Julia Collection Band 114

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WIE VERFÜHRE ICH MEINEN TRAUMMANN? von ROSE, EMILIE
Schluss mit dem behüteten Leben! Juliana will endlich ein Liebesabenteuer erleben. Also bietet sie auf der Auktion für Rex Tanner, denn der Barbesitzer wirkt, als kenne er sich mit Leidenschaft aus. Doch was folgt, als sie den Zuschlag erhält, übertrifft alle ihre Erwartungen …

AUF DER JACHT DER LEIDENSCHAFT von ROSE, EMILIE
Clay soll so leiden, wie sie gelitten hat! Nur deshalb hat Andrea auf ihn geboten. Doch beim Besuch auf seiner Jacht spürt sie nur das Verlangen, noch einmal von ihm geliebt zu werden. Denn Leidenschaft ist so viel süßer als Rache. Aber erst muss sie wissen, warum er sie damals verließ!

JETZT GEHÖRST DU MIR! von ROSE, EMILIE
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  • Erscheinungstag 08.12.2017
  • Bandnummer 114
  • ISBN / Artikelnummer 9783733709440
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emilie Rose

JULIA COLLECTION BAND 114

1. KAPITEL

„Wie sieht es aus? Ist unsere pflichtbewusste Kontenrevisorin bereit, Geld zu verschwenden? Der Junggeselle, für den du dich entschieden hast, steht als Nächster auf der Liste.“

Juliana Alden trank ihren Champagner und versuchte, ihre aufsteigenden Zweifel zu ignorieren. Hastig stellte sie das leere Glas auf das Tablett eines vorbeieilenden Kellners und schnappte sich gleich ein neues.

„In meinem ganzen Leben habe ich mich noch nie so nackt gefühlt“, wandte sie sich an ihre Freundinnen Andrea und Holly. „Niemals wieder werde ich euch bei der Auswahl meiner Kleidung freie Hand lassen. Sogar mein sündhaftestes Nachthemd bedeckt mehr Haut als dieses Kleidchen.“

Sie zog einen verrutschten Träger ihres eng anliegenden Schlauchkleides hoch, und strich sich über die Oberschenkel, um den Rock etwas weiter nach unten zu schieben. Der Gedanke, einfach durch die Hintertür des Klubs zu verschwinden, erschien ihr immer verlockender. Aber das würden Andrea und Holly ihr nie verzeihen. Andererseits waren die beiden verantwortlich für dieses Kleid, das geeignet war, ihrem Vater einen Herzinfarkt zu bescheren.

Andrea winkte ab. „Du hast die passende Figur, und dieses Rot steht dir ausgezeichnet. Sei jetzt nicht feige, Juliana.“

Die drei Freundinnen standen inmitten einer Schar Frauen, die nun hysterisch zu kreischen begannen. Die Verbissenheit, mit der diese Frauen bei der Junggesellenauktion mitboten, deren Erlös einer wohltätigen Einrichtung zugutekommen sollte, erinnerte Juliana an Haie, die ihre Beute in immer engeren Bahnen umkreisten. Die Wände dieses Klubs hatten vermutlich noch nie zuvor so gebebt, darauf hätte sie jederzeit das Geld für ihre monatliche Maniküre verwettet.

Allerdings zweifelte sie inzwischen daran, dass ihr Plan tatsächlich so klug war, wie es ihnen bei einem mexikanischen Essen und offenbar zu vielen Margaritas vorgekommen war.

Juliana nahm einen großen Schluck Champagner, um sich noch ein bisschen Mut anzutrinken. Wie war sie bloß auf die Idee gekommen, sie könnte dreißig Jahre Bravsein überwinden, indem sie ausgerechnet den schlimmsten Weiberhelden dieser Junggesellenauktion ersteigerte? Hätte eine kleinere Rebellion nicht auch genügt? Musste es beim ersten Ausbruchsversuch aus ihrem geregelten Leben denn gleich ein so massiver Verstoß sein?

Sie war für die Kontrolle der Konten in der Privatbank ihrer Familie zuständig, und da war ihr Vorsicht zur zweiten Natur geworden. Das Leben nach Regeln verlieh ihr Sicherheit. Stetig stieg sie höher auf der Karriereleiter und folgte damit dem Pfad, den ihre Mutter vor ihr gegangen war.

Doch nun wurde sie zum Wohl der Bank in eine Ehe gedrängt, und mit einem Mal fühlte sie sich wie ein Spielball im Verhandlungspoker bei der Fusion zwischen der Alden Bank and Trust und der Wilson Savings and Loan.

„Ich kann gar nicht glauben, dass ihr mich hierzu überreden konntet. So einem Vollblutkerl bin ich nicht gewachsen. Vielleicht sollte ich lieber einen etwas weniger …“ Juliana fehlten die passenden Worte, und sie zuckte mit den Schultern. Wie sollte sie den Mann beschreiben, bei dem ihr schon das Foto im Versteigerungskatalog die Röte in die Wangen getrieben hatte?

„Dir einen weniger maskulinen Typ aussuchen?“, half Holly mit vielsagendem Lächeln nach.

Das war noch harmlos ausgedrückt. Juliana nickte nur.

Sobald der Junggeselle mit der Nummer neun auf die Bühne trat, begann Julianas Herz wild zu klopfen. Die sonst so gesittet und würdevoll auftretenden Frauen im Saal begannen zu johlen, zu pfeifen und mit den Füßen, die in edlen Schuhen steckten, zu trampeln. Wenn überhaupt ein Mann eine Frau veranlassen konnte, voll auf Risiko zu setzen und ein paar Regeln zu brechen, dann dieser.

Rex Tanner schien sich im Rampenlicht vollkommen wohlzufühlen. Auffordernd lächelte er in die Runde und spornte die Menge noch an, indem er die Hände über seinen Kopf hob und rhythmisch klatschte. Dabei ließ er die Hüften im Takt der Musik kreisen, genau wie er es früher bei seinen Auftritten gemacht hatte.

Er weiß sich zu bewegen, dachte Juliana anerkennend und bekam eine Gänsehaut.

Sein enges schwarzes T-Shirt spannte an den breiten Schultern, über der breiten Brust und an den muskulösen Oberarmen. Die Jeans war genau an den Stellen ausgebleicht, auf die Juliana sich nicht zu schauen traute. Der Gürtel saß tief auf den schmalen Hüften, und solche Cowboystiefel trug sonst kaum jemand in Wilmington, North Carolina. Bisher waren alle Männer vor ihm im Smoking aufgetreten, und in dem lässigen Aufzug machte er seinem Ruf als Rebell alle Ehre. „Renegade“, der Name seiner Bar, stand quer auf dem Rücken seines T-Shirts.

Julianas Herz schlug so heftig, dass sie kaum etwas von den Worten mitbekam, mit denen die Moderatorin den Mann vorstellte. Gab es wirklich eine Frau, die diesem muskulösen Körper oder seinem Bad-Boy-Lächeln widerstehen konnte?

„Spür die Kraft zwischen den Schenkeln – auf dem Rücken eines Pferdes und auf einer Harley“, las Andrea aus dem Programm vor. „Tanner erteilt Reitunterricht und Fahrstunden. Juliana, wenn dieser Mann dir nicht zeigen kann, was du bisher verpasst hast, dann weiß ich auch nicht weiter. Der ist genau der Richtige, um dich vor dem verrückten Plan deiner Mutter zu retten.“

Juliana leerte hastig ihr Glas. Der perlende Champagner stieg ihr in die Nase, und Tränen traten ihr in die Augen. „Ich weiß immer noch nicht, was am Vorschlag meiner Mutter so verrückt sein soll. Wally ist ein netter Kerl.“

„Du liebst ihn nicht. Außerdem ist er ein Langweiler“, stellte Holly klar.

„Wirkungsvoller als jede Schlaftablette“, fügte Andrea hinzu. „Obendrein ist er ein Weichei. In eurer Ehe hättest du schon nach zwei Wochen die Hosen an.“

Wo lag da das Problem? Diese Rollenverteilung kannte Juliana von ihren Eltern. „Wally ist eine vernünftige Wahl. Er ist ausgeglichen, ruhig und ehrgeizig, genau wie ich. Außerdem versteht er, wie viel Zeit und Energie ich in meinen Job stecken muss. Wir können uns stundenlang unterhalten, ohne dass jemals peinliches Schweigen eintritt.“

Verächtlich schnaubte Andrea. „Ihr redet über die Arbeit. Wollt ihr auch im Bett über Zinssätze, Darlehen und Vermögensanlagen diskutieren? Vergiss doch nur einmal im Leben deinen Anstand. Dies hier ist vielleicht deine letzte Gelegenheit, zu erleben, dass in einer Beziehung nicht nur die Vernunft zählt.“

Die letzte Gelegenheit. Juliana erschrak. Ihre letzte Chance, bevor sie in die Ehe mit Wally einwilligte. Seinem Vater gehörte die Privatbank, die wegen einer Fusion im Gespräch war. Eine sehr vernünftige Verbindung also, aber leider ohne Liebe.

Beklommen trat Juliana von einem Bein auf das andere. Vielleicht hatte ihre Freundin recht, aber Wally war freundlich, sah gut aus, und man konnte sich auf ihn verlassen. Wenn sie ihn heiratete, würden sie zwar die nächsten fünfzig Jahre lang jeden Samstagabend langweiligen Sex haben, andererseits gab es mehr im Leben als nur Sex. Wenn zwei Menschen nach denselben Grundsätzen lebten und sich gegenseitig respektierten, dann war das viel entscheidender. Sie hätten beide die gleichen Interessen, und die Liebe würde sich im Lauf der Zeit wie eine sichere Vermögensanlage entwickeln.

Oder etwa nicht?

Doch, ganz bestimmt. Julianas Eltern waren das beste Beispiel dafür. Auch sie hatten vor vierzig Jahren geheiratet, um zwei Bankiersfamilien zu vereinen.

Unsicher blickte Juliana wieder zum Ausgang. Sollte sie flüchten, bevor sie eine Dummheit beging? Nein, sagte sie sich, versprochen ist versprochen. Allerdings störte es sie maßlos, dass sie den Anfang machen musste. „Schwört mir, dass ihr nicht kneift. Ihr werdet euch heute Abend auch einen Junggesellen ersteigern, egal, was passiert“, beschwor sie ihre Freundinnen.

Holly und Andrea lächelten engelsgleich und hoben die rechte Hand zum Schwur. Juliana traute ihren lächelnden Gesichtern keiner Sekunde lang. Die beiden lebten zwar nicht so strikt nach Plan wie sie selbst, aber auch sie hatten noch nie etwas Ähnliches getan wie das, was sie hier und heute vorhatten.

Juliana musste wieder den Mann auf der Bühne ansehen, den sie die ganze Zeit über zu ignorieren versuchte. Mit dem dichten schwarzen Haar, das er sich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, und seiner lasziven Haltung wirkte er wie die leibhaftige Verführung. Dieser Mann brauchte keine Anleitung. Der wusste, wie man eine Frau glücklich machte.

Aber um diesen Cowboy zu ersteigern, brauchte sie mehr als das bisschen Mut, das sie dem Alkohol verdankte. Es würde bedeuten, dass sie sich dem Wunsch ihrer Mutter ganz offen widersetzte, und das war etwas, was sie aus Angst vor Auseinandersetzungen bisher immer sorgfältig vermieden hatte. Erst durch die geplante Verlobung hatte sie sich gefragt, ob sie nicht doch mehr vom Leben erwartete. Sie hatte Holly und Andrea versprochen, wenigstens noch ein paar Möglichkeiten auszuprobieren, bevor sie sich in die Zukunft fügte, die ihre Mutter für sie vorgesehen hatte.

