Julia Exklusiv Band 322

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KRÖNUNG DER LIEBE - KRÖNUNG DES GLÜCKS von CAROL MARINELLI
Nie hat Scheich Zakari eine Frau so begehrt wie das Hausmädchen Effie! Sacht will er die unschuldige Schöne verführen. Aber als er sie in seinen Armen hält, entdeckt er ungläubig den Schmuck auf ihrer nackten Haut - einen funkelnden Diamanten, zwei Königreiche wert …

LIEBESNACHT MIT DEM PLAYBOY-BOSS von MIRANDA LEE
"Ich kann doch so tun, als wäre ich Ihr Verlobter." Obwohl Laura Playboys wie ihren sexy Boss Ryan Armstrong nicht mag, nimmt sie sein Angebot an. Denn sie darf ihre kranke Großmutter nicht enttäuschen! Und was soll schon passieren, wenn sie mit Ryan das verliebte Paar spielt?

SOPHIE UND DER FEURIGE SIZILIANER von KIM LAWRENCE
Liebt Marco seine geschiedene Frau immer noch? Für Sophie Balfour ist das ein schrecklicher Verdacht. Denn seit sie Marcos Palazzo neu einrichtet, ist sie dem Zauber des feurigen Sizilianers verfallen. Doch wird er in ihr jemals mehr als das hässliche Entlein der Familie sehen?


  • Erscheinungstag 27.03.2020
  • Bandnummer 322
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715175
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carol Marinelli, Miranda Lee, Kim Lawrence

JULIA EXKLUSIV BAND 322

1. KAPITEL

Nur hier konnte er Ruhe finden …

Scheich Zakari Al’Farisi starrte in die flirrende Weite und nahm die Einsamkeit der Azahar-Wüste mit allen Sinnen in sich auf.

Er war ein guter König, ein strenger Herrscher, verfolgte seine Ziele manchmal sogar rücksichtslos und tat, was getan werden musste. Der leichte, bequeme Weg war nie eine Option für Zakari gewesen. Seine Untertanen wussten das und schätzten ihn gerade wegen seiner Stärke und Gradlinigkeit. Er war hochgewachsen, muskulös gebaut – seine Schultern breit genug, um ihre Hoffnungen darauf zu bauen, und seine Arme stark genug, jede Frau zu tragen …

Er galt als Playboy und Womanizer, doch diese kleine Schwäche verzieh man ihm gern, weil es keiner Frau gelang, ihn ernsthaft von seinen Herrscherpflichten abzubringen. Seine Affären waren ihm nicht mehr als der Zeitvertreib und die Ablenkung, die ein schwer arbeitender Mann brauchte, und ebenso flüchtig wie der Wüstensand.

Zakari schaute über den endlos scheinenden goldenen Ozean aus Sandkörnern, dessen Gesicht sich stetig mit dem Wind veränderte, während einzelne Felsen und die eindrucksvolle Gebirgskette am Horizont als einzige Orientierungsmarken stets gleich blieben.

Es war dieses Land, dem eigentlich die Herrscherkrone gebührte. Abweisend, unwirtlich und dennoch faszinierend und wunderschön, nahm es ihn immer wieder gefangen. Es saugte ihn aus, erschöpfte ihn bis an die Grenzen und richtete ihn wieder auf. Es war wie ein Zwang, so oft wie möglich hierher zurückzukehren, um seine innere Stärke zu testen und zu reaktivieren.

Für viele Menschen war die Wüste keine echte Herausforderung mehr. Allradwagen hatten längst die traditionellen Kamele als Transportmittel abgelöst, und für die Jagd wurden moderne Schusswaffen statt Falken verwendet. Doch die Wüste selbst funktionierte nach ihren ureigenen Prinzipien, die immer noch von einigen Menschen respektiert und befolgt wurden. Zakari versuchte, sie mit aller Kraft aufrechtzuerhalten, in ihnen zu leben, fest davon überzeugt, dass sie es waren, die ihn schützten, wenn er sich in diese überwältigende Naturoase zurückzog.

Manchmal erspähte er in der Ferne dunkle Schatten, die sich bewegten, und wusste, dass es sich um Beduinen handelte, die sich mit ihren Kamelen auf einem der alten Handelswege fortbewegten, von denen nur diese Wüstenbewohner wussten. Sie würden nie auf die Idee kommen, seine Privatsphäre zu stören, dennoch tat es gut zu wissen, dass sie ihn aus der Ferne beobachteten, um sicherzugehen, dass mit ihrem König alles in Ordnung war.

Sein Regierungsberater und engster Vertrauter, Hassan, war entsetzt gewesen, als Zakari ihm erklärte, er wolle fürs Erste auf jegliche Begleitung verzichten, um sich ganz auf sich selbst konzentrieren zu können. Und natürlich auf den verschollenen Stefani-Diamanten.

Er musste ihn unbedingt vor Alexandros Karedes finden, der inzwischen statt seines Bruders Sebastian Kronprinz von Aristo war und erst zum König gekrönt werden konnte, wenn er in den Besitz des verschwundenen Juwels gelangte. Aber das durfte nicht passieren. Würde Zakari selbst das fehlende Teil des sagenumwobenen Diamanten in die Hände bekommen, dessen andere Hälfte bereits seine Königskrone zierte, war er der alleinige Herrscher über beide Inseln – Calista und Aristo.

Dann konnte er endlich das Vermächtnis von König Christos erfüllen.

Der hatte vor mehr als dreißig Jahren das damals noch vereinigte Königreich Adamas regiert. Eine unerbittliche Fehde zwischen seinen Kindern, Anya und Aegeus, und die schwelende Unruhe im Volk hatten jedoch dem alten König schwer zu schaffen gemacht.

Deshalb hatte er sich schweren Herzens dazu entschlossen, Adamas zu teilen, ebenso wie das Symbol für das vereinte Inselreich, den Stefani-Diamanten, der das Herzstück der gemeinsamen Krone gewesen war.

Calista vererbte er seiner Tochter Anya, Aristo seinem Sohn Aegeus. Zudem bekam jeder von ihnen eine Hälfte des Diamanten, der fortan die jeweilige Herrscherkrone zierte.

Das Leben ging weiter, die Zeiten veränderten Land und Leute, wie der Wind den Wüstensand …

Fünf Jahre war es bereits her, dass seine Stiefmutter, Königin Anya, zusammen mit seinem Vater tödlich verunglückte und Zakari den Thron von Calista bestiegen hatte. Und jetzt, nach König Aegeus’ unerwartetem Tod, war die Zeit reif für einen Machtwechsel, der beide Inseln betraf, denn ohne die in Aristo verschwundene Hälfte des Stefani-Diamanten konnte dort keine Krönung stattfinden.

Prinz Alex und das gesamte Königshaus Karedes hatten zwar versucht, das Geheimnis um den verschollenen Stein zu bewahren, aber das war natürlich unmöglich gewesen.

Brütend saß Zakari im heißen Wüstensand und versuchte, sich auf die Lösung zu konzentrieren, nachdem er sich schon tagelang … nein, bereits seit Wochen ohne Ergebnis das Hirn zermartert hatte. Aber auch weitere Stunden verbissener Grübelei brachten ihn seinem Ziel nicht näher.

Er seufzte. Inzwischen war Zakari sogar froh, dem Drängen seines Leibdieners nachgegeben zu haben, wenigstens in der zweiten Woche der selbstgewählten Klausur seine Haushälterin einfliegen zu lassen. Wenn er nach Sonnenuntergang in sein Zelt zurückkehrte, sollte Christobel ihn bereits dort erwarten. Sie war ein hübsches, williges Ding und würde in der Nacht für seine Entspannung sorgen, damit er sich tagsüber voll und ganz darauf konzentrieren konnte, die Zukunft seines Volkes zu sichern.

Zakari schloss die Augen und dachte an die Menschen, die er vor dem verschwenderisch-dekadenten Lebensstil der Nachbarinsel schützen wollte, ebenso wie die Diamantminen, auf die das Königreich Aristo nur zu gern die gierigen Finger gelegt hätte.

Der Wind frischte auf, und eine unvorhergesehene Bö trieb ihm heißen Sand ins Gesicht, doch Zakari blieb davon unbeeindruckt sitzen.

Nicht mehr lange, und er würde Rache dafür üben können, was Aegeus seiner Schwester Anya – Zakaris geliebter Stiefmutter – vor vielen Jahren angetan hatte …

Um seine herben Lippen geisterte ein Lächeln. Zakari hatte das Gefühl, die Vergeltung sei so nah, dass er sogar glaubte, sie bereits schmecken zu können.

Effie reckte nervös den Hals, um einen letzten, sehnsüchtigen Blick auf den Palast erhaschen zu können, ehe der Helikopter sich in die Lüfte hob.

Es war später Nachmittag, und dies war ihr erster Flug in einem Hubschrauber. Doch es war nicht die Angst vorm Fliegen, die sie zittern ließ, sondern das, was sie erwartete, wenn sie ihren Zielort erreichte. Die letzten Stunden hatte sie an nichts anderes denken können.

Es fing bereits am Vormittag mit dem Getuschel um Christobel an, die offenbar Hals über Kopf mit ihrem Geliebten davongelaufen war. In den zwei Jahren, die Effie im Palast arbeitete, hatte sie Christobel als junge Frau kennengelernt, die zwar außerordentlich hübsch war, aber ansonsten weder durch besonders hohen Arbeitseinsatz noch durch Fleiß auffiel. Warum ausgerechnet sie die persönliche Hauswirtschafterin des Königs war, konnte Effie sich beim besten Willen nicht erklären.

Seit Christobels Flucht am späten Morgen bemerkt worden war, tuschelten und kicherten die anderen Angestellten hinter vorgehaltener Hand. Doch dann kam die Nachricht, dass König Zakari ausgerechnet heute seine Haushälterin in der Wüste erwartete, und eine hektische Suche nach einem adäquaten Ersatz begann. Wie sich herausstellte, hatten zwei der älteren weiblichen Bediensteten ihre freien Tage, eine andere war schwanger, eine weitere hatte ein krankes Kind zu Hause, sodass die Wahl zu Effies Entsetzen schließlich auf sie fiel.

Da ihre Mutter tot war und sie auch keine weiteren Verwandten in Calista hatte, die auf sie angewiesen sein könnten, gab es keinen Grund, warum sie unbedingt in Calista bleiben müsste. Außer vielleicht ein Mangel an Erfahrung im direkten Umgang mit Mitgliedern des Königshauses.

Effie war eines der Dienstmädchen im niedrigsten Rang, und ihre Aufgaben führten sie nur selten in den offiziellen Teil des Palastes.

„Für unseren König ist kein Aufwand zu groß“, erklärte ihr die alte Fatma streng. „In der Zeit, die du bei ihm in der Wüste verbringst, bist du Tag und Nacht im Dienst, hast du verstanden?“

„Natürlich.“

„Der König wünschte für die erste Woche keinen Kontakt zum Palast und keine Dienstboten um sich. Angesichts der angespannten Lage im Land wollte er eine Zeit der Ruhe und Besinnung haben. Für die zweite Woche war geplant, dass Christobel ihm die Mahlzeiten bereitet und sich um alles Weitere kümmert …“

Effie wusste sehr wohl um die augenblickliche Nervosität und Unsicherheit innerhalb der Bevölkerung und verstand den Wunsch ihres Herrschers.

Seit König Aegeus’ Tod munkelte man von einem Skandal, der mit dem Königshaus in Aristo in Zusammenhang stand. Aber auch in Calista hatten sich in der letzten Zeit zumindest mittlere Dramen im Umfeld des Palastes abgespielt. König Zakaris Braut, die ihm von Kindesbeinen an versprochen war, heiratete zu aller Entsetzen überraschend seinen Bruder, Prinz Aarif, während ein anderer Bruder, Prinz Kaliq, sich ein ehemaliges Stallmädchen als Frau fürs Leben auserkor.

Fatma hat recht, dachte Effie in einem Anflug von Mitgefühl, König Zakari war wirklich in keiner beneidenswerten Lage.

„Wie gesagt, er verlangt strikte Abgeschiedenheit ohne die geringste Störung. Also komm nicht auf die Idee, zu versuchen, seine Meinung zu ändern, wenn du dort bist.“

„Und was ist, wenn der König krank werden sollte?“, fragte Effie ängstlich.

Die alte Dienstbotin seufzte. „Das ist natürlich ein Risiko, aber König Zakari kennt die Gefahren und Tücken der Wüste besser als jeder andere. Er wird schon selbst wissen, was in einem solchen Fall zu tun ist. Momentan will er eben allein in der Einöde sein, und was der König will, das bekommt er …“

Fatma bedachte die junge Palastangestellte mit einem schwachen Lächeln. Kompromiss war jedenfalls ein Wort, das im Sprachgebrauch ihres Herrschers nicht vorkam. „Nächste Woche wirst du vom gleichen Helikopter wieder abgeholt, der dich heute hinfliegt. Bis dahin gibt es nur den König und dich in der Wüste.“

„Ich verspreche, hart zu arbeiten.“

„Und erspar ihm dein Geschnatter!“

„Er wird nicht einmal bemerken, dass ich da bin“, versicherte Effie.

Mit gewohnter Strenge, aber gemildert durch aufrichtige Besorgnis, schaute Fatma in Effies hübsches Gesicht mit den klaren blauen Augen. Ein schlichtes Oval, umrahmt von dunklen tanzenden Locken.

„Dies sind turbulente Zeiten, Effie. Unser König wird viel Weisheit brauchen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. So gering dir deine Rolle dabei vorkommen mag, unterschätze sie nicht. Unsere Aufgabe ist es, alles von ihm fernzuhalten, was seine Konzentration stören könnte, und für eine Atmosphäre zu sorgen, in der er sich absolut entspannen kann.“

Effie schien noch ganz erschlagen von dieser ernsten Ansprache, da klatschte Fatma auch schon in die Hände und gebot, ihr zu folgen.

„So, wir haben keine Zeit zu verlieren. Christobel hätte seit über einer halben Stunde auf dem Weg sein sollen.“

„Aber ich muss doch noch packen …“

„Dazu ist keine Zeit.“ Die alte Dienerin scheuchte Effie durch die langen Korridore, wobei sie Christobels bereits gepackten türkisfarbenen Rollkoffer hinter sich herzog. „Du wirst mit Christobels Sachen zurechtkommen müssen.“

Effie versuchte anzumerken, dass sie deutlich üppiger als ihre gertenschlanke Kollegin war, doch ihr Protest wurde einfach zur Seite gewischt. „Das ist egal. Der Wind nimmt zu. Wenn der Helikopter nicht gleich startet, werdet ihr heute womöglich gar nicht mehr fliegen können. Und einen König lässt man nicht warten!“

Die gepflegten grünen Rasenflächen um den Palast, der am Rande der Wüste lag, waren das einzige sichtbare Zeichen für Zakaris immensen Reichtum.

Gerade die auf der Rückseite liegenden Räume, in denen Effie meist zu tun hatte, boten atemberaubende Ausblicke über das saftige Grün hinweg, hinaus in die Weite der Wüste. Eine Sicht, die sie immer wieder faszinierte. Aber von oben betrachtet, wie jetzt aus dem Helikopter, war es noch etwas ganz anderes. Ihre Magennerven flatterten, teils vor Nervosität, teils vor unbestimmter Vorfreude.

Von allen Angehörigen des Königshauses, angefangen bei den Prinzen, bis hin zu ihren zahlreichen Cousins, war es immer Zakari gewesen, der Effies Fantasie am meisten gereizt und beschäftigt hatte. Ab und zu erspähte sie ihn während ihres Arbeitstages im Palast, und ganz gleich, ob er eine prunkvolle Uniform oder arabische Gewänder trug, in ihren Augen sah er immer spektakulär aus. Aber nie besser als in moderner europäischer Kleidung.

Wie ein richtiger Filmstar. Und wenn er lächelte …

Natürlich hatte sein Lächeln nicht ihr gegolten. Aber eines Morgens, als sie mit einem Stapel frischer Bettwäsche auf dem Arm durch die endlosen Gänge des Palastes zu den entlegenen Gästeschlafräumen eilte, um sie für die bevorstehende Hochzeit von Prinz Kaliq vorzubereiten, kam König Zakari ihr an der Seite seines Bruders entgegen. Erschrocken hatte Effie sich dicht an die Wand gedrückt.

Kaliq, der bis zu seiner Verlobung als notorischer Playboy galt, musste irgendetwas Witziges erzählt haben, weil sich Zakaris harte Züge plötzlich in einem breiten Lächeln entspannten, das Effie derart den Atem raubte, dass sie sogar vergaß, den Blick zu senken und in den obligatorischen Hofknicks zu versinken.

Nicht, dass ihr König es überhaupt bemerkt hätte.

Aber nach diesem kleinen Zwischenfall konnte Effie endlich verstehen, woher sein Ruf als Womanizer rührte. In ihrem Fall hatte es nur eines Lächelns bedurft, um ihr Herz zu gewinnen. Und nun würde sie eine ganze Woche mit ihm verbringen. In der Wüste mit einem launischen, strengen Gebieter allein zu sein, wäre bestimmt nicht nach jedermanns Geschmack, doch Effie nahm ihre Arbeit sehr ernst, und hier bot sich ihr die einmalige Chance, genau dies zu beweisen. Indem sie den König, den sie anbetete, entlastete, half sie indirekt sogar noch dem Volk von Calista.

Gleich nach der Landung warf der Pilot Effie und ihren Koffer förmlich aus dem Helikopter, um sofort wieder zu starten, ehe es noch stürmischer wurde. Die heiße Wüstenluft war so trocken, dass es richtig schmerzte, als Effie ihre Lungen mit einem tiefen Atemzug füllte. Der leichte Schal über Mund und Nase, den sie wegen des feinen Sandes trug, der durch den warmen Wind aufgewirbelt wurde, bot leider keinen Schutz für ihre Augen.

Also beugte sie den Kopf so tief wie möglich und rannte unter den Rotorblättern weg, bis sie sich einigermaßen sicher fühlte. Schon der kurze Sprint in der sengenden Hitze hatte sie völlig erschöpft. Auch nachdem der Helikopter in den Himmel aufgestiegen war, legte sich der Sand, den er noch zusätzlich aufgewirbelt hatte, kaum, weil der Wind immer stärker wurde. Wie betäubt nahm Effie die endlose Weite in sich auf, die nur am Horizont von einer ockerfarbenen Gebirgskette begrenzt wurde.

Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie einsam und weit weg von jeglicher Zivilisation sie die nächsten Tage leben würde.

Aufgewachsen in einem der ärmeren Viertel von Calista, hatte sie den größten Teil ihres Lebens damit zugebracht, ihre kränkliche Mutter zu pflegen. Allein deshalb war sie niemand, der Arbeit und Verantwortung scheute, doch als sie König Zakaris Zelt betrachtete, das trotz seiner imposanten Größe wie ein winziges Sandkorn in der weiten Wüste wirkte, klopfte ihr Herz aus Angst vor dem Unbekannten bis zum Hals.

Man hatte ihr gesagt, dass er meist am Morgen verschwinde und irgendwann gegen Abend zurückkehre, also erwartete sie nicht, persönlich von ihm begrüßt zu werden. Wenn er sich an seine Gewohnheit hielt, hatte sie noch ein, zwei Stunden, um hier alles zu erkunden.

Am besten, ich fange gleich an, sagte sie sich und versuchte, einen Plan zu fassen. Bis König Zakari zurückkam, wollte sie sich mit allen Gegebenheiten vertraut gemacht haben. Schnell fand sie heraus, dass die Räder von Christobels Koffer im Sand blockierten, also hob sie das schwere Gepäckstück an und schleppte es zu ihrer neuen Bleibe.

Unter ihren Achseln bildeten sich feuchte Flecken, und ihr Gesicht brannte. Am besten, sie gönnte sich zuallererst einen erfrischenden Schluck Wasser … aber dann würde sie gleich loslegen! Im Zelt war es dunkel und angenehm kühl, stellte Effie fest, als sie die Stoffbahn am Eingang zurückschlug. Vorsichtig trat sie ein und zog ihre Schuhe aus. Ihre Augen brauchten einen Moment, um sich ans Dämmerlicht zu gewöhnen. Das Heulen des Windes hörte sich richtig unheimlich an, während sie den Koffer abstellte und umherging, um alles zu inspizieren.

Der Boden war komplett mit dicken Teppichen ausgelegt, die sich weich und angenehm unter ihren nackten Füßen anfühlten. Sie ließen das Zeltinnere weniger kahl wirken, und machten es trotz der beeindruckenden Größe irgendwie gemütlich, fast intim. Dazu trugen auch die niedrigen ornamentierten Tische bei, um die dicke Samt- und Satinkissen in allen Regenbogenfarben drapiert waren.

Am liebsten hätte Effie sich einfach auf den weichen Berg fallen lassen. Doch, wie sie schnell sah, gab es eine Menge für sie zu tun! Überall standen hübsche, juwelenbesetzte Teller, Platten und Krüge herum, alle überzogen mit einer feinen Schicht Sand, der durch unsichtbare Ritzen ins Zelt gedrungen sein musste.

In der Küchenecke stellte Effie mit Erleichterung fest, dass der Wohlstand des Königs ihm glücklicherweise erlaubte, auch mitten in der Wüste nicht auf einen Eisschrank mit angeschlossenem Dispenser zu verzichten, aus dem sie sich ein Glas kaltes Wasser genehmigte. Mit einer weiteren Portion Wasser kühlte sie sich Handgelenke und Gesicht.

Dann starrte sie fasziniert ins Kühlschrankinnere. Selbst wenn der Helikopter erst in einem Jahr wiederkäme, würden sie nicht verhungern müssen!

Gleich hinter der Küche befand sich offenbar das Dienstbotenquartier. Kleine, durch Stoffvorhänge abgeteilte Nischen, die alles boten, was man brauchte – ein schlichtes, aber bequem wirkendes Bett und eine Truhe für ihre Garderobe.

Effie war überwältigt. Wenn König Zakari tatsächlich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang in der Wüste unterwegs war und sie das Zelt in Ordnung gebracht hatte – was ihr inzwischen, verglichen mit der Arbeit im Palast, wie ein Klacks erschien – konnte sie die Woche in der Wüste fast wie einen Urlaub betrachten! Ein ganz neues und völlig ungewohntes Gefühl, auf das sie sich sehr freute.

Lächelnd schleppte Effie Christobels Gepäck in ihre Bettnische und packte als Erstes ihr Putzzeug aus, das sie noch in aller Eile zusammengerafft und obenauf in den Koffer gestopft hatte. Am besten, sie fing mit König Zakaris Schlafzimmer an … neue Laken aufziehen, das Bett machen und dann einen würzigen Tee kochen. Wenn er von seinem Wüstenausflug heimkam, sollte er es nicht bedauern müssen, sie statt Christobel hier zu haben. Schnell würde er sehen, dass sie härter und besser arbeiten konnte als seine bisherige Haushälterin …

Zakari wurde zunehmend ungeduldiger. Er wusste, dass Christobel längst hier war, doch warum kam sie nicht gleich zu ihm?

Genervt von dem immer stärker werdenden Wind, war er früher als gewohnt zurückgekehrt, und gönnte sich genussvoll ein entspannendes Bad, dankbar dafür, dass seine Stellung und sein Reichtum ihm einen derartigen Luxus ermöglichten. Das war es, was die Wüste einen lehrte, dachte er versonnen, sie machte einem wieder die kleinen Freuden des Lebens bewusst, die man ansonsten für selbstverständlich nahm.

Zum Beispiel Sex, was für Zakari allerdings nicht unter kleiner Freude rangierte. Er rauchte nicht, er trank nicht und verachtete jede Art von Glücksspiel. Sein sportgestählter Körper war in fantastischer Kondition, und außer seiner Liebe zu Pferden und seiner Begeisterung fürs Polospiel gab es nur noch eine weitere Passion: Frauen – sie waren seine einzige Schwäche.

Und ein kalkulierter, sicherer Gewinn, anders als beim Pokern. Da Zakari in seiner Stellung als König naturgemäß das beste Blatt in der Hand hielt, konnte er gar nicht verlieren. Er war und würde immer der Gewinner sein.

Eine einzige Frau war seinem Charme nicht erlegen – Prinzessin Kalila Zadar, die sein Vater lange als passende Braut für ihn angesehen hatte. Da auch die Bevölkerung der Ansicht war, dass sich ihr König mit siebenunddreißig Jahren durchaus im richtigen Alter befand, sich zu verheiraten und Thronerben zu zeugen, hatte er dem Druck nachgegeben und Hassan beauftragt, alles für die lang erwartete königliche Hochzeit in die Wege zu leiten und vorzubereiten.

Er selbst musste sich um den verschwundenen Stefani-Diamanten kümmern, deshalb sandte er seinen Bruder, Scheich Aarif, nach Zaraq – dem kleinen Königreich, das an Hadiya, die ursprüngliche Heimat der Al’Farisis, grenzte –, um seine Braut nach Calista zu holen. Doch Aarif und Kalila verliebten sich gegen ihren Willen Hals über Kopf ineinander. Zunächst versuchten sie erfolglos, ihre Gefühle zu verdrängen. Als Aarif seinem Bruder dann schließlich gestand, dass er dessen Braut liebe, reagierte Zakari anders als erwartet.

Er war irgendwie sogar erleichtert und froh darüber gewesen, seinen eher schwermütigen Bruder endlich einmal glücklich zu sehen. Kalila hätte zwar eine perfekte Königin abgegeben, aber als er sie nach all den Jahren wiedersah, hatte er nicht einen Funken Begehren verspürt. Höchstens eine Spur Neid auf eine derart liebevolle und enge Beziehung, wie Aarif und Kalila sie jetzt führten. Je selbst so etwas zu erleben, hielt Zakari für eher unwahrscheinlich. Für ihn war die Ehe nicht eine Sache des Herzens, sondern des Verstandes und der Tradition. Er war immerhin der König!

Aber heute Nacht wollte er nur Mann sein.

Zakari hatte sich seit Tagen nicht rasiert. Das tat er nie, wenn er in der Wüste war. Christobel brