Mann hatte ihr mitfühlend die Hand gedrückt. Als Einziger konnte er einschätzen, wie sehr es sie schmerzte, von Roman zu hören. Seitdem hatte sie aus der Ferne Romans unaufhaltsamen Aufstieg beunruhigt verfolgt in der Gewissheit, dass er eines Tages zurückkehren würde. Um mit ihr abzurechnen.

„Nach allem, was zwischen uns war?“, fragte er nun. „Begrüßt du so einen Freund?“

„Mir war nicht bewusst, dass wir Freunde waren.“ Nie würde sie sein Gesicht vergessen, als sie ihm in jener Nacht gesagt hatte, dass sie sich nicht mehr sehen könnten. Gerade zuvor hatte er ihr erklärt, dass er sie liebe. Wie gern hätte sie ihm ihrerseits ihre Liebe gestanden, doch es war unmöglich gewesen. Also belog sie ihn. Und er hatte sie angesehen … erstaunt, verletzt, dann sehr wütend.

Jetzt wirkte er völlig gleichgültig. Was sie wiederum völlig aus der Fassung brachte. Warum? Sie hatte damals getan, was getan werden musste, und würde es immer wieder tun. Stolz richtete sie sich auf. Ja, sie hatte das Richtige getan. Das Glück zweier Menschen war nichts im Vergleich zu dem Wohl ungezählter, deren Lebensunterhalt damals von Sullivan’s abhing.

„Nun, zumindest sind wir alte Bekannte“, meinte Roman ungerührt, wobei sein Blick spöttisch auf ihren Händen verweilte, die immer noch das Seidentuch über dem tiefen Dekolleté ihres schulterfreien schwarzen Abendkleides zusammenhielten. Caroline durchzuckte es heiß, denn sie hatte plötzlich das Gefühl, unter dem zarten Tuch nackt zu sein. „Ein altes Liebespaar“, fügte er bezeichnend hinzu und blickte ihr in die Augen.

Sie wandte sich ab und betrachtete den dichten Verkehr, der sich auf der Fifth Avenue staute. Es würde ewig dauern, bis ihr Taxi kam. Wie lange konnte sie das ertragen?

„Du möchtest lieber nicht daran erinnert werden, nicht wahr?“, hakte Roman nach. „Oder hast du dich entschieden, so zu tun, als wäre es nie passiert?“

„Ich weiß, was passiert ist.“ Wie hätte sie es je vergessen können, wo ihr doch eine so dauerhafte Erinnerung an ihre gemeinsame leidenschaftliche Liebe geblieben war? Rasch unterdrückte sie die aufsteigende Panik. „Aber es ist lange her.“

„Das mit deinem Ehemann tut mir leid“, sagte er unvermittelt.

Caroline schluckte. Armer Jon. Wenn einer es verdient gehabt hätte, glücklich zu werden, dann er. „Danke“, erwiderte sie heiser. Jon war jetzt schon über ein Jahr tot, aber es traf sie immer noch mitten ins Herz, wenn sie an jene traurigen letzten Monate dachte, als die Leukämie seine Lebenskraft hatte schwinden lassen.

Verstohlen wischte sie eine Träne fort. Jon war ihr bester Freund gewesen, ihr Partner, und sie vermisste ihn immer noch. Doch gerade der Gedanke an ihn erinnerte sie daran, dass sie stark sein musste.

Roman war auch nur ein Mann und damit besiegbar. „Es wird nicht funktionieren!“, erklärte sie energisch.

Er musterte sie spöttisch. „Was wird nicht funktionieren, Darling?“

Einst war sie schwach geworden, wenn er sie so genannt hatte, jetzt klang die Liebkosung wie eine Drohung in ihren Ohren. Mutig wandte sie sich ihm wieder zu und sah ihn an, wie er betont gleichgültig und süffisant lächelnd dastand.

Ein skrupelloser, hartherziger Schuft. Das war aus ihm geworden. Sie musste es sich immer wieder klarmachen. Er war nicht gekommen, um ihr einen Gefallen zu tun, und er würde keine Gnade walten lassen.

Schon gar nicht, wenn er ihr Geheimnis entdeckte. „Du kriegst mich nicht weich, Roman“, verkündete sie deshalb standhaft. „Ich weiß, was du willst, und ich werde dich bekämpfen.“

Er lachte. „Nur zu. Denn du kannst nicht gewinnen. Diesmal nicht.“ Er sah sie forschend an. „Seltsam, ich hätte nie gedacht, dass dein Vater freiwillig zurücktreten und die Geschäftsleitung dir überlassen würde.“

Kalte Angst packte ihr Herz wie stets, wenn jemand in diesen Tagen ihren Vater erwähnte. „Menschen können sich ändern“, entgegnete sie betont kühl. Und manchmal trat diese Veränderung völlig unerwartet ein. Caroline wurde von Liebe und Traurigkeit überwältigt, als sie an ihren Vater dachte, wie er in seinem großen Lehnstuhl am Fenster saß und auf den See hinausstarrte. An manchen Tagen erkannte er sie. An manchen nicht.

„Nach meiner Erfahrung können sie es nicht.“ Der Blick seiner blauen Augen war kalt und unergründlich. „Zwar wollen die Leute einen manchmal glauben machen, dass sie sich verändert hätten, um sich zu schützen, aber ich habe festgestellt, dass es nicht stimmt. Der Kern bleibt immer derselbe. Wenn ein Mensch herzlos war, beweist er nicht plötzlich Herz.“

Sie errötete, denn sie wusste ja, dass er von ihr sprach. Von jener Nacht, als sie ihn und seine Liebe abgewiesen hatte. Wie gern hätte sie es richtiggestellt und ihm die Wahrheit gesagt, aber was hätte das geändert? Niemandem wäre damit geholfen. „Manchmal täuscht der äußere Schein“, antwortete sie deshalb ausweichend.

Seine Miene wurde noch frostiger. „Damit kennst du dich ganz bestimmt aus.“

Sie hielt es für das Klügste, das Thema zu wechseln. „Wie auch immer, Daddy hat seine Prioritäten neu gesetzt und genießt den Ruhestand auf dem Land. Er hat ihn sich verdient.“ Erneut blinzelte sie gegen Tränen an und blickte sich ungeduldig nach dem Taxi um.

„Ich hatte keine Ahnung, dass du überhaupt Ambitionen hattest, das Geschäft zu übernehmen“, meinte Roman spöttisch. „Ehrlich gesagt hatte ich den Eindruck, dass deine Interessen ganz woanders lägen.“

„Ach ja? Shoppen und Maniküre vielleicht?“, entgegnete sie angriffslustig. „Das war nie mein Plan.“ Schon eher der ihrer Eltern. Die Frauen der Sullivans arbeiteten nicht, sondern heirateten reich und machten sich die zarten Hände nicht im Geschäft schmutzig, sondern engagierten sich in der Wohltätigkeitsarbeit. Nur weil es ihr auch dafür nützlich sein würde, hatte ihr Vater sie ihre Erfahrungen im Geschäft machen lassen. Aber als sein Nachfolger als Geschäftsführer der Warenhauskette war immer Jon vorgesehen gewesen, sollte Frank Sullivan je in den Ruhestand treten.