Aber musste sie sich wirklich gleich einen Mann aussuchen, der das genaue Gegenteil von allen Männern war, mit denen sie in der Vergangenheit ausgegangen war? Eine Hoffnung gab es noch. Es wäre durchaus möglich, dass der Preis für diesen Mann das Limit sprengte, auf das sie sich mit Andrea und Holly geeinigt hatte. Dann könnte sie ohne schlechtes Gewissen einen weniger einschüchternden Mann ersteigern.

Andererseits war Rex Tanner, der Rebell, der keinem Ärger auswich, genau der geeignete Mann, um sie vom rechten Weg abzubringen. Wenn sie den Zuschlag bekam, würde sie sich ihm während des nächsten Monats ausliefern. Eine Affäre mit ihm würde sie hoffentlich davon überzeugen, dass sie durch eine Ehe mit Wally nichts verpasste.

„Fahr nach Hause, bevor du in Schwierigkeiten gerätst.“

Beim herrischen Tonfall ihres Bruders fuhr Juliana herum und geriet auf ihren zierlichen Absätzen fast ins Stolpern. Niemals würde sie ihm gegenüber zugeben, dass sie gerade mit dem Gedanken gespielt hatte, einfach davonzulaufen. Nur um Eric zu ärgern, hob sie das Fähnchen mit ihrer Nummer und gab damit das erste Gebot für den Traummann auf der Bühne ab.

Aufmunternd lächelnd, hoben Andrea und Holly die Daumen. Juliana wagte nicht, zu ihrer Mutter hinüberzusehen, die diese Wohltätigkeitsveranstaltung organisiert hatte. Sie wusste auch so, dass Margaret Alden ihre Tochter mit Argusaugen beobachtete.

Wütend sah Juliana ihren Bruder an. „In was für Schwierigkeiten kann ich denn deiner Meinung nach geraten, wenn ich einen Monat lang Reitstunden bekomme? Verschwinde, Eric.“

„Nicht das Reiten macht mir Sorgen, sondern das Motorradfahren. Du wirst dich noch umbringen, wenn du dich auf eine Harley setzt, Juliana.“

Eric versuchte, ihr das Fähnchen zu entwenden, aber Juliana hielt es außerhalb seiner Reichweite. „Ich bin jetzt dreißig Jahre alt und lasse mir nichts mehr von dir vorschreiben.“

„Du kannst dir doch keinen Mann kaufen. Wenn dir etwas an dem wohltätigen Zweck liegt, dann ersteigere Wallace und nicht diesen …“

„Traumtyp“, warf Holly ein und erntete damit einen wütenden Blick von Eric.

Beschwichtigend, wie sie es bei einem schwierigen Bankkunden getan hätte, lächelte Juliana ihren Bruder an. „Eric, vergiss nicht, dass diese Versteigerung Moms Idee war. Andrea, Holly und ich unterstützen sie lediglich.“

„Verdammt, Juliana, du weißt doch gar nicht, wie du mit einem solchen Mann umgehen musst. Geh auf Nummer sicher und halt dich an Wally.“ Wieder versuchte er, ihr Fähnchen zu erwischen, und wieder wich Juliana ihm heftig damit wedelnd aus.

Ihr Leben lang war sie auf Sicherheit bedacht gewesen, und wo hatte sie das hingeführt? Beruflich hatte sie viel erreicht, aber ihr Privatleben sah erbärmlich aus. Niemals hatte sie sich bis über beide Ohren verliebt. Zügellose Lust war ihr so fremd, dass sie nicht einmal wusste, ob sie zu solchen Empfindungen überhaupt fähig war. Auf Liebeskummer konnte sie gut verzichten, aber war es denn wirklich zu viel verlangt, wenn sie sich nach Höhepunkten sehnte, bei denen sie alles andere vergaß? Wenigstens ein einziges Mal wollte sie nicht an Sicherheit denken.

Sie sah zu dem Mann auf der Bühne und hielt entschlossen das Fähnchen hoch. „Wally mit seinen Samstagsdinners! Ist das nicht unglaublich einfallslos? Was ist denn schlimm daran, ein bisschen Spaß zu haben? Du solltest das auch mal versuchen.“

Kaum hatte sie das gesagt, erschrak sie über sich selbst. Es war erst ein paar Monate her, seit seine Freundin Eric vor aller Welt den Laufpass gegeben hatte. Auf diese Art Spaß hatte er im Moment sicher nicht die geringste Lust. Juliana vermutete zwar, dass es ihm nicht das Herz gebrochen hatte, aber sein Stolz hatte garantiert gelitten. Erst sein gescheiterter Versuch, in die Wilson-Familie einzuheiraten, hatte ihre Mutter auf die Idee gebracht, sie, Juliana, mit Wally zu verkuppeln.

Wieder winkte sie mit dem Fähnchen. Es wirkte fast verzweifelt. „Eric, ich weiß sehr genau, was ich tue, also lass mich in Ruhe.“

„Den Zuschlag bekommt Nummer 223“, verkündete die Moderatorin auf der Bühne. „Zahlen Sie, und holen Sie sich Ihren Preis, junge Lady.“

Julianas Magen krampfte sich plötzlich zusammen. Hastig blickte sie von ihrem Bruder zu ihrer Mutter, die sichtlich geschockt wirkte. Andrea und Holly klatschten und jubelten begeistert. Juliana brauchte gar nicht erst auf die Nummer auf ihrem Fähnchen zu sehen, um zu wissen, dass sie den Prachtkerl ersteigert hatte. Leider hatte sie keine Ahnung, zu welchem Preis. Ein echter Schock für einen Menschen, dessen Beruf sich um die Sicherheit von Geld drehte. Unendlich langsam senkte sie den Arm, schluckte und schloss einen Moment voller Panik die Augen. Sie traute sich nicht, zur Bühne zu sehen.

Erst als ihr schwindlig wurde, atmete sie wieder aus und lächelte gezwungen in die Runde. „Eric, solltest du nicht hinter der Bühne sein und dich darauf vorbereiten, selbst ersteigert zu werden?“

Eric wurde blass. Fast hätte Juliana schadenfroh gelächelt. Ihr Bruder hatte sich nur widerwillig von ihrer Mutter zum Mitmachen überreden lassen.

Juliana hörte Eric leise fluchen und ihre Freundinnen aufgeregt plaudern, als sie sich einen Weg zum Tisch in der Ecke bahnte, um dort einen Scheck auszustellen, damit sie ihren Preis in Empfang nehmen konnte.

Wutentbrannt kam Margaret Alden auf ihre Tochter zu. „Juliana, bist du von allen guten Geistern verlassen? Und wo in aller Welt hast du dieses entsetzliche Kleid aufgetrieben?“

Julianas Magen verkrampfte sich erneut. Schlagartig kehrten alle Zweifel zurück. Sie musste tatsächlich den Verstand verloren haben, als sie Andreas Vorschlag zugestimmt hatte, gemeinsam ihren dreißigsten Geburtstag zu feiern, indem sie einen Teil ihres nun frei verfügbaren Treuhänderfonds opferten, um etwas Verrücktes mit dem Geld anzustellen.

Nein, dachte sie, das ist nicht verrückt, sondern verzweifelt. Wenn sie bei einem Mann wie Rex Tanner nicht die wilde Leidenschaft erleben konnte, von der andere Frauen sich flüsternd berichteten, dann war bei ihr jede Hoffnung verloren, und sie konnte mit einem Mann wie Wally, der nie mehr von ihr erwarten würde als sie zu geben bereit war, ihr Leben teilen.

Den gut ausgeprägten Geschäftssinn ihrer Mutter hatte Juliana immer bewundert, doch sie hatte ihr niemals sehr nahegestanden. Deshalb kam es für sie auch jetzt nicht infrage, etwas von den verworrenen Gefühlen zu zeigen, die zu diesem Entschluss geführt hatten. „Mutter, ich habe immer getan, was du von mir wolltest, aber das hier heute Abend, das tue ich nur für mich.“

Über die Schulter ihrer Mutter hinweg sah Juliana ihren Junggesellen mit langen Schritten herankommen und fragte sich, wieso sie sich schlagartig wie ein in die Enge getriebenes Beutetier fühlte. Entschlossen nahm sie die Haltung an, die ihre Mutter ihr immer wieder eingetrichtert hatte: kerzengerade und mit erhobenem Kinn. Sie konnte nur hoffen, dass man unter dem kurzen Kleid nicht ihre Knie zittern sah.

Rex Tanner blieb keine drei Meter von ihr entfernt stehen und musterte sie von Kopf bis Fuß. Sofort wurde Juliana sich bewusst, dass sie unter dem dünnen Kleid nichts außer einem Stringtanga trug.

War ihr jemals zuvor ein Mann mit so viel Sex-Appeal begegnet? Ganz bestimmt nicht. Ihr Herz klopfte heftig, und ihr wurde heiß.

„Und was wird aus Wallace?“, zischte ihre Mutter ihr wütend ins Ohr.

Es kostete Juliana große Mühe, den Blick wieder ihrer Mutter zuzuwenden. „Höchstwahrscheinlich werde ich den Rest meines Lebens mit Wally verbringen, da kann mir niemand ein paar Reitstunden missgönnen.“

Ihre Mutter presste die Lippen zusammen. „Ich gebe dir einen Monat. Dann erwarte ich, dass du wieder zur Vernunft kommst. Die Wilsons sind eine sehr anständige Familie, und Wallace hat tadellose Manieren.“ Es klang, als würde sie einen Rassehund anpreisen. „Du kannst davon ausgehen, dass dein Vater sehr viel weniger Verständnis für deine seltsamen Anwandlungen zeigen wird als ich.“

Ganz bestimmt, dachte Juliana, wird er die Meinung vertreten, die du ihm vorschreibst. Sie liebte ihren Vater von ganzem Herzen, doch sie kannte auch seine Schwächen.

„Hallo, Süße.“

Rex Tanners tiefe Stimme rief bei Juliana von Neuem eine Gänsehaut hervor. Ihre Mutter schnappte schockiert nach Luft, doch Juliana achtete nicht darauf, sondern wandte sich dem Mann zu, der dicht vor ihr stehen geblieben war. Bei seinem sexy Lächeln und dem Blick seiner kaffeebraunen Augen bekam Juliana weiche Knie. Langsam streckte er ihr eine Hand entgegen.

„Ich bin Rex Tanner, und ich werde Ihnen das Reiten beibringen.“

Das Reiten? Juliana schluckte. Sie konnte sich nicht gegen die erotischen Bilder wehren, die ihr bei Rex’ Bemerkung durch den Kopf schossen. Aus der Nähe wirkte er noch größer und imposanter als auf der Bühne. Trotz ihrer hohen Absätze befanden sich seine Lippen auf ihrer Augenhöhe. An diesem Mund konnte sie sich nicht sattsehen. Was für Lippen! dachte sie. Und der Mann macht den Eindruck, als wüsste er genau, wie er diese Lippen zu benutzen hat.

Rex’ Mundwinkel hoben sich zu einem spöttischen Lächeln, als sei er es gewohnt, sprachlosen Frauen gegenüberzustehen.

Verlegen setzte Juliana ein höfliches Lächeln auf und gab ihm die Hand. „Hallo, Rex, ich bin Juliana.“

Seine warme Hand wirkte rau. Nach dem Händeschütteln legte er ihr einen Arm um die Schultern, zog Juliana näher zu sich heran und drehte sich mit ihr zum Fotografen um.

Juliana hätte fast laut aufgeseufzt. Sie spürte Rex’ warmen Körper neben sich. Seine Hand lag auf ihrer nackten Schulter.

„Lächle, Süße“, flüsterte er ihr heiser ins Ohr.

Juliana spürte den Klang seiner Stimme bis tief in ihre Magengrube, nahm seinen männlich-frischen Duft wahr und fühlte sich auf einmal leicht benommen.

Sobald Octavia Jenkins, die Reporterin, die über die Veranstaltung berichtete, zusammen mit ihrem Fotografen wieder verschwunden war, löste Juliana sich von Rex und versuchte zu ergründen, wieso sie so stark auf ihn reagierte. Am liebsten hätte sie auf der Stelle herausgefunden, wie sich seine kräftigen warmen Finger auf ihrem Körper anfühlten.

Anscheinend tue ich mit meinem Plan genau das Richtige, dachte sie. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Sie blickte Rex in die Augen, wobei sie sich überdeutlich bewusst war, von ihrer Mutter tadelnd und von allen anderen voller Neugier beobachtet zu werden. „Wieso verschwinden wir nicht von hier?“, stieß sie atemlos hervor und klang dadurch zu ihrem eigenen Bedauern eher sehnsüchtig als vernünftig.

Rex’ Lächeln war überwältigend. „Das ist der mit Abstand beste Vorschlag des Abends.“

Nach einem weiteren vernichtenden Blick wandte ihre Mutter sich ab und eilte mit königlicher Haltung davon. Bevor ihre Feigheit die Oberhand gewinnen konnte und sie womöglich doch noch ihr Geld zurückverlangte, ging Juliana in die entgegengesetzte Richtung, und schritt unsicher zum Ausgang. Sie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Rex Tanner ihr folgte. Sie spürte seine Nähe, hörte das leise Knarren seiner Lederstiefel und sah die Blicke der Frauen, an denen sie vorüberging. Alle starrten Rex verträumt an. Dabei waren viele dieser Frauen verheiratet und alt genug, um seine Mutter zu sein.

Als sie den Ausgang erreicht hatten, griff Rex an ihr vorbei und öffnete die Tür. Sobald sie nach draußen in die kühle Luft trat, bekam Juliana wieder einen klareren Kopf.

Lieber Himmel, sie hatte sich einen Mann gekauft! Noch dazu einen, den jeder Psychologe als Alpha-Mann einstufen würde.

Was sollte sie bloß mit ihm anstellen?

Ich habe mich von einer verwöhnten reichen Ziege, die mehr Geld als Verstand hat, kaufen lassen, dachte Rex.

Anscheinend war er verrückt gewesen, als er sich auf den Vorschlag seiner Schwester eingelassen hatte, diese Junggesellenauktion zu nutzen, um Werbung für seine Bar zu machen. Nur weil in sechzig Tagen die Rückzahlung des Bankdarlehens fällig war, hatte er sich dazu bereiterklärt, wieder vor einer Horde kreischender Frauen auf eine Bühne zu steigen.

Er ärgerte sich über sich selbst, doch das hielt ihn nicht davon ab, die aufregende Frau vor ihm anzusehen. Er musterte ihren runden Po in dem knappen roten Kleid, der bei jedem Schritt wippte. Das lange dunkle Haar, das ihr offen auf den Rücken fiel, glänzte so intensiv wie das Holz seiner geliebten, alten Gitarre.

Seit seinem Umzug nach Wilmington war sie die erste Frau, die sein Interesse geweckt hatte, zu der er sich sogar hingezogen fühlte. Aber alles an Juliana, angefangen bei ihrer kultivierten Stimme über ihre teure Kleidung bis hin zu dem Haufen Geld, den sie gerade für etwas Spaß mit ihm ausgegeben hatte, verriet ihre Herkunft.

Reiche Mädchen wie sie gaben sich auf Dauer nicht mit einfachen Kerlen wie ihm ab. Und von den ewig gleichen flüchtigen Affären hatte er mehr als genug hinter sich. Als er Nashville und seine Groupies verließ, hatte er sich geschworen, niemals mehr eine Frau nur als willigen Körper zu sehen oder sich von einer Frau für ein kurzes Abenteuer benutzen zu lassen.

Er würde Juliana begreiflich machen, dass seine Leistungen sich auf das beschränkten, was im Auktionskatalog aufgeführt war.

„He, Julie!“, sprach er sie an.

Sie hatten gerade den Parkplatz erreicht. Abrupt blieb Juliana stehen und drehte sich zu ihm um. Ihre blauen Augen und der Blick, den sie ihm jetzt zuwarf, ließen Rex fast vergessen, was er sagen wollte. Sie sah überhaupt nicht aus wie eine Frau, die sich Männer kaufen musste.

„Mein Name ist Juliana.“

„Geht klar. Ich möchte nur eins klarstellen: Gibt es da vielleicht einen eifersüchtigen Ehemann, der irgendwann mit geladener Waffe vor mir stehen könnte? Zum Beispiel der Typ, der versucht hat, Sie vom Bieten abzuhalten.“

„Das war mein Bruder. Ich bin nicht verheiratet.“ Juliana runzelte verständnislos die Stirn. „Werden Sie häufig von eifersüchtigen Ehemännern gejagt?“

„Jetzt nicht mehr.“ Unwillkürlich glitt Rex’ Blick zu ihren Brüsten, die sich bei jedem Atemzug hoben und senkten.

„Aber früher mal?“

„Ja.“ Die meisten Männer hielten nicht viel davon, wenn sie herausfanden, dass ihre Frau mit einem anderen geschlafen hatte. Auch ihm hatte es nie gefallen, wenn er erfuhr, dass einige der Groupies verheiratet waren, weil die entsprechenden Ehemänner dazu neigten, ihn mit Fäusten zu traktieren.

Er folgte Juliana eine metallene Wendeltreppe zum Parkdeck hinab. Als sie unten an der Treppe abrupt stehen blieb, wäre er fasst auf sie geprallt.

„Gibt’s ein Problem?“, fragte er und beobachtete, wie sie sich flüchtig über die Schläfe strich.

„Meine Freundinnen haben mich hierher mitgenommen. Jetzt habe ich kein Auto und …“ Panisch sah sie sich um.

Rex folgte ihrem Blick. Die Drachen-Lady, die die Veranstaltung organisiert hatte, kam mit einem streng gekleideten Mann aus dem Klub. Rex begriff. „Sie wollen von hier weg.“

„Richtig, und zwar schleunigst.“

„Ist Ihr Scheck nicht gedeckt?“ Er hätte nicht geglaubt, dass das möglich war, doch die Frau vor ihm straffte ihre Schultern noch mehr und sah ihn so empört an, als hätte er sie gerade beleidigt.

„Natürlich ist er gedeckt. Bitte, bringen Sie mich von hier weg.“

„Mein Motorrad steht da drüben.“

Erschrocken deutete sie auf ihr kurzes Kleidchen. „Fürs Motorradfahren bin ich wohl kaum richtig gekleidet.“

Am liebsten hätte Rex Juliana einfach stehen lassen, aber er hatte sich auf diese Auktion eingelassen, und jetzt würde er das Ganze auch bis zum Ende durchziehen. Außerdem konnte er niemanden guten Gewissens der Drachen-Lady überlassen. „Taxis kann ich keine sehen. Wenn Sie also schnell weg wollen, bleibt Ihnen keine andere Wahl. Wohin soll’s denn gehen? Nach Hause?“

Juliana verzog das Gesicht. „Bloß das nicht.“

Rex umfasste ihren Ellbogen und zog Juliana mit sich zu seiner Harley. Als sie das Motorrad erreichten, drückte er ihr den Ersatzhelm in die Hand und wartete ab, bis sie ihn richtig aufgesetzt hatte. „Steigen Sie auf und halten Sie sich fest.“

Wenig später saß Juliana hinter ihm und umfasste seine Taille. Sie achtete aber darauf, ein paar Zentimeter Abstand zu ihm zu halten. Rex ließ die Maschine an, und als er die Kupplung kommen ließ, schoss das Motorrad nach vorn. Julianas Aufschrei ging im Motorlärm unter.

Rex musste lächeln, als sie ihn mit beiden Armen umklammerte und sich an seinen Rücken presste. Doch als er die Wärme ihres aufreizenden Körpers spürte, verging ihm das Lächeln. Wie sollte er sich auf die Straße konzentrieren, wenn er Julianas Brüste an seinem Rücken fühlte?

Ihr kurzer Rock war hochgerutscht, und Rex musste sich dazu zwingen, den Blick von ihren entblößten Schenkeln zurück auf die Straße zu lenken. Wohin sollte er sie bringen? Je schneller sie ankamen, desto besser. Fragen konnte er Juliana nicht, dazu war das Motorrad zu laut. Am besten fuhr er mit ihr zu sich nach Hause. Er musste ohnehin die Termine für die Reit- und Fahrstunden mit ihr abklären.

Stolz erfüllte ihn, als er die Lichter des „Renegade“ erblickte. Vor acht Monaten hatte er das leer stehende Gebäude in dem Viertel unten am Flussufer gekauft. Es hatte ihn viel Schweiß und Geld gekostet, das Untergeschoss in eine Bar und das aus dem oberen Stockwerk ein vorzeigbares Zuhause zu machen. Vor vier Monaten hatte er die Bar eröffnet, aber das Geschäft lief nicht so gut, wie er gehofft hatte. Deshalb brauchte er Geld und hatte sich auf die Auktion eingelassen.

Als er hielt, zählte er automatisch die belegten Parkplätze vor dem Gebäude. Wenn er in Wilmington, in der Nähe seiner Schwester, bleiben wollte, musste die Bar bald Gewinn abwerfen, da er sonst nicht den Bankkredit zurückzahlen konnte.

Er parkte das Motorrad und stieg umständlich ab, da Juliana sitzen blieb. Es dauerte ein bisschen, bis sie es schaffte, den Verschluss des Helms zu lösen und ihn abzunehmen.

Rex fand den Anblick, wie sie rittlings auf der Harley saß, ausgesprochen erotisch: lange nackte Beine, rote hochhackige Sandalen, ein winziges Kleid, ein schönes Gesicht und zerzaustes Haar.

Andererseits hatten ihm schöne Frauen in der Vergangenheit eine Menge Ärger eingebracht, also unterdrückte er das Verlangen und hielt Juliana nur schweigend die Hand hin. Zögernd umfasste sie sie und schwang ein Bein über den Sattel.

Einen Moment konnte Rex ihren knallroten Slip sehen. Er musste schlucken.

Weil ihr in den hochhackigen Schuhen das Laufen auf dem Kies schwerfiel, nahm er ihren Arm. Der Abendwind strich kühl über ihre nackte Haut, und ihre Brustspitzen zeichneten sich deutlich unter dem dünnen Kleid ab. Trug sie darunter überhaupt etwas außer einem Slip? Rex’ Puls schlug schneller. Nein, sagte er sich sofort. Vergiss das lieber schnell wieder.

Juliana rieb sich die Arme und fragte: „Können wir reingehen?“

Als er an ihr vorbei die Tür öffnete, stieg ihm ihr Parfüm in die Nase, eine verführerische Mischung aus Blumenduft und schwereren Aromen.

Nachdem sie das Haus betreten hatten, sah Juliana sich um. Rex hätte zu gern gewusst, was sie von der Bar hielt. Er hatte sich bei der Einrichtung an Filmen über Rebellen und Outlaws orientiert. Mit diesen Figuren hatte er sich als Junge identifiziert, als er es kaum erwarten konnte, endlich erwachsen zu werden und von der Farm seiner Eltern wegzukommen. An seinem achtzehnten Geburtstag war er praktisch von dort geflüchtet, und heute, siebzehn Jahre später, bereute er noch immer seine verbitterten Abschiedsworte von damals.

An der Rückwand des Barraums erstreckte sich der lange Tresen. Von den zahlreichen Tischen davor waren für einen Samstag viel zu viele frei. Die Kellnerinnen standen herum und hatten nichts zu tun.

„Hier erinnert überhaupt nichts an Ihre Musikkarriere.“

Sie wusste also genau, wer er war. Hatte sie ihn nur ersteigert, um damit prahlen zu können, mit Rex Tanner, dem bösen Jungen aus Nashville, im Bett gewesen zu sein? Sie wäre nicht die erste Frau, die sich mit diesem Ziel an ihn herangemacht hatte. Die Vorstellung, mit Juliana zu schlafen, war zwar verlockend, aber er hatte nicht vor, in alte Gewohnheiten zurückzufallen. „Nein.“

Prüfend blickte sie ihn an. „Wäre es nicht klüger, Ihre Bekanntheit zu nutzen, um Kundschaft anzuziehen?“

„Meine Karriere als Musiker ist vorbei. Wenn die Leute eine Country-Bar suchen, dann müssen sie woanders hinfahren. Möchten Sie etwas trinken?“

„Nein, danke. Könnte ich vielleicht eine Weile bleiben? Sobald die Auktion vorüber ist, rufe ich eine Freundin an, damit sie mich abholt.“

„Ich werde Sie selbst nach Hause bringen, wenn wir die Termine für die Reit- und Fahrstunden festgelegt haben.“ Auf ihren Blick hin fuhr er fort: „Ich habe auch einen Pick-up, falls Sie nicht wieder auf die Harley steigen wollen.“

„Nett von Ihnen, aber ich denke, ich übernachte heute lieber bei einer meiner Freundinnen. Sie wird mich abholen. Mein Wagen steht sowieso bei ihr, weil wir zusammen zur Versteigerung gefahren sind.“

Wieso sollte eine Frau, die im Geld schwimmt, auf eine Mitfahrgelegenheit angewiesen sein? „Wie alt, sagten Sie, sind Sie?“

Juliana zögerte. „Ich habe es überhaupt noch nicht gesagt. Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich bin dreißig. Hat Ihre Mutter Ihnen nie gesagt, dass man eine Dame nicht nach dem Alter fragt?“

Seine Mutter hatte ihm eine Menge beigebracht, doch damals hatte er sich von ihr nichts sagen lassen. „Sind Sie nicht ein bisschen zu alt, um von zu Hause auszureißen?“

„Das können Sie nicht nachvollziehen. Meine Eltern …“ Sie zögerte und sah zur Tür, als könnten sie jeden Moment hereinkommen. „Sie können das mit heute Abend nicht verstehen.“

„Durch Weglaufen lässt sich kein Problem lösen.“ Das hatte er selbst auf die harte Tour gelernt.

„Aber …“

Rex unterbrach sie: „Ich will die ganze Geschichte gar nicht erfahren. Sie sind hier, weil ich Ihnen Reit- und Fahrstunden erteilen werde. Mehr nicht.“

„Bestens.“

Einen Moment überlegte er, ob er sie in der Bar warten lassen sollte, bis er den Terminkalender aus seinem Apartment geholt hatte, aber in ihrem sexy Kleid zog sie die Blicke aller anwesenden Männer auf sich. Viele von denen waren Stammgäste und mit seinem Schwager befreundet, der zurzeit als Soldat im Ausland stationiert war. Er wollte nicht, dass etwas vorfiel, was diese Männer in Zukunft daran hindern könnte, wiederzukommen. „Wir gehen nach oben.“

Danny, der Barkeeper, lächelte vielsagend.

Soll er doch denken, was er will, dachte Rex, schloss die Tür auf und gab Juliana zu verstehen, sie solle die Treppe hinaufzusteigen. Wenn sie sich mehr als Fahr- und Reitstunden von ihm erhoffte, musste er sie enttäuschen.

2. KAPITEL

Niemals hätte Juliana gedacht, dass eine Fahrt auf einem Motorrad sie dermaßen erregen könnte. Allerdings war der Fahrer daran vermutlich nicht ganz unbeteiligt.

„Setzen Sie sich.“ Rex schaltete einige Lampen an.

Juliana blickte sich um. Ledersofas und dunkles Holz, alles sehr maskulin. Die Möbel sahen teuer, aber nicht neu aus. Stammten sie noch aus der Zeit, als Rex mit seinen Countrysongs in den Hitparaden ganz oben gestanden hatte?

Sie nahm auf einer Sofakante Platz und versuchte, ihre Empfindungen zu ordnen.

Während der Fahrt auf dem Motorrad hatte sie erst Angst gehabt, aber dann war es nur noch aufregend gewesen. Immer, wenn Rex sich in die Kurve gelegt hatte, hatte ihr Herz wild zu schlagen begonnen. Sie traute sich kaum, sich einzugestehen, wie sehr ihr das gefallen hatte.

Rex’ Bauchmuskeln hatten sich stahlhart angefühlt, und sie hatte sich fest an ihn geschmiegt und die Berührung und die Wärme seines aufregenden Körpers genossen. Als er vom Motorrad gestiegen war, hatte sie es nicht geschafft, ihm sofort zu folgen, weil ihre Knie so gezittert hatten.

Wieso reagierte sie so stark auf ihn? Bisher hatte sie Männer eher wegen ihres Intellekts als wegen ihres Körpers anziehend gefunden. Was Rex in ihr auslöste, hatte nichts mit dem Verstand zu tun, aber es reizte sie ungeheuer, mehr über diese rätselhafte Anziehung herauszufinden, die er auf sie ausübte.

Rex setzte sich neben sie und legte den aufgeschlagenen Terminkalender auf den Couchtisch. Sein Knie berührte kurz ihren Oberschenkel, und sofort wurde ihr ganz heiß.

„In der Regel arbeite ich bis tief in die Nacht hinein, also müssten wir die Stunden auf den späten Vormittag oder auf meine freien Tage legen. Was ist Ihnen lieber?“

Der flirtende Tonfall, in dem er auf der Auktion mit ihr gesprochen hatte, war völlig verschwunden. Kein gutes Zeichen, zumal sie darauf gehofft hatte, durch diesen Mann vom Pfad der Tugend abgebracht zu werden. „Ich arbeite wochentags.“

„Als was?“

„Ich führe die Kontenaufsicht bei der Alden Bank.“

Langsam glitt sein Blick von ihrem Gesicht über ihre Schultern hinab zu ihren Beinen. Julianas Körper reagierte darauf, als würde Rex sie berühren.

„Sie sehen gar nicht wie eine Bankerin aus.“ Sein skeptischer Blick ließ diese Feststellung nicht im Mindesten wie ein Kompliment klingen.

Nach dem Studienabschluss hatte Juliana in der Bank ihrer Eltern angefangen und hart gearbeitet, um allen zu beweisen, dass sie diesen Posten nicht nur innehatte, weil sie die Tochter des Bankdirektors war. Doch hier ging es nicht um die Arbeit. Rex sollte in ihr die begehrenswerte Frau sehen, und nicht die angesehene Bankerin.

„Ich konnte schon immer gut mit Zahlen umgehen.“ Ihre Schwäche lag eher im Umgang mit Menschen. Bücher und Pferde waren ihr schon früher lieber gewesen als Menschen. Schon damals waren Andrea und Holly ihre einzigen Freundinnen, und daran hatte sich bis heute nichts geändert.

Rex trommelte mit dem Kuli auf dem Tisch herum und lenkte Julianas Aufmerksamkeit dadurch auf seine kräftigen Hände, denen man die körperliche Arbeit ansah. Sie hatte sich seine Songs angehört. Seltsam, dass diese großen Männerhände einer Gitarre so gefühlvolle Melodien entlocken konnten.

„Dann treffen wir uns montags und donnerstags, sobald Sie von der Arbeit kommen. Das sind meine freien Tage.“

Juliana ertappte sich dabei, dass sie nur auf die Bewegungen seiner Lippen achtete, ohne die Worte wahrzunehmen. Hastig blinzelte sie und sah ihm in die dunklen Augen, die bis in ihr Innerstes zu schauen schienen.

„Ich habe ein etwas kleineres Motorrad für Sie geliehen“, fuhr er fort. „Aber auch darauf dürfen Sie erst fahren, wenn Sie den Theorietest bestanden haben und ich Ihnen die Grundbegriffe erklärt habe.“

Verblüfft richtete Juliana sich auf. „Ich muss eine theoretische Prüfung ablegen?“

„So verlangt es das Gesetz hier in North Carolina. Als langjähriger Motorradfahrer darf ich Ihnen das Fahren beibringen, aber vorher müssen Sie beim Straßenverkehrsamt eine Prüfung ablegen. Ich kann Ihnen die entsprechenden Unterlagen geben. Am besten fangen Sie gleich heute mit dem Lernen an.“

Sie würde also erst in den Genuss ihres Junggesellen kommen, wenn sie einen Test bestanden hatte? Ihre letzte Fahrstunde lag schon sehr lange zurück, aber mit schriftlichen Prüfungen hatte sie keine Probleme. „Prima. Dann treffen wir uns also zweimal die Woche um sechs Uhr.“

„Ich sag’s den Reportern.“ Rex klappte den Terminkalender zu und stützte die Hände auf die Knie. „Hören Sie, Juliana. Die Bar braucht jede Publicity, die ich durch diese Aktion bekommen kann. Vielleicht ist es ihnen nicht aufgefallen, aber die Leute treten sich da unten nicht gerade auf die Füße.“

„Das habe ich bemerkt. Leere Tische bedeuten fehlender Umsatz, und fehlender Umsatz bedeutet …“

Rex beugte sich zu ihr vor, und schlagartig vergaß Juliana, was sie hatte sagen wollen. Ihr Herz schlug wild vor Aufregung. Sie holte tief Luft und leckte sich die Lippen. Doch Rex küsste sie nicht. Stattdessen zog er eine flauschige pinkfarbene Federboa und eine kleine rosa Handtasche hinter dem Sofakissen hervor und rückte wieder von Juliana ab.

Verwundert blinzelte sie. Hatte sie einen Transvestiten ersteigert? „Gehört das Ihnen?“

Die harten Linien seines Gesichts wurden weicher, und sein Blick bekam einen gefühlvollen Ausdruck. „Meinen Nichten.“

Sie atmete auf. Der Rebell hatte also Nichten. Und seiner Miene nach zu urteilen, hatte er eine Schwäche für die Mädchen. Juliana hatte sich vorgenommen, durch diesen Mann ihre Erfahrung in Bezug auf körperliche Lust zu erweitern. Dass er nicht der rücksichtslose Verführer war, für den sie ihn gehalten hatte, machte es ihr nicht leicht, an ihrem Plan festzuhalten.

Rex erhob sich. „Lassen Sie mich eines klarstellen: Sie haben Reit- und Fahrstunden bei mir ersteigert, und die werden Sie bekommen. Aber das ist auch alles, was ich Ihnen zu bieten habe.“

War sie so leicht zu durchschauen? Vor Verlegenheit wäre sie am liebsten im Boden versunken. „Ich … ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen.“

„Ist es schon Zeit für Sie, sich abholen zu lassen?“

Hatte es schon jemals zuvor ein Mann es so eilig gehabt, sie aus dem Haus zu bekommen?

„Und? Ist er so toll, wie er aussieht? Oder hat er nur Muskeln und kein Hirn?“, fragte Holly, als Juliana vor dem „Renegade“ in den Jeep stieg.

„Er ist mehr als nur eine hübsche Fassade. Und? Hast du deinen Feuerwehrmann bekommen?“

Hastig drehte Holly am Autoradio herum. „Nein.“

Verdammt! „Du hast versprochen, ihn dir zu schnappen.“

„Nein, ich habe versprochen, einen Junggesellen zu ersteigern, und das habe ich getan. Der Feuerwehrmann überstieg mein Limit, und außerdem wirkte Eric schon fast verzweifelt auf der Bühne.“

Juliana fuhr herum. „Eric? Mein Bruder?“

Flüchtig blickte Holly sie an, dann schaute sie wieder nach vorn auf die Straße. Sie nickte. „Bei Eric hieß es, die Frau bekomme elf zauberhafte Abende.“

Das selige Lächeln auf Hollys Gesicht in Verbindung mit ihrem Bruder gefiel Juliana überhaupt nicht. „Aber wir reden hier von Eric! Wenn ich mir vorstelle, wie mein Bruder dir nach dem gemeinsamen Abend einen Abschiedskuss gibt, dreht sich mir der Magen um.“

„Eric sieht genauso gut aus wie dein Rebell.“

„Andrea und du, ihr habt mich überredet, ein Risiko einzugehen und Rex zu ersteigern. Es ist aber überhaupt kein Risiko dabei, jemanden zu ersteigern, den man kennt. Hat Andrea auch gekniffen? Wen hat sie ersteigert?“

„Clayton.“

Mitfühlend seufzte Juliana auf. „Dann will sie es wirklich wissen, ja?“

„Das hat sie zumindest gesagt.“

„Hoffentlich bricht er ihr nicht wieder das Herz.“

„Hoffentlich bricht dein Rebell dir nicht deins. Ich glaube, ich habe eine knisternde Spannung zwischen euch bemerkt und ein paar Funken fliegen sehen, als ihr beide den Klub verlassen habt.“

Funken? Die waren dann aber nur in eine Richtung geflogen. Rex Tanner schien nicht im Mindesten an ihr interessiert zu sein. „Wenn du Funken gesehen hast, dann solltest du zum Augenarzt gehen. Mein Herz ist nicht in Gefahr, und meine Zeit mit Rex Tanner ist strikt begrenzt. Ich bin ziemlich sicher, dass er nicht von einer Frau träumt, für die es schon ein aufregendes Abenteuer ist, die Farbe ihres Nagellacks zu wechseln.“

Rex wusste nicht, wie oft er sich schon dabei ertappt hatte, dass er auf Julianas Po starrte. Er schüttelte den Kopf. „Beim nächsten Mal ziehen Sie sich bitte Jeans an.“ Ihre Reiterhose saß so eng, dass sie wie aufgesprüht aussah. Julianas Po zeichnete sich deutlich darunter ab, und die ärmellose Baumwollbluse betonte ihre Brüste. Ihr glänzendes dunkles Haar hatte sie sich nach hinten gesteckt und unter eine schwarze Reiterkappe geschoben. Der rote Nagellack war von ihren Fingernägeln verschwunden, und auch ihr Gesicht war so gut wie ungeschminkt. Ohne die Kriegsbemalung sah sie noch besser aus.

„Die Stiefel sind okay, und mit der Reiterkappe kann ich auch leben.“

„Schluss bitte, sonst steigen mir die Komplimente noch zu Kopf.“

Bei Julianas spöttischen Tonfall fragte Rex sich, ob er sich ihre Zuneigung am Samstag nur eingebildet hatte.

„Falls ich die Zeit dazu finde, kaufe ich mir bis Donnerstag eine Jeans.“

Rex hatte gerade das Pferd satteln wollen. Jetzt hielt er inne. „Sie besitzen keine Jeans?“

„Nein. Erst die Theorieprüfung, jetzt die Jeans, davon stand nichts im Auktionskatalog.“

„Das meiste davon versteht sich eigentlich von selbst.“ Er sattelte Jelly Bean, die Palominostute, die er für seine Nichten gekauft hatte. „Einen Westernsattel zieht man genauso fest wie einen normalen. Sehen Sie?“

Nachdem er es vorgemacht hatte, nahm er den Sattel wieder ab und trat einen Schritt zurück. „Sie sind dran.“

Das Aufsatteln fiel Juliana nicht schwer, doch die Stute bewegte sich zur Seite und stieß sie gegen Rex. Als er ihren Po an seinem Schoß spürte, reagierte sein Körper sofort, und seine Hose spannte auf einmal genauso wie ihre. Er stützte Juliana und trat einen Schritt zurück. „Versuchen Sie jetzt, die Zügel anzulegen.“

Es war offensichtlich, dass Juliana sich mit Pferden auskannte. Sie legte der Stute geschickt das Zaumzeug an. Anschließend kraulte sie Jelly Bean zur Belohnung fürs Stillhalten zwischen den aufgestellten Ohren das Fell.

Juliana hob einen Fuß, um in den Steigbügel zu steigen, doch ihre enge Reithose spannte zu sehr. Sie stellte den Fuß wieder ab und wandte sich zu Rex um. „Könnten Sie mir beim Aufsteigen helfen?“

Konnte es eine harmlosere Bitte geben? Eigentlich wirkte Juliana mit ihrem zögernden Lächeln eher nervös als verführerisch. Reiß dich zusammen, Tanner, sagte Rex sich. Bilde dir doch nicht ein, dass jede Frau, die dir begegnet, mit dir ins Bett will!

„Natürlich.“ Er umfasste Julianas Taille und hob sie hoch. Erst jetzt merkte er, wie schmal ihre Taille war. Er spürte deutlich die Wärme ihres Körpers durch die dünne Reithose hindurch. Seine Unruhe übertrug sich auf Jelly Bean, das geduldigste Pferd der Welt. Die Stute scheute und trat zur Seite. Rex sprang vor, weil er damit rechnete, dass Juliana stürzte, doch sie hielt sich am Sattelknauf fest.

„Ist das auch ein Test?“, fragte sie.

Wieder klang es spöttisch. Also schön, vielleicht hatte er sich tatsächlich getäuscht.

Juliana stellte sich ein paar Mal in den Steigbügeln auf und setzte sich wieder. „Der Sattel fühlt sich etwas seltsam an, ist aber bequem.“

Schlagartig kam ihm der Kragen seines T-Shirts viel zu eng vor. Er zerrte daran und musste sich räuspern. Schließlich wand Rex den Blick ab. Als er das letzte Mal eine Frau so gesehen hatte, war die Situation sehr viel intimer gewesen. Wie lange war das her? In jedem Fall viel zu lange. Seltsam, er konnte sich im Moment weder an den Namen noch an das Gesicht der Frau erinnern.

Er war nicht stolz auf die endlose Reihe namenloser Frauen in seiner Vergangenheit, doch damals hatte er den Ruhm ausgekostet und erst viel zu spät gemerkt, dass er sich dabei zu einem Idioten entwickelt hatte.

Seine Kollegen aus der Band hatten getrunken oder Drogen genommen, um nach den Auftritten die Anspannung wieder loszuwerden. Er hatte dazu Frauen benutzt, wofür er sich inzwischen verachtete.

Mit großem Glück war er dem Teufelskreis entkommen und hatte beschlossen, seiner Schwester Kelly endlich ein Bruder sein, auf den sie stolz sein konnte, und seinen Nichten wollte er ein guter Onkel sein, zumal ihr Vater in Übersee stationiert war.

Rex sah wieder Juliana an. „In einem Westernsattel sitzt man tiefer als in einem normalen. Nehmen Sie die Zügel und halten Sie die Hände dicht zusammen.“

Unsicher folgte sie der Aufforderung.

„Wissen Sie, wie Sie das Pferd mit den Schenkeln dirigieren können?“

„Ja.“

„Dann lassen Sie es loslaufen.“

Jelly Bean ging im Schritt, und Rex lief neben dem Tier her. Der leichte Abendwind trug einen Hauch von Julianas Parfüm zu ihm herab.

Er ärgerte sich, dass er sich so stark ablenken ließ. Das war sonst gar nicht seine Art. Seine Karriere und der Schlusspunkt, den er darunter gesetzt hatte, waren der beste Beweis dafür. Er hatte es bis an die Spitze schaffen wollen, und das war ihm gelungen. Nach dem Tod seiner Eltern hatte er Nashville verlassen und alle Brücken hinter sich abgebrochen. Rex schüttelte den Kopf, um sich auf die Gegenwart zu konzentrieren.

„Stimmt etwas nicht?“

„Ihre Bewegungen. Sie sitzen praktisch über dem Sattel und nicht in ihm drin. Entspannen Sie sich. Lassen Sie sich in den Sattel sinken.“

„Mein ganzes Leben wurde mir aufrechte Haltung eingetrichtert, und Sie sagen mir jetzt, ich soll mich hängen lassen?“

Ihr überheblicher Tonfall war genau das Richtige, um Rex daran zu erinnern, wie verschieden sie waren. „Das nicht, aber Sie müssen sich entspannen.“ Flüchtig tippte er ihr gegen das Rückgrat. „Hier, und auch hier.“ Er legte ihr eine Hand auf den Bauch, zog sie jedoch hastig wieder zurück, als ihm bewusst wurde, was er tat. Rasch trat er von dem Pferd zurück. Diese Frau hatte eine fatale Wirkung auf ihn. „Lassen Sie sie lostraben, wenn Sie bereit sind.“

Juliana presste Jelly Bean die Fersen in die die Flanken und stellte sich bei jedem zweiten Schritt im Sattel auf, genau wie sie es vom Traben gewohnt war.

„Nein, nein, bleiben Sie einfach sitzen.“

Juliana ließ sich in den Sattel sinken und wurde bei jedem Schritt des Pferds durchgeschüttelt. Sie spürte, wie ihre Brüste auf und ab wippten.

Rex musste bei diesem Anblick die Zähne zusammenbeißen. Er hatte sich schon zu vielen Frauen hingezogen gefühlt, aber noch nie auf diese Weise. „Geben Sie sich hin.“

„Was meinen Sie damit?“, fragte sie und hatte Mühe, zu sprechen, weil sie so durchgeschüttelt wurde. Die Stute schnaubte unwillig.

„Sie müssen sich in der Hüften wiegen.“

Juliana blickte ihn so ratlos an, als hätte er sie aufgefordert zu fliegen.

„Passen Sie Ihre Bewegungen denen des Pferds an.“ Hilflos fügte Rex hinzu: „Als wären Sie mit einem Liebhaber zusammen.“

Juliana wurde rot. Doch endlich klappte es. Schon nach wenigen Schritten hatte sie den Rhythmus perfekt raus. „Tut mir leid, es ist schon eine Weile her.“

Was war eine Weile her? Dass sie geritten war? Der letzte Sex? Es geht dich nichts an, sagte Rex sich, doch die Vorstellung von Juliana, die rittlings auf ihm saß und sich lustvoll aufbäumte, brachte ihn ins Schwitzen. „Ja“, stieß er heiser aus. „Jetzt können Sie es.“

Er musste sich von dieser Bankerin fernhalten. Sie kannte seine Vergangenheit und hatte wahrscheinlich die Macht, ihn in Versuchung zu führen. Das durfte er nicht zulassen.

Wenn dieser Mann seinen Charme ausschaltet, dann aber gründlich, dachte Juliana seufzend. Rex hatte sie nicht im Mindesten ermutigt. Es ärgerte sie, dass sie nicht mal genau wusste, wie man flirtete. Zögernd stieg sie von der Stute. War sie denn wirklich so unattraktiv? Hatte sie so wenig Charme, dass nicht mal ein Mann an ihr interessiert war, der während seiner Tourneen in jeder Stadt mit irgendeiner Frau geschlafen hatte?

Irgendwie musste ihr Plan funktionieren. Für einen Banker war es wichtig, die Risiken einer Investition richtig einzuschätzen. Um sich ein Bild der Lage zu machen, musste man Fragen stellen, und dabei fing man mit den harmlosen an und arbeitete sich zu den kritischeren vor. „Ich schätze, Sie haben nicht vor, Jelly Bean zu verkaufen, oder?“ Sie hatte zwar keine Zeit, um regelmäßig zu reiten, aber ihr kleiner Ausflug hatte sie daran erinnert, wie gern sie früher immer geritten war.

„Ich kann sie gar nicht verkaufen, denn sie gehört Becky und Liza.“

„Und wer sind Becky und Liza?“

„Meine Nichten.“

„Sie haben Ihren Nichten ein Pferd gekauft? Haben Sie ihnen auch dieses Grundstück gekauft, damit die Mädchen einen Ort haben, an dem sie reiten können?“

Rex schüttelte den Kopf.

Juliana sah sein dunkles Haar in der Abendsonne schimmern. Er hatte es sich mit einem Lederband zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Wie mochte es sich anfühlen, das Band zu lösen und die Finger durch diese langen Strähnen gleiten zu lassen?

Die Männer, mit denen sie bisher ausgegangen war, hatten alle Kurzhaarschnitte gehabt und waren immer ordentlich frisiert gewesen. Wie Wally. Sauber und gestutzt, ohne Kanten und Ecken.

Rex dagegen war unangepasst und aufregend.

„Diese Farm gehört mir nicht. Ich habe die Scheune und ein paar Hektar Land nur gepachtet.“

„Wieso sind Sie überhaupt nach Wilmington gekommen?“ Erst als er sie leicht gereizt ansah, wurde ihr bewusst, dass sie ihn wie einen Kreditanwärter ausfragte.

„Mein Schwager dient zurzeit in einer Anti-Terror-Einheit im Nahen Osten. Da wollte ich in der Nähe meiner Schwester und ihrer Töchter sein.“

Das Bild des selbstsüchtigen Weiberhelden wurde mehr und mehr korrigiert. Was mochte sie noch entdecken, wenn sie diesen Mann näher kennenlernte? „Stimmt es, dass Sie auf einer Ranch aufgewachsen sind?“

„Ja.“ Rex ergriff die Zügel und führte die Stute in den Stall.

Juliana ertappte sich dabei, dass sie auf seinen Po starrte. Bisher hatte sie bei Männern den Charakter viel interessanter als das Äußere gefunden, aber sie musste zugeben, dass Rex mit seinem muskulösen, hochgewachsenen Körper eine eindrucksvolle Erscheinung war.

Im Stall roch es nach Hafer, Heu und frisch gemähtem Gras. „Haben Sie die Ranch vermisst, wenn Sie auf Tour waren?“

Zunächst ignorierte Rex ihre Frage und nahm der Stute das Zaumzeug ab. Dann hielt er Juliana eine Bürste hin und sagte: „Ja, das habe ich. Los, striegeln Sie das Tier.“

Juliana konnte sich nicht vorstellen, Wilmington oder die Bank einfach aus ihrem Leben zu streichen. Das zweigeschossige Bankgebäude mit den Marmorsäulen und den schmiedeeisernen Geländern kam ihr wie ein Familienschloss vor. Um in der Nähe ihrer Familie und ihrer Freundinnen zu bleiben, hatte sie auf der staatlichen Universität studiert, anstatt, wie ihre Mutter es sich gewünscht hatte, auf eine teure Elite-Uni zu gehen. „Haben Sie jemals daran gedacht, wieder auf die Ranch zurückzuziehen?“

Über den Hals des Pferds hinweg blickte Rex ihr mit zusammengebissenen Zähnen in die Augen. „Sie haben Reitstunden ersteigert und nicht meine Lebensgeschichte.“

Anscheinend ein wunder Punkt. Aber Juliana war Gespräche mit feindselig eingestellten Menschen gewöhnt. Wenn man Konten prüfte und auf Ungereimtheiten stieß, dann reagierten nur die wenigsten Leute freundlich darauf. Sie hatte gelernt, trotzdem nachzuhaken, bis sie ihre Antworten bekam. Wonach sie bei Rex suchte, wusste sie selbst nicht genau, doch sie würde weiterfragen, bis sie es herausfand.

„Rex, wenn wir im Verlauf der nächsten vier Wochen etliche Stunden miteinander verbringen wollen, dann sollten wir noch über anderes als nur das Wetter sprechen können. Wenn ich Ihnen meine Lebensgeschichte erzähle, schlafen wir beide sofort ein, und da dachte ich mir, wir sprechen lieber über Sie. Aber meinetwegen schlagen Sie ein anderes Thema vor.“

Unwillig nahm er der Stute den Sattel ab und legte ihn über die Stalltür. Dann lehnte er sich lässig dagegen und sah Juliana an. Er trug wieder ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Renegade“, und seine kräftigen Schultern kamen darin ausgesprochen gut zur Geltung.

„Okay. Ja, ich habe die Ranch vermisst. Und ich wünschte, ich wäre zurückgekehrt. Aber das habe ich nicht getan. Als ich es besser wusste, war meine Schwester verheiratet und von zu Hause fort, und meine Eltern waren tot.“

Er sprach völlig sachlich, und es war klar, dass er kein Mitgefühl haben wollte. Trotzdem musste Juliana schlucken, weil sie merkte, wie schwer und schmerzhaft dieses Eingeständnis für ihn war.

Sie tauchte unter dem Gatter zu ihm durch und legte ihm kurz eine Hand auf den angespannten Rücken. „Das tut mir leid.“

Rex wich zurück, dann zuckte er mit den Schultern und drehte sich zu ihr um. „Es braucht Ihnen nicht leidzutun. Ich habe bekommen, was ich verdient habe. Striegeln Sie das Pferd. Ich hole in der Zwischenzeit Hafer und räume auf. In einer halben Stunde sind wir im ‚Renegade‘ mit der Reporterin verabredet.“ Er schulterte den Sattel und ging davon.

Juliana blickte ihm nach. Wenn Rex glaubte, er könnte sie von sich fernhalten, indem er sich wie ein ungehobelter Klotz aufführte, dann täuschte er sich.

3. KAPITEL

„Miss Alden, aus welchem Grund ersteigert die zukünftige Erbin eines Bankhauses einen Mann?“ Die Reporterin Octavia Jenkins beugte sich interessiert vor.

Die Bankerbin! Rex fiel fast vom Stuhl. Bisher war er vollkommen entspannt gewesen. Sein Teil des Interviews war gut verlaufen. Er hatte der Reporterin seine Bar vorgeführt, ihr eine Auswahl der leckeren Snacks serviert und das Gespräch immer wieder geschickt von seiner früheren Gesangskarriere abgelenkt.

„Ihrer Familie gehört die Bank?“ Fassungslos sah er Juliana an. Schon nach der Auktion hatte er vermutet, dass sie eine Menge Geld besaß, aber dass sie so reich war …

Unbehaglich schob Juliana sich auf ihrem Stuhl nach vorn. „Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich für die Alden Bank and Trust arbeite.“

„Aber Sie haben mir nicht verraten, dass Ihrer Familie die Bank gehört.“ Also gehörte ihrer Familie zurzeit auch diese Bar. Jedenfalls als Sicherheit für seinen Kredit. Wenn er das Geld nicht zurückzahlte, würde er nicht nur die Bar, sondern auch das Apartment verlieren. Alles, was er besaß, hatte er ins „Renegade“ gesteckt. „Sie haben mir nie gesagt, wie Sie mit Nachnamen heißen.“

„Danach haben Sie auch nie gefragt.“

Neugierig blickte die Reporterin von ihrem Notizblock auf. „Wollten Sie Ihre Herkunft verheimlichen?“

Juliana zögerte. „Fast jeder hier in der Gegend kennt meine Familie.“

Rex erkannte an ihrem Tonfall, dass Juliana darunter litt. Hatten die Männer sich mit ihr verabredet, nur weil sie eine Bankierstochter war? Er kämpfte gegen das Mitgefühl an, weil er sich in keiner Weise mit ihr verbunden fühlen wollte. Dennoch wurde sie ihm sympathischer.

„Damit kommen wir zu meiner ursprünglichen Frage zurück, Miss Alden. Die Männer sollten bei Ihnen doch Schlange stehen. Warum ersteigern Sie sich einen?“

Als Juliana die Reporterin anlächelte, erkannte Rex in ihrer Haltung die tadellose damenhafte Pose. „Meine Mutter hat die Auktion organisiert, und ich wollte sie in ihren Anstrengungen unterstützen.“

„Und wieso haben Sie Rex Tanner ersteigert?“

Mühsam verbarg Rex sein Interesse. Er verschränkte die Finger auf dem Tisch und wartete gespannt auf Julianas Antwort.

„Er ist neu in der Stadt, und ich bin noch nie Motorrad gefahren.“

Das war alles Blödsinn, darauf hätte er seine Harley verwettet. Flüchtig blickte sie ihm in die Augen, doch aus ihrer angespannten Haltung zog Rex seine eigenen Schlüsse. Was verheimlichte sie? Seine Neugier war geweckt.

Beharrlich hakte Octavia nach: „Es hatte doch nicht etwa etwas mit Ihrem dreißigsten Geburtstag zu tun? Schließlich haben Ihre Freundinnen Andrea Montgomery und Holly Prescott ebenfalls Junggesellen ersteigert. Sie alle drei dürfen jetzt über das Vermögen ihrer Treuhänderfonds verfügen.“

Juliana wurde blass, und atmete tief durch.

Rex bemerkte, wie ihre Brüste sich hoben und senkten. Er verfluchte sich dafür, dass ihn dieser Anblick so erregte, und konzentrierte sich wieder auf Julianas Gesicht.

„Jedes Jahr unternehmen Andrea, Holly und ich irgendetwas, um unsere Geburtstage zu feiern. Wir verdienen alle drei ganz gut, und dieses Jahr haben wir beschlossen, einen Teil der uns ausgezahlten Fonds für diesen wohltätigen Zweck einzusetzen.“

Mit verschwörerischem Lächeln beugte Octavia sich vor. „Sie sind Bankierstochter, er ein Harley-Fan und Barbesitzer. Wollten Sie vielleicht mal ein wildes Abenteuer erleben?“

„Nein, damit liegen Sie völlig falsch.“ Errötend warf Juliana Rex einen panischen Blick zu.

Sie lügt wie gedruckt, dachte Rex. Seltsamerweise erregte ihn die Vorstellung, mit Juliana Sex zu haben, so wie die Reporterin es angedeutet hatte, mehr als alles andere.

„Na, wenn Sie es sagen.“ Octavia klappte ihren Notizblock zu und stand auf. „Wir sehen uns nächste Woche.“

Auch Rex stand auf. Nachdem er die Reporterin zur Tür begleitet hatte, setzte er sich wieder zu Juliana, die noch immer verlegen wirkte. War eine Frau mit dreißig nicht ein bisschen zu alt fürs Rebellieren?

Sie sprang auf. „Ich muss jetzt auch los.“

Rex folgte ihr nach draußen. Der Mond war noch nicht aufgegangen, aber das Licht der Straßenlaternen reichte aus, um zu sehen, wie eng ihre Reithose saß. „Wieso haben Sie mich ersteigert?“, fragte er, als sie sich ihrem Wagen näherten.

„Das habe ich doch schon gesagt.“

„Jetzt hört niemand außer mir zu. Die Wahrheit, Juliana. Warum gerade ich?“

Sie wurde noch verlegener. „Mr. Tanner, ich …“

„Rex“, korrigierte er sie und kam näher. Ohne die hohen Absätze reichte sie ihm gerade mal knapp bis ans Kinn.

Sie trat einen Schritt zurück, und Rex stellte fest, was für einen schönen Glanz ihr dunkles Haar im Laternenlicht hatte. Ein leichter Wind wehte ihr ein paar Strähnen ins Gesicht.

Juliana fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Na schön, Rex. Wie kommen Sie darauf, ich könnte irgendeinen anderen Grund haben, Sie zu ersteigern, als den, den ich angegeben habe?“

Beim Anblick ihrer feucht glänzenden Lippen durchströmte es ihn heiß. „Sie sind rot geworden, als die Reporterin Sie gefragt hat, ob Sie mal aus Ihrem wohlgeordneten Leben ausbrechen wollten. Für mich sah es aus, als hätte sie damit ins Schwarze getroffen.“

Juliana senkte den Blick. „Hat sie nicht.“

„Und ob.“ Rex stützte sich mit einem Arm über ihrem Kopf an dem Laternenpfahl ab, an den Juliana inzwischen zurückgewichen war. Ihre Gesichter waren nun nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. „Wollten Sie herausfinden, ob Nashvilles schlimmster Typ seinem Ruf gerecht wird?“

„Natürlich nicht“, widersprach sie etwas zu hastig. Ihr Blick hing an seinen Lippen, und ein erregender Schauer durchrieselte sie.

Sie begehrt mich, dachte Rex und schluckte. Verdammt, er begehrte sie ebenfalls. Es wäre sicher ein großer Fehler, die Bankerbin zu küssen, doch im Moment wollte er nicht vernünftig sein. Er wollte ihre Lippen schmecken und ihren schlanken Körper an seinem spüren.

Los doch, sagte er sich. Gib dem Drang nach, und dann können wir uns ganz auf die Reit- und Fahrstunden konzentrieren.

Mit der rechten Hand umfasste er ihre zarte Wange. Langsam strich er mit den Fingerspitzen über ihren Hals bis zu ihrem Nacken. Dann schob er die Finger in ihr kühles seidiges Haar. Behutsam beugte er sich vor, sodass Juliana gar nichts anderes übrig blieb, als den Kopf nach hinten zu legen.

„Ist es das, wonach du dich sehnst, Juliana?“ Er legte seine Hände auf ihren Po und zog sie fester an sich. Juliana stieß ihn nicht fort. Sie senkte die Augenlider. Ihre Lippen waren seinen ganz nah.

Schlagartig kam er zur Besinnung. Was zum Teufel tat er da?

Er hielt inne und blickte in Julianas gerötetes Gesicht. Verdammt, die Reporterin hatte vollkommen recht. Juliana benutzte ihn. Doch wenn er jetzt nachgab und sie küsste oder womöglich noch weiterging, dann würde er sie ebenfalls benutzen.

Diese Phase seines Lebens war abgeschlossen. Nie wieder wollte er sich selbst verachten müssen, und ganz bestimmt würde er nicht das Risiko eingehen, etwas mit einer Frau anzufangen, deren Familie ihm spielend leicht den Boden unter den Füßen wegziehen und sein Leben ruinieren konnte.

Er holte tief Luft und schob Juliana von sich. „Wenn Ihnen der Sinn nach einem wilden Abenteuer steht, Miss Alden, dann müssen Sie sich dafür einen anderen Idioten suchen.“ Damit wandte er sich ab und entzog sich der Versuchung. Er wusste, ein Nachgeben würde in einem Desaster enden.

„Also Plan B. Dann muss der Berg eben zum Propheten kommen.“ Juliana lenkte ihren Wagen auf die Auffahrt der Stallungen.

Es war Donnerstagabend, und sie hatte Rex’ Zurückweisung immer noch nicht verwunden. Sie war nun fest entschlossen, sich nicht von ihrem Plan abbringen zu lassen.

Im Verlauf der letzten zweieinhalb Tage hatte sie viel Zeit damit verbracht, sich auf die heutige Lektion vorzubereiten. Sie hatte sich bei Kollegen nach den richtigen Zeitschriften über Motorräder erkundigt und sich die entsprechende Kleidung für ein Treffen mit einem aufregenden Mann gekauft. Außerdem hatte sie das Lehrbuch, das Rex ihr gegeben hatte, von vorn bis hinten durchgearbeitet und die theoretische Prüfung bestanden. Anschließend hatte sie bis spät in die Nacht im Handbuch der Harley Davidson gelesen. Zu guter Letzt war sie während der Mittagspause bei einem Motorradhändler gewesen und hatte sich dort vernünftige Motorradkleidung gekauft.

Sie entdeckte Rex neben seinem Motorrad, und sofort bekam sie wieder dieses Flattern im Magen. Auch an diesem Tag trug er Jeans und T-Shirt. Ihr fiel wieder ein, was bei ihrem letzten Treffen fast geschehen wäre, und ihr wurde heiß.

Wenn er sie schon so erregen konnte, ohne sie überhaupt zu küssen, was mochte dann erst passieren, wenn ihre Lippen sich tatsächlich berührten? Bei dem Gedanken überlief sie ein heißer Schauer.

Noch nie hatte sie nur aus Spaß am Sex mit einem Mann geschlafen, und auch jetzt war ihr bei diesem Gedanken nicht ganz wohl. Bisher war sie nur dann intime Beziehungen eingegangen, wenn sie sich hatte vorstellen können, den Mann irgendwann zu lieben und vielleicht sogar zu heiraten. Dazu war es nie gekommen, und sie war sich durchaus bewusst, dass das zum Großteil an ihr lag. Sie hatte sich nie Hals über Kopf verliebt, hemmungslose Lust hatte sie nie verspürt, und das hatte es ihr leicht gemacht, sich voll und ganz auf den Job zu konzentrieren und ihren jeweiligen Freund zu vergessen.

Die Männer waren es irgendwann leid gewesen, so vernachlässigt zu werden, und hatten die Beziehung beendet.

Vergiss die Fehlschläge, sagte sie sich. Konzentrier dich lieber auf das, was vor dir liegt. Ich sehe jung, sexy und willig aus, sagte sie sich, nahm all ihren Mut zusammen, parkte den Wagen und stieg aus.

Komm schon und hol mich, Mr. Bad Boy!

Rex musterte sie von Kopf bis Fuß, als sie auf ihn zuging, und es kam ihr vor, als würde er wie beim Militär Haltung annehmen. Sein Blick wirkte düsterer als jede unheilvolle Gewitterwolke.

Lass dich nicht aus der Fassung bringen, ermahnte sie sich. „Guten Abend, Rex.“ Julianas sorgfältig aufgesetztes Lächeln verblasste, als Rex es nicht erwiderte. Sie zog die Bescheinigung des Verkehrsamts aus der Gesäßtasche ihrer Jeans und reichte sie ihm. „Ich bin bereit für meine Fahrstunde.“

Er nahm ihr die Bescheinigung ab, doch sein Blick ruhte weiterhin auf ihr. Juliana musste sich beherrschen, um sich die tief sitzende Jeans nicht nach oben zu ziehen und die Arme vor dem knappen Oberteil, das sie trug, zu verschränken. Im Moment wäre sie für alles dankbar gewesen, womit sie die Handbreit nackter Haut zwischen Jeans und Top hätte verdecken können.

Diese Kleidung passte absolut nicht zu ihr, doch sie musste zugeben, dass Rex’ Staunen und seine weit aufgerissenen Augen ihr ein Gefühl der Macht gaben.

Schließlich riss Rex sich zusammen, reichte ihr brüsk die Bescheinigung zurück und wandte sich wieder seiner Harley zu. „Wir fangen mit den Grundbegriffen an.“

Seine Stimme klang tiefer, als Juliana sie in Erinnerung hatte. Der Anblick seiner angespannten Schultern dagegen war ihr schon vertraut. Wie schaffte er es bloß, seinen Charme derart unvermittelt an- und auszuknipsen? Auf der Wohltätigkeitsveranstaltung und im Gespräch mit der Reporterin war er überwältigend sexy, aufgeschlossen und humorvoll gewesen. Ihr gegenüber verhielt er sich abweisend. Wer war der echte Rex Tanner? Was ging in ihm vor?

Juliana stopfte die Erlaubnis, Fahrstunden zu nehmen, zurück in ihre Hosentasche und versuchte genug Mut für die nächsten zwei Stunden aufzubringen. „Ich habe mir ein Handbuch und ein Video ausgeliehen. Jetzt kenne ich alle Teile, aus denen sich ein Motorrad zusammensetzt.“

Rex schwieg und polierte am Tank des Motorrads herum. Juliana erhaschte einen Blick auf seinen Waschbrettbauch und sog scharf den Atem ein.

Mit ihrem Lerneifer konnte sie Rex offenbar nicht beeindrucken. Aber das überraschte sie im Grunde nicht. Ihr war noch kein Mann begegnet, der den Verstand einer Frau zu schätzen wusste.

„Kann ich dein Motorrad heute fahren?“

Er warf ihr nur einen kurzen Blick zu. „Meine Maschine ist zu schwer für eine Anfängerin. Außerdem trägst du nicht die richtige Kleidung.“

„Ich habe eine Lederjacke und Handschuhe im Auto, aber dafür ist es eigentlich ein bisschen zu heiß, findest du nicht? Könntest du dich nicht hinter mich setzen und mir dabei helfen, die Maschine aufrecht zu halten?“

Rex biss die Zähne zusammen. „Zeig mir erst mal, was du schon weißt.“

Obwohl sie es aus der Bank gewöhnt war, Präsentationen zu halten, bekam sie jetzt feuchte Hände. Ihre Brust fühlte sich wie eingeschnürt an, und ihr Herz raste vor Aufregung. „Okay.“

Juliana versuchte nicht daran zu denken, wie dicht Rex hinter ihr stand, als sie um das Motorrad herumging und dabei die einzelnen Teile und ihre Funktionsweisen beschrieb, genau wie ein Verkäufer beim Motorradhändler. Schließlich blickte sie Rex an. War das etwa Anerkennung, was sie da in seinem Blick sah?

„Das war die heutige Lektion. Und die von der nächsten Woche gleich dazu. Hast du das ganze Handbuch auswendig gelernt?“

Ihre Wangen brannten. Juliana schlang die Arme um ihren Oberkörper. Lernen fiel ihr leicht, das war sie gewöhnt. „So ziemlich.“

Rex strich sich nachdenklich über das Haar, das er wieder hinten im Nacken zusammengenommen hatte, und Juliana ballte die Hände zu Fäusten, so sehr sehnte sie sich danach, ihm durch die langen dichten Strähnen zu streichen. Fühlte es sich eher trocken und drahtig an oder seidenweich? Auf jeden Fall wirkte es sehr gepflegt. Die Spitzen waren geschnitten, und es glänzte.

Rex atmete tief aus. „Setz den Helm auf, und steig auf die Maschine.“

Einen Moment lang schien ihr Magen nach unten zu sacken, dann riss sie sich zusammen und folgte hastig seiner Aufforderung. Nervös setzte sie sich auf das Motorrad. Ihre Hände zitterten, als sie die Lenkergriffe umfasste. Die Harley fühlte sich noch größer und breiter an als beim letzten Mal, aber da hatte sie auch hinten gesessen und nicht auf dem Fahrersitz.

Rex setzte sich ebenfalls einen Helm auf. Er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, und Juliana fand ihn so sexy, dass sie Herzklopfen hatte. Rex und sie berührten sich nicht, dennoch bildete sie sich ein, seine Körperwärme zu spüren. Als er mit seinen muskulösen Armen um sie herumgriff und die Hände auf ihre legte, fühlte Juliana den Druck seiner Schultern.

Sie schluckte, weil ihr Mund so trocken war. Ihr Pulsschlag dröhnte ihr so laut in den Ohren, dass sie sich konzentrieren musste, um Rex’ leise gesprochene Anweisungen zu verstehen.

„Wenn wir so weit sind, möchte ich, dass du deine Füße auf meine Stiefel stellst, damit du spürst, wie ich die Gänge wechsle. Ich werde deine Hände mit meinen umfassen, damit du mitbekommst, wie ich Gas gebe und bremse.“

Seine Handflächen waren warm und etwas rau. Er verschränkte die Finger mit Julianas, und sie erschauerte.

Rex gab ihr Sicherheitstipps und allgemeine Informationen, doch Juliana fiel es schwer, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Sie war froh, dass sie das meiste ohnehin schon aus dem Handbuch wusste.

„Ich starte jetzt die Maschine, und dann drehen wir langsam eine Runde um die Farm.“

Juliana zitterte schon, bevor der Motor überhaupt lief.

„Entspann dich!“, rief Rex ihr über den Motorenlärm zu.

Das war leichter gesagt als getan. Juliana hätte nicht sagen können, was sie nervöser machte: der Mann hinter ihr oder die Maschine unter ihr. Wahrscheinlich eher der Mann.

Rex ließ das Motorrad nach vorn rollen, um den Ständer hochzuklappen. Seine Brust drückte sich an Julianas Rücken, und sein Atem streifte ihre Nackenhärchen unter dem Rand des Helms. Seine Oberarme pressten sich an ihre Arme.

Es ließ sich nicht leugnen, sie war erregt. Ein Glück, das beweist wenigstens, dass ich zu solchen Empfindungen fähig bin, sagte sie sich.

„Halt die Kupplung fest und leg den Gang ein.“ Mit der linken Hand führte Rex Julianas, während er mit dem linken Fuß die Gangschaltung bediente. „Und dann lässt du die Kupplung langsam wieder kommen“, rief er ihr über die Schulter zu. „Ganz langsam und gleichmäßig.“

Das Motorrad schoss so heftig nach vorn, dass sie nach hinten geworfen wurde. Ihr stockte der Atem. Nicht aus Angst vor dem Motorrad, sondern wegen Rex, den sie dicht an sich spürte. In ihrem dünnen Top kam sie sich fast nackt vor. Eigentlich hätte sie wieder nach vorn rutschen können, aber der Drang, sich an Rex zu schmiegen, war einfach zu groß.

„Jetzt schalte in den zweiten Gang“, befahl er.

Sie fuhren die lange, mit Kies bestreute Auffahrt entlang. Juliana spürte die Stärke des Motors in ihrem Körper. Jede Unebenheit in der Straße ließ sie gegen Rex stoßen, und die Fahrt kam ihr wie eine Ganzkörpermassage vor.

Ich kann nicht zwei gefährliche Dinge gleichzeitig lernen, sagte sie sich. Wenn ich uns nicht umbringen will, muss ich mich aufs Fahren konzentrieren. Für Rex und seine Wirkung bleibt mir später noch Zeit.

Obwohl es ihr schwerfiel, konzentrierte Juliana sich ganz auf das sich ständig verändernde Motorengeräusch. Gleichzeitig versuchte sie angestrengt, Rex’ Brust, die sich an ihren Rücken presste, zu ignorieren.

Als sie die dritte Runde drehten, wusste Juliana bereits, wann man in den nächsten Gang schalten musste. Ganz allmählich entspannte sie sich etwas. Die Abendsonne schien ihr ins Gesicht, und der süße Duft von Geißblatt lag in der Luft. Sie spürte den Fahrtwind an ihren nackten Armen und am Bauch. Daran könnte ich mich gewöhnen, dachte sie. Es könnte mir sogar Spaß machen.

Juliana Alden auf einem Motorrad, das würde ihrer Mutter einen ordentlichen Schreck versetzen.

Rex bremste behutsam und brachte das Motorrad zum Stehen. „Du bist dran.“

Julianas Puls, der sich in der letzten Viertelstunde gerade erst etwas beruhigt hatte, begann sofort wieder zu rasen. Sie rutschte etwas zur Seite und blickte nach hinten. Rex’ Gesicht war ihrem so nahe, dass sie praktisch jedes einzelne Barthaar erkennen konnte. In seinen Augenwinkeln sah sie Lachfältchen, und dann blickte sie auf seine Lippen. Sie schluckte. „Jetzt schon?“

Ein paar Sekunden lang sah er ihr in die Augen, dann betrachtete er ihre Lippen.

Juliana hielt die Luft an. Ich brauche mich nur ein bisschen vorzubeugen, dachte sie, und dann …

Rex ließ die Lenkergriffe los, rutschte ein wenig zurück und stemmte seine Fäuste auf die Schenkel. „Du bist bereit, zu fahren.“

Seine Stimme klang noch tiefer und heiserer als sonst.

Juliana kämpfte gegen ihre Enttäuschung an. Sie konnte sich nicht erinnern, sich jemals so danach gesehnt zu haben, einen Mann zu küssen. Bei Wally hatte sie so etwas jedenfalls nie erlebt.

Wally. Innerlich zuckte sie zusammen. Wie hatte sie ihn vergessen können? Er war ein netter, zuverlässiger Mann, und ihre Eltern mochten ihn. Von ihrer Mutter wusste Juliana, dass seine Assistentin, eine geschiedene Frau mit drei Kindern, ihn bei der Auktion ersteigert hatte. Wie hatte Donna sich das eigentlich leisten können? Juliana bekam Schuldgefühle. Wahrscheinlich hatte Wally den Scheck selbst ausgestellt. Hatte er geglaubt, Juliana würde ihn ersteigern? Sie würde sich bei ihm entschuldigen müssen.

Vielleicht kam ihr eine Ehe mit Wally am Ende des Monats nicht mehr wie ein Verrat an den eigenen Träumen vor. Wenn sie zu wilder Lust überhaupt nicht fähig war, dann brauchte sie bei ihrer Lebensplanung auch keine Rücksicht darauf zu nehmen.

Eine Wolke schob sich vor die Sonne, und Juliana bekam eine Gänsehaut. „Bist du sicher, dass ich mit dem Motorrad zurechtkomme?“

„Ganz bestimmt. Ich sitze ja hinter dir, falls du Hilfe brauchst.“ Rex klappte die Fußstützen für den Beifahrer aus.

Mit feuchten Händen umfasste Juliana die Griffe des Lenkers. Probehalber betätigte sie Kupplung und Gas, dann hob sie den Fuß zur Gangschaltung.

Rex umfasste ihre Taille. Der unerwartete Kontakt auf ihrer nackten Haut ließ Juliana erschauern. Sie ließ die Kupplung zu schnell kommen, das Motorrad machte einen Satz nach vorn, und der Motor ging sofort wieder aus. Rex wurde gegen sie geschleudert.

„Ganz ruhig. Versuchs noch mal.“

Sein Atem streifte ihr Ohr. Wie sollte sie sich konzentrieren, wenn seine Hände sich auf ihrer Haut glühend heiß anfühlten?

Als könnte er ihre Gedanken lesen, schob Rex seine Hände höher. Jetzt berührte er zwar nicht mehr ihre nackte Haut, dafür fühlte Juliana seine Fingerspitzen dicht unter ihren Brüsten. Das steigerte nicht gerade ihre Konzentration, zumal sie ohnehin jeden seiner Finger durch das dünne Oberteil hindurch spürte.

Sie biss die Zähne zusammen. Am liebsten hätte sie Rex’ Hände noch ein Stück höher geschoben.

Juliana legte den Leerlauf ein, startete den Motor und versuchte es erneut. Das Motorrad schoss einen halben Meter vor und verstummte. Beim dritten und vierten Versuch hatte sie auch nicht mehr Erfolg. Jedes Mal wurde sie gegen Rex gepresst, was ihren Frust und ihre Anspannung nur noch steigerte. „Ich schaffe es nicht.“

„Doch, du schaffst es. Würde es dir helfen, wenn ich meine Hände wieder mit an den Lenker lege?“

„Ja.“ Sie wurde rot und war überzeugt, dass sich jeden Moment Dampf unter ihrem Helm bilden musste. Sie traute sich nicht, sich zu Rex umzudrehen. „Es … es fällt mir schwer, mich zu konzentrieren, wenn du mich berührst.“

In der anschließenden Stille war Rex’ Ausatmen deutlich zu hören.

„Fahr“, stieß er aus und legte die Hände seitlich neben Julianas an den Lenker.

Das Motorrad gehorchte. Juliana sah nach vorn und fuhr in die Kurve. Das Schalten in den zweiten Gang fiel ihr schon leichter. Sie hatte gerade in den dritten Gang geschaltet, als Rex ihr die Hände wieder an die Taille legte. Sie war sich jedes einzelnen Fingers bewusst und musste sich zusammenreißen, um nicht aufzustöhnen. Sie brauchte die volle Konzentration, also durfte sie sich durch nichts und niemanden ablenken lassen.

Dann wurde es ihr schlagartig bewusst: Sie fuhr Rex’ riesige schwarze Harley! Zugegeben, Rex saß hinter ihr, aber sie fuhr das Motorrad. Adrenalin schoss ihr durch die Adern. Sie hielt das Gesicht in den Wind und lachte laut auf.

Ihre Freude hielt genau fünf Minuten an. Ein dicker Regentropfen landete auf ihrer Wange, und kurz darauf goss es in Strömen. Rex beugte sich vor und rief: „Fahr zur Scheune.“

Juliana lenkte das Motorrad zur schützenden Scheune und gab dabei so viel Gas, wie sie sich traute. Sie raste dahin, obwohl ihr die Regentropfen gegen die Arme und ins Gesicht prasselten. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und sie war bis auf die Haut durchnässt und bekam eine Gänsehaut. Sie fuhr langsamer und lenkte die Maschine vorsichtig durch das offene Scheunentor.

Autor

Emilie Rose
Ihre Liebe zu romantischen Geschichten hat Emilie bereits im Alter von zwölf Jahren entdeckt. Zu der Zeit las sie einen Liebesroman nach dem anderen, sodass ihre Mutter die Bücher bald unter den Sofakissen versteckte, sobald Emilie ins Wohnzimmer kam.

Dabei verbrachte sie damals viel Zeit in der freien Natur, wenn sie...
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