Hochzeitsglocken auf Mallorca

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Lucy glaubt zu träumen: In einem Luxushotel auf Mallorca stellt der attraktive Bankier ihr die alles entscheidende Frage. Mit Schmetterlingen im Bauch, aber auch voller Zweifel, sagt Lucy Ja. Die Nächte der stürmischen Leidenschaft mit Marcus sind zwar wunderschön - doch das Wichtigste vermisst Lucy in ihrer jungen Ehe nach wie vor: Von Liebe spricht Marcus nicht …


  • Erscheinungstag 19.09.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719401
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Sie behaupten also, dass mein Unternehmen und ich so gut wie bankrott sind?“

Lucy blickte ihren Anwalt starr an. Entsetzen und Furcht packten sie, gleichzeitig hatte sie das Gefühl, dass ihre Lage zu schrecklich war, um real zu sein.

Aber sie war real: Ihr Exmann hatte dem guten Ruf und den Finanzen der von ihr vor ihrer Heirat mit viel Enthusiasmus und Freude gegründeten Event-Agentur so geschadet, dass die Firma nicht mehr lebensfähig war.

In ihrer kurzen Ehe hatte Nick sie permanent betrogen – sexuell wie finanziell, andererseits hatte sie selbst auch gemogelt. Ein schlechtes Gewissen hilft mir jetzt nicht, ermahnte Lucy sich.

„Ich habe Aufträge für den Rest des Jahres“, sagte sie zu ihrem Anwalt und hoffte, dass er sie nicht fragen würde, wie viele. Weil es so wenige waren. „Vielleicht würde die Bank in Anbetracht dessen …?“

Doch er schüttelte den Kopf. Mr. McVicar mochte seine junge Klientin, und sie tat ihm aufrichtig leid, aber seiner Meinung nach war sie für die harte Geschäftswelt zu sanftmütig. „Sie haben mir selbst erklärt, dass mehrere Kunden ihre Aufträge storniert und ihre Anzahlungen zurückverlangt haben, und ich fürchte … Nun ja, Vertrauen ist auch in der Geschäftswelt von unschätzbarem Wert.“

„Sie meinen, dass wegen Nicks Betrügereien niemand mehr Vertrauen zu ‚Prêt a Party‘ hat?“, fragte Lucy verbittert. „Obwohl Nick in der Agentur und in meinem Leben keine Rolle mehr spielt und ich diejenige bin, die das Unternehmen gegründet hat?“

Der mitfühlende Blick ihres Anwalts genügte als Antwort.

„Vermutlich darf ich es meinen Kunden nicht verübeln, dass sie aussteigen. Aus ihrer Sicht kann ich wohl nicht besonders vertrauenswürdig sein, wenn ich so dumm war, Nick zu heiraten“, meinte Lucy sarkastisch. Marcus glaubte das zweifellos.

Wenn es einen Menschen gab, den sie gern aus ihrem Leben und ihren Erinnerungen wegzaubern würde, dann war es Marcus.

„Kann ich denn gar nichts tun, um die Firma zu retten?“

„Falls Sie einen Teilhaber finden, der für seine Integrität und sein finanzielles Format bekannt ist, dem die Leute vertrauen und der bereit ist, genug Kapital einzubringen, um alle ausstehenden Verbindlichkeiten abzuwickeln und …“

„Aber ich will meine Schulden selbst bezahlen. Ich habe noch immer Geld auf meinem Treuhandkonto“, unterbrach ihn Lucy heftig.

„Ja, natürlich, das weiß ich. Ich fürchte nur, dass die Schuldentilgung das Vertrauen der Kunden nicht wiederherstellen wird, Lucy. Bedauerlicherweise hat Ihr Exmann den Ruf des Unternehmens fast irreparabel geschädigt. Und dass Ihre beiden leitenden Mitarbeiterinnen Prêt a Party verlassen haben …“

„Aber doch nur, weil sie inzwischen verheiratet sind und andere Verpflichtungen haben. Carly ist wieder schwanger und muss sich um ihren Sohn kümmern, außerdem engagiert sie sich für die Waisenhäuser, die Ricardo gegründet hat. Und Julia hat ihr Baby und arbeitet für die Stiftung …“

„Das weiß ich alles, Lucy“, besänftigte sie ihr Anwalt. „Aber unglücklicherweise sieht die Außenwelt – von der Sie sich neue Aufträge erhoffen – diese Dinge nicht. Es tut mir wirklich leid.“ Er machte eine Pause. „Haben Sie daran gedacht, sich an Marcus zu wenden? Er …“

„Nein! Niemals! Und ich verbiete Ihnen, ihm irgendetwas von dem zu erzählen, was wir hier besprechen, Mr. McVicar.“ Lucy stand so unvermittelt auf, dass sie fast ihren Stuhl umwarf. Panik und Kummer schnürten ihr die Kehle zu. Wie Marcus es lieben würde, sie darauf hinzuweisen, dass er sie die ganze Zeit über vor genau dieser Situation gewarnt hatte. Wie er die Nase über sie rümpfen und sie eiskalt ansehen würde, während er aufzählte, was sie alles falsch gemacht hatte.

Manchmal hatte Lucy das Gefühl, ihr ganzes Leben lang immer nur versagt zu haben. Zunächst einmal war sie nicht der ersehnte Sohn und Erbe, sondern eine Tochter, die unter die Haube gebracht werden musste. Und obwohl ihre Eltern nach ihr noch einen Sohn bekommen hatten, war Lucy niemals den Gedanken losgeworden, sie enttäuscht zu haben, weil sie die Erstgeborene war und das falsche Geschlecht hatte. Nicht, dass sie jemals etwas zu ihr gesagt hätten, doch Lucy, die sehr sensibel war, hatte die Enttäuschung ihrer Eltern gespürt. Ebenso, wie sie später Marcus’ Ungeduld und Verärgerung klar erkannt hatte.

Allerdings musste niemand lange raten, was Marcus dachte. Er brachte seine Meinung kompromisslos zum Ausdruck. Und hatte von Anfang an – schon beim ersten Treffen in seinem Londoner Büro – klipp und klar erklärt, wie sehr er es missbilligte, dass ihr verstorbener Großonkel ihr so viel Geld vererbt hatte.

„Deshalb hast du dich also bereit erklärt, mein Treuhänder zu sein. Weil du nicht damit einverstanden bist, dass ich das Geld bekomme, und mir das Leben so schwer wie möglich machen willst“, hatte Lucy ihn daraufhin beschuldigt.

„Eine derartige Bemerkung bestätigt nur, dass ich zu Recht um den Geisteszustand deines Großonkels besorgt war, als er sein Testament aufgesetzt hat“, hatte Marcus schneidend erwidert.

„Du hast wohl gehofft, er würde sein Geld dir hinterlassen?“

„Sei nicht so verdammt kindisch“, hatte Marcus kalt gesagt.

Natürlich war ihr damals noch nicht klar gewesen, dass Marcus selbst Millionen, wenn nicht Milliarden besaß, die in den Stahlkammern der Familienhandelsbank lagen, deren Vorstandsvorsitzender er war.

Voller Mitgefühl beobachtete Mr. McVicar Lucy. Er wusste von dem gespannten Verhältnis zwischen seiner Mandantin und dem reichen Bankier, den ihr verstorbener Großonkel als Treuhänder des Vermögens eingesetzt hatte, das er ihr vermacht hatte.

Inzwischen war von dem Geld nicht mehr viel übrig. Die Habgier und Unterschlagungen ihres Exmannes sowie der Zusammenbruch ihres früher einmal erfolgreichen kleinen Unternehmens hatten fast alles verschlungen. Moralisch war Lucy über jeden Tadel erhaben, aber leider war sie zu leichtgläubig gewesen, und jetzt zahlte sie den Preis dafür.

Dagegen war Marcus Cannings Geschäftssinn legendär und nach Ansicht des Anwalts am besten geeignet, um Lucy in ihrer gegenwärtigen schwierigen Situation zu helfen. Doch da sie diesen Rat nicht befolgen wollte, kam Mr. McVicar auf seine frühere Empfehlung zurück. „Wenn Sie einen reichen Geschäftspartner gewinnen könnten, der bereit wäre, viel Geld in die Agentur zu investieren …“

„Genau das habe ich schon getan.“ Was, in aller Welt, soll denn das, fragte sie sich entsetzt, sobald die Worte heraus waren. Nur weil Mr. McVicar Marcus erwähnt hatte, log sie ihn an und erfand einen Geldgeber. Allein sein Name genügte, um sie zu einer trotzigen Abwehrhaltung zu provozieren.

Mr. McVicar sah sowohl erleichtert als auch überrascht aus. „Nun, das ist eine hervorragende Neuigkeit, Lucy. Dadurch bekommt die Sache ein ganz anderes Gesicht. Tatsächlich ist es die allerbeste Lösung. Aber natürlich müssen wir das besprechen. Ich denke, wir sollten uns so bald wie möglich mit Ihrem zukünftigen Teilhaber und seinen Beratern zusammensetzen. Oh, und selbstverständlich müssen wir Ihre Bank darüber informieren. Ich bin sicher, dass sie sich viel flexibler zeigen wird, wenn sie erst einmal weiß, dass frisches Kapital in die Agentur investiert wird. Außerdem wäre es gut, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, vielleicht sogar eine halbseitige Anzeige in eine prominente Glamourzeitschrift zu setzen. Darin könnten sie noch einmal erklären, dass Ihr Exmann nichts mehr mit Prêt a Party zu tun hat, und gleichzeitig geben Sie die neue Teilhaberschaft bekannt. Das sollte die destabilisierenden Auswirkungen von Nicks Betrügereien ausgleichen.“

Warum hatte sie sich bei dem Gedanken an Marcus zu so einer Dummheit hinreißen lassen? Lucy fühlte sich, als würde sie in einem tiefen, besonders klebrigen Morast feststecken. Was, in aller Welt, hatte sie getan? Wie sollte sie jetzt noch zugeben, dass sie gelogen hatte?

„Im Moment kann ich Ihnen noch nicht sagen, wer es ist, Mr. McVicar“, begann sie nervös. „Die Angelegenheit muss bis auf weiteres geheim bleiben. Geschäftsverhandlungen sind immer … tja, Sie wissen, wie das ist.“

„Natürlich. Aber vergessen Sie nicht, dass Zeit hier von entscheidender Bedeutung ist.“

Lucy nickte und verabschiedete sich so schnell wie möglich. Wie hatte sie so lügen können? Das widersprach all ihren Überzeugungen. Sie fühlte sich schuldig, schämte sich und blinzelte Tränen des Selbstmitleids weg, während sie vor der Kanzlei ihres Anwalts in der strahlenden Herbstsonne stand. Was sollte sie tun? Nur ein Wunder könnte sie jetzt noch retten. Wie ferngesteuert bog sie um die Ecke und eilte in die Bond Street, ohne einen Blick in die Schaufenster der teuren Läden zu werfen. Moderne Designermode war nicht ihr Fall. Lucy mochte Vintage-Kleider, die sie auf Straßenmärkten fand und von den Dachböden der Familie rettete. Die alten Stoffe waren so luxuriös, und sie liebte es, wie sich Seide, Kaschmir, Wolle, Baumwolle und Leinen auf der Haut anfühlten. Chemiefasern mochten für das Großstadtleben von heute praktisch sein, aber Lucy war in vielerlei Hinsicht eine altmodische Frau, die sich nach der ruhigeren feineren Lebensart vergangener Zeiten zurücksehnte.

Insgeheim hatte sie sich immer gewünscht, zu heiraten, Kinder zu bekommen und sie mit ihrem Ehemann in einem großen Landhaus großzuziehen. Sie beneidete ihre beiden besten Freundinnen um ihre glücklichen Ehen und ihre Kinder, aber das hatte sie noch nie jemandem anvertraut, nicht einmal Carly und Jules. Schließlich hatte sie ihren Stolz. Aus diesem Stolz heraus hatte sie Prêt a Party gegründet. Und gerade eine dumme Lüge erzählt.

An einem Kiosk blieb Lucy stehen und sah sich die Zeitungen und Zeitschriften an. Wie immer lag A-List Life in der vordersten Reihe. Lucy lächelte. Der exzentrische Eigentümer und Chefredakteur des Klatschmagazins war ihr ein guter Freund gewesen. Für Dorland Chesterfield hatte sie mehrere Events organisiert, und zu seinen Partys kam immer die High Society der Glamourwelt. Vielleicht hätte sie sogar darüber nachgedacht, ihn um Hilfe aus dem ganzen, von Nick verursachten Schlamassel zu bitten, wenn sie nicht gewusst hätte, dass Dorlands Liebe zum Klatsch garantiert seine Gutherzigkeit überwältigen würde. Und die Geschichte ihres Ruins in A-List Life zu lesen hatte ihr gerade noch gefehlt!

Natürlich hatten ihre beiden Freundinnen – und inzwischen Exmitarbeiterinnen – extrem reiche Ehemänner, und Carly und Julia hatten sie nacheinander besucht und ihr behutsam finanzielle Hilfe angeboten. Doch Lucy konnte sie nicht annehmen. Zum einen lag das an ihrem elenden Stolz, zum anderen brauchte sie nicht nur Geld, sondern jemanden, der mit ihr in der Agentur zusammenarbeitete. Ihr Geld zu geben, damit sie die Schulden der Firma bezahlen konnte, war eine großzügige Geste, aber sie wollte, sie musste beweisen, dass sie nicht das dumme Ding war, für das sie offenbar jedermann hielt, und mit ihrem Unternehmen Erfolg haben konnte.

Nick zu heiraten war ein Fehler gewesen. Außerdem hatte sie ihn viel zu überstürzt geheiratet, wie Marcus ihr unbarmherzig bewiesen hatte. Nur hatte sie ihre Gründe gehabt – Gründe, die Marcus niemals erfahren durfte.

Lucy kaufte ein Exemplar von A-List Life und überquerte die Straße. Funkelnd glitzerte das Sonnenlicht in ihrem schulterlangen naturblonden Haar, und der Fahrer eines großen Mercedes mit Diplomatenkennzeichen bremste ab und musterte sie bewundernd.

Wieder auf dem Bürgersteig, schlug sie die Zeitschrift auf und überflog den Inhalt. Nur aus Gewohnheit, denn inzwischen war es über drei Monate her, dass sie einen großen Event organisiert hatte, ganz zu schweigen von einem, der glamourös genug war, um einen Platz in Dorlands Zeitschrift zu finden. Zu ihrem Erstaunen sah sie jedoch plötzlich den Namen ihrer Agentur unter den Worten „A-List Life’s Lieblingsparty aller Zeiten“.

Verwirrt blätterte Lucy zu der angegebenen Seitenzahl. Ihre Augen wurden groß, als sie die Fotos erkannte, die den ganzen Mittelteil des Magazins einnahmen. Denn sie stammten von der riesigen Sommerabschlussparty, die Prêt a Party im vergangenen Jahr für A-List Life organisiert hatte.

Vor Rührung kamen ihr die Tränen. So eine Großzügigkeit war typisch für Dorland. Wie großherzig, diese Fotos noch einmal zu bringen – auch wenn es gleichzeitig eine Möglichkeit war, sich selbst zu schmeicheln.

Obwohl sie damals schon wusste, dass ihre Heirat ein Fehler gewesen war, wollte sie es zu dem Zeitpunkt noch niemandem gegenüber zugeben. Sie hatte auch gewusst, dass Nick ihr untreu war. Allerdings ahnte sie nicht, dass er nicht nur sie, sondern auch ihre Firma und ihre Kunden betrog. Carly und Jules dagegen hatten viel früher Verdacht geschöpft. Doch aus Sorge um sie behielten beide für sich, was vorging. Nicht so Marcus. Nie würde Lucy vergessen, wie demütigend es gewesen war, wie ein begossener Pudel vor seinem Schreibtisch zu stehen, während er ihr mit kalter Wut Nicks betrügerische Aktivitäten bei Prêt a Party aufzählte.

„Warum, zum Teufel, hast du ihn überhaupt geheiratet?“, hatte er grimmig gefragt, aber sofort hinzugefügt: „Nein, du brauchst es mir nicht zu erklären. Ich kenne die Antwort schon. Ist dir denn niemals eingefallen, dass du auch ohne eine Heirat Sex mit ihm hättest haben können?“

„Vielleicht wollte ich mehr als Sex“, erwiderte Lucy. Natürlich hatte sie mehr gewollt, es jedoch nicht bekommen. Aber andererseits hatte sie Nick auch nicht mehr gegeben. Und was den Sex betraf …

Vor ihrer Heirat hatte Nick so eindringlich und schmeichelhaft von seinem Verlangen nach ihr gesprochen, doch unmittelbar danach verspottete er sie wegen ihrer mangelnden sexuellen Erfahrung und höhnte, sie sei nicht begehrenswert. Und wer konnte ihm das verübeln? Schon sehr schnell nach der Heirat musste sie die Fantasievorstellung, dass sie verrückt nach ihm war, begraben. Immer wieder behauptete Nick, sie sei frigide und würde ihm jede Lust nehmen, und Lucy litt zu sehr unter ihren Schuldgefühlen und ihrem Selbstekel, um zu protestieren.

„Mehr als Sex? Wirklich? Hast du tatsächlich geglaubt, du würdest von einem Mann wie ihm mehr bekommen?“, fragte Marcus zynisch.

„Dass du mich kritisierst, ist ja gut und schön, aber du selbst hast ja auch nicht gerade Erfolg mit Langzeitbeziehungen!“

„Vielleicht liegt das daran, dass ich mich nicht festlege. Sollte ich es irgendwann tun, wird die Bindung gründlich durchdacht und dauerhaft sein. Ich werde mich nicht zu einer Heirat entschließen, nur weil ich im Urlaub Sex im Freien hatte und mir danach einbilde, verliebt zu sein.“

Bei diesen verächtlichen Worten und dem widerlich arroganten Marcus-Blick ballte Lucy in ohnmächtiger Wut die Hände zu Fäusten. „Das war kein … ich habe nicht …“, versuchte sie, sich zu verteidigen.

„Oh, hör schon auf damit“, unterbrach er sie scharf. „Wir alle wissen, was passiert ist. Schließlich waren sämtliche Klatschblätter mit den Fotos gepflastert. Du, wie du oben ohne an Nick Blayne klebst und sagst, du wollest dich amüsieren und seiest auf der Suche nach allem, was dazugehöre.“

„Du meine Güte, du hast dir die Bildunterschrift Wort für Wort gemerkt. Wie lange hast du gebraucht, um sie auswendig zu lernen, Marcus?“, schlug Lucy zurück.

Natürlich hatte sie ihre idiotische Äußerung bereut. Aber wenn man am Jetlag litt und in solcher Hetze gepackt hatte, dass nicht zueinander passende Bikinioberteile und – hosen im Koffer gelandet waren, und wenn man dann von einem Paparazzo ertappt wurde, überspielte man die missliche Lage eben mit einem Scherz. Besonders, da Paparazzi für den geschäftlichen Erfolg so wichtig sein konnten. Sie hatte gemeint, es sich nicht leisten zu können, den Mann zu kränken, der sie geknipst hatte.

Wenn er sie erst vierundzwanzig Stunden später erwischt hätte, wäre es ein ganz anderes Foto geworden. Und nachdem sie sich richtig ausgeschlafen und einen Bikini von Jules geliehen hatte, wäre sie vielleicht cool genug gewesen, ihm wahrheitsgemäß zu sagen, dass sie einfach Urlaub machte.

Aber leider setzte sich der Fotograf in den Kopf, dass ihr Leben viel interessanter als in Wirklichkeit war, und hielt sich von da an mit seiner Kamera ständig in ihrer Nähe auf.

Nick genoss die Aufmerksamkeit. Was Lucy damals als Zeichen dafür sah, dass er mit ihrem Job und seinen Auswirkungen auf das gemeinsame Privatleben fertig werden würde. Zu dem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, dass für Nick alles seinen Preis hatte – auch möglichst gewagte Fotos von ihnen beiden an verschiedenen exotischen Plätzen. Dass Nick sie in eine Falle gelockt und Geld für die Fotos kassiert hatte, fand Lucy erst heraus, als es zu spät war und sie groß in allen Zeitungen prangten. Aber da waren Nick und sie längst verheiratet …

In der Öffentlichkeit sah sie natürlich mit einem Schulterzucken darüber hinweg und gab vor, dass sie ihr neues Image als williges sexsüchtiges Partygirl begrüßte und mit dem größten Vergnügen der ganzen Welt zeigte, wie sehr sie ihren frisch gebackenen Ehemann begehrte. Obwohl dieser Ehemann sie zu dem Zeitpunkt schon frigide genannt und mehr Nächte außer Haus als mit ihr im Ehebett verbracht hatte.

Etwas besorgt sah Lucy auf ihre Armbanduhr. Sie war länger als geplant bei ihrem Anwalt gewesen und musste sich an diesem Nachmittag noch auf der Geburtstagsfeier ihrer Großtante Alice sehen lassen, die neunzig wurde.

Ihre Großtante lebte in einer riesigen altmodischen Wohnung in Knightsbridge, die immer eisig kalt war, weil sich Alice trotz ihres Reichtums weigerte, die Heizung einzuschalten. Niemand aus der Familie besuchte sie gern im Winter, und sogar im Sommer schützten sich die Klugen mit zusätzlichen Strickjacken, Paschminaschals und Pullovern gegen die Kälte, die nach Alice’ Meinung gut für die Gesundheit und der Grund dafür war, dass es ihr mit neunzig noch so gut ging.

„Quatsch“, hatte Lucys jüngerer Cousin Johnny dazu gemeint. „Die Alte ist noch am Leben, weil sie zu geizig zum Sterben ist. Ich könnte meinen Anteil an ihren Millionen wirklich gut gebrauchen.“

„Wie kommst du denn darauf, dass sie dir etwas vererben wird?“, fragte Lucys Bruder Piers daraufhin trocken.

„Ich bin ihr Liebling.“

„Ach ja? Nun, du arbeitest zweifellos schwer daran“, spottete Piers.

Mit seinem leicht anrüchigen Lebensstil, dem ständigen Geldmangel und seiner gewinnenden Art genoss der neunzehnjährige Johnny in der Familie einen höchst zweifelhaften Ruf. Lucy vermutete, dass Marcus ihren Cousin ebenso ablehnte, wie er sie ablehnte.

Marcus! Sie hingegen lehnte ihn absolut nicht ab. Und das war die Ursache nicht aller, aber sicherlich der meisten ihrer Probleme. Schließlich hatte sie sich in Nicks Arme gestürzt, um sich vor ihrer Liebe zu Marcus zu retten – und vor dem Wissen, dass er diese Liebe niemals erwidern würde. Trotz aller Versuche, ihn sich aus dem Kopf zu schlagen, liebte sie ihn jedoch noch immer und behandelte ihn deshalb mit Feindseligkeit und Groll. Das war ihr einziger Schutz gegen die Demütigung, die sie erwartete, wenn Marcus – oder jemand anders – jemals herausfinden würde, was sie für ihn empfand.

2. KAPITEL

„Du meine Güte. Es ist tatsächlich einmal warm hier drin!“ Sobald sie die Wohnung ihrer Großtante betrat, zog Lucy die Kaschmirjacke aus, die sie über ihrem zarten Seidenchiffonkleid trug.

„Ja, ich habe Johnson bestochen, damit er die Heizung einschaltet.“ Ihr Bruder Piers lächelte breit.

„Du hättest mich ruhig vorwarnen können“, beschwerte sich Lucy liebevoll, während sie sich mit der Hand Luft zufächelte. „Auf welche Raumtemperatur sollte er den Thermostat denn stellen? Hier drin ist es ja wie in einer Sauna. Die Blumen, die ich gekauft habe, werden verwelkt sein, bevor ich sie Tante Alice gebe.“

„Deine Blumen? Und was ist mit meinen Pralinen?“, erwiderte Piers.

„Piers hat geglaubt, dass Johnson noch in Fahrenheit rechnet“, warf Lucys Vater ein. „Deshalb hat er ihn gebeten, den Thermostat auf achtundsechzig zu stellen. Keiner von uns hat begriffen, was passiert war, bis Johnson gesagt hat, der Regler gehe nur bis dreißig Grad.“

Auch Lucy fiel in das gutmütige Gelächter ein, doch dann erstarrte sie: Marcus trat ein. Bildete sie sich das nur ein, oder folgte wirklich ein kurzes Schweigen, als wären sich die anderen ebenfalls bewusst, wie eindrucksvoll und dominierend dieser Mann war?

Sicher lag es nicht nur daran, dass er über einen Meter achtzig groß, breitschultrig und muskulös war, dichtes dunkles Haar und eisgraue Augen hatte.

Also was veranlasste Frauen wie Männer dann, sich nach ihm umzudrehen? Sich nach ihm umzudrehen und zu ihm aufzublicken. Hatte es damit zu tun, dass er die Handelsbank leitete, die seit so vielen Generationen im Besitz seiner Familie war? Damit, dass er nicht nur für die Gegenwart und Zukunft seiner Kunden verantwortlich war, sondern in vielen Fällen auch die Geheimnisse ihrer Vorfahren kannte?

Aber selbst ohne all das, selbst wenn er als Fremder von der Straße hereinkäme, würden die Frauen ihn ansehen. Und immer weiter ansehen. Weil Marcus sexy war. Sehr sexy. Hastig trank Lucy einen Schluck aus dem Glas Champagner, das Piers ihr gegeben hatte. Damit sie etwas zu tun hatte – und einen Grund, Marcus nicht anzustarren, und um sich Mut anzutrinken.

Marcus trug einen seiner typischen, maßgeschneiderten dunklen Anzüge, ein weißes Hemd und eine dunkelgraue Krawatte.

Sie trank noch einen großen Schluck.

„Möchtest du noch ein Glas?“, fragte Piers.

„Nein, danke.“ Sie machte sich nicht viel aus Alkohol, und in ihrem Job, bei den Events, musste sie immer einen klaren Kopf behalten. Deshalb hatte sie schnell gelernt, nur an ihrem Drink zu nippen und ihn dann diskret irgendwo stehen zu lassen. Der Nachteil war, dass sie nicht mehr als ein kleines Glas vertrug. Aber heute brauchte sie wahrscheinlich einige Gläser, um mit Marcus’ Gegenwart fertig zu werden. Einschüchternd nahe stand er neben ihr, wenn auch nicht so dicht, wie es sich ihr törichtes Herz ersehnte.

„Oh, wie schön. Marcus hat es noch geschafft“, hörte Lucy ihre Mutter sagen. „Charles, bitte ihn doch herüber.“

„Du lieber Himmel, es ist wirklich heiß hier. Ich sollte besser zusehen, dass die armen Blumen ins Wasser kommen.“ Lucy stellte ihr Glas ab und flüchtete in das Labyrinth aus Fluren und kleinen Räumen an der Rückseite der Wohnung, die ihre Großtante noch immer die „Dienstbotenunterkunft“ nannte. Wie, in aller Welt, schaffen es Johnson und Mrs. Johnson bloß, sich nur mithilfe einer Putzfrau um eine so große Wohnung zu kümmern, dachte Lucy mitfühlend, während sie einen der Flure entlang ins „Blumenzimmer“ eilte. Auf der großen Arbeitsfläche standen schon mehrere mit Wasser gefüllte Vasen bereit, und Lucy wickelte ihren Strauß aus und suchte sich eine passende aus.

Hatte sie tatsächlich solche Angst davor, mit Marcus zu sprechen? Sie war neunundzwanzig. Und wie lange war es her, dass sie von der Universität gekommen war, Marcus über seinen Schreibtisch hinweg angesehen und gewusst hatte …?

Tränen stiegen ihr in die Augen.

Damals hatte sie sofort gewusst, dass sie in Marcus verliebt war. Und ebenso schnell hatte sie erkannt, dass er ihre Gefühle nicht erwiderte und sie ihm sogar lästig war.

Damals war sie jung genug gewesen, um trotzdem davon zu träumen, dass sich das ändern würde. Sie hatte sich vorgestellt, dass sie irgendwann Marcus’ Büro betreten und er sie anblicken würde, als wollte er ihr die Kleider vom Leib reißen und sie auf der Stelle lieben. Und einige Male hatte sie während seiner Standpauken davon fantasiert, wie er seinen Schreibtisch oder seinen Chefsessel mit ihr für erotische Spiele nutzte, für die sie eindeutig nicht entworfen worden waren.

In Wirklichkeit war natürlich sie diejenige gewesen, die ihm die Kleider vom Leib reißen wollte. Als er sie dann eines Tages wieder einmal gereizt ansah, spürte sie schlagartig, dass ihre erotischen und romantischen Fantasien einfach nur dumm waren. Weder begehrte noch liebte er sie, und er würde es auch niemals tun. An dem Tag beschloss sie, sich einen anderen zu suchen. Weil ihre Gefühle ihr sonst irgendwann über den Kopf wachsen und sie sich vollkommen demütigen würde, indem sie Marcus ihre Liebe erklärte.

Ein Ehemann und Kinder würden sie davon abhalten, das zu tun, dachte Lucy. Aber nicht einmal das hatte sie richtig machen können. Ihre Ehe war eine Katastrophe gewesen.

Sie war nicht der Typ, der allein sein wollte, und sie wünschte sich Kinder. Obwohl sie beide von Herzen gernhatte, beneidete sie ihre beiden besten Freundinnen darum, wie glücklich sie mit ihren Ehemännern waren. Und sie wusste, dass Marcus eines Tages heiraten würde, und wenn er es tat – ihr schauderte vor Qual.

Wenn er es tat, würde sie hoffentlich längst Zufriedenheit und Liebe bei einem anderen Mann gefunden haben und so vor dem Schmerz geschützt sein, den sie sonst empfinden würde. Bei Nick jedoch hatte sie sich törichten und gefährlichen Illusionen hingegeben.

Aber sie konnte nicht ewig hier im Blumenzimmer bleiben. Vielleicht hatte sie Glück, und Marcus war schon wieder gegangen.

Ihr Cousin Johnny hakte sich bei ihr unter, sobald Lucy zurück in den Salon kam. „Toll, ich habe schon nach dir gesucht. Noch etwas Champagner?“ Ohne auf ihre Antwort zu warten, nahm er ein Glas vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners und reichte es ihr. „Ich muss sagen, die Alte knausert nicht mit dem Zeug. Es kostet sie sicher eine hübsche Stange Geld, diese Fete zu veranstalten. Champagner, Kellner … Hast du sie organisiert?“

„Ja.“ Trübselig dachte Lucy daran, wie hart ihre Großtante und sie um die Kosten gefeilscht hatten und wie sie schließlich nachgegeben und vorgeschlagen hatte, dass sie ihr die Arbeitskosten zum Geburtstag schenkte, wenn Alice den Champagner, die Kanapees und die Löhne der Kellner zahlte. Was wahrscheinlich erklärte, warum es nichts zu essen gab.

Marcus stand auf der anderen Seite des Zimmers und beobachtete sie mit grimmigem Gesichtsausdruck, wie Lucy bemerkte. Nervös stärkte sie sich mit einem Schluck Champagner. Sie mochte gar nicht daran denken, was passieren würde, wenn Marcus von der idiotischen Lüge erfuhr, die sie Mr. McVicar aufgetischt hatte. Wenn nicht ein Wunder geschah, musste sie ihren Investor ebenso schnell wieder loswerden, wie sie ihn erfunden hatte. Ein zweiter Schluck Champagner folgte dem ersten.

„Ich muss etwas mit dir besprechen, Lucy.“

„Wie bitte?“ Endlich gelang es ihr, den Blick von Marcus zu lösen.

„Ich muss mit dir reden“, wiederholte Johnny geduldig.

„So? Ich habe nicht vergessen, dass du mir noch fünfzig Pfund vom letzten Mal schuldest. Wenn du dir also Geld leihen willst …“

„Darum geht es nicht“, versicherte er ihr. „Ein Geschäftsfreund von mir hat mich gefragt, ob ich ihn mit dir bekannt machen kann. Trink noch ein Glas Champagner.“ Johnny nahm ihr das halb leere Glas weg, bevor sie ablehnen oder protestieren konnte, winkte einen Kellner herbei und gab ihr ein neues.

Nach wie vor musterte Marcus sie immer noch unverwandt, und sein Blick war so hart und kalt geworden, dass sie vor Nervosität fast ihren Champagner verschüttete. „Wenn er einen Event möchte …“, begann sie und drehte sich halb herum, damit sie Marcus nicht mehr sah. Leider ohne Erfolg, da auch er sich bewegte.

Autor

Penny Jordan

Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...

Mehr erfahren