Julia Exklusiv Band 293

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LIEBESABENTEUER AUF DEN BAHAMAS von FIELD, SANDRA
Einmal im Leben macht Kelsey etwas Verrücktes und sehr Aufregendes: Sie fliegt mit dem Millionär Luke Griffin in seine Traumvilla auf den Bahamas. Und dass der attraktive Mann nicht nur am Strand spazieren gehen will, weiß Kelsey genau!

BEI TAG - UND AUCH BEI NACHT? von WYLIE, TRISH
Blake Clayton ist sexy wie die Sünde, findet Olivia. Aber die schöne Anwältin ruft sich sogleich zur Ordnung. Schließlich ist er ihr neuer Klient! Und Job und Vergnügen hält sie strikt voneinander getrennt. Doch dann verlangt Blake, dass Olivia ihm Tag und Nacht zur Seite steht …

EINMAL UND FÜR IMMER von HARDY, KATE
Sie ist es! Dem Unternehmer Jordan Smith stockt der Atem, als die neue Marketingleiterin sein Büro betritt. Das letzte Mal hat er Alexandra gesehen, als sie achtzehn war. Damals war sie süß und schüchtern. Jetzt ist sie aufregend und unwiderstehlich sexy …


  • Erscheinungstag 05.01.2018
  • Bandnummer 0293
  • ISBN / Artikelnummer 9783733711108
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sandra Field, Trish Wylie, Kate Hardy

JULIA EXKLUSIV BAND 293

1. KAPITEL

Wenn er sich schon mit dieser schrecklichen Villa befassen musste, dann am liebsten allein.

Wenn er schon die vielen Kartons in einem der Zimmer nach Hinweisen auf eine Mutter durchsuchen musste, zu der er – milde ausgedrückt – ein eher zwiespältiges Verhältnis hatte, dann am liebsten ganz allein. Aber das würde Ewigkeiten dauern, und dafür hatte Luke Griffin keine Zeit. Er musste ein Finanzimperium leiten.

Er benötigte Hilfe.

Was völlig ungewöhnlich für ihn war. Solange er sich erinnern konnte, hatte er alles allein erledigt.

Wieder blätterte er im Branchenbuch. Organize Your Home. Das hörte sich gut an. Professionelle Ordnungsfanatiker könnten für ihn doch ein paar Kartons sichten, oder? Sonst bliebe ihm nichts anderes übrig, als alles in den Müllcontainer zu werfen.

Luke wählte die angegebene Nummer.

„Hallo?“

Eine Frauenstimme, samtweich, rauchig.

„Ist dort Organize Your Home?“, fragte er in geschäftsmäßigem Ton.

„Die Firma hat ihren Betrieb eingestellt … tut mir leid.“

Es klang eher, als freute sie sich darüber. „Mein Name ist Luke Griffin“, sagte er. „Ich wohne vorübergehend in Griffin’s Keep und habe mindestens drei Tage Arbeit für Sie.“

„Wie ich schon sagte, Mr. Griffin, ich habe die Firma geschlossen. Letzte Woche.“

Unbeeindruckt fragte er: „Was berechnen Sie pro Stunde?“

„Das ist nicht …“

„Beantworten Sie mir nur meine Frage. Und nennen Sie mir bitte Ihren Namen.“

„Kelsey North. Vierzig Dollar die Stunde. Und die Firma existiert nicht mehr.“ Ihre Stimme klang leicht gereizt.

„Ich zahle Ihnen zweihundertfünfzig. Nehmen Sie das mal drei Tage – ich bin sicher, Sie können rechnen.“

Schweigen. Dann erkundigte sie sich kurz angebunden: „Was für eine Arbeit ist das?“

„Meine Großmutter Sylvia Griffin hat mir einige Unterlagen hinterlassen, die von großem persönlichem Interesse für mich sind. Leider sind sie mit ihren Finanzunterlagen durcheinandergeraten. Die Kartons müssen sorgfältig durchgesehen werden. Ich bin ein viel beschäftigter Mann und muss zurück nach New York, sonst hätte ich es selbst getan.“

„Verstehe. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer. Ich rufe heute Abend zurück.“

Er nannte sie ihr. „Ich freue mich auf Ihren Anruf“, sagte er dann höflich. „Auf Wiederhören, Miss North.“

Am anderen Ende der Leitung wurde der Hörer völlig unprofessionell auf die Gabel geworfen. Wäre sie eine meiner Mitarbeiterinnen, ich würde ihr einen Crashkurs für den Umgang mit Kunden verordnen, dachte Luke.

Trotzdem, wenn sie absagte, steckte er in großen Schwierigkeiten.

Falls nötig, würde er sein Angebot auf fünfhundert Dollar die Stunde erhöhen. Damit kriege ich sie garantiert herum, dachte er und machte sich auf den Weg in die altmodische Küche, in der Hoffnung, dort irgendwo Kaffee zu finden.

Kelsey sah entgeistert auf den Hörer. Was für ein arroganter Kerl! Glaubte er wirklich, dass alle gleich nach seiner Pfeife tanzen würden?

Organize Your Home gab es nicht mehr! Schluss. Finito! Sie war frei, frei, frei!

Sie tanzte aufgedreht durchs Wohnzimmer, ehe sie sich wieder an den Tisch setzte. Als der Anruf kam, hatte sie an ihrer Liste gearbeitet. Mit rotem Marker geschrieben, notierte Kelsey all die Dinge, die sie tun wollte – jetzt, da sie endlich frei war.

Zur Kunstschule gehen.

Reisen.

Ein Meisterwerk schaffen.

Zehennägel purpurrot lackieren.

Heißen Sex haben.

Sie runzelte die Stirn und strich heißen aus. Sex allein reichte doch schon, oder? Unzufrieden strich sie auch Sex haben aus und schrieb stattdessen: eine Affäre haben. Das hörte sich romantischer an. Stilvoller. Besonders, wenn sie dabei an einen hochgewachsenen, dunkelhaarigen, gut aussehenden Mann dachte. Einer, der sie wie kostbares Porzellan behandelte, ihr Rosen schenkte und ihr das Frühstück ans Bett brachte.

Kelsey hatte in den letzten Jahren Verabredungen gehabt, aber keiner der Männer war groß, dunkelhaarig und attraktiv gewesen. In Hadley gab es keine große Auswahl. Kelsey seufzte tief und fügte ihrer Liste den Vorsatz Urlaub hinzu.

Leider konnte sie sich keinen Urlaub leisten, bevor sie das Haus verkauft hatte. Fast ihre gesamten Ersparnisse waren für die Anmeldegebühr der Kunstschule in Manhattan draufgegangen.

Zweihundertundfünfzig Dollar die Stunde, drei volle Tage lang. Sechstausend Dollar.

Ja, rechnen konnte sie.

Er versucht mich zu bestechen, dachte sie verärgert. Der berühmte, oder besser gesagt, der berüchtigte Luke Griffin glaubte offensichtlich, sie wäre käuflich.

Nun, er könnte recht haben. Bis zu einem gewissen Punkt.

Musste eigentlich alles aufs Geld hinauslaufen?

Mit sechstausend Dollar könnte sie die ersten beiden Semester bezahlen und hätte auch noch für den Urlaub etwas übrig. Irgendwo im Süden, wo es warm war.

Außerdem griff sie nicht gerade einem Armen in die Tasche. Luke Griffin konnte es sich leisten. Alice vom Postamt hatte Kelsey anvertraut, dass er schon vor ein paar Jahren vom Millionär zum Milliardär geworden war.

Die Papiere einer Verstorbenen zu sichten stand nicht auf ihrer Liste.

Na und? Sie würde zu Griffin’s Keep fahren, drei Tage lang bis zum Umfallen schuften, das Geld einstecken – und dann ab in die Wärme!

Bis es so weit war, würde sie das Internet nach einem günstigen Urlaubsangebot auf einer karibischen Insel mit Palmen, endlos langen weißen Sandstränden und Drinks mit bunten Schirmchen durchforsten. Rasch, bevor sie ihre Meinung wieder ändern konnte, griff sie zum Telefon und wählte.

Luke wischte die Staubschicht vom Hörer und presste ihn ans Ohr.

„Luke Griffin“, meldete er sich.

„Hier ist Kelsey North. Wann soll ich anfangen?“ Ihre rauchige Stimme klang leicht gereizt.

„Morgen früh um halb neun. In der Speisekammer habe ich außer Mäusedreck bisher nichts gefunden, also bringen Sie sich Ihren Kaffee besser mit, falls Sie ihn brauchen, um morgens in Schwung zu kommen.“ Er lächelte. „Und ziehen Sie alte Sachen an, seit Monaten hat hier niemand sauber gemacht. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen, Miss North.“ Behutsam legte er den Hörer auf.

Noch eine Frau, bei der Geld Wunder bewirkt, dachte er und fragte sich, ob ihr Äußeres wohl ihrer faszinierenden Stimme entsprach.

Kelsey zog sich am nächsten Morgen mit Sorgfalt an. Dann nahm sie ihre Kaffeedose samt Dosenmilch und verließ das Haus. Ihr Wagen sprang auf der Stelle an, und auf der zehnminütigen Fahrt nach Griffin’s Keep hatte sie genug Zeit zum Nachdenken.

Seit Sylvia Griffin gestorben war, blühten in Hadley Klatsch und Tratsch. Sylvias Enkel Luke hätte nicht einen einzigen Cent geerbt, sagten kurz nach ihrem Tod die einen. Er würde alles bekommen, behaupteten andere. Er würde mit einer Stretchlimousine zur Beerdigung kommen. Nein, er wäre in Hongkong und würde per Hubschrauber einfliegen. Sein geschätztes Vermögen beliefe sich auf eine Milliarde, zehn Milliarden, hundert Milliarden …

Nur in einem Punkt bestand Einigkeit: Keine Frau konnte ihm widerstehen, und all seine Gespielinnen waren umwerfend schön, reich und elegant.

Am Ende hat er nicht einmal an der Beerdigung teilgenommen, dachte Kelsey, als sie die schmale Nebenstraße entlangfuhr. Wahrscheinlich war er viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, sein Vermögen zu mehren und eine elegante Schönheit nach der anderen in sein Bett zu zerren! Sie bog auf die Auffahrt von Griffin’s Keep ein.

Als sie die mit Grünspan überzogene Messingklingel drückte, konnte sie nicht verhindern, dass sie ein wenig aufgeregt war.

Durch die schmalen Fenster zu beiden Seiten des Eingangs hörte sie jemand die Treppe hinunterlaufen, dann wurde die Tür aufgerissen.

Kelsey verschlug es die Sprache.

Luke Griffin trug Jeans und ein weißes T-Shirt. Der Hosenknopf stand offen, und unter dem legeren Oberteil zeichneten sich eindrucksvolle Brustmuskeln ab. Oh, Mann, dachte sie, schluckte und zwang sich, nach oben zu blicken. Groß war er auch. Wirklich groß. Sein Haar war pechschwarz und zerzaust, dunkle Bartstoppeln markierten Kinn und Wangen. Tief liegende, unglaublich blaue Augen, eine markante Nase, hohe Wangenknochen und ein wohlgeformter männlicher Mund beherrschten ein Gesicht, das auf einen starken Charakter schließen ließ. Gut aussehend ist noch untertrieben, dachte sie schwach.

„Luke Griffin.“ Er fuhr sich mit schlanken Fingern durch das unordentliche Haar und unterdrückte ein Gähnen. „Entschuldigung, aber ich bin gerade erst wach geworden. Jetlag – es kommt mir vor, als wäre es drei Uhr morgens.“

„Ich sollte um halb neun hier sein, hatten Sie gesagt“, erwiderte sie pikiert.

„Stimmt.“ Sein Lächeln ließ ihr Herz schneller schlagen. „Das zeigt nur, was für lausige Entscheidungen ich treffe, wenn ich über die Datumsgrenze fliege. Aber kommen Sie herein, ich zeige Ihnen, was zu erledigen ist.“ Sein Blick fiel auf ihre Mitbringsel. „Ist das etwa Kaffee? Echter Bohnenkaffee?“

„Kolumbianischer.“

„Sie sind ein Goldstück!“ Er zog sie ins Haus und schloss die Tür hinter ihr.

Da er dabei ihren Oberarm umfasste, war sie seiner breiten Brust viel zu nahe. Luke Griffin roch warm und unbeschreiblich männlich: ein Mann, der gerade aus dem Bett gestiegen war.

Bett, dachte Kelsey leicht benommen. Heißer Sex.

„Stimmt etwas nicht?“

„Nein, nein, alles in Ordnung!“, versicherte sie hastig.

Wieder überwältigte sie sein charmantes Lächeln. „Ich weiß, Sie sind hier, um Papiere zu sortieren. Aber wenn Sie in dieser Schreckenskammer von Küche einen Becher Kaffee herbeizaubern könnten, wäre ich Ihnen auf ewig dankbar.“

„Ich werde es versuchen“, sagte sie.

„Inzwischen gehe ich duschen. Und ich verspreche, richtig wach zu sein, wenn ich wieder herunterkomme, Miss North.“

„Kelsey, bitte.“

„Gut, ich bin Luke.“ Er deutete mit dem Kopf nach links. „Die Kartons stehen im dritten Zimmer den Flur entlang.“

„Okay.“

Okay? Mehr fiel ihr nicht ein? Ihr wurde der Mund trocken, als sie zusah, wie er die geschwungene Mahagonitreppe hinaufeilte – immer zwei Stufen auf einmal. Seine nackten Füße hinterließen in der dicken Staubschicht deutliche Spuren.

Die Küche. Kaffee. Konzentrier dich, Kelsey.

Wie sollte sie die nächsten drei Tage überstehen, ohne über ihn herzufallen? Sie, die in ihrem ganzen Leben noch nie über einen Mann hergefallen war.

Sie marschierte den Flur entlang in die Küche. Welch ein Jammer, dachte sie, als sie die uralten Geräte und die ranzig riechende Fettschicht auf Arbeitsflächen und Fußboden sah. Einen Moment lang vergaß sie sogar Luke Griffin, voller Mitleid für eine Frau, die so reich gewesen war und dennoch in einem solchen Dreck gehaust hatte.

Hätte Luke sich die Zeit genommen und seine Angehörige besucht, hätte er eine Haushälterin einstellen können, dachte Kelsey, während sie die Kaffeemaschine putzte, die sie in einem der Schränke gefunden hatte. Wie konnte er seine Großmutter so sehr vernachlässigen, fragte sie sich.

Kelsey unterdrückte ihren aufsteigenden Ärger, stellte die Kaffeemaschine an und machte sich auf die Suche nach dem Raum mit den Kartons.

Sie stapelten sich so hoch, dass die schmalen Fenster verdeckt waren. Wie sollte sie das alles in nur drei Tagen durchsehen? Hatte Luke Griffin den Verstand verloren?

Sie biss sich auf die Lippe, kehrte in die Küche zurück und wusch zwei Becher aus.

Luke knöpfte sich die Hose zu und streifte einen dunkelblauen Pullover über. Fehlten noch die Socken. Er begann in seinem Koffer zu wühlen.

Kelsey North passte überhaupt nicht zu ihrer sexy Stimme. Das nicht besonders moderne braune Tweedkostüm war zu lang, die Jacke unförmig, der Rock zu weit. Sie trug eine hochgeknöpfte weiße Bluse, derbe dunkelbraune Schnürschuhe mit flachen Absätzen – und zu allem Überfluss eine dicke Hornbrille.

Es war ihm ein Rätsel, wie eine junge Frau mit einer solch verführerischen Stimme sich so hässlich kleiden konnte. Selbst der rosa Lippenstift sah scheußlich aus.

Er kämmte sich eilig. Ihre Haarfarbe allerdings war ganz hübsch – rötlich braun. Wenn sie die Haare nur nicht in diesen strengen Knoten gezwängt hätte! Auch ihre schmalen Knöchel waren nicht übel.

Dir fällt wirklich jedes Detail auf, dachte er trocken. Anscheinend hatte er gehofft, dass der Rest von ihr zu ihrer aufregenden Stimme passte. Dass sie ihm die drei eintönigen Tage irgendwie leichter machen würde.

Das konnte er sich aus dem Kopf schlagen!

Luke zog Schuhe an, rannte die Treppe hinunter und folgte dem aromatischen Duft in die Küche. „Ah, Kaffee! Heiraten Sie mich?“

Kelsey blickte ihn verdutzt an. „Probieren Sie ihn lieber erst.“

„Nicht nötig. Nennen Sie mir den Tag.“

„Eine Hochzeit steht nicht auf meiner Liste, Mr. Griffin“, antwortete sie aufrichtig.

„Liste? Ach ja, natürlich. Organize Your Home – Sie haben bestimmt viel für Listen übrig. Und garantiert sind sie alphabetisch geordnet, stimmt’s?“ Er schenkte sich Kaffee ein, gab einen kräftigen Schuss Kaffeesahne dazu und trank einen Schluck. „Den dürfen Sie unter H wie himmlisch abheften.“

„Und Sie hefte ich unter C für Charme ab“, gab sie heftiger als gewollt zurück.

„Nach einem Kompliment hörte sich das nicht an.“

„Das sollte es auch nicht sein. Charmanten Männern kann man nicht trauen.“ Sie füllte sich ihren Becher. „Ein paar Kartons habe ich schon aufgemacht. Was genau hoffen Sie darin zu finden?“

Luke musterte sie von oben bis unten, von dem im Haar steckenden Bleistift bis hin zu ihrem tief hängenden Rocksaum. „G wie Geschäft – ich verstehe.“

„Bei einem Stundenlohn von zweihundertfünfzig Dollar bietet sich das an.“

„Ihre Schlagfertigkeit passt nicht zu Ihrem Outfit. Intelligent sind Sie. Warum ziehen Sie sich so an?“

Sie wurde rot, und zum ersten Mal fiel ihm der elegante Schwung der Wangenknochen hinter den starken Brillengläsern auf. „Was geht es Sie an, wie ich mich anziehe?“

„Ich verlange nicht, dass alle Frauen in meinem Leben schön sein sollen – nicht einmal hübsch müssen sie sein“, meinte er nachdenklich. „Aber Charakter ist mir wichtig, und dazu gehört das Selbstvertrauen, sich wie eine schöne Frau anzuziehen.“

„Alle Frauen?“, wiederholte Kelsey spöttisch. „Wahrscheinlich können Sie sich kaum vor ihnen retten.“

„Geld ist ein mächtiges Aphrodisiakum.“

„Ihr Vermögen interessiert mich nicht“, erwiderte sie lakonisch. „Verraten Sie mir lieber, wonach ich in all diesen Kartons suchen soll.“

Luke wünschte, er wüsste die Antwort. Er trank einen kräftigen Schluck. „Meine Mutter war die Tochter von Sylvia Griffin“, antwortete er kurz angebunden. „Wir suchen nach allem, was in Verbindung mit Rosemary Griffin steht. Legen Sie alle Seiten mit ihrem Namen beiseite, ohne sie zu lesen.“

Kelseys Röte vertiefte sich. „Es besteht kein Grund, mich zu beleidigen.“

„Ich erkläre Ihnen nur, wie der Job erledigt werden soll.“

Eigentlich sollte sie auf der Stelle gehen. Aber … für sechstausend Dollar konnte man doch ein, zwei Beleidigungen schlucken, oder? „Sehr schön“, sagte sie übertrieben höflich. „Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich möchte anfangen.“

Luke sah ihr hinterher, als sie aus der Küche stolzierte. Frustriert seufzte er, trank seinen Kaffee aus und goss den Becher noch einmal voll. Sie hatte ja recht. Wie sollte sie die entsprechenden Seiten aufspüren, wenn sie sie nicht zumindest teilweise durchlesen durfte?

Den Becher in der Hand, verließ er die Küche und ging in den Raum mit den Kartons. Kelsey saß bereits am Fenster, den ersten Karton geöffnet neben sich, die Papiere ordentlich gestapelt auf dem Tisch. Luke schleppte einen weiteren Tisch aus dem Wohnzimmer heran und machte sich ebenfalls an die Arbeit. Drei Stunden lang arbeiteten sie schweigend.

Schließlich stand Kelsey auf und reckte die verspannten Muskeln. Sie war nicht so sehr wegen der Arbeit verspannt, sondern weil Luke Griffin nur wenige Meter von ihr entfernt saß. Seine grimmige Miene hatte nicht gerade zu einer Unterhaltung ermutigt.

„Ich habe noch nichts gefunden“, erklärte sie. „Was ist mit Ihnen?“

„Möbellisten, Investitionsunterlagen und einen Einkaufszettel.“

Kelsey blickte auf die Kartonstapel. „Eine Wahnsinnsarbeit.“

Auch Luke hatte nicht viel Spaß daran. Er erhob sich und erklärte brüsk: „Ich verdopple Ihr Honorar.“

Kampflustig hob Kelsey das Kinn. „Das werden Sie nicht tun.“

„Die meisten Leuten würden sagen: vielen, vielen Dank, Mr. Griffin.“

„Ich gehöre nicht zu den meisten Leuten.“

„Und ich bezahle Sie verdammt gut für das, was ich verlange.“

„Schön. Ich spende das Extrahonorar einem Tierheim. Oder einer Stiftung für alte Damen, die allein leben und deren Enkel sich nicht die Mühe machen, sie zu besuchen.“

Er kam auf sie zu. „Bevor ich die Nachricht vor drei Tagen in Hongkong erhielt, wusste ich nicht einmal, dass ich eine Großmutter habe“, sagte er scharf. „Ihre Schuldzuweisungen können Sie sich sparen, Kelsey North.“

„Sie haben es nicht gewusst?“

„Richtig.“

„Deswegen waren Sie also nicht bei ihrer Beerdigung.“

„An dem Tag steckte ich im tiefsten Dschungel von Kambodscha.“

„Aber warum hat Ihre Mutter es Ihnen nicht gesagt?“

Er zuckte zusammen. Diese Frage hatte ihn in den letzten Tagen auch schon gequält. „Ich kann nur vermuten, dass meine Mutter dieses Haus bereits vor meiner Geburt verlassen hatte“, wich er aus. „Sicher wurde doch nach Sylvias Tod im Dorf getratscht, oder?“

„Mir ist nur bekannt, dass Ihre Mutter mit siebzehn fortging.“

„War sie schwanger?“

„Man vermutet es. Genaues weiß niemand.“

„Machen wir Mittagspause“, sagte er abrupt. „Seien Sie in einer Stunde wieder hier.“

Der eisblaue Blick und die zusammengepressten Lippen signalisierten nur eins: keine weiteren Fragen! Kelsey hätte gern gewusst, ob seine Mutter noch lebte. Als sie an ihm vorbei nach draußen ging, schossen ihr tausend Gedanken durch den Kopf, allem voran der eine: Ich habe ihn zu Unrecht beschuldigt.

Morgen würde sie sich ein paar Sandwichs mitbringen und die Mittagspause durcharbeiten. Und heute Abend wollte sie ein paar Kartons mit nach Hause nehmen. Je früher sie den Job erledigt hatte, umso besser. Luke Griffin sah nicht nur gut aus. Er war nicht nur höllisch sexy, sondern auch … gefährlich!

2. KAPITEL

Am nächsten Tag, als die Dämmerung hereinbrach, trugen Kelsey und Luke einige Kartons zu ihrem Wagen. Dunkle Wolken zogen an einem bleichen Mond vorbei, und Luke atmete tief die feuchte, kalte Januarluft ein. Vorsichtig stellte er den Karton auf der Stoßstange ab, öffnete den Kofferraum und wartete, bis Kelsey einen Kasten hineinplumpsen ließ. Dann stellte er seinen daneben, warf die Klappe zu und öffnete Kelsey die Wagentür.

„Danke“, sagte sie schlicht und stieg ein.

Als sie sich den Schnee von den Schuhen klopfte, rutschte ihr Rock hoch. Hübsche Beine, dachte Luke interessiert. Hastig zog sie den festen Tweedstoff wieder herunter. Auch ihr Handgelenk war schlank, die Haut glatt. Und nicht zum ersten Mal sah er die zarte Röte auf ihren Wangen.

Beinahe hätte er ihr die Brille von der Nase gerissen, so stark war die Versuchung. Aber er behielt seine Hände brav bei sich und sagte: „Bis morgen.“

Sie murmelte undeutlich etwas vor sich hin, schob den Schlüssel ins Zündschloss, legte den Gang ein und fuhr davon. Du meine Güte, dachte Luke sarkastisch, es wird Zeit, dass ich wieder nach New York komme, wenn schon der Anblick der grauen Miss North erotische Fantasien auslöst.

Vielleicht wäre es besser, sich die Kartons ins Penthouse schicken zu lassen, um sie dort nach und nach durchzusehen. In Manhattan könnte er wenigstens im Cisco’s essen gehen, mit Clarisse oder Lindsay. Eine wesentlich angenehmere Gesellschaft als Kelsey.

Langsam ging er die Stufen zur Haustür hinauf. Hinter seinen Schläfen setzten leichte Kopfschmerzen ein. Bis jetzt hatte Kelsey die Geburtsurkunde von Rosemary Griffin gefunden und er die Rechnung der Klinik, in der seine Mutter geboren worden war. Das war alles.

Aber er hatte noch etwas herausgefunden. Kelsey könnte zwar auf der Liste der am schlechtesten gekleideten Frauen des Landes den ersten Platz einnehmen, aber arbeiten konnte sie. Gründlich, ohne zu klagen und engagiert.

Mitteilsam war sie allerdings nicht. Er wusste nur, dass sie nie aus Hadley herausgekommen war. Und selbst danach hatte er fragen müssen.

Andererseits war ihm auch nicht nach Small Talk zumute. Wieso ärgerte es ihn dann, dass sie jedem privaten Gespräch sofort auswich?

Missmutig nahm er sich noch einen Karton vor. Der Wind toste gegen die Fensterläden und rüttelte an den losen Dachschindeln. Plötzlich hielt Luke es im Haus seiner Großmutter keine Minute länger aus. Ein Haus, das die Geheimnisse einer Toten barg.

Er rannte nach oben, zog sich eine saubere Jeans an, schlüpfte in einen Pullover und schnappte sich seine Autoschlüssel.

Eine Dreiviertelstunde später stieg er aus dem Wagen und nahm eine prall gefüllte Papiertüte vom Rücksitz. Kelseys kleines Haus lag inmitten alter Fliederbüsche und hoher Eiben. In fast allen Räumen brannte helles Licht. Luke stieg die Stufen hoch und klingelte.

Janis Joplin röhrte sich die Seele aus dem Hals. Nachdem Luke mehrmals geklingelt hatte, wartete er. Dann drückte er die Klinke herunter. Die Tür war unverschlossen. Als er hineinging, endete das Lied. Die Türangeln quietschten wie das Kratzen eines Messers auf einer Eisenplatte.

Eine Frau kam die Treppe heruntergerannt. Als sie ihn sah, blieb sie wie angewurzelt stehen. Herrliche rotbraune Locken rahmten ihr Gesicht und betonten die großen samtbraunen Augen. Sie war schlank, hatte schmale Hüften und endlos lange Beine.

Das tief ausgeschnittene orangefarbene Top schmiegte sich um ihre Brüste, die Jeans saß knalleng. Ihre Füße waren nackt, die Zehennägel purpurrot lackiert.

Ihr Mund … Luke konnte nicht den Blick von diesen Lippen reißen. Sie waren voll und schimmerten aufreizend feucht von orangerotem Lipgloss.

Augenblicklich beschleunigte sich sein Puls. Verlegen sagte er: „Oh … ich wollte eigentlich zu Kelsey North. Aber ich muss mich in der Adresse geirrt haben. Tut mir leid, dass ich Sie belästigt habe …“

„Sehr witzig“, erwiderte die Frau mit rauchiger Stimme.

„Kelsey?“

„Wer sonst?“

„Ich … Sie haben sich etwas anderes angezogen“, brachte er mühsam hervor, und das war ihm noch nie passiert. Wo war nur sein Charme geblieben? Sein weltgewandtes Auftreten?

Im nächsten Moment stand sie vor ihm und stemmte die Hände in die Seiten. „Ich habe keine Lust auf noch mehr Kartons. Und falls Sie sich verfahren haben, erkläre ich Ihnen gern den Weg“, sagte sie kühl.

Sie duftete betörend süß und blumig. Die andere Kelsey, die im braunen Tweed, roch nach Kernseife. Er schluckte. „Haben Sie schon zu Abend gegessen?“

„Nein. Ich habe mich mit Ihren Kartons beschäftigt.“

„Gut.“ Er deutete auf die braune Tüte in seinem Arm. „Hier ist etwas zu essen. Von einem Bistro unterwegs.“

„Sie haben Essen mitgebracht?“

„Ja.“ Gewinnend lächelte er sie an. „Ich halte es einfach keinen weiteren Abend allein in dem Haus aus.“

„Ist mir vielleicht etwas entgangen?“, fragte sie langsam. „Ich mag ja aus der Provinz stammen. Aber ich dachte immer, es gehört sich, eine Frau erst zu fragen, ob sie vielleicht Lust hätte, mit einem zu essen – ehe man mit der Tür ins Haus fällt.“

„Hätte ich angerufen, hätten Sie dann Ja gesagt?“

„Nein, natürlich nicht.“

Natürlich nicht? „Ich mag keine Absagen“, meinte Luke und lächelte wieder. „Deswegen bin ich einfach losgefahren.“

„Ich wette, Sie haben seit Jahren keinen Korb bekommen.“

Zu seiner Überraschung reagierte er empfindlich. „Seit meiner ersten Million nicht mehr.“

„Armer reicher Kerl.“

„Das kann man wohl sagen. Was sollte es bei Ihnen zu essen geben?“

„Rührei.“

„Ich kann Borschtsch, mit Wildreis gefüllten Kapaun und eine Brombeermousse anbieten. Dazu einen einigermaßen anständigen Merlot.“

Ihr Entschluss geriet ins Wanken. Weil sich das Essen verlockend anhört, versicherte sie sich stumm. Es hat nichts mit dem Mann zu tun, der lässig an ihrem Treppenpfosten lehnte. Der dunkelblaue Pullover betonte seine Augen. Seine vergnügt blitzenden blauen Augen …

Kelsey kapitulierte. „Ich kann Sie schlecht hereinbitten, da Sie ja bereits im Haus sind. Da drüben ist das Esszimmer. Ich hole ein paar Sets aus der Küche.“

Luke ging den schmalen Flur entlang, betrat den Raum und musterte den abgenutzten Eichenholztisch und das altmodische Sideboard. Das Wohnzimmer dahinter versank regelrecht im Chaos. Umzugskartons, Bücherstapel, Kleidung und Sportgeräte türmten sich dort … Männerkleidung, dachte er, Hockeyschläger, Fußballtrikots.

Es sah aus, als hätte sie vor kurzem ihren Mann rausgeworfen und seine Sachen würden bei nächster Gelegenheit folgen.

Aber sie trug keinen Ehering. Auf so etwas achtete Luke. Mit verheirateten Frauen fing er grundsätzlich nichts an, das war viel zu kompliziert. Zumal es genügend Singles gab, die ihren Spaß haben wollten.

Kelsey marschierte ins Zimmer, legte zwei Sets auf den Tisch und stellte eine Butterschale dazu. „Besteck liegt in der Schublade“, sagte sie, „ich hole die Weingläser.“

Daraufhin setzte Luke die Tüte auf dem Tisch ab und zog die Schublade auf. Das schwarz angelaufene Silberbesteck lag wild durcheinander. Als Kelsey mit Gläsern und einem Korkenzieher zurückkam, fragte er leichthin: „Sind Sie so sehr mit dem Aufräumen bei anderen Leuten beschäftigt, dass Sie für Ihren eigenen Haushalt keine Zeit mehr haben?“

„Ich hatte andere Dinge im Kopf. Ich hole noch ein paar Auffülllöffel.“

Als sie an ihm vorbeiging, fiel das Deckenlicht auf ihr Haar und ließ es kupferrot schimmern. Ihre Hüften bewegten sich aufregend in der engen Jeans.

„Warum tragen Sie sonst eigentlich dieses braune Tweedkostüm?“ Er musste es einfach wissen. „Meiner Meinung nach sollte es umgehend in den Müllsack wandern.“

„Öffnen Sie die Tüte, Luke. Lassen Sie uns essen.“

Sie setzten sich gegenüber an den Tisch. „Ihre Assoziationskette ist eindeutig – von Sack zu Tüte.“

Kelsey unterdrückte ein Schmunzeln. „Das Kostüm gehörte meiner Mutter“, erwiderte sie rasch. „Sie war eine hübsche Frau, hatte aber kein Gespür für Mode. Mmm … die Suppe schmeckt köstlich.“

„Nehmen Sie einen Löffel saure Sahne dazu. – Tragen Sie dieses Kostüm immer bei der Arbeit?“

„Nur bei alleinstehenden Männern mit entsprechendem Ruf.“

„Aha, dann tratscht man im Dorf also nicht nur über meine Mutter?“

Sie nahm einen Löffel Borschtsch und schloss genüsslich die Augen. „In Ihrem Fall nicht unbegründet.“

„Ich mag Frauen – was ist dagegen einzuwenden?“

„Der Plural.“

„Immer eine zur Zeit“, gab er schärfer zurück als gewollt.

„Treue in Serie?“

„Was ist daran falsch?“

Als sie die Schultern zuckte, lenkte sie damit ungewollt seine Aufmerksamkeit auf ihr Dekolleté. Am liebsten hätte er die Lippen darauf gepresst, um herauszufinden, ob ihre Haut so samtig war, wie sie aussah …

Verdammt, dachte Luke, ich brauche jemand wie Clarisse oder Lindsay. Heißen Sex ohne tiefere Gefühle. Zu schade, dass er im letzten Jahr die Bekanntschaften vernachlässigt hatte. Weil sie ihn gelangweilt hatten, um ehrlich zu sein.

„Solch eine Serientreue muss praktisch sein“, meinte Kelsey. „Für Sie.“

Luke riss sich zusammen und kehrte in die Wirklichkeit zurück. „Die Frauen, mit denen ich mich einlasse, wissen, woran sie sind, weil ich offen darüber rede. Wenn ihnen die Regeln nicht gefallen, müssen sie nicht mitspielen.“

„Wie charmant“, spottete sie. „Wollen wir nicht das Thema wechseln? Ich möchte uns mit einer Diskussion über Ihr Sexleben nicht den Genuss dieser köstlichen Suppe verderben.“

Ihre Wangen hatten sich gerötet, und sie verzog abfällig den wunderschönen Mund. Aber er wollte jetzt nicht über ihren Mund nachdenken. „Also, was ziehen Sie morgen zur Arbeit an, Kelsey? Ich weiß ja jetzt, wie Sie tatsächlich aussehen.“

Sie senkte die dichten Wimpern und sagte ruhig: „Jeans, wahrscheinlich. Was haben Sie letzte Woche in Hongkong gemacht?“

Über ihren Themenwechsel schmunzelnd, berichtete er von seinen letzten Immobiliengeschäften dort, sagte aber nichts über seine Reise nach Kambodscha.

Als Kelsey aufstand und die Suppenschalen abräumte, um flache Teller zu holen, schob Luke seinen Stuhl zurück und stand auf. Das Bild an der Wand gegenüber zog ihn beinah magisch an. Ein bemerkenswertes Kunstwerk, dachte er, während er versuchte, die Signatur zu entziffern. Es war abstrakt gemalt und strahlte eine unterdrückte starke Kraft aus. Vor einem dunklen Hintergrund, der wie nachtschwarzer Samt schimmerte, explodierten leuchtende Farben. Luke hörte Kelsey zurückkommen. „Wer hat das gemalt?“, fragte er.

„Ich“, sagte sie zögernd.

„Sie?“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Das Essen wird kalt.“

„Wann? In letzter Zeit?“, hakte er nach.

„Vor einem halben Jahr.“

„Haben Sie noch mehr davon?“

„Ein paar.“ Oben stand ein ganzer Raum damit voll. „Oh, Spargel. Ich liebe Spargel. Und der Wildreis sieht fabelhaft aus.“

Clarisse aß wie ein Spatz, und Lindsay war gegen alles Mögliche allergisch. Überrascht stellte Luke fest, dass es Spaß machte, mit jemandem am Tisch zu sitzen, dem das Essen schmeckte. Beiläufig fing er an, von seinem letzten Besuch im Guggenheim-Museum zu erzählen.

Schließlich aß sie den letzten Löffel Dessert und schob ihre Schale zurück. „Das hat köstlich geschmeckt“, erklärte Kelsey begeistert. „Das Bistro hat erst letzten Sommer eröffnet, und ich habe noch nie dort gegessen. Vielen Dank, Luke.“

Sie blickte ihn direkt an, mit Augen, so braun wie geschmolzene Schokolade. Die Wärme darin raubte ihm den Atem.

„Gern geschehen.“ Sie war nicht sein Typ. Sie stammte aus der tiefsten Provinz, war völlig aus dem Häuschen wegen einer Mahlzeit, die er von unterwegs mitgebracht hatte. Bleib auf dem Teppich, Luke! Laut sagte er: „Möchten Sie mir nicht auch Ihre anderen Bilder zeigen?“

„Im Wohnzimmer hängen noch drei …“, erklärte sie fast widerwillig. „Ich mache uns schnell einen Kaffee.“

Luke suchte sich seinen Weg vorbei an einem Netz voller Fußbälle und durch abgewetzte Turnschuhe. Interessiert musterte er die Bilder. Auch sie strömten die gleiche gebändigte Energie wie das andere aus. Zwar wäre stilistisch noch einiges zu verbessern, aber sie zeigten ein beachtliches Talent.

Versehentlich stieß er mit dem Fuß gegen einen Stapel Fachbücher. Als eins davon aufklappte, sprang ihm sofort der lässig hingekritzelte Männername ins Auge: Dwayne North.

Kelseys Mann.

Ohne nachzudenken, marschierte Luke in die Küche. „Was ist mit Ihrem Mann?“

„Meinem Mann?“, fragte sie entgeistert.

„Ja, ich meine den, dem die Sportsachen gehören.“

Amüsiert lachte sie auf. „Ich habe keinen Mann, und ich hatte nie einen. Auch keinen Verlobten oder Ähnliches.“

Er runzelte die Stirn. „Wie alt sind Sie?“

„Achtundzwanzig.“

„Dann ist der Kerl, dem die Chemiebücher und das andere Zeug gehören, nicht Ihr Sohn.“

„He, Sie müssen gut in Mathe sein – bestimmt ganz praktisch, um bei den vielen Frauen nicht durcheinanderzukommen.“

Luke war es nicht gewohnt, verspottet zu werden. „Ich fasse es nicht, dass Sie bei Ihrem Talent die Zeit damit vergeuden, die Schränke fremder Leute aufzuräumen“, sagte er bestimmt, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.

Ihr Kopf ruckte hoch. „Ich wüsste nicht, was Sie meine Bilder angehen.“

„Es macht mich nun einmal ärgerlich, wenn ich Werke wie Ihre sehe, die sonst kein Mensch zu Gesicht bekommt.“

„Wenn so etwas Sie ärgert, dann möchte ich Sie nicht wütend erleben. So, Kaffee ist fertig. Sie können ihn jetzt trinken oder mitnehmen.“

„Verraten Sie es mir, Kelsey – wem gehören die Bücher?“

„Meinem ältesten Bruder Dwayne. Er ist einundzwanzig und studiert im ersten Semester Medizin.“

Himmel, was ist mit mir los? Er schlug sich an die Stirn. „An einen Bruder habe ich überhaupt nicht gedacht!“

„Wie gesagt, der älteste. Glen ist zwanzig, er studiert Computerdesign. Die Hockeysachen gehören ihm. Kirk ist achtzehn. Letzte Woche hat er mit der Ausbildung zum Forstwirt begonnen.“ Sie blickte ihn an. „Ich habe sie großgezogen. Dabei bin ich zu einer Expertin für Teenagerpsychologie und Hamburger herangereift. Ich hatte nicht die Zeit, jeden Morgen zur Kunstschule zu flitzen, nachdem sie im Schulbus saßen. Ich war viel zu beschäftigt, uns allen ein Dach über dem Kopf zu erhalten.“

„Die drei haben hier bei Ihnen gelebt?“

„Genau. An dem Tag, als Sie hier anriefen, habe ich gerade begonnen, Kirks Zimmer auszumisten. Fünf verschiedene Socken unter dem Bett, ein Rest mumifizierte Pizza und sechs Ausgaben des Playboy. Ich habe mir wirklich alle Mühe gegeben, sie zu einigermaßen zivilisierten Menschen zu machen, und nun sind sie fort.“ Jetzt war sie endlich ein freier Mensch. Verrückt, dass sie Kelsey fehlten, obwohl sie vor dem Auszug die Tage gezählt hatte.

„Und Ihre Eltern?“

„Beide sind bei einem Zugunglück gestorben, als ich achtzehn war. Keine weiteren Verwandten. So blieb es mir überlassen, meine Brüder großzuziehen.“

„Dann ist dies Ihr Elternhaus?“

„Damals erschien es mir als das Beste, alles möglichst so zu belassen wie vorher.“ Dann fügte sie mit einem Anflug von Ungeduld hinzu: „So, nun wissen Sie, warum meine Bilder ausschließlich an meinen eigenen vier Wänden hängen.“

„Sie haben zehn Jahre Ihres Lebens für Ihre Brüder geopfert?“

„Es war kein Opfer! Nun, nicht wirklich. Außerdem, welche Wahl hätte ich denn gehabt?“

„Sie hätten weggehen können.“

„Meine Brüder hatten gerade ihre Eltern verloren“, widersprach sie gepresst. „Ich hätte nicht mehr in den Spiegel schauen mögen, wenn ich sie sich selbst überlassen hätte. Und wenn Sie das nicht verstehen, kann ich Ihnen auch nicht helfen!“

Luke bemühte sich, seine Gefühle im Zaum zu halten. Seine Mutter hatte nicht diese Kraft aufgebracht wie Kelsey. Immer wieder ließ Rosemary ihn damals allein, immer wieder hatte sie ihre Versprechen gebrochen.

Scharf sagte er: „Wieso sind Ihre drei Brüder auf dem College, und Sie hocken immer noch zu Haus?“

„Also, Mr. Griffin, gönnen Sie mir ein bisschen Zeit – Kirk ist gerade eine Woche weg“, erwiderte sie. „Erst einmal will ich hier aufräumen und gründlich sauber machen. Dann biete ich das Haus zum Verkauf an.“

Luke schaute sich um, sah den zerschrammten Tisch und die verblichene Farbe an den Wänden. Im Großen und Ganzen wirkte das Haus heruntergewirtschaftet. Hadley war ein verarmtes Fischerdorf. Viel Geld würde sie für das Anwesen nicht bekommen. „Und dann?“

Sie funkelte ihn an. „Sicher freut es Sie zu hören, dass ich vorhabe, mit dem Verkaufserlös mein Kunststudium zu finanzieren – zusammen mit dem Geld, das ich bei Ihnen verdiene.“

„Deswegen haben Sie sich also entschlossen, doch für mich zu arbeiten?“

Stolz und Pragmatismus – Jane Austen, die moderne Version.“

„Mein Angebot, Ihr Honorar zu verdoppeln, gilt noch.“

„Ich nehme keine Almosen an.“

„Betrachten Sie es als Förderung der Kunst.“ Er grinste.

„Wissen Sie, was mich an Ihnen am meisten nervt? Dass Sie mich fuchsteufelswild machen und trotzdem noch zum Lachen bringen.“

Und weißt du, was mir am meisten Angst macht, dachte er. Dass du alles andere als langweilig bist.

Aber das behielt er für sich. Dennoch, sie war einfach nicht sein Typ. Absolut nicht. Viel zu viele Gefühle viel zu dicht unter der Oberfläche.

Und wieso saß er hier und genoss das Spiel des Lichts auf ihren Wangenknochen, die kleinen Grübchen am Mund, wenn sie lächelte, die süße Rundung ihrer Brüste unter dem engen Top?

Luke begehrte sie, und das gefiel ihm gar nicht.

Um sich abzulenken, fragte er schnell: „Haben Sie schon etwas in den Kartons gefunden, die Sie mit nach Haus genommen hatten?“

„Ach ja, das habe ich ganz vergessen! Einen Umschlag mit Fotografien. Was soll ich damit machen?“

Sein Herz setzte einen Schlag lang aus. Bisher besaß er nicht ein einziges Foto von seiner Mutter.

Kelsey suchte in dem Stapel neben dem Telefon, kehrte mit einem ausgeblichenen braunen Umschlag zurück und reichte ihn Luke. „Er war unverschlossen. Ich habe hineingeschaut, um zu sehen, ob irgendetwas Wichtiges darin ist.“

Gespannt zog Luke ein Foto heraus. Darauf erkannte er ein lachendes kleines Mädchen unter einem prächtig blühenden Apfelbaum, ein Buch hielt sie vor die Brust gepresst.

Kelsey schenkte Kaffee ein, aber Lukes Schweigen ließ sie aufblicken. Wie betäubt stand er da und starrte auf das Foto in seinen Händen. Tiefes Mitgefühl erfasste sie. Rasch schob sie ihm die Kaffeesahne hin. Da sah Kelsey, wie er das Foto hastig zurück in den Umschlag steckte, als hätte er sich daran verbrannt.

„Ich sollte gehen“, sagte er ausdruckslos.

„Was ist mit Ihrem Kaffee?“

„Danke, aber ich fahre zurück und nehme mir noch ein paar Kartons vor.“

„Luke, ich wünschte, Sie würden mir verraten, warum diese Suche für Sie so wichtig ist. Warum zahlen Sie so viel Geld dafür, um Informationen über Ihre Mutter zu finden?“

Seine Handknöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte er den Umschlag. „Das brauchen Sie nicht zu wissen! Geben Sie mir einfach nur alles, was Sie über sie finden – und im Dorf kein Wort davon!“

Plötzlich wurde Kelsey rot vor Zorn. „Ich tratsche nicht!“

Dass er sich entschuldigen sollte, wusste Luke. Aber er tat es nicht. Stattdessen ließ er den Umschlag auf den Tisch fallen und war mit zwei Schritten bei ihr.

Luke riss sie in die Arme und küsste sie leidenschaftlich.

3. KAPITEL

Zuerst stand Kelsey nur da, ohne sich zu rühren. Luke hielt sie dicht an sich gepresst. Unter ihren Händen spürte sie seine harte Brust, seine Wärme. Selbst wenn sie gewollt hätte, Kelsey hätte unmöglich fliehen können.

Aber sie wollte gar nicht fort. Das Pochen seines Herzschlags unter ihren Fingerspitzen faszinierte sie. Noch nie hatte ein Mann sie so geküsst, so hungrig und voller Verlangen. Sie schlang ihm die Hände um den Nacken. Eine tiefe Sehnsucht erfüllte ihr Innerstes. Als er mit der Zungenspitze über ihre Unterlippe strich, öffnete Kelsey leicht den Mund. Sie wünschte sich so sehr, dass er sie kostete, in sie eindrang.

Seine Hände glitten tiefer, er ließ sie an ihrer Hüfte liegen und zog sie gegen seinen Unterleib. Unwillkürlich klammerte Kelsey sich an ihn. Ihre Zungen trafen sich, ihre Lippen verschmolzen zu einem Kuss, der ihr den Atem nahm.

Im nächsten Moment stieß Luke sie so grob von sich, dass sie rückwärts taumelte und mit dem Po gegen den Tisch prallte. „Vergiss, was ich getan habe“, sagte er rau, „es wird nicht wieder vorkommen. Wir sehen uns morgen früh um halb neun.“

Ihr schockiertes Gesicht vor Augen, eilte Luke den Flur entlang, als wäre der Teufel hinter ihm her. Was war nur in ihn gefahren, sie so zu küssen? Wie ein Verhungernder. Wie ein Süchtiger, der seinen nächsten Schuss brauchte.

Er brauchte sie nicht. Er brauchte niemanden. Hatte nie jemanden gebraucht. Luke riss die Tür auf und trat hinaus in die kalte, sternenklare Nacht.

Gerade hatte er gleich zwei eiserne persönliche Regeln gebrochen. Erstens: sich niemals mit einer Mitarbeiterin einzulassen, zweitens: nie den ersten Schritt zu tun, ohne vorher die Spielregeln zu klären. Aber kaum berührten seine Lippen ihre, war ihm jeder vernünftige Gedanke abhanden gekommen. Voller Verlangen hatte Luke nur noch Kelsey wahrgenommen.

Zum Glück hatte er die Kraft gefunden, aufzuhören und zu verschwinden. Er war fest entschlossen, von nun an Distanz zu halten.

Sein Wagen stand unter den Bäumen. Luke holte den Autoschlüssel aus der Hosentasche, fuhr aber herum, als er hinter sich Schritte hörte.

„Du hast deine Fotografien vergessen!“

Ihr Haar war zerzaust, ihre Augen glichen dunklen Teichen. Durch den dünnen Stoff ihres Tops konnte er deutlich die harten Brustspitzen sehen. Nein, er würde Kelsey nicht wieder küssen, auch wenn er nichts lieber getan hätte. Mit spitzen Fingern nahm er den Umschlag entgegen.

„Danke.“

Sie trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin keine deiner schicken New Yorker Frauen, Luke, also spiel nicht mit mir. Was sollte das? Erst küsst du mich, als wäre ich die einzige Frau auf der Welt, und dann benimmst du dich, als wäre ich der abstoßendste Mensch unter der Sonne!“

„Abstoßend?“ Er lachte humorlos. „Wenn ich nicht gegangen wäre, würden wir uns jetzt auf dem Küchenfußboden wälzen.“

Nachdenklich wich sie noch weiter zurück. „Ist das dein Ernst?“

„Du weißt, dass ich dich wollte.“

Sie erschauerte und sagte mit leiser Stimme: „Jemanden wie dich habe ich noch nie kennengelernt. Ich weiß nicht, was ich glauben soll.“

Unerwartet verspürte er nagende Schuldgefühle. „Geh rein, du erkältest dich sonst. Wir sehen uns morgen.“

Mit einem unterdrückten Laut wirbelte sie herum und rannte ins Haus. Die Tür fiel krachend ins Schloss.

Luke stieg in seinen Wagen und fuhr zurück nach Griffin’s Keep. Schlag sie dir aus dem Kopf, sagte er sich. Frauen wie Kelsey North passten nicht zu seinem Lebensstil. Das war schon immer so gewesen, und so würde es auch bleiben.

Düster und abweisend ragte die Villa in den nachtschwarzen Himmel. Konnte er es seiner Mutter verdenken, dass sie weggelaufen war? Würde der Inhalt der Kartons ihm helfen, sie besser zu verstehen?

Er betrat den Raum, in dem Kelsey und er gearbeitet hatten, nahm die Fotos und breitete sie auf dem Tisch aus. Es waren Bilder von Rosemary als junges Mädchen. Sie wirkte so glücklich und unbeschwert. Er konnte sich nicht erinnern, sie jemals so erlebt zu haben.

Kurz barg er das Gesicht in den Händen und roch wieder den schalen Geruch des Wohnblocks, in dem sie gelebt hatten. Faulender Abfall, beißender Urin, Zigarettenkippen, der süßliche Duft nach Marihuana.

Er würde nie wieder dorthin zurückkehren müssen. Das Vermögen, das er gemacht hatte, bewahrte ihn davor. Jetzt war er in Sicherheit.

Anders als der kleine Junge damals in dem heruntergekommenen Wohnblock.

In dieser Nacht durchsuchte Luke noch vier weitere Kartons und wurde belohnt, indem er vier Zeugnisse seiner Mutter fand. Es war fast drei Uhr morgens, als er endlich todmüde ins Bett fiel. Aber dann lag er da und konnte nicht einschlafen. Nicht, weil er an seine Mutter dachte, sondern an Kelsey.

Er verfluchte sich für sein brennendes Verlangen nach ihr. Was Sex betraf, war er nicht anders als andere Männer. Aber er hatte gern die Kontrolle über seine Bedürfnisse.

Morgen werde ich sie nicht einmal berühren, schwor er sich. Und wenn sie auch nur ein Fünkchen Verstand hatte, würde sie wieder ihr braunes Tweedkostüm anziehen.

Das Dumme war nur, dass er inzwischen genau wusste, wie sie darunter aussah. Viel zu gut erinnerte er sich daran, wie sie auf seinen Kuss reagiert, ihm die Fingernägel in den Rücken gepresst und ihre Hüften an seine gedrückt hatte.

Mit aller Willenskraft zwang er sich, an die letzten Ölpreise zu denken, und schlief schließlich doch ein. Nur um von Kelsey zu träumen, wie sie sich nackt auf einem Bett aus Blumen räkelte und ihm die Arme entgegenstreckte, hinreißend sexy und wundervoll.

Kelsey überlegte ernsthaft, das Tweedkostüm wieder anzuziehen, entschied sich dann jedoch für Jeans und einen weiten grünen Rollkragenpullover, der bis über die Hüften reichte.

Sollte Luke Griffin sie auch nur einmal anfassen, würde sie ihm eine Ohrfeige verpassen und auf der Stelle kündigen.

Aber die Haustür von Griffin’s Keep war fest verschlossen, wie sich wenig später herausstellte. Der schwarze Mercedes parkte vor der Garage, Luke musste also zu Haus sein. Nicht in der Stimmung, besondere Rücksicht zu nehmen, klingelte Kelsey Sturm.

Keine Reaktion.

Hatte er über Nacht seine Meinung geändert und wollte sie nicht mehr beschäftigen? Wieso hatte er ihr dann nicht wenigstens Bescheid gegeben?

Sie begann gegen die Tür zu hämmern. Nichts. Wütend ging sie ums Haus herum, bis sie den Raum erreichte, in dem sie gestern zusammen gearbeitet hatten. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und lugte durchs Fenster. Leer. Die Küche auch. Inzwischen war es Viertel vor neun.

Kelsey hatte schlecht geschlafen. Immer wieder war sie aus wilden erotischen Träumen erwacht. Der Mann, der sie auf einem purpurroten Bettlaken geliebt hatte, war Luke gewesen, schamlos und herrlich nackt.

Kein Wunder, dass sie heute Morgen ein wenig neben sich stand. Sie stürmte zurück zum Wagen und hupte laut. Da sich immer noch nichts rührte, drückte sie wieder auf die Klingel. Ohne Ergebnis.

Na schön. Dann würde sie eben wieder nach Haus fahren und sich Kirks Zimmer gründlich vornehmen.

Aber als sie den Schlüssel ins Zündschloss steckte, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf. War Luke vielleicht auf der Treppe ausgerutscht und hatte sich verletzt? Oder war er krank? Sollte sie Hilfe holen?

Kelsey stieg wieder aus und ging noch einmal ums Haus herum. An der südlichen Hauswand rankte sich wilder Wein bis zum Ziegelschornstein hinauf. Auf halber Höhe umgab er ein Fenster, das einen Spalt weit offen stand.

Als Kind hatte sie sich oft mit ihren Brüdern gemessen und auch vor großen Höhen keine Angst verspürt. Das hier versprach ein Spaziergang zu werden, vor allem da Kelsey Turnschuhe anhatte. Sie zog die Jacke aus und fing an zu klettern.

Oben angekommen, drückte sie gegen die Scheibe, rutschte über die Fensterbank ins Innere und landete auf dem Fußboden.

Sie war in einem Schlafzimmer. In Lukes Schlafzimmer.

Er lag auf dem breiten Doppelbett und schlief. Das Gesicht vom Kissen halb verdeckt, ein Laken um die Hüften gewickelt. Sein Oberkörper war nackt.

Ihre Träume der letzten Nacht erfüllten sich. Nur dass die Bettwäsche in der Realität nicht dunkelrot, sondern weiß schimmerte.

Kelsey schlich vorsichtig näher heran. Sein Brustkorb hob und senkte sich mit jedem Atemzug. Und Muskeln hatte der Mann …

Krank war er nicht. Sie sollte schnurstracks nach unten gehen und mit der Arbeit beginnen. Da bewegte er sich und rollte auf die Seite. Kelseys Herz machte einen Satz. Müde rieb Luke sich die Augen und schaute in ihre Richtung. Sie öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus.

„Ich habe von dir geträumt. Komm her“, murmelte er schlaftrunken.

Erschrocken atmete sie ein, als er ihr Handgelenk umfasste. Er zog daran, Kelsey verlor das Gleichgewicht und fiel auf ihn. Ihre Brüste pressten sich gegen seinen warmen Oberkörper. Luke legte ein Bein über ihren Schenkel, griff in ihr glänzendes Haar und zog ihren Kopf zu sich. Dann fühlte sie seine Lippen auf ihren, heiß und leidenschaftlich, bis sie nur noch ein überwältigendes Verlangen spürte. Atemlos stöhnte sie seinen Namen.

Im nächsten Moment hatte er ihren Pulli bis zur Taille hochgeschoben und strich ihr mit warmen Händen über den Rücken. Kelsey erschauerte. „Deine Haut“, hörte sie ihn flüstern. „Ich wusste, dass sie sich wie Seide anfühlen würde.“

Geschickt hakte er ihren BH auf, befreite ihre Brüste und umfasste eine. Als er die Spitze fand, reizte er sie, bis sie sich hart aufrichtete. Kelsey schloss bebend die Augen. Ihr Blut schien zu kochen. Ungeduldig bog sie sich Luke entgegen, berührte seine Lippen mit ihren. Es war wundervoll!

Ihr Duft betörte ihn. Ihr hingebungsvoller Kuss verführte ihn. Ich muss sie haben, dachte Luke. Was für ein Dummkopf war er doch gewesen. Letzte Nacht hatte er tatsächlich noch geglaubt, sich einfach von ihr abwenden zu können.

Er richtete sich auf, drehte sie auf den Rücken und beugte sich über sie, um den Kuss zu vertiefen. Sein Herz klopfte hart gegen seine Brust. Oder war es ihr Herz? Rasch schob er den Pullover höher und ließ ab von ihrem Mund, um den Anblick ihrer schneeweißen Brüste zu genießen. Sie waren perfekt geformt, mit rosigen Knospen. Luke reizte sie mit der Zunge, hörte Kelsey leidenschaftlich seufzen, während sie sich an ihn presste. Er hob den Kopf und sah ihr in die Augen. Groß und sinnlich schimmerten sie. Kelsey bewegte die Hüften und brachte ihn damit fast um den Verstand. Einmal, zweimal und ein drittes Mal rieb er den Unterleib an ihrer Jeans und hörte, wie Kelsey leise aufschrie.

Ich muss sie haben, dachte Luke noch einmal und atmete tief durch. Aber nicht hier. Nicht in diesem freudlosen Haus, nicht in einem Bett, das nicht ihm gehörte und in dem er von Albträumen gepeinigt wurde.

„Kelsey, wir müssen aufhören“, keuchte er. „Ich will dich, aber dies ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort.“

Sie umklammerte seine Schultern. Von weit her drang seine Stimme zu ihr. Kelsey hatte Mühe, ihn überhaupt zu verstehen. Wir müssen aufhören

Ihr Körper kam ihr auf einmal so fremd vor, so voller Lust und Verlangen. Luke war schuld. Sein sanfter Mund, seine erfahrenen, forschenden Hände, all das hatte sie in eine Frau verwandelt, die sie nun kaum wiedererkannte.

Sie stieß ihn von sich, warf das Haar in den Nacken und zerrte an ihrem Pullover, um ihre Blöße zu bedecken. Aber Luke hielt ihre Hand fest. „Warte“, bat er heiser, „lass mich dich ansehen.“

„Ich …“

„Du bist wunderschön … Wenn ich dich streichele, ist es, als würde ich eine Perle in Händen halten, glatt und von perfekter Form.“

Poetische Vergleiche hätte sie von Luke Griffin nie erwartet. Verlegen bemerkte sie, dass er sie von oben bis unten musterte … ihre Brüste mit den harten Spitzen, ihren Bauchnabel. Sein Blick war voller Bewunderung, so als wäre sie das Herrlichste auf der Welt.

Dann zog er ihr den Pullover herunter, lächelte sie an und gab ihr einen Klaps auf den Po. „Hoch damit“, sagte er. „Wir müssen heute noch ein paar Kartons durchforsten.“

Wie konnte dieser Mann so blitzschnell umschalten? … dies ist weder die richtige Zeit noch der richtige Ort. Bedeutete das, dass er immer noch mit ihr schlafen wollte? Seine bewegenden Worte über die Perle waren ihr ans Herz gegangen. Sicher hatte er sie nicht nur so dahingesagt, oder?

„Kelsey?“, unterbrach er sie in ihren Gedanken. „Ist alles in Ordnung?“

Er befreite sich von dem Laken und war, wie vermutet, splitterfasernackt. Schnell sah sie zur Seite. „Ja“, erwiderte sie mit erstickter Stimme.

„Kaffee“, verlangte er in autoritärem Ton. „Befehl vom Boss.“

Kelsey stand auf, schaute auf das ungemachte Bett und die zerrissene Tapete. Überallhin, nur nicht auf ihn. Dann floh sie mit einem erstickten Aufschluchzen aus dem Zimmer und zog die Tür hinter sich zu.

Einen Moment lehnte sie sich gegen die Wandvertäfelung, die Wangen heiß vor Scham. Ihr Abgang war nicht weniger peinlich gewesen als ihr Auftritt.

Durch die Tür hörte sie Dielen knarren, als Luke sich bewegte. Wie gehetzt eilte Kelsey die Treppe hinunter.

Zum ersten Mal war sie froh, in der altmodischen Küche zu sein. Sie stellte die Kaffeemaschine an. Als der würzige Duft die Luft erfüllte, hakte sie ihren BH zu, betupfte sich die brennenden Wangen mit kaltem Wasser und versuchte nachzudenken.

Heißer Sex. Jetzt wusste sie, was das war.

Wundervoll. Überwältigend. Machtvoll. Frustrierend. Ihr fiel noch sehr viel mehr ein!

Aber wollte sie das alles wirklich?

Freiheit war ihr erstes Ziel gewesen. Über sich selbst bestimmen können. Doch wenn dieser wilde Sex in eine Affäre mit Luke Griffin mündete – würde Kelsey dann ihre Freiheit nicht sofort wieder verlieren?

Und wenn nicht, müsste sie sich dann für feige halten? Hieß es nicht, Sex setze künstlerische Kräfte frei, beflügele die Seele und wecke die Muse? Allerdings hatte das, was in dem dämmrigen Schlafzimmer passiert war, wohl wenig mit dem Kuss der Muse zu tun …

Kelsey verzog den Mund. Kaffee war jetzt genau das Richtige, um solchen tiefsinnigen Betrachtungen zu begegnen. Sie seufzte. Ein paar Sekunden länger, und sie hätte Luke angefleht, um mehr gebettelt …

Als er zehn Minuten später herunterkam, saß sie bereits am Arbeitstisch. „Der Kaffee schmeckt großartig“, bemerkte er geistesabwesend und setzte sich Meter von ihr entfernt auf einen Stuhl.

So als hätte er mich nicht eben noch voller Leidenschaft geküsst, dachte sie wütend und blätterte einen Stapel Bankauszüge durch.

„Hatte ich gestern Abend vergessen, die Tür abzuschließen?“, fügte er hinzu. „Oder wie bist du hereingekommen?“

„Ich bin an den Weinranken hochgeklettert und durchs Fenster in dein Schlafzimmer gestiegen.“

Er lachte unterdrückt. „Eine Einbrecherin – wo hast du das denn gelernt?“

„Im Efeu in der alten Eiche hinter unserem Haus.“

„Dann muss ich jetzt wohl das Silber wegschließen, oder?“

„Tu das.“

„Du bist richtig süß, wenn du wütend bist.“

Er lachte sie offen aus! „Freut mich, dass du dich amüsierst.“

„Wieso bist du nicht einfach nach Haus gefahren?“

„Ich dachte, du wärst vielleicht auf der Treppe gestürzt und hättest dir was gebrochen.“

„Du hast dir Sorgen um mich gemacht?“, fragte er überrascht.

Sie sah ihn böse an. „Ja.“

„Oh.“ So etwas war Luke nicht gewohnt. Er wusste nicht einmal, ob es ihm gefiel. „Danke“, sagte er nur und beugte sich über einen Karton.

Gegen Mittag wussten sie mehr über Rosemary. In einem Zeitungsausschnitt wurde eine Verhandlung vor dem Jugendgericht erwähnt. Trunkenheit am Steuer. Um halb fünf, während Kelsey in der Küche noch eine Kanne Kaffee kochte, fand Luke drei weitere Briefe.

In einem verlangte Rosemary Geld von Sylvia. So wie es aussah, hatte sie im dritten Schwangerschaftsmonat Griffin’s Keep verlassen müssen, mit weniger als einhundert Dollar in der Tasche. Sylvias Antwort, sieben Wochen später, klang kalt und sachlich. Für eine Therapie in einer Drogenklinik würde sie Geld geben, sonst keinen Penny. Rosemarys Antwort bestand aus einer wütenden Weigerung, gespickt mit Beschimpfungen. Dem Datum nach musste Luke damals ungefähr sechs gewesen sein.

Mit schmerzlicher Sicherheit wurde Luke klar, was sich in Griffin’s Keep abgespielt haben musste. Auf der einen Seite eine geizige, herzlose Mutter, auf der anderen ein rebellisches junges Mädchen, temperamentvoll und lebenshungrig. Dann eine ungeplante Schwangerschaft, die Mutter setzte das Mädchen vor die Tür.

Und er, ein kleiner Junge, geriet zwischen die Fronten zweier Generationen.

Luke barg das Gesicht in den Händen. Er hasste es, wenn die Vergangenheit ihn unerwartet anfiel! Schließlich war er darüber hinweg. Zumindest hatte er das geglaubt. War sein Bankkonto nicht Beweis genug?

„Luke? Ist alles in Ordnung?“

Er fluchte unterdrückt und hob den Kopf. „Ja … ich bin nur müde, das ist alles.“

Kelsey betrachtete ihn besorgt. Warum sagt er mir nicht, was das alles zu bedeuten hat, dachte sie betrübt. „Ich habe dir einen Schokoladen-Doughnut mitgebracht.“ Sie versuchte, sich nichts daraus zu machen, dass er ihn mit ausdrucksloser Miene wortlos entgegennahm und mit einem Nicken dankte.

Geheimnisse. Sie hatte Geheimnisse noch nie gemocht.

Kelsey setzte sich wieder, biss in ihren Doughnut und widmete sich wieder der Suche. Vier Stunden später war der letzte Karton geleert, der drei weitere Artikel über Verhandlungen vor dem Jugendgericht zutage brachte. Luke warf sie auf den Stapel und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

„Gott sei Dank. Wir sind fertig.“

Er sieht kaputt aus, dachte Kelsey. Und zugleich angespannt wie eine Stahlfeder.

Impulsiv sagte sie: „Luke, verschwinden wir von hier. Ich hasse dieses Haus.“

„Nicht nur du.“

„Komm mit zu mir. Ich mache uns etwas zu essen, nichts Aufwendiges. Fish and chips. Glen sagt immer, meine wären die besten an der ganzen Küste.“

Gleichzeitig fragte Kelsey sich entsetzt, warum sie das eigentlich tat. Nach den stürmischen Küssen heute Morgen lud sie Luke in ihr Haus ein? Das war mehr als verrückt.

Oder Freiheit?

Woher sollte sie den Unterschied kennen?

4. KAPITEL

Luke bewegte die verspannten Schultern. „Essen bei dir? Wunderbar! Ich komme gleich nach, sobald ich eine Flasche Wein aus dem Keller geholt habe.“

Als er zehn Minuten nach ihr eintraf, hatte Kelsey alles vorbereitet. Der Tisch im Wohnzimmer war für zwei gedeckt, und Kerzen verbreiteten warmes Licht.

Sie reichte Luke den Korkenzieher. Als sie einen Schluck von dem wundervoll fruchtigen Wein probierte, beschloss sie, den Abend zu genießen. Sicher, es war eine unbekannte Situation für sie – aber hatte sie bislang nicht alle bewältigt? Warum sollte Luke Griffin da eine Ausnahme bilden?

Optimistisch band sie sich eine Schürze um und begann, den Bierteig für den Fisch vorzubereiten.

Luke, der zu rastlos war, um stillsitzen zu können, ging in der Küche auf und ab. Über dem Telefon hing der Kalender einer Wohlfahrtsorganisation. „Das ist ein sehr schönes Waisenhaus“, bemerkte er geistesabwesend.

Kelsey blickte auf. „Woher weißt du das? Bist du dort gewesen?“

„Ja.“ Auf einmal wünschte er, er hätte den Mund gehalten. „Auf meiner letzten Reise nach Hongkong.“

„Du besuchst auf deiner Geschäftsreise ein Waisenhaus? Einfach so?“ Sie runzelte die Stirn.

„Ich habe den Bau bezahlt, die Organisation leitet es“, erwiderte er lakonisch.

Sie ließ die Hände sinken. „Hast du noch mehr Waisenhäuser bauen lassen, Luke?“

„Ja, ein paar. Hier und da.“

„Wie viele?“

„Vierundzwanzig. Mach deshalb bitte keinen Heiligen aus mir.“

„Den heiligen Lukas gibt es bereits, die Stelle ist also schon vergeben“, erwiderte sie trocken. „Du bist kein Heiliger, sondern ein reicher Mann, dem andere Menschen nicht egal sind … und der dafür auch etwas springen lässt.“

„Trink deinen Wein.“ Luke wechselte das Thema. „Soll ich Kartoffeln schälen?“

Sie schenkte ihm einen freundlichen Blick und gab ihm ein Messer. „Die Kartoffeln liegen hinter der letzten Schranktür.“

An ihrem Kinn klebte etwas Teig. Ich will sie küssen, dachte Luke. Bis zur Besinnungslosigkeit küssen … Hastig holte er die Kartoffeln aus dem Schrank und fing mit der Arbeit an.

Würde Kelsey heute Nacht mit ihm ins Bett gehen? In ihrem Haus, umgeben von den Sachen ihrer drei Brüder?

Er musste morgen unbedingt zurück nach Manhattan. Würde er sie dann vergessen können?

Zehn Minuten später brutzelten die Pommes frites im heißen Öl. „Ketchup und Tartarsauce stehen im Kühlschrank, Essig, Salz und Pfeffer auf der Arbeitsplatte.“

An der Kühlschranktür waren zwei Fotografien mit Magneten befestigt. Auf der einen umringten drei kräftig gebaute junge Männer Kelsey, alle vier lachten in die Kamera. Das andere Bild zeigte ein älteres Ehepaar vor Kelseys Haus, die Arme umeinander gelegt. Auch die beiden lachten fröhlich.

„Meine Eltern“, erklärte Kelsey. „Ich weiß, es ist dumm, aber sie fehlen mir noch immer.“ Ihr Gesichtsausdruck wurde zärtlich. „Sie waren über zwanzig Jahre verheiratet und haben sich sehr geliebt. So gesehen war es gut, dass sie zusammen gingen …“

Luke wusste darauf nichts zu sagen, nahm die Sauce und trug sie ins Wohnzimmer. Die drei Bilder an den Wänden zogen ihn magisch an. Während er sie betrachtete, bekam er wieder ein schlechtes Gewissen. Er wollte Kelsey haben, zu den üblichen Bedingungen. Aber nicht nur ihre Werke zeigten, dass er hier an eine Frau geraten war, die sich von seinen anderen Bettgespielinnen deutlich unterschied.

Als er sich abwandte, fiel ihm ein Blatt Papier auf, das auf dem Zeitungsstapel lag. FREIHEITSLISTE stand ganz oben in Rot geschrieben. Rasch überflog er sie. Zur Kunstschule gehen. Reisen. Ein Meisterwerk schaffen. Heißen Sex haben.

Was? Er starrte auf die durchgestrichenen Wörter. Eine Affäre haben, stand darüber.

Kelsey wollte also eine Affäre haben. Hatte sie die Liste absichtlich liegen gelassen, damit er sie las? Wenn er an ihre Küsse dachte, die ihm unter die Haut gingen, würde Sex mit Kelsey wirklich heiß sein!

Ein Meisterwerk schaffen. Spontan musste er an seinen Freund Rico denken, ein weltberühmter Maler.

„Das Essen ist fertig“, rief Kelsey. „Komm und hol’s dir.“

Komm und hol’s dir … Oh ja, dachte er und ging zurück in die Küche.

Der Fisch war zart und schmackhaft, der Teig knusprig und die Pommes frites köstlich. „Was ist mit den Männern in Hadley los? Du bist eine tolle Frau, hast eine tolle Figur, und deine Fish and chips sind unschlagbar gut.“

„Da gab es das nicht unwesentliche Problem, dass ich drei kleine Jungen mit in die Ehe gebracht hätte. Abgesehen davon haben wir hier einen erbärmlichen Mangel an passablen Männern.“

Kein Wunder, dass sie sich heißen Sex wünschte! Er drückte eine halbe Zitrone über seinem Fisch aus. „Ich habe deine Liste gefunden …“

„Meine Liste?“, fragte sie erschrocken und wurde blass. „Wo? Du hast sie doch hoffentlich nicht gelesen, oder, Luke?“

„Doch, die rote Schrift war nicht zu übersehen.“ Er lächelte gewinnend. „Deswegen habe ich einen Vorschlag für dich. Für uns beide. Ein Gemeinschaftsunternehmen, sozusagen.“

Die Blässe verschwand, und Kelsey wurde rot. „Ich wollte sie mit nach oben nehmen. Aber dann habe ich sie wohl vergessen, als ich Glens Hockeysachen durchsortierte. Du hast doch nicht jedes Wort gelesen, oder?“

Mach ihr den Deal schmackhaft, Luke. Schnell. „Mir gehört ein Resort auf einer kleinen Bahamas-Insel“, erwiderte er ruhig. „Nächste Woche fliegt mein Freund Rico Albeniz für ein paar Tage dorthin. Wenn du willst, fliegen wir beide morgen ebenfalls, und du kannst ein paar Stunden Unterricht bei ihm nehmen.“

„Rico Albeniz? Er wird mir nicht einmal einen Blick auf meine Hand gönnen, so berühmt wie er ist!“

„Doch, das wird er. Wenn ich ihn darum bitte.“

„Geld regiert die Welt, was?“, sagte sie kühl und spießte ein paar Pommes frites auf.

„Er ist mein Freund.“

„Entschuldigung“, murmelte sie. „Aber …“

„Ich bin noch nicht fertig“, sagte er geduldig. „Während wir dort sind, können wir auch das Bett teilen. Eine Affäre haben. Verstehst du, was ich meine? Reisen, heißen Sex und die Chance, ein Meisterwerk zu malen … Du könntest drei Punkte auf einmal von deiner Liste streichen.“

„Wie praktisch.“ Ausdruckslos sah sie ihn an.

„Das nennt man Zeitmanagement“, belehrte er sie mit amüsiertem Unterton und schob eine Gabel Fisch in den Mund.

„Da spricht der Geschäftsmann.“

Er beugte sich vor. „Du willst mich, Kelsey, und ich will dich. Ich schwöre, noch nie habe ich eine Frau so begehrt. Du bist ganz anders als die, die ich kenne. Normalerweise rede ich nicht so über Perlen oder Waisenhäuser, und erst recht nicht über meine Mutter. Ich weiß nicht, warum mir das jetzt passiert. Aber eins weiß ich genau: Ich werde keine Ruhe finden, ehe ich dich nicht in meinem Bett habe.“

Kelsey sah ihn überwältigt an. Gerade hatte sie sich die Gabel in den Mund schieben wollen und hielt nun auf halbem Weg inne. „Ich kann mit dir keine Affäre anfangen.“

„Warum nicht?“

„Erstens kann ich nicht einfach morgen losfliegen. Ich habe … Pflichten.“

„Stimmt nicht. Vor einigen Tagen verschwand die letzte aus dem Haus, um Forstwirt zu werden.“

Die Pommes frites schmeckten plötzlich wie Pappe. Ich muss zum Friseur, schoss es ihr durch den Kopf. So kann ich nicht los. „Ich muss das Haus verkaufen.“

„Das machst du mit links, wenn du ausgeruht aus dem Urlaub zurückkommst.“

„Ich habe kein …“

„Geld? Heute Abend stelle ich dir den Scheck über dein Arbeitshonorar aus. Der Flug kostet dich nichts, da wir meinen Privatjet nehmen, und in meiner Ferienanlage brauchst du auch nichts zu bezahlen.“

Ärgerlich sah sie ihn an. „Das meinte ich nicht – ich habe nichts anzuziehen!“

„Dann kaufe ich dir eben etwas. Viel brauchst du sowieso nicht. Einen Bikini, ein, zwei Sommerkleider, Sandalen …“

„Mit deinem Geld kannst du dir gern deine Kleidung kaufen, aber nicht meine“, erklärte sie abweisend.

„Wer hat denn diese Regel aufgestellt? Und warum brichst du sie nicht einfach?“

„Ach, Unsinn!“, regte sie sich auf. „Wir drehen uns doch im Kreis. Ich werde keine Affäre mit dir anfangen!“

„Heute Morgen hatten wir einen guten Start, finde ich.“

„Ich gehöre nicht zu den Frauen, die Affären eingehen.“

„Mir kommt es vor, als hättest du dich die letzten zehn Jahre um jeden gekümmert, außer um dich selbst, Kelsey. Hast du nicht deswegen diese Liste aufgestellt? Ich biete dir die Chance, etwas Neues zu wagen. Dich zu befreien, zu rebellieren, Spaß zu haben. Dich zu amüsieren.“

Er hatte ja so recht. Sie wurde schwach, wollte es ihm aber nicht zeigen. „Und wie lange soll diese Affäre deiner Meinung nach dauern?“

„Das hängt von uns beiden ab, oder?“

„Was für eine Antwort ist das denn?“

„Die einzig mögliche.“ Luke nahm sich zusammen. „Es gibt da ein paar Regeln, die besser gleich von Anfang an klar sind. Ich habe keine Lust auf eine Ehe oder längerfristige Beziehung. Solange wir zusammen sind, bin ich dir treu und erwarte das Gleiche von dir. Ist das Ende der Affäre in Sicht, bin ich der Erste, der es dir sagt. Keine Heimlichkeiten, keine Spielchen.“

Die Worte gehen ihm so leicht von der Zunge, als hätte er sie schon hundertmal gesagt, dachte sie zornig. „Bist du fertig?“

Er runzelte die Stirn. „Noch eins. Einen bestimmten Teil des Tages muss ich mich meinen Geschäften widmen. Dabei möchte ich nicht gestört werden.“

„Schön. Und jetzt hörst du mir zu. Denn falls – ich betone, falls – ich mitkomme, habe auch ich ein paar Regeln. Beim Malen brauche ich meine Ruhe. Zweitens: Falls ich, wann auch immer, wieder zurückfliegen möchte, stellst du mir deinen Jet zur Verfügung. Drittens: Eine Ehe ist das Allerletzte, was ich mir wünsche. Ich will Freiheit, keinen Ehering. Viertens setzen wir ein Limit für Outfits fest, und glaub nicht, dass du mich kaufen kannst.“ Sie atmete einmal tief durch und lächelte grimmig. „Ich glaube, das war’s.“

Sie war wirklich nicht sein Typ. Alle anderen Frauen hätten sich seinen Regeln ohne Protest gebeugt. Sie nicht. Dass sie auch keine feste Bindung wollte, hätte ihn beruhigen müssen. Warum war er dann nicht erleichtert, sondern ärgerte sich darüber?

„Morgen früh um halb zehn bin ich wieder hier“, sagte er, stand auf und marschierte hinaus.

Gleich darauf fiel die Eingangstür ins Schloss. Eigentlich hatte Kelsey erwartet, Luke würde sie mit dem einfachsten Mittel zu überzeugen versuchen. Ein einziger Kuss hätte genügt.

Warum hatte er sie nicht geküsst? Und wieso war sie so schrecklich enttäuscht?

Eine Affäre mit Luke Griffin? Das wäre keine Rebellion, sondern der reine Wahnsinn.

Pünktlich um halb zehn stand Luke vor Kelseys Tür, klopfte kurz und ging dann hinein. Kelsey saß in der Küche und trank Kaffee. Sie trug eine schmale dunkelbraune Hose, dazu einen cremeweißen Mohairpullover. An ihren Ohrläppchen baumelten große Kupferohrringe. Wachsam, wie ihm schien, blickte sie ihm entgegen.

Er holte sich einen Becher aus dem Küchenschrank, schenkte sich Kaffee ein und trank einen großen Schluck.

„Das brauchte ich“, sagte er. „Bist du fertig?“

Kelsey fielen einige gesalzene Bemerkungen ein, aber sie erwiderte kühl: „Du nimmst wohl an, dass ich mitkomme?“

„Wenn nicht, werfe ich dich über die Schulter und trage dich“, drohte er und grinste dann.

„Den Aufwand kannst du dir sparen. Meine Sachen sind gepackt.“

„Charme plus Sex – du konntest einfach nicht widerstehen.“

Sie lächelte liebenswürdig. „Ja, weil ich drei Punkte von meiner Liste streichen kann.“

„Vielleicht sollten wir gleich mit einem anfangen.“ Mit zwei Schritten war er bei ihr und küsste sie heiß.

Luke hielt sie fest in den Armen. Ihr Duft betörte ihn, ihre weichen Lippen fühlten sich wundervoll an. Lustvoll seufzte er. Er spürte ihren warmen Atem, als sie den Mund öffnete, und schob die Hände in ihr Haar. Sein Körper reagierte prompt.

Sie würde ihm gehören. An einem Ort seiner Wahl und zu seinen Bedingungen. Alles andere zählte nicht. Erregt presste er sie an sich. Sein Herz schlug heftig, während er ihre Taille umfasste und ihre Brüste fühlte.

Doch er würde sie nicht hier nehmen. So war es nicht geplant. Ihm rauschte das Blut in den Ohren, aber er löste sich ein wenig von ihr und schob den Rollkragen beiseite, um mit der Zunge ihren Hals zu liebkosen, dort, wo der Puls pochte. Dann strich er mit dem Mund über ihr Kinn. Kelsey zitterte am ganzen Körper. Luke hob langsam den Kopf. Ihre Augen wirkten verhangen. Sie war genauso stark erregt wie er. Zart zeichnete er ihre sinnliche Lippen nach und versuchte vergeblich seinen hämmernden Herzschlag zu beruhigen.

„Heiß … oh ja, du bist wirklich heiß.“

Sie blinzelte. „Bevor ich dich kennenlernte, habe ich nicht gewusst, was das Wort in diesem Zusammenhang bedeutet.“

„Du weißt nicht einmal die Hälfte.“

„Wenn da noch mehr ist, werde ich nicht widerstehen können.“

„Du musst auch nicht stehen. Du wirst liegen …“ Er strich ihr sanft über die Wange.

Kelsey erschauerte. „Ich habe Angst, Luke. Was du mit mir machst, meine Gefühle, wenn du mich küsst – wie soll ich das alles verdrängen, wenn du irgendwann genug von mir hast?“

„Ich habe zehn Monate in einem Heim gelebt, das von Nonnen geführt wurde. Schwester Elfreda hat immer gesagt: Zerbrich dir nicht unnötig den Kopf.“

Es war ihm schon wieder passiert – er gab etwas preis, worüber er noch mit keinem Menschen gesprochen hatte.

„Eine Woche Risiko“, sagte sie mehr zu sich selbst. War Schwester Elfreda ein weiteres Geheimnis im Leben dieses rätselhaft verschlossenen, aber unbeschreiblich faszinierenden Luke Griffin?

Drei Stunden später stand Kelsey, nur in Unterwäsche, in einem eleganten Umkleideraum. Luke wartete draußen auf sie. Er und seine Premiumkreditkarte.

Die einschüchternd stilvoll gekleidete Verkäuferin streifte Kelsey ein Sommerkleid über den Kopf. Anschließend brachte sie ihr einen Rock, der gefährlich kurz war, und dazu ein noch knapperes Mieder.

Ein rückenfreies, im Nacken gehaltenes Kleid aus feinem Leinen folgte, dann ein knöchellanger Seidenrock und eine Tunika mit drapiertem Ausschnitt, die bei jeder Bewegung leise raschelte. Dazu flache, schlichte Sandalen und mit glitzernden Steinchen besetzte Sandaletten mit Stilettoabsätzen. Seidene Unterwäsche aus hauchfeiner Spitze. Bikinis, einige davon so winzig, dass sie beinahe unanständig wirkten.

Kelsey verliebte sich auf Anhieb in einen Strohhut mit breitem Rand und eine schmale Abendtasche, bestickt mit Strasssteinen, die perfekt zum Seidenrock passte. Doch als sie die Preisschilder begutachtete, erschrak sie, schlüpfte hastig in ihre Sachen und verließ den Ankleideraum.

Vertieft in den Wirtschaftsteil einer Zeitung, saß Luke in einem Samtsessel.

„Luke, das kostet jetzt schon ein Vermögen“, flüsterte sie aufgeregt. „Lass uns irgendwohin gehen, wo die Sachen weniger kosten!“

Er ließ den aufgeschlagenen Artikel sinken. In seinem maßgeschneiderten Nadelstreifenanzug passte Luke in die Boutique, als säße er in seinem Wohnzimmer. Kelsey hingegen fühlte sich ganz und gar nicht zu Hause.

„Gefallen dir die Sachen?“

„Und wie! Aber darum geht es nicht.“

„Kelsey, du könntest ein Jahr lang jeden Tag einkaufen, und ich würde es finanziell nicht einmal merken. Nimm, was dir gefällt – auch ein Outfit, das du für einen Januartag in Manhattan brauchst. Wir werden mittags auswärts essen, ehe wir abfliegen. Und bitte, beruhige dein Gewissen. Du sollst den Einkaufsbummel genießen.“

Sie gab sich geschlagen, marschierte zurück in die Kabine und traf ihre Auswahl. Zehn Minuten später kam Kelsey wieder heraus. Sie trug einen orangeroten Mantel mit Goldknöpfen, kniehohe Lederstiefel und darunter ein Kaschmirkleid, das sich auf ihrer Haut wundervoll anfühlte.

Autor

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