Was ihr Vater freiwillig in den nächsten zwanzig Jahren nicht getan hätte. Doch nun war Jon tot, und außer ihr war niemand geblieben, um die Aufgabe zu schultern. Und sie machte ihre Sache gut, verdammt!

„Es war ein schlechtes Jahr für dich“, sagte Roman, als hätte er ihre Gedanken erraten.

Ja, aber sie hatte Sullivan’s immer noch! Noch wichtiger, sie hatte ihren Sohn, für den sie alles tun würde. Sullivan’s sollte eines Tages ihm gehören. Dafür würde sie sorgen. „Es könnte schlimmer sein“, erwiderte sie deshalb betont gleichmütig, obwohl sie sich ernsthaft fragte, ob es nicht wirklich schlimm genug war, den Ehemann an Krebs und den Vater an Demenz zu verlieren.

„Es ist schlimmer“, korrigierte Roman sie ruhig. „Denn ich bin hier. Und ich tauche gewöhnlich erst auf der Bildfläche auf, wenn ein Unternehmen bereits hoffnungslos in Schieflage geraten ist.“

Caroline blinzelte. Das Unternehmen. Natürlich, er sprach von der Warenhauskette. Für einen Moment hatte sie sich glatt eingebildet, er hätte Mitgefühl mit ihr. Aber warum auch? Bestimmt war sie der letzte Mensch, mit dem er Mitleid haben würde. Was sie ihm wiederum nicht verübeln konnte, so wie sie damals auseinandergegangen waren.

Es gelang ihr, sich ein unbeschwertes Lachen abzuringen. „Ach Roman, du hast wirklich eine beachtliche Karriere hingelegt. Aber auch du kannst nicht immer perfekt informiert sein. Und diesmal irrst du dich. So sehr du dich auch anstrengst, du wirst Sullivan’s nicht bekommen.“ Sie deutete auf die belebte Fifth Avenue und den angrenzenden Park. „Die Zeiten waren überall schlecht, aber sieh dich um: Diese Stadt lebt. Die Menschen arbeiten und wollen für ihr Geld genau die Waren, die Sullivan’s bereithält. Unsere Umsätze sind in diesem Quartal um satte zwanzig Prozent gestiegen. Und es wird weiter aufwärts gehen.“

Sie klammerte sich an diesen Glauben. Ihr Vater hatte einige fatale Entscheidungen getroffen, ehe irgendjemand erkannt hatte, dass er krank war, und sie arbeitete hart daran, diese Fehler wieder auszubügeln. Das war nicht leicht, aber sie war längst noch nicht bereit aufzugeben.

Doch Roman winkte überheblich ab. „Das ist ein Warenhaus, Caroline. Die Mehrheit deiner Häuser kann sich kaum noch über Wasser halten. Du hättest längst einige davon verkaufen müssen, was sich jetzt rächt.“

Er machte einen Schritt auf sie zu, sodass sie seine Wärme spüren konnte. Seine Macht. Doch sie wich um keinen Millimeter zurück, aus Prinzip nicht.

„Danke für deine Meinung, auch wenn ich dich nicht darum gebeten habe“, erwiderte sie frostig. Ihr war klar, dass ihr Vater die Chance, einige der weniger profitablen Warenhäuser abzustoßen, vor mehr als zwei Jahren verpasst hatte, als sein Urteilsvermögen schon durch seine Krankheit getrübt gewesen war.

„Ich erledige meine Recherchen gründlich“, fuhr Roman ungerührt fort, „und ich weiß deshalb, dass das Ende für Sullivan’s bald eingeläutet wird. Es bleibt dir gar nichts anderes übrig, als mit mir zu kooperieren.“

„Warum, in aller Welt, sollte ich das tun?“, fragte sie stolz. „Mit anderen Worten, ich soll dir vertrauen? Sullivan’s an dich übereignen und darauf vertrauen, dass du die Warenhäuser ‚rettest‘, die sich seit fünf Generationen im Besitz meiner Familie befinden?“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich wäre ja dumm, wenn ich meine Geschäfte so betreiben würde … und ich kann dir versichern, ich bin nicht dumm!“

Wunderbarerweise fuhr genau in diesem Moment aus dem dichten Verkehr ein Taxi an den Straßenrand. Der uniformierte Portier öffnete mit einer Verbeugung die hintere Wagentür. „Ihr Taxi, Madam!“

Caroline zögerte nicht lange, sondern stieg sofort ein. Gerade wollte sie dem Fahrer die Adresse nennen, da setzte sich Roman neben sie.

„Das ist mein Taxi!“, protestierte sie machtlos.

„Wir haben denselben Weg.“ Er nannte dem Fahrer eine Adresse im Bankenviertel.

Caroline war außer sich vor Empörung, doch sie zwang sich, ruhig durchzuatmen. Auf keinen Fall durfte sie Roman zu ihrer Haustür führen. Wenn Ryan aus irgendeinem Grund herauskam … Nein! Also nannte sie dem Fahrer die Adresse eines anderen Stadthauses in Greenwich Village, entschlossen, die zwei Straßen bis zu ihrem Haus zu Fuß zu laufen, sobald das Taxi mit Roman davongefahren war.

„Woher wusstest du, dass wir in dieselbe Richtung wollen?“, erkundigte sie sich, als das Taxi losfuhr.

„Genau genommen, wusste ich es gar nicht. Aber ich habe keine Eile. Auch wenn du in die entgegengesetzte Richtung gefahren wärst, wäre es mir den Umweg wert gewesen. Denn jetzt habe ich dich ganz für mich allein.“

Ihr Herz pochte. Es gab eine Zeit, da wäre sie ganz wild darauf gewesen, allein mit ihm zu sein. Bei dem Gedanken daran, wie viele heiße Küsse sie in einem Taxi wie diesem ausgetauscht hatten, errötete sie tief.

Sie wollte nicht daran denken. Deshalb rückte sie so weit wie möglich von ihm weg und blickte zum Fenster hinaus. Ausgerechnet in diesem Moment fuhren sie an einem jungen Liebespaar vorbei, das sich im Licht einer Straßenlaterne selbstvergessen küsste.

Caroline spürte, wie Roman sie von der Seite ansah.

„Ah, junge Liebe“, bemerkte er süffisant.

Sie schloss die Augen. Wieder verspürte sie den unbändigen Wunsch, ihm zu sagen, wie leid es ihr tat, ihn damals verletzt zu haben. Doch sie schwieg. Alles Nötige war vor fünf Jahren gesagt worden. Jetzt war es zu spät, noch etwas zu ändern.

„Was willst du von mir, Roman?“, fragte sie müde.

„Du weiß, was ich will. Weshalb ich hergekommen bin.“

Sie wandte sich ihm zu und sah ihn an. „Du verschwendest deine Zeit. Sullivan’s ist nicht zu verkaufen. Zu keinem Preis.“

Roman lachte. Unter anderen Umständen hätte Caroline den warmen, herzlichen Klang seines Lachens unwiderstehlich sexy gefunden, doch sie verbot es sich streng.

„Du wirst verkaufen, Caroline, weil du es nicht ertragen kannst, seinem Untergang zuzusehen. Nach und nach werden die Zulieferer dir den Kredit aufkündigen, dann wirst du ein Warenhaus nach dem anderen schließen müssen und es trotzdem nicht schaffen, den Warennachschub für die verbleibenden sicherzustellen. Sullivan’s steht für Qualität, für Luxus. Willst du dich mit minderer Qualität zufriedengeben? Kein russischer Kaviar mehr, kein feinster Räucherlachs oder Torten von Josette’s, keine italienischen Handtaschen mehr oder Maßanzüge in der Herrenabteilung?“

Sie presste die Lippen zusammen. Ja, es sah schlimm aus, das wusste sie selbst. Am liebsten hätte sie ihren Vater um Rat gefragt … und Jon. Aber das war nicht mehr möglich, doch sie würde auch allein eine Lösung finden, ohne Sullivan’s zu zerschlagen. Für Ryan. Ihre Familie war alles, was sie hatte.

„Ich habe nicht vor, das mit dir zu diskutieren, Roman“, sagte sie entschieden. „Noch gehört Sullivan’s nicht dir. Und wenn ich ein Wort dabei mitzureden habe, wird es nie so weit kommen.“

„Und genau in dem Punkt irrst du dich, solnyshko, Sonnenschein. Du hast kein Wort mitzureden. Es ist so unausweichlich wie der Sonnenuntergang.“

„Nichts ist unausweichlich, solange ich noch denken und entscheiden kann. Ich werde dich mit allem, was ich habe, bekämpfen. Du wirst nicht gewinnen.“

„Im Gegenteil, Caroline, diesmal läuft es, wie ich es will.“

„Und was soll das heißen?“, fragte sie mit Herzklopfen. „Du hängst doch wohl nicht immer noch unserer kurzen Affäre nach? Es kann doch nicht dein Ernst sein, dir Sullivan’s aneignen zu wollen als Rache für eine erwiesene Kränkung?“

Roman presste die Lippen zusammen. „Wohl kaum, meine Liebe. Mir ist seit jener Nacht längst klar geworden, dass … ich nicht für dich empfunden habe, was ich damals glaubte.“ Er ließ den Blick langsam über sie schweifen. „Ich war verliebt in dich. Aber die große Liebe? Nein, ganz bestimmt nicht.“

Warum tat es so weh, ihn das sagen zu hören? Weil sie ihn damals so sehr geliebt und geglaubt hatte, er habe ihre Liebe erwidert. Und jetzt sagte er ihr, dass er sie nie geliebt habe. Dass alles nur eine Illusion war. Nie hätte sie für möglich gehalten, dass diese Erkenntnis nach fünf Jahren noch so sehr schmerzte.

„Warum bist du dann hier?“, fragte sie heiser. „Was bedeutet dir Sullivan’s? Du besitzt doch längst viel größere Warenhäuser und brauchst meine gar nicht.“

Er lachte, leise und spöttisch. „Nein, ich brauche sie nicht.“ Unvermittelt beugte er sich zu ihr herüber und blickte ihr im Halbdunkel des Taxis tief in die Augen. „Ich will sie“, fügte er hinzu. „Und ich will dich.“

2. KAPITEL

Kazarov skrupellos im Geschäfts- und Liebesleben, klagt Filmsternchen

Er hatte nicht beabsichtigt, so weit zu gehen. Nun aber fand er es interessant, ihre Reaktion zu beobachten. Ihr stockte buchstäblich der Atem, und ihre schönen braungrünen Augen wurden groß, bevor sie rasch den Blick senkte, um ihre Gefühle vor ihm zu verbergen.

Seit sie sich auf dem Bürgersteig zu ihm umgedreht hatte, wurde er von erregenden Erinnerungen bestürmt, was ihn sehr ärgerte. Konnte er nicht jede Frau haben, die er nur wollte? Eine schöner als die andere? Caroline war nicht einmal das, was man im klassischen Sinn als schön bezeichnet hätte. Vielleicht eher nur hübsch … Doch dann schaute sie auf, und der Blick ihrer unvergleichlichen Augen traf ihn wieder bis ins Mark. Sie war eine Eiskönigin, und er verspürte den übermächtigen Wunsch, ihr kaltes Herz zum Schmelzen zu bringen. Was ihn wiederum ärgerte. Er hatte nicht einmal die Absicht gehabt, sie auch nur anzufassen, und doch drohte er ihr jetzt förmlich, sie zu seiner Geliebten zu machen.

„Warum?“, fragte sie, sichtlich geschockt.

Er zuckte betont gleichgültig die breiten Schultern. „Vielleicht hatte ich noch nicht genug von dir. Oder vielleicht will ich dich so demütigen, wie du mich gedemütigt hast.“

Ihre Hände umklammerten fest ihr winziges Abendtäschchen. „Das ist nicht deine Art, Roman. Du kannst unmöglich vorhaben, mich zu zwingen, mit dir zu schlafen.“

Heiße Erinnerungen gepaart mit unbändigem Zorn stürmten auf ihn ein. „Du hast keine Ahnung, wie ich bin, solnyshko. Das hattest du nie.“

Fast wäre er schwach geworden, als er sah, dass ihr schöner Mund bebte. Gerade noch rechtzeitig rief er sich ins Gedächtnis, wie eiskalt sie sich in sein Herz geschlichen und ihn dann zum Narren gemacht hatte. Er hatte ihr vertraut, ihr geglaubt, und sie hatte ihn verraten.

Roman presste die Lippen zusammen. Er war auf ihre Unschuldsmiene hereingefallen, hatte geglaubt, weil er der Erste für sie war, würde sie mehr für ihn empfinden, als es tatsächlich der Fall war.

Ich liebe dich nicht, Roman. Wie könnte ich auch? Ich bin eine Sullivan, und du bist nur ein Angestellter meines Vaters.

Kurz, er hatte den Fehler gemacht, zu vergessen, dass er für Caroline Sullivan und ihre noble Familie nicht gut genug war, und teuer dafür bezahlt. Seine ganze Familie hatte teuer dafür bezahlt. Als er damals gezwungen gewesen war, die Vereinigten Staaten zu verlassen und ohne Job und Geld nach Russland zurückzukehren … denn er hatte den größten Teil seines Verdienstes für die Pflege seiner Mutter nach Hause geschickt …, hatte er viel mehr verloren als nur eine Frau, die er zu lieben geglaubt hatte.

„Ich habe ein Kind, Roman. In meinem Leben ist kein Platz für jemand anderen.“

Ein weiterer Grund für seine Verbitterung. Sie hatte ein Kind, einen Sohn mit Jon Wells, kaum dass sie ihn aus ihrem Leben gestrichen hatte. Nein, sie hatte wirklich nicht lange gezögert, sich dem nächsten Mann zuzuwenden, ja, ihn sogar zu heiraten. „Ich glaube nicht, dass ich von einer Beziehung gesprochen habe“, erwiderte er deshalb kalt.

Etwas wie Panik blitzte in ihren Augen auf. Interessant.

„Ich werde nicht mit dir schlafen. Egal, was du auch mit Sullivan’s vorhast und versuchst, du wirst nicht erreichen, was du dir davon versprichst.“

Er streichelte ihr sacht die Wange und bemerkte zu seiner Genugtuung, dass sie errötete, aber nicht zurückwich. Sie war nicht immun. „Woher willst du wissen, was ich will, solnyshko?“, fragte er schmeichelnd.

Caroline hielt den Atem an. Im Augenblick der Berührung hatte sie das Gefühl, einen elektrischen Schlag zu bekommen, Wie war das möglich? Allein die Tatsache, dass sie eine Ewigkeit keinen Sex mehr gehabt hatte, war doch sicher kein Grund, so auf Roman zu reagieren. In diesem Jahr nach Jons Tod hatte sie durchaus das eine oder andere Date gehabt, weil jeder sie dazu drängte und weil sie so einsam war. Doch wann immer einer der Männer sie geküsst hatte, hatte sie nichts empfunden und auf ein zweites Date verzichtet. Allmählich war sie zu der Überzeugung gelangt, dass ihr die große Liebe und Leidenschaft, die ihr Ryan, ihren wundervollen Sohn, geschenkt hatte, nur einmal in ihrem Leben bestimmt gewesen war.

Bis jetzt. Bis zu dem Moment, als Roman ihre Wange berührte, hatte sie gedacht, dass sie nie wieder so etwas empfinden könnte.

„Warum tust du das?“, flüsterte sie. Sie wollte nichts für ihn fühlen. Das brachte nur Probleme, und gerade jetzt hatte sie keine Kraft dafür.

Sein Blick schweifte zu ihren Lippen. „Was meinst du?“

Er hatte sich verändert. War härter geworden, skrupellos. War das ihre Schuld? „Es tut mir leid“, sagte sie spontan. „Ich wollte dich nicht verletzen.“

Er lachte spöttisch. „Mich verletzen? Nyet, nein, Darling, du hast mich nicht verletzt. Vielleicht ein wenig meinen Stolz gekränkt. Aber davon habe ich mich schnell erholt.“

Caroline senkte den Blick. Sie war nach jener Nacht am Boden zerstört gewesen, auch wenn sie es sich nicht hatte anmerken lassen. Nur Jon hatte gewusst, wie viel es sie gekostet hatte, ihn zu heiraten. Sie hatte nicht mehr und nicht weniger als ihre Pflicht getan, als Jons Eltern auf der Heirat beharrten und drohten, andernfalls ihre Anteile an Sullivans zu verkaufen. Dadurch wäre die Aktienmehrheit in die Hand eines Konkurrenten gelangt, der die Warenhauskette zerschlagen und die meisten Angestellten in die Arbeitslosigkeit geschickt hätte. Durch ihren selbstlosen Schritt hatte Caroline also auf einen Schlag das Familienerbe und Tausende von Arbeitsplätze gerettet, worauf sie verdammt noch mal stolz war!

Zu stolz, um sich vor diesem Mann zu ducken! Entschlossen blickte sie auf. Ehe er es verbergen konnte, sah sie in seinen blauen Augen nicht nur Zorn, sondern eindeutig Verlangen aufblitzen. Wie konnte er sie nach allem, was zwischen ihnen passiert war, immer noch begehren?

Doch sie irrte sich nicht, sondern stellte zu allem Überfluss fest, dass es ihr genauso erging. Nichts hätte sie in diesem Moment lieber getan, als ihn zu küssen und sich wie früher ganz in diesem Kuss zu verlieren. Aber das war eine andere Zeit, eine andere Caroline gewesen. Jünger und unbeschwerter. Inzwischen hatte sie das Leben auch von seinen harten Seiten kennengelernt und war klüger geworden. Wenn sie jetzt schwach wurde und ihn küsste, würde es nur noch mehr wehtun, wieder loszulassen.

„Das freut mich, Roman“, antwortete sie deshalb. „Wir beide haben nicht zueinander gepasst. Das weißt du genauso gut wie ich.“

Er winkte verächtlich ab. „Du meinst, Caroline Sullivan war zu gut für den Sohn eines russischen Arbeiters. Mein Bauernblut hätte deinen noblen Stammbaum besudelt.“

Beschämt dachte sie an all die schlimmen Dinge, die sie damals gesagt hatte. Aber sie hatte keine Wahl gehabt und sämtliche Brücken hinter sich abbrechen müssen, um sicherzugehen, dass sie nicht wieder schwach wurde. „Ich war jung. Und so habe ich es auch nicht ausgedrückt.“

„Das war nicht nötig. Ich habe auch so verstanden, was du meinst.“

Die Erinnerung daran war einfach zu schmerzlich. „Ich hatte keine andere Wahl“, sagte sie, was natürlich auch keine Erklärung war, aber dennoch mehr, als sie ihm vor fünf Jahren angeboten hatte.

Er sah sie ungläubig an. „Wie kannst du es wagen, das zu behaupten? Was für eine rührselige Geschichte willst du mir auftischen?“

Ehe sie etwas erwidern konnte, hielt das Taxi an, und die Stimme des Fahrers verkündete über den blechernen Lautsprecher in der Trennscheibe, dass sie die erste Adresse erreicht hätten. Verständnislos betrachtete Caroline das fremde Haus, bis ihr einfiel, dass sie ja bewusst eine falsche Adresse angegeben hatte.

Sie legte die Hand auf den Türgriff. „Gute Nacht, Roman.“

„Ich bringe dich selbstverständlich zur Tür.“

„Nein!“, wehrte sie ab. „Das will ich nicht.“

„Dann warte ich wenigstens, bis du sicher im Haus bist, bevor ich das Taxi weiterfahren lasse.“

Caroline schluckte. „Nein, bitte, das ist nicht nötig. Diese Gegend ist völlig sicher. Ich gehe hier manchmal spät abends noch spazieren.“ Was zwar nicht stimmte, aber sie wollte auf keinen Fall, dass er wartete, denn sie wusste ja nicht einmal, wer in dem Haus wohnte! Warum war sie nur in Panik geraten, als er zu ihr ins Taxi gestiegen war, und hatte nicht einfach ihre richtige Adresse angegeben? Jetzt saß sie in der Falle.

„Kommt überhaupt nicht infrage. Ich bin kein Rüpel, der eine Frau im Dunkeln auf der Straße stehen lässt.“

Als er an ihr vorbei nach dem Türgriff langte, reagierte sie, ohne nachzudenken. Impulsiv drückte sie die Lippen auf seinen Hals. Im ersten Moment war sie überwältigt von dem Gefühl. Unbeschreibliche Sehnsucht wallte in ihr auf. Die Vernunft befahl ihr sofort zurückzuweichen, aber ihre Angst war stärker. Auf keinen Fall sollte Roman merken, dass sie gar nicht hier wohnte, auf keinen Fall sollte er in die Nähe ihres Haus und damit in Ryans Nähe gelangen.

Er fasste sie jetzt bei den Schultern und schob sie zurück. „Was soll das? Gerade erst hast du doch erklärt, dass du nicht mit mir schlafen willst.“

„Ich … bin einsam“, improvisierte sie. „Es ist lange her … seit ich einen Mann im Bett hatte. Und ich vermisse es.“

„Ach ja? Wie gut sich das doch trifft.“

Sie streckte die Arme nach ihm aus, um ihn an sich zu ziehen, bevor die Stimme der Vernunft die Oberhand gewann. Denn sie wollte nicht vernünftig sein, sondern koste es, was es wolle, ihr Kind beschützen. Hätte sie von Anfang an die richtige Adresse genannt, wäre sie jetzt einfach ausgestiegen und ins Haus gegangen. So aber würde er sich fragen, warum sie gelogen und was sie zu verbergen hatte. Und sie hatte weiß Gott einiges zu verbergen: Ryan, die Krankheit ihres Vaters, den tatsächlichen finanziellen Zustand von Sullivan’s.

„Fahren wir zu dir“, bat sie deshalb heiser.

Roman hielt immer noch Abstand und schaute sie prüfend an. Sie hielt seinem Blick stand in dem Wissen, dass ihre leidenschaftlichen Gefühle für ihn ja nicht einmal geheuchelt waren. Schließlich ließ er sie los und wies den Fahrer an, zu der Adresse im Bankenviertel weiterzufahren. Caroline sank in den Sitz zurück. Doch anstatt erleichtert zu sein, wuchs ihre innere Anspannung nun erst recht. Im Grunde hatte sie erwartet, dass Roman sie an sich pressen und küssen würde, nachdem sie sich ihm so offen angeboten hatte. Aber er tat nichts dergleichen, was sie völlig irritierte.

Zehn Minuten später hielt das Taxi im Bankenviertel, und Caroline schlug das Herz plötzlich bis zum Hals. Sie musste unbedingt von Roman fort, nach Hause und sich in ihrem Schlafzimmer einschließen, um in Ruhe über ihre Gefühle nachzudenken. „Ich … habe Kopfschmerzen“, sagte sie rasch, als Roman seine Kreditkarte durch das Lesegerät zog. „Ich fürchte, ich bekomme Migräne.“

„Pech“, meinte Roman, ohne sie auch nur anzusehen, und schob sie aus dem Taxi, das sofort weiterfuhr.

„Ruf mir bitte ein neues Taxi“, bat sie, als er sie zu den gläsernen Eingangstüren eines Wolkenkratzers führte. „Ich muss wirklich nach Hause … zu meinem Kind.“

„Merkwürdig, dass dir das vorhin vor deinem Haus nicht eingefallen ist.“

„Ich war … überwältigt.“

Roman gab den Code ein, und die Türen glitten auf. „Ja, von deiner plötzlichen Leidenschaft für mich. Ich fühle mich geschmeichelt“, erwiderte er unbeeindruckt. „Und jetzt komm mit nach oben, und nimm eine Kopfschmerztablette.“

Was blieb ihr anderes übrig, wenn sie nicht im Abendkleid am Straßenrand stehen und darauf hoffen wollte, dass ein Taxi vorbeikam? Ihr Handy hatte in ihrem winzigen Abendtäschchen keinen Platz gehabt. Also ließ sie sich schweigend von dem Mann, den sie einmal geliebt hatte, vorbei an einem mit einem Wachmann besetzten Empfang zu einem privaten Aufzug führen, der sie im Nu ganz nach oben ins Penthouse trug.

Hier betrat sie eindeutig das Reich eines Mannes. Eine Fensterfront über die gesamte Breite der Wohnung bot einen atemberaubenden Blick auf die Skyline von Manhattan. Die einzelnen Wohnbereiche gingen offen ineinander über: eine hypermoderne Kochinsel mit Marmoranrichte, der Essbereich, das Wohnzimmer, in dem sie stand, und daran angrenzend das Schlafzimmer, das sie durch die offene Tür einsehen konnte. Roman verschwand kurz und kehrte mit einem Glas Wasser und einer Schmerztablette zurück.

„Für deine Kopfschmerzen.“

„Wie? Ach ja, danke.“ Caroline legte ihr Abendtäschchen auf einen Tisch und nahm die Tablette, denn durch den Stress hatte sie inzwischen wirklich Kopfschmerzen.

Dann folgte sie Roman hinaus auf eine große Dachterrasse. Hier oben wehte eine kühle, nächtliche Brise. Fröstelnd zog sich Caroline das Seidentuch fester um die Schultern und ließ den Blick über das Lichtermeer der Stadt schweifen. „Deine Wohnung?“

Da, ja. Ich habe sie vor über einem Jahr gekauft.“

„Dann warst du schon früher wieder in New York?“, fragte sie überrascht.

Er wandte sich ihr zu. „Natürlich. Hast du gedacht, ich würde die Stadt meiden, nur weil du hier bist?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin nur erstaunt, dass ich nicht davon gehört habe. Die Presse folgt dir doch auf den Fersen.“ Die Boulevardpresse stürzte sich ja förmlich auf die jüngsten Eroberungen des attraktiven russischen Milliardärs, ob es sich dabei um eine schöne Frau, ein Geschäft oder um eine Immobilie handelte.

„Ich bin nur interessant für die, weil ich aus dem Nichts aufgestiegen bin“, meinte er gleichgültig. „Wenn ich wieder im Nichts verschwände, würden sie mich genauso schnell auch wieder fallen lassen.“

„Du hast viel erreicht“, sagte sie anerkennend.

„Ja, ich weiß, dass es für dich und deine Familie ein ziemlicher Schock sein muss. Mit genügend Geld kann selbst der dreckigste Straßenköter wohlerzogen und kultiviert erscheinen.“

Seine Worte taten weh. Denn tatsächlich hatte sie ihn nie für nicht gut genug befunden, auch wenn sie ihn in jener Nacht vor fünf Jahren in dem Glauben gelassen hatte. Ihre Mutter hatte ihre Schwärmerei für Roman allerdings nie gutgeheißen, und ihre Eltern waren in Panik geraten bei dem Gedanken, Caroline könnte nicht ihre Pflicht tun und das Familienunternehmen retten, als Jons Eltern massiv auf die Heirat drängten. Und obwohl Caroline Verantwortungsbewusstsein bewiesen hatte, vermied ihre Mutter es bis heute, Roman auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Dabei konnte ihr nicht entgangen sein, dass ihr Enkelsohn Jon Wells nicht im Mindesten ähnelte.

„Das alles ist lange her“, erwiderte Caroline nun. „Ich möchte lieber nicht darüber reden.“

Ehe sie sich versah, trat er einen Schritt vor, legte ihr einen Arm um die Taille und zog sie an sich. Heiße Erinnerungen wurden wach an Nächte, in denen sie sich wie entfesselt geliebt hatten, so intensiv, dass sie gedacht hatte, sie müsse sterben.

„Willst du alles vergessen, Caroline? Hast du das wirklich vergessen?“

Er beugte sich zu ihren Lippen, und sie schloss die Augen, unfähig, sich abzuwenden, selbst wenn sie es gewollt hätte. Doch sie wollte es gar nicht. Nur für einen Moment wollte sie noch einmal spüren, wie das unglaubliche Verlangen nach diesem Mann sie verzehrte. Ein einziges Mal wollte sie sich wieder ganz als Frau fühlen.

Und Roman gab ihr, was sie wollte. Ihr wurden die Knie weich, als er ihr seine Zunge fordernd zwischen die Lippen drängte. Verlangend schmiegte sie sich an ihn, spürte triumphierend, wie sehr auch er sie begehrte, und erwiderte seinen Kuss ohne Vorbehalte. Roman war der einzige Mann, für den sie je in Leidenschaft entflammt war, und wie es aussah, brannte sie immer noch für ihn.

Er fasste in ihr seidiges Haar und zog ihr den Kopf zurück. Caroline legte ihm widerstandslos die Arme um den Nacken und verlor sich ganz in seinem Kuss. Sie fühlte sich in die Zeit zurückversetzt, als er sie zum ersten Mal geküsst hatte. Auch damals hatten sie auf derTerrasse eines Penthouses gestanden, nur hatte die Luxuswohnung nicht ihm gehört, sondern es war das Apartment ihrer Familie an der Fifth Avenue gewesen, wo ihre Eltern eine Cocktailparty gegeben hatten. Als Frank Sullivans bester Mann im Controlling und Marketing war Roman eingeladen gewesen und hatte in seinem Smoking eine so elegante Figur gemacht, als wäre er in diesen illustren Kreisen zu Hause.

Caroline, die schon seit Wochen bei jedem Besuch in der Zentrale von Sullivan’s extra einen Umweg durch seine Abteilung gemacht hatte, um mit ihm zu flirten, hatte sowieso nie bezweifelt, dass er in ihre Welt passte. An diesem Abend konnte sie den Blick nicht von ihm wenden. Roman Kazarov schlug mit seinem Charme und Intellekt alle in seinen Bann, sodass sie tatsächlich das Gefühl gehabt hatte, sie wäre viel zu jung und unerfahren für ihn und könne ihm nicht das Wasser reichen.

Als sie ihn dann zufällig allein auf der Terrasse antraf, warf sie sich ihm buchstäblich an den Hals. Überraschenderweise nahm er an, was sie ihm so freiwillig anbot … und wollte sogar mehr. Was folgte, war eine heiße, leidenschaftliche Affäre, hemmungslos und berauschend.

Konnte es schaden, noch einmal eine einzige Nacht mit ihm zu verbringen? Es war so lange her, und sie war wirklich sehr einsam! Ohne zu überlegen, drängte sie ihm sehnsüchtig die Hüften entgegen.

Mit einer unterdrückten Verwünschung blickte Roman auf, packte sie bei den Schultern und schob sie fort. „Was soll das, Caroline?“, fragte er, wobei sein glühender Blick ihrem enttäuschten begegnete. „Was versuchst du eigentlich zu verbergen?“

3. KAPITEL

Sullivan-Erbin Kazarovs jüngste Eroberung?

Der eisige Klang seiner Stimme ließ Caroline zusammenzucken. Als hätte er sie nicht gerade eben mit atemberaubender Leidenschaft geküsst!

„Keine Ahnung, was du meinst“, antwortete sie betont kühl, denn trotz ihrer offensichtlichen Schwäche für ihn war sie entschlossen, sich nicht von ihm über den Tisch ziehen zu lassen. Gut, dass er sie geküsst hatte. Jetzt wusste sie wenigstens, dass sie es überleben würde!

Roman ließ sie los und strich sich mit den Fingern durchs Haar. Fröstelnd zog Caroline sich das Seidentuch fester um die Schultern.

„Du hast bezüglich deiner Adresse gelogen“, sagte Roman.

Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. „Und wenn schon! Woher weißt du das überhaupt?“, entgegnete sie trotzig.

„Weil ich mich im Vorfeld immer ganz genau über die Leute informiere, deren Unternehmen ich aufkaufen will“, erklärte er sachlich.

„Du hättest etwas sagen können“, entgegnete sie ärgerlich. „Und es mir erspart, weiter lügen zu müssen.“

„Dann wäre mir ja diese interessante Episode entgangen. Das wäre doch zu schade gewesen. Aber verrate mir, warum du gelogen hast.“

Caroline überlegte fieberhaft. Ryan lag um diese Zeit natürlich längst im Bett und schlief tief und fest. Die Möglichkeit, dass er bei ihrer Rückkehr zur Tür gestürmt wäre und Roman ihn gesehen hätte, war im Grunde gleich Null gewesen. Sie war einfach in Panik geraten und verwünschte sich jetzt dafür.

Der Stress der vergangenen Wochen war so groß gewesen, dass sie Mühe hatte, klar zu denken. Es galt, noch viele Hebel in Bewegung zu setzen, damit Sullivan’s die nächste anstehende Kreditrate an die Bank leisten konnte. Tatsächlich sollte sie jetzt zu Hause sitzen und sich mit den Geschäftsprognosen beschäftigen, um für ihr morgiges wichtiges Treffen mit der Bank vorbereitet zu sein.

Roman beobachtete sie aufmerksam wie ein Raubtier seine Beute. Bei dem geringsten Anzeichen von Schwäche würde er sich auf sie stürzen. Sie konnte sich keine weiteren Fehler erlauben. „Ich habe gelogen, weil ich wütend war und einfach nicht wollte, dass du mich nach Hause bringst“, antwortete sie fest. „Es war schon ein Schock, dich so unerwartet wiederzusehen, und dann hast du dich auch noch einfach ungebeten zu mir ins Taxi gesetzt.“

„Was nicht erklärt, was dann passiert ist!“

Sie errötete. Natürlich nicht. Aber sollte er ruhig schlecht von ihr denken. „Nun, es ist ja nicht das erste Mal, dass ich mich dir an den Hals geworfen habe. Nenne es einen Anfall von Nostalgie.“ Sie richtete sich kerzengerade auf und sah ihn so hochmütig wie möglich an. „Es war ein Fehler. Ich sollte jetzt wirklich nach Hause gehen.“

Er betrachtete sie einen Moment lang schweigend. „Da, ja, du solltest gehen“, sagte er dann und ging zurück in die Wohnung. Als Caroline ihm folgte, drückte er ihr schon das Abendtäschchen in die Hand.

Sie nahm es, beschämt und wütend zugleich. Früher konnte er die Finger nicht von ihr lassen und hätte alles für sie getan. Jetzt setzte er sie buchstäblich vor die Tür. Natürlich wollte sie so schnell wie möglich fort von ihm, dennoch kränkte es ihren Stolz. Sie war nicht mehr unwiderstehlich für ihn.

Und als wollte er ihr genau das beweisen, musterte er sie abschätzig, bevor er sie wieder ansah. „Obwohl du mich zweifellos immer noch erregst, fühle ich mich nicht gedrängt, mit dir ins Bett zu gehen.“

„Was für ein Glück“, entgegnete sie frostig. „Zwar bilde ich mir nicht ein, dass du deine Pläne, was Sullivan’s betrifft, noch änderst, aber ich bin froh, dass wenigstens ich nicht länger Teil davon bin.“

Er lachte leise und so sexy, dass ihr fast schwindlig geworden wäre. „Oh, mach dir nichts vor, solnyshko, ich habe immer noch Pläne für dich. Nur nicht für heute Nacht.“

Sobald sie fort war, ging Roman mit einem Glas Scotch auf die Terrasse hinaus und blickte auf die Lichter von Manhattan. Irgendwo da unten saß Caroline jetzt in einem Taxi nach Greenwich Village, das blonde Haar immer noch makellos frisiert, der Lippenstift nachgezogen.

Nichts brachte Caroline lange aus der Fassung. So viel hatte er vor fünf Jahren gelernt. Im Bett, in seinen Armen, hatte sie sich ihm wie entfesselt hingegeben. Wenn er ihr danach ein Taxi rief, denn sie bestand stets darauf, nicht über Nacht zu bleiben, um nicht die Neugier ihrer Eltern zu wecken, ließ sie ihn hinter sich, vergaß ihn bis zum nächsten Mal. Er dagegen lag noch lange wach, dachte an sie und überlegte, wie er sie für immer gewinnen könnte. Was für ein Narr!

Obwohl ihre Affäre damals nur wenige Wochen dauerte, war er nach dem Bruch tief gefallen, Caroline dagegen überhaupt nicht. Kein Wunder. Er, Roman Kazarov, Sohn eines gewalttätigen Grobians und einer feinen, aber viel zu duldsamen Frau, hatte für kurze Zeit geglaubt, in Gestalt seiner schönen amerikanischen Prinzessin die Erfüllung all seiner Träume in Händen zu halten. Caroline hatte ihn glauben lassen, der Wert seiner Person habe nichts mit seiner Herkunft zu tun. Und dann, als er so dumm gewesen war, ihr zu glauben, hatte sie ihm den Boden unter den Füßen entzogen.

Ihretwegen hatte er den eigentlichen Grund, warum er nach Amerika gekommen war, aus den Augen verloren und teuer dafür bezahlt. So hatte seine Mutter ihre letzten Monate nicht in einem komfortablen Pflegeheim verbringen können, das er bezahlt hatte, solange er für Sullivan’s gearbeitet hatte, sondern in einer schäbigen Zweizimmerwohnung, wo er und seine Brüder sie, so gut es gegangen war, bis zu ihrem Tod gepflegt hatten.

Er gab jedoch nicht Caroline die Schuld, sondern allein sich selbst. Wenn er Sullivan’s jetzt aufkaufte, brachte ihm das weder seine Mutter zurück noch änderte es etwas an der Trostlosigkeit der letzten Wochen ihres Lebens. Aber es würde ihn daran erinnern, sich nie wieder durch was auch immer von seinen Zielen ablenken zu lassen.

Allein bei dem Gedanken daran, wie er Caroline vorhin geküsst hatte, durchzuckte es ihn heiß. O ja, er hatte sie begehrt, doch diesmal würde er entscheiden, wann und wo er sie nehmen würde. Und es würde ganz sicher nicht bei ihm zu Hause sein, denn nichts hatte ihn den gesellschaftlichen Unterschied zwischen ihnen so sehr spüren lassen wie der unweigerliche Ablauf damals: Caroline war zu ihm in sein kleines Apartment gekommen, die reiche Erbin hatte sich bei dem Lakaien geholt, was sie brauchte, um danach wieder in ihr abgehobenes Luxusleben zurückzukehren … und zu ihrem eigentlichen Verlobten, wie er zu spät erfuhr.

Er hatte Jon Wells nur flüchtig gekannt, ein eher stiller, schüchternen Mann und ganz bestimmt nicht der Richtige für eine so temperamentvolle Frau wie Caroline. Roman hatte damals gedacht, sie würde Witze machen, als sie ihm ihre Pläne eröffnete. Doch sie hatte nicht gelacht, nicht einmal gelächelt.

Ich heirate Jon Wells.

Aber du liebst mich doch, hatte er fassungslos protestiert.

Es hat Spaß gemacht, Roman, aber ich liebe dich nicht. Das habe ich nie getan.

Nie würde er diese Worte vergessen, die sie mit so unbewegter, überheblicher Miene ausgesprochen hatte. Roman trank den Scotch mit wenigen Schlucken aus und ging wieder hinein, um sich das Dossier über die Sullivan Gruppe noch einmal vorzunehmen. Er überflog die Angaben über Carolines Person, die er längst auswendig kannte. Der Bericht enthielt neben einem Foto von ihr auch eines von ihrem Sohn, Ryan Wells. Der Junge war blond wie Caroline und hatte blaue Augen. Vier Jahre alt, hieß es dazu, was Roman jedes Mal schmerzte, wenn er es las.

Unwillig schob er die Fotos beiseite und konzentrierte sich auf die aktuellen finanziellen Probleme der Sullivan-Gruppe. Ohne eine erhebliche, rasche Kapitalspritze würde Sullivan’s schon bald gezwungen sein, Warenhäuser zu verkaufen, um seinen finanziellen Verpflichtungen bei den Banken nachkommen zu können. Eigentlich sollte er es einfach zulassen. Sich zurückziehen und zusehen, wie Sullivan’s abstürzte und von der Bildfläche verschwand. Aber er konnte es nicht. Er wollte Sullivan’s, wollte jedes einzelne Warenhaus der Gruppe … jeden Kaschmirpullover, jedes Diamantcollier, jeden Luxusartikel im Sortiment bis hin zur letzten Flasche Champagner.

Vor allem aber wollte er den Ausdruck in ihren überheblichen Gesichtern sehen, wenn ihm schließlich all das gehörte, wofür sie ihn damals nicht gut genug befunden hatten.

Sie brauchte nur etwas mehr Zeit, dann konnte sie es schaffen. Caroline saß zusammen mit ihrem Finanzvorstand im Konferenzraum und wartete auf die Vertreter der Crawford International Bank.

Mit einem unterdrückten Gähnen goss sie sich die x-te Tasse Kaffee ein. Die Gedanken an Roman, die Erinnerung an den Kuss in seiner Wohnung hatten sie nur sehr unruhig schlafen lassen. Es tat weh, ihm wieder gegenübertreten zu müssen, denn er erinnerte sie an alles, was sie zu verlieren hatte. Und an das, was sie durch die Affäre mit ihm vor fünf Jahren gewonnen hatte.

Jon hatte stets nach der Devise gelebt, dass alles, und sei es noch so schlimm, besser aussah, wenn man erst einmal darüber geschlafen hatte. Doch in der Endphase seiner Krankheit, als keine Chemotherapie mehr anschlug, hatten sie beide nicht mehr daran geglaubt.

Verstohlen wischte Caroline sich eine Träne fort. Jon würde wollen, dass sie jetzt stark war. Sie musste die Vertreter der Bank davon überzeugen, dass Sullivan’s wieder auf dem Weg in die Gewinnzone war und seine Kredite bedienen würde.

Beunruhigt schweifte ihr Blick immer wieder zur Uhr. Wo blieben die Bankvertreter? Als die vereinbarte Zeit schon um eine halbe Stunde verstrichen war, läutete das Telefon, das vor Caroline auf dem Tisch stand.

„Ein Anruf für Sie, Ms. Sullivan“, meldete sich ihre Sekretärin. „Ein Mr. Kazarov. Soll ich ihn durchstellen?“

Nein! hätte Caroline am liebsten geschrien, aber sie wusste, dass ihr gar keine Wahl blieb. Roman rief natürlich aus einem ganz bestimmten Grund genau zu diesem Zeitpunkt an.

„Rob, würden Sie mich bitte einen Moment allein lassen?“, bat sie den Leiter ihrer Finanzabteilung, bevor sie den Anruf mit sehr unguten Gefühlen durchstellen ließ.

Dobroye Utro, guten Morgen, Caroline“, meldete er sich so schmeichelnd und sexy, dass ihr ein Schauer über den Rücken jagte. „Ich nehme an, du hast gut geschlafen?“

„Bestens, vielen Dank“, schwindelte sie kühl. „Und du?“

„Wie ein Murmeltier“, versicherte er aufreizend gutgelaunt.

„Ich vermute, du rufst aus einem bestimmten Grund an“, sagte sie gereizt. „Oder wolltest du mich nur zum Essen einladen?“

Er lachte. „Du warst immer schon viel zu ungeduldig, solnyshko. Hat dir noch niemand gesagt, dass das Gute nur zu dem kommt, der warten kann?“

„Wirklich, Roman, so nett es ist, mit dir zu plaudern“, meinte sie süffisant, „würdest du bitte zum Punkt kommen? Ich habe jeden Moment eine wichtige Besprechung.“

„Hast du nicht“, widersprach er. „Sofern du nämlich auf die Vertreter deiner Bank wartest.“

Worte, die sie erstarren ließen. Sie fragte erst gar nicht, woher er von ihrem Termin wusste. „Ich nehme an, du willst mir etwas sagen. Hast du das Beil für meine Hinrichtung schon gewetzt?“

„Wie dramatisch! Aber gerade das macht deinen besonderen Charme aus.“

„Und bei dir ist es wohl deine Skrupellosigkeit“, entgegnete sie zuckersüß.

„Gerade du wirfst mir Skrupellosigkeit vor? Interessant.“

„Was ist daran so verwunderlich? Schließlich bereist du seit zwei Jahren die ganze Welt und sammelst überall kränkelnde Unternehmen. Aber anscheinend hast du immer noch nicht genug, und das nenne ich skrupellos.“

„Vielleicht nicht so skrupellos, wie das Herz eines Mannes mit Füßen zu treten“, entgegnete er unerwartet.

Ihr Herz pochte. „Als ob du nicht eine beachtliche Karriere als Herzensbrecher hingelegt hättest!“

„Ich habe eben die beste Lehrerin gehabt.“

Sie atmete tief ein, entschlossen, sich von ihm nicht aus der Fassung bringen zu lassen. „Teil mir einfach mit, was du willst, Roman. Warum rufst du mich jetzt an, und woher weißt du, dass meine Besprechung abgesagt worden ist?“

„Ich weiß es, weil ich sie selbst abgesagt habe.“

„Du …? Wie hast du das geschafft?“, fragte sie, von schlimmsten Befürchtungen beschlichen.

„Nun, es gibt einfach keinen Grund mehr, über die Finanzierung deiner Kredite mit der Bank zu sprechen, solnyshko.“

„Du hast meine Kredite aufgekauft.“ Die Möglichkeit, dass jemand ihre Schuldverpflichtungen aufkaufte, hatte natürlich immer bestanden, aber Caroline hatte das Risiko als äußerst gering eingestuft, denn Crawford International war seit Jahrzehnten die Hausbank ihrer Familie. Ihr Vater und Leland Crawford hatten regelmäßig zusammen Golf gespielt, und bei ihrer letzten Unterredung mit Leland hatte er ihr versichert, auf ihrer Seite zu sein. Natürlich hatte ihn, wie so viele, der unerwartete „Rückzug“ ihres Vaters in den „Ruhestand“ überrascht und beunruhigt, obwohl er den wahren Grund dafür nicht kannte.

Außer Caroline wussten nur ihre Mutter und der Vorstand von Sullivan’s von der Krankheit ihres Vaters, und das sollte auch so bleiben. Aber Leland wusste, dass der Vorstand hinter ihr stand, weshalb es sie überraschte, dass er nun ihre Kredite verkauft hatte, ohne sie vorzuwarnen.

Nun gut, das ließ sich nicht mehr ändern. Sie musste umdenken. „Du hast vielleicht meine Schulden aufgekauft, aber Sullivan’s noch lange nicht“, erklärte sie kämpferisch. „Wir sind nicht im Verzug, sodass du keine Zwangsvollstreckung betreiben kannst. Und wir werden nicht in Verzug geraten!“

Er lachte. „Richtig so! Kämpfe! Ich liebe die Herausforderung.“

Caroline glaubte, die knisternde Spannung zwischen ihnen über das Telefon zu spüren. „Ich muss jetzt auflegen, denn ich habe viel zu tun.“

Da, das stimmt. Und nach Feierabend wirst du mit mir essen gehen.“

„Ganz bestimmt nicht! Du hast meine Kredite gekauft, aber nicht mich!“

„Denk nach, Caroline“, warnte er. „Es wäre ein Leichtes, deine Zulieferer zu veranlassen, dir keinen Kredit mehr einzuräumen, und dann würdest du sehr schnell in Verzug geraten. Dann gehört mir alles, und das willst du doch nicht, oder?“

„So weit würdest du gehen?“, fragte sie fassungsl...

Autor

Trish Morey
Im Alter von elf Jahren schrieb Trish ihre erste Story für einen Kinderbuch- Wettbewerb, in der sie die Geschichte eines Waisenmädchens erzählt, das auf einer Insel lebt. Dass ihr Roman nicht angenommen wurde, war ein schwerer Schlag für die junge Trish. Doch ihr Traum von einer Karriere als Schriftstellerin blieb....
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Michelle Smart
Michelle Smart ist ihrer eigenen Aussage zufolge ein kaffeesüchtiger Bücherwurm! Sie hat einen ganz abwechslungsreichen Büchergeschmack, sie liest zum Beispiel Stephen King und Karin Slaughters Werke ebenso gerne wie die von Marian Keyes und Jilly Cooper. Im ländlichen Northamptonshire, mitten in England, leben ihr Mann, ihre beiden Kinder und sie...
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