Ich weiß nur eins: Ich liebe dich!

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Nach vier Jahren Ehe kennt Cassie ihren faszinierenden Ehemann Dragos Apostolis noch nicht wirklich. Der mysteriöse Milliardär teilt nur wenig Privates mit ihr. In seinem Londoner Anwesen fühlt sie sich immer mehr wie im goldenen Käfig. Als sie spontan nach Paris flieht, steht Dragos kurz darauf ohne Gedächtnis vor ihrer Tür. Er erinnert sich nur an eins: Cassie ist seine Frau! Verzweifelt fleht er sie an, Licht ins Dunkel seiner Vergangenheit zu bringen. Aber wird die Wahrheit die Beziehung zwischen Dragos und ihr für immer zerstören – oder retten?


  • Erscheinungstag 25.11.2025
  • Bandnummer 242025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535243
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Millie Adams

Ich weiß nur eins:
Ich liebe dich!

1. KAPITEL

Cassandra

Ich bin die verrückte Frau auf dem Dachboden.

Die Erkenntnis trifft mich mit aller Macht. Meine Beine geben nach. Die Hand ans Herz gepresst, lehne ich mich an die Wand.

Starr blickte ich mich im Raum um und betrachtete die Bilder, die ich in den letzten sechs Monaten gemalt habe. Jedes einzelne zeugt von meiner schwindenden geistigen Gesundheit, denn sie werden immer düsterer. Das letzte zeigt ein dunkles Loch mit lediglich einem hellen Fleck in der Mitte. Das Licht am Ende des Tunnels? Oder ein Fall ins Nichts?

Ich kann es nicht mehr sagen. Wenn man davon träumt, dass man seinen eigenen Mr. Rochester findet wie Jane Eyre, ist das Problem, dass man am Ende glaubt, man wäre selbst die Protagonistin des berühmten gleichnamigen Romans von Charlotte Brontë. Das ist wie eine durch Jugend und Unerfahrenheit bedingte Selbstüberschätzung. Der Glaube, dass man anders ist als die anderen jungen Frauen. Dass man ihn retten kann, wenn niemand anderes es vermag.

Und jetzt gebe ich mich geschlagen. Ich kann Dragos Apostolis nicht retten. Nicht vor seinen inneren Dämonen und nicht vor sich selbst.

Ich kann uns nicht retten.

Wenn ich allein in diesem Haus bin – und das bin ich viel zu oft, und dann wandere ich wie der Schatten jener jungen Frau, die an die große Liebe glaubte, durch die Korridore –, vergesse ich, wie ich hier gelandet bin. Dann kann ich vergessen, wie meine Welt stillstand, als ich meinem jetzigen Ehemann zum ersten Mal begegnet bin.

Einsfünfundneunzig groß, breite Schultern, kurzes schwarzes Haar. Die Augen waren von einem unwirklichen kristallinen Blau, eine Narbe auf der Wange milderte den Eindruck von perfekter Schönheit. Auf jedem Finger war ein Buchstabe eintätowiert.

Rumänische Worte. Die Bedeutung habe ich später herausgefunden. Er hat mir die Worte an den Kopf geworfen.

Selbst jetzt schaudere ich bei der Erinnerung daran. Allerdings ist mir klar, dass es mein Wahnsinn ist.

Ich wusste von Anfang an, dass er gefährlich ist, obwohl er einen eleganten Anzug trug und zu Gast auf der Wohltätigkeitsveranstaltung war, auf der ich während meines Studiums in London gekellnert habe – weit weg von meiner Kleinstadt und meiner mich liebenden Familie.

Aber ich habe mich gefragt, wie gefährlich er sein kann.

Ich war wirklich sehr naiv. Allerdings nicht naiv genug, um mir darüber klar zu sein, was die Fantasie von einem Bad Boy bedeutete. Und mit zwanzig hatte ich viel zu lange an meiner Unschuld festgehalten und hätte ihn am liebsten angefleht, sie mir zu nehmen.

Ich hätte nicht betteln müssen. Aber es gefällt ihm, wenn ich es tue.

Doch jetzt mache ich es nicht mehr.

Jene erste Nacht hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Er hat sich mir mit der Eleganz eines Raubtiers genähert, und ich war verblüfft, weil der Mann, von dem ich so fasziniert war, von sich auf mich zukam.

Und während ich nun hier auf dem Dachboden stehe und unseren – seinen – gepflegten Garten betrachte, lasse ich jene Nacht Revue passieren.

Ich halte ein Tablett mit Drinks in den Händen, als ein Mann auf mich zukommt, um mit das Tablett abzunehmen und es auf einen Tisch in der Nähe zu stellen.

„Es ist mein Job, das zu tragen.“

Seine Augen sind so dunkel, dass sie fast schwarz wirken. Nachdem er meinen Blick erwidert hat, mustert er mich so eingehend, dass es mir wie eine Berührung erscheint.

„Ihre Hände sind viel zu schön für so eine Aufgabe. Vielleicht habe ich eine Idee, wie Sie sie besser einsetzen können.“

Sein Akzent ist fantastisch, allerdings kann ich ihn nicht einordnen.

Eigentlich sollte ich wütend über seine schlüpfrige Anspielung sein. Ich bin es nicht.

„Ich nehme nur Anweisungen von meiner Chefin entgegen. Nicht aus Ihrem Mund.“ Ich weiß nicht, warum ich mich darauf einlasse, was vielleicht ein Scherz gewesen wäre, wenn es sich um ein nettes Treffen gehandelt hätte.

Angesichts des Schauers, der mir über den Rücken rieselt, und der Schmetterlinge in meinem Bauch bin ich mir sicher, dass es sich um nichts dergleichen handelt.

„Mir fallen auch bessere Dinge ein, die Sie mit Ihrem Mund machen könnten.“

Die Bedeutung seiner Worte ist unmissverständlich. Er sieht mir in die Augen. Der Ausdruck in seinen ist unergründlich. Er hat das schöne Gesicht eines gefallenen Engels, und ich fühle mich wie ein Fisch, der auf einen Köder zuschwimmt. Aber ich kann nicht anders. Ich mache einen Schritt auf ihn zu, er umfasst meinen Arm und zieht mich an sich.

„Ich will dich“, sagt er ebenso leise wie rau.

„Ich …“ Ich sollte ihm sagen, dass er mich ausführen muss. Ich sollte Nein sagen. Ich sollte nicht auf sein besitzergreifendes Verhalten reagieren.

Und trotzdem tue ich es. Noch nie zuvor habe ich mich so stark zu einem Mann hingezogen gefühlt. Noch nie habe ich einen Mann so begehrt.

„Ich muss wirklich meine Schicht beenden“, bringe ich hervor.

„Das müssen Sie nicht.“

Ich blicke mich um, denn bestimmt erregen wir die Aufmerksamkeit der Umstehenden – oder, schlimmer noch, die meiner Chefin Lisa, die ich abgrundtief hasse. „Doch … sonst verliere ich meinen Job.“

„Das werden Sie nicht“, beharrt er.

„Gehört Ihnen die Firma?“

Nun lächelt er. „Dieses Haus gehört mir.“ Er deutet um sich, und ich kann nicht ergründen, ob er lügt oder nicht. „Wissen Sie denn nicht, wer ich bin?“

Ich schüttle den Kopf. „Nein.“

„Interessant.“ Forschend betrachtet er mich. „Sie sind schön.“

Er klingt verwundert. Mein Herz rast, und das Blut rauscht mir in den Ohren. Natürlich habe ich schon Männer geküsst. Und dennoch habe ich mich noch nie einem Mann so nahe gefühlt. Noch nie erschien mir so eine Situation so intim. Dieser Mann ist ein Raubtier, das spüre ich durch und durch.

Ein Hai.

Und trotzdem bin ich der kleine Fisch, der weiterschwimmt. Vielleicht ist der Köder ein Haken, aber ich schwimme weiter.

„Kommen Sie mit mir.“

Will ich das? Will ich das erste Mal mit einem Fremden erleben, der mich danach nie wieder anrufen wird? Offenbar ist er ein vermögender, einflussreicher Mann, der jede Frau bekommen kann. Wahrscheinlich sollte ich dankbar dafür sein, dass er nicht angeboten hat, mir meinen Lohn zu erstatten.

Aber ich habe noch nie jemanden so begehrt. Es treibt mich an. Und ich habe das Gefühl, dass ich es bis an mein Lebensende bereuen werde, wenn ich ihn nicht begleite.

Lebe!

Das hat meine Mom zu mir gesagt, bevor ich ausgezogen bin. Als ich unser schönes kleines Haus in Idaho, in dem ich aufgewachsen bin, verlassen habe, um zu meinem großen Abenteuer in Europa aufzubrechen. Lebe, Cassandra, hat sie zu mir gesagt.

Bestimmt hat sie nicht das hier gemeint. Aber vielleicht doch.

Vielleicht meinte sie, dass ich manchmal Fehler machen solle.

Vorher hatte ich noch nie welche gemacht. Ich musste immer die besten Noten bekommen. Ich musste die Beste in meinem Jahrgang sein, um das begehrte Stipendium zu ergattern. Um auf die Schulen gehen zu können, auf die ich gehen wollte. Meine Familie liebt mich. Mein Dad hat unglaublich hart für mich und meine Geschwister gearbeitet, hätte uns vieren jedoch niemals das College finanzieren können. Ich wusste, dass ich nur durch meine Leistungen auf eine gute Kunsthochschule kommen konnte. Und all das habe ich auch geschafft. Aber ich habe nicht gelebt.

Und dann frage ich mich, was das Künstlerinnendasein für einen Sinn hat, wenn man keine schlechten Erfahrungen macht. Ja, ich suche nach Rechtfertigungen. Ich möchte das hier tun.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, verlassen wir die Veranstaltung. Ich sitze hinten in seiner schicken Limousine, und er lässt die Finger über meine Wange gleiten. Dragostea mea.“

Ich weiß nicht, was das bedeutet, doch ich möchte den Bann nicht brechen.

Im nächsten Moment küsst er mich. Ich spüre seine heißen Lippen auf meinen. An frühere Küsse erinnere ich mich nicht mehr, denn das hier ist ganz anders. Die Art, wie er von mir Besitz ergreift. Ich bebe am ganzen Körper. Ich will ihn so sehr, dass ich ihn hier an Ort und Stelle ausziehen könnte. Und mich.

In dem Augenblick wird mir bewusst, dass ich nicht einmal nachgesehen habe, ob es zwischen uns und dem Fahrer eine Trennscheibe gibt.

Wir lösen uns voneinander, und ich blicke mit rasenden Herzen zu ihm auf. „Ich verstehe nicht, was hier gerade passiert.“

„Was gibt es dazu verstehen?“ Er streicht mir durchs Haar, was mich erschauern lässt. „Das hier ist das Ehrlichste, was es gibt. Das Wahrhaftigste. Wenn zwei Menschen sich begehren.“

Also gebe ich nach. Ich werfe mich ihm an den Hals. Küsse ihn. Nachdem der Chauffeur angehalten hat, betreten wir ein schönes Gebäude und fahren mit dem Aufzug ganz nach oben.

Drinnen schließt der Fremde die Tür. Wir sind allein.

Das Apartment ist spartanisch eingerichtet. Es gibt keine Kunstgegenstände. Alles ist schwarz. Glänzt. Im Wohnbereich steht eine ausladende Couch, und ein großes Fenster bietet einen fantastischen Ausblick auf die City.

Er kommt auf mich zu und küsst mich wieder. Mir wird bewusst, dass ich seinen Namen nicht kenne. Und er kennt meinen nicht. Spielt es eine Rolle? Will ich die Fantasie zerstören oder sie leben?

Ich will nicht aufhören und reden, so viel weiß ich.

Am nächsten Morgen wird er verschwunden sein. Oder vielmehr wird er mich mitten in der Nacht hinauswerfen.

Warum sollen wir uns unsere Namen nennen? Er lässt die Lippen über meinen Hals und über meinen hohen Ausschnitt gleiten. Dann greift er hinein und reißt mein Kleid kurzerhand auseinander. In diesem Kleid kann er mich jedenfalls nicht mehr hinauswerfen.

Nun stehe ich in dem schwarzen BH und dem dazu passenden Slip vor ihm. Ich atme schwer und bebe am ganzen Körper.

Wieder küsst er mich, lässt den Daumen über meine Lippe gleiten und steckt ihn mir dann in den Mund. Spielerisch beiße ich hinein. Und er stöhnt. Bei ihm kann ich nur meinem Instinkt folgen, denn dieser ist alles, was ich habe.

Nun lässt er die Lippen tiefer gleiten und hält mich dabei fest. Beißt mir in die Hüfte, zieht meinen Slip hinunter. Jetzt trage ich nur noch den BH und die hochhackigen schwarzen Sandaletten.

Er presst mich an die Wand und beginnt, mich intim mit der Zunge zu verwöhnen. Ich bin schockiert, stehe regungslos da. Und ja, ich bin Gefangene der Empfindungen, die er in mir weckt.

Er ist gnadenlos. Und es gefällt mir.

Im nächsten Moment dringt er mit zwei Fingern tief in mich ein, und ich stöhne laut. Bebe immer wieder, die Finger in seine Schultern gekrallt, während er die verborgene Knospe weiter mit der Zunge reizt. Ich wünschte, ich wüsste seinen Namen, denn ich würde ihn wie ein Gebet hervorstoßen.

Schließlich steht er auf, reißt meinen BH hinunter und küsst mich dann wieder leidenschaftlich. Noch immer ist er angezogen.

Da meine Beine zittern, bringt er mich zur Couch, legt mich darauf und setzt sich neben mich. Lässt die Finger über meinen Schenkel gleiten, legt meinen Fuß in seinen Schoß und öffnet den Riemen meiner Sandalette. Dabei ist er so behutsam, dass mein Herz sich zusammenkrampft.

Sein konzentrierter Gesichtsausdruck macht etwas mit mir.

Ich befinde mich in einer anderen Welt. Ich habe meinen Körper verlassen und nehme ihn gleichzeitig so intensiv wie nie zuvor wahr.

Ich hebe die Hände, um seine Fliege abzunehmen, um ihn auszuziehen, doch er umfasst mit eisernem Griff meine Handgelenke.

„Nein, du hast hier nicht das Kommando.“

Angesichts seines dominanten Tonfalls krampfte sich alles in mir zusammen. Auch darüber sollte ich wütend sein, doch ich bin nur erregt.

Im nächsten Moment drückte er mich sanft auf die Couch und beugt sich über mich. Er legt mir die Hand um den Hals, drückt sanft, und mir stockt der Atem. Für einen Moment frage ich mich, ob ich einen großen Fehler begangen habe. Dann neigt er den Kopf, um mich zu küssen. Und die Art, wie er mich hält, das süße Spiel seiner Zunge lassen mich alles andere vergessen.

Irgendwann lässt er mich los, und ich registriere nebenbei, wie er sich bewegt. Dann wird mir bewusst, dass er seinen Anzug ausgezogen und sich ein Kondom übergestreift hat. Bevor ich ihm sagen kann, dass ich das hier noch nie getan habe, dringt er in mich ein.

Ich keuche, denn er ist so groß, dass es mir den Atem nimmt. Ich merke, wie ich in Panik gerate, schneller atme und mir schwindelig wird.

„Sch“, sagte er leise, verharrt jedoch weiter so, während er mein Gesicht umfasst. „Bist du noch Jungfrau?“

„Jetzt nicht mehr.“

Ich versuche, nicht panisch zu klingen. Er soll nicht aufhören.

Er stößt einen gequälten Laut aus, bevor er sich hin- und herzubewegen beginnt. Meine Erregung wächst. Der Schmerz ist nur noch eine Erinnerung.

Ich verliere mich in dem Rhythmus. Und als ich endlich komme, bäume ich mich schreiend auf. Er presst die Lippen auf meine, während er kurz innehält.

Ich spüre, wie er mir pulsierend auf den Gipfel folgt.

Und ich bin sicher, dass ich ihn nie wiedersehen werde.

Dann lache ich. In dem leeren Raum. Hätte ich ihn nur nicht wiedergesehen! Aber ich war naiv. Ich wollte verliebt sein. Ich wollte, dass mein unglückseliger One-Night-Stand für immer anhält. So sehr, dass ich geblieben bin, als Dragos mich darum gebeten hat. Und jeden Tag danach.

Ich habe noch eine Zeit lang versucht, mein Studium fortzusetzen, aber irgendwann ist das Zusammenleben mit ihm zu viel geworden.

Und natürlich haben wir uns unsere Namen genannt.

Er hat mich mit Geschenken überhäuft. Er hat mir das Gefühl gegeben, dass ich etwas Besonderes bin. Und er hat mich bald darauf geheiratet. Es war die schönste Feier, die man sich vorstellen kann. In einer von Rosen berankten und mit Lichterketten geschmückten alten Kirche in Rumänien. Hunderte von Menschen waren gekommen. Ich kannte niemanden, abgesehen von meiner Familie und einigen Freundinnen, die mich unterstützen wollten, allerdings alle völlig überfordert waren.

Und wer hätte ihnen daraus einen Vorwurf machen können? Ich hatte mich völlig verändert. Dragos war meine ganze Welt. Vorher waren es die Kunst und meine Errungenschaften gewesen. Aber nachdem er mit mir geschlafen hatte …

Ich blicke mich in dem leeren Raum um. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Ja.

Ich kann Dragos Apostolis’ verrückte Frau auf dem Dachboden sein.

Oder ich kann wieder Cassandra sein.

Ich vermisse sie. Und deshalb weiß ich, dass ich gehen muss.

2. KAPITEL

Als Dragos an diesem Abend nach Hause kommt, bin ich überrascht, denn das kam in letzter Zeit nur selten vor. Es gab eine seltsame Phase in unserer Ehe, in der er mich von allem und jedem isoliert hat und immer bei mir war, es gab immer nur uns. In diesem Haus. Es erschien mir wie Himmel und Hölle zugleich. Er stellte meine ganze Welt dar.

Aber das Problem mit uns beiden ist, dass wir nicht reden. Es ist keine Liebe. Und ich habe fast vier Jahre gebraucht, um das zu verstehen. Er ist besessen von mir. Und ich bin besessen von ihm. Oder vielmehr war er besessen von mir. Jetzt ist er von … etwas anderem besessen.

Mich erschüttert, wie wenig ich über meinen Mann weiß. Er stammt aus Rumänien. Er spricht nie über seine Familie. Ich habe das Gefühl, dass er tief in ein Geschäft verstrickt ist, das mit seiner Familie verbunden ist. Auch darüber weiß ich sehr wenig, denn er hält mich von allem fern.

Er ist paranoid. Er sagt, er hätte Angst um meine Sicherheit, weil er ein einflussreicher Mann ist. Und trotzdem fühle ich mich, als würde er mich an der Leine führen. Die Dominanz, die im Schlafzimmer so aufregend ist, ist es im Alltag überhaupt nicht.

Zumindest habe ich Geld. Er hat mir ein eigenes Konto eingerichtet, damit ich nach Lust und Laune shoppen kann. Ich weiß, ihm ist nie der Gedanke gekommen, dass ich ihn verlassen könnte. Wenn ich schnell bin, könnte ich mir von dem Geld eine Wohnung kaufen.

Ich weiß nicht, was er macht, wenn ich tatsächlich gehe.

Tatsächlich gibt es so vieles, was ich nicht über meinen Mann weiß, und das liegt daran, dass ich nie Antworten wollte. Was ich wollte, war eine Fantasie, doch nun, da ich angefangen habe, sie infrage zu stellen, löst sie sich in Wohlgefallen auf.

Der Plan nimmt Gestalt an. Aber heute Abend ist Dragos zu Hause.

Ich muss herausfinden, wie …

Ich schließe die Augen, weil sie sich mit Tränen füllen. Das Problem ist, dass ich ihn immer noch liebe. Die Vorstellung, ihn zu verlassen, erscheint mir völlig absurd. Ich bin von ihm abhängig. Er ist ein Teil von mir geworden. Und das finde ich schlimm, denn es fühlt sich nicht gut an.

Es fühlt sich … überwältigend an.

Und nun, da ich nach unten und zu seinem Arbeitszimmer gehe, muss ich mich fragen, ob es einen unheilvollen Grund dafür gibt, dass der Tropfen, der das Fass für mich zum Überlaufen gebracht hat, seine Abwesenheit und nicht seine überwältigende Nähe ist. Denn ich hätte mich gleich beim ersten Mal, als er mich nicht aus dem Haus gelassen hat, von ihm trennen sollen. Als er mir das erste Mal eine Reise nach Hause verweigert hat, weil er mich nicht beaufsichtigen konnte. Als er mir das erste Mal gesagt hat, ich könnte niemanden mehr zu uns nach Hause einladen.

Ja. Da hätte ich gehen sollen.

Er behandelt mich nicht schlecht. Aber für ihn bin ich nur ein Gegenstand. Einer von vielen, die er besitzt.

Wie ein Geist gehe ich die Treppe hinunter. Inzwischen mache ich alles wie ein Geist.

Ich bin schockiert, als ich ihn in der Küche antreffe – die wie alles andere in seinem Leben schwarz ist. Er kocht. Er ist erst seit einigen Monaten wieder in London, und nun steht er in der Küche und kocht.

Ich beobachte, wie er routiniert eine Zwiebel zerkleinert. Ich kann mir vorstellen, wie er mir dieses Messer ins Herz rammt.

Natürlich würde er das nicht tun.

Das Blut auf dem Teppich würde ihn irritieren.

„Du schleichst dich an“, sagt er, ohne aufzublicken.

Daraufhin trete ich aus dem Schatten. „Nein, aber mich wundert, dass ich dich hier antreffe.“

„Und warum, dragostea mea?“

Meine Liebe. Ich weiß jetzt, was das bedeutet – leider. Es verhöhnt alles, woran ich einmal geglaubt habe. Eines der wenigen Dinge, die ich über Dragos weiß, ist, dass er unersättlich ist, und er hat seine Lust bei mir nicht gestillt.

Ich kann ihn mir viel zu leicht vorstellen, wie er eine Veranstaltung besucht und dort eine Kellnerin sieht. Zwanzig Jahre alt, hübsch, unschuldig. Zu Anfang hätte ich nie gedacht, dass er eine andere als mich will. Ich habe unsere körperliche Verbindung als Liebe seinerseits gedeutet, genau wie sie es für mich war. Dass wir uns an dem Tag begegnet sind, war vom Schicksal vorherbestimmt. Warum hätte ich es infrage stellen sollen?

Das habe ich mir eingeredet.

Doch es gab etwas Ungeklärtes. Ich habe es schon damals wahrgenommen, aber verdrängt. Doch nun, da er sich mir entfremdet hat und ich noch unglücklicher bin, tue ich es nicht mehr, und alles beginnt sich zu klären. Ich betrachte nicht mehr alles durch die rosarote Brille. Ich stelle alles, was er tut, infrage, auch seine Beweggründe.

So schnell ich mich in ihn verliebt habe, so schnell ich mich dieser Fantasie von uns hingegeben habe, so schnell habe ich diese zerstört, indem ich Fragen gestellt habe, die ich vorher nicht stellen wollte.

Jetzt erlaube ich mir, über sein früheres Leben nachzudenken. Vielleicht bin ich nicht seine erste Frau? Er hat sich nie darüber geäußert. Und ich habe ihn nie gefragt, sondern es einfach als selbstverständlich betrachtet. Doch je länger ich mit ihm zusammenlebe, desto weniger kenne ich ihn. Desto unsicherer werde ich.

Vielleicht ist es etwas, das er alle paar Jahre macht. Sich eine junge, dumme Frau suchen, sie verführen, mit teurem Schmuck und Klamotten überhäufen und sie dann gegen eine neue eintauschen.

Falls das stimmt, verstehe ich nicht, warum er mich geheiratet hat.

Ich dachte, er würde mich lieben. Das ist ja das Traurige. Ich dachte, er würde meine große Liebe erwidern, und bin nie auf die Idee gekommen, dass das nicht der Fall sein könnte, auch wenn er es nie gesagt hat.

Ich dachte, er würde es mir mit jeder Berührung zeigen. Ich dachte, der Diamantring, den er mir angesteckt hat, als wir nackt in seinem Infinitypool auf dem Dach seines Penthouse in Singapur waren, würde es beweisen. Ich dachte, der Ausdruck in seinen Augen in jener ersten Nacht würde Liebe verraten. Ich habe mir eingeredet, dass es mit mir anders wäre. Warum hätte Dragos mich sonst von dem Moment an ununterbrochen bei sich behalten sollen?

Aber er hat nie gesagt, dass er mich liebt.

So viel in dieser Beziehung hat sich nur in meinem Kopf, nur in meinem Herzen abgespielt. Mir ist jetzt bewusst, wie naiv ich war. Ich habe einen gefährlichen Mann mit Tattoos gesehen und wollte glauben, dass er ein Herz aus Gold hat. Ich habe einen distanzierten, geheimnisvollen Mann gesehen und war davon überzeugt, dass ich ihn knacken könnte.

Ich habe auch viele Warnzeichen gesehen, aber sie nicht wahrhaben wollen. Denn was ich wollte, war das, was ich mir ersehnte: Ich wollte diesen Mann meiner Fantasie entsprechend formen.

Erst in den vergangenen sechs Monaten habe ich angefangen, alles infrage zu stellen. Und zu meiner Schande muss ich zugeben, dass ich es getan habe, weil er mich kaum noch beachtet hat. Ich hätte all das akzeptieren können – das Geheimnis um seinen Job, seine Vergangenheit und seine Gefühle. Dass Sex Gespräche über Gefühle oder Romantik ersetzt. Geschenke statt Liebesbekundungen.

Ich hätte all das hinnehmen können, solange ich mir sicher gewesen wäre, dass Dragos mir gehört. Solange er mich mit seiner obsessiven Aufmerksamkeit isoliert hat, konnte ich die Fantasie akzeptieren. Sie von ganzem Herzen glauben.

Ich war glücklich, bis mir klar wurde, dass er nicht so empfand wie ich.

Der Zerfall der Fantasie bedeutete nicht, dass ich ihn nicht mehr liebte. Ich erkannte nur plötzlich, dass er mich nicht wirklich liebt. Und nachdem ich mich damit abgefunden hatte, wurde mir klar, dass es nicht von Dauer sein kann.

Was das bedeutet, macht mir Angst. Ich habe Angst davor, zu viele Fragen zu stellen. Andererseits würde ich mich lieber für immer fragen, ob er mich liebt, als zu wissen, dass er es nicht tut.

Und so mache ich mich verrückt. Tag für Tag.

„Ich bin überrascht, weil du in den letzten sechs Monaten nur ein paar Tage zu Hause warst. Und du hast nie gekocht.“

„Ich habe dich vermisst“, erwidert er, und mein Herz fängt an zu rasen. „Ich möchte mit dir zu Abend essen.“

Warum bin ich immer noch so empfänglich für ihn? Warum lassen seine Worte mich hoffen?

Wahrscheinlich sollte ich erleichtert sein, dass ich mich auch nach all den Jahren immer noch so stark zu ihm hingezogen fühle. Ansonsten hätte ich die junge Frau, die an dem Abend mit ihm die Veranstaltung verlassen hat, vielleicht noch mehr gehasst, als es ohnehin schon der Fall ist. Diese verknallte junge Frau, die sich auf ihre erste wilde Nacht einlassen wollte. 

Aber wenn ich ihn manchmal ansehe, fühle ich mich immer noch wie sie. Vor allem wenn ich seine Hände betrachte und mich erinnere, wie er mich berührt hat.

Doch wenn fantastischer Sex eine Ehe ausmachen würde, wären wir die glücklichsten Menschen weit und breit.

Autor

Gefahren

  • Dieses Produkt enthält keine bekannten Gefahren.

Kontakt zum Herausgeber für weitere Informationen zur Barrierefreiheit

  • Weitere Informationen zur Barrierefreiheit unserer Produkte erhalten Sie unter info@cora.de.

Navigation

  • Dieses E-Book enthält ein Inhaltsverzeichnis mit Hyperlinks, um die Navigation zu allen Abschnitten und Kapiteln innerhalb dieses E-Books zu erleichtern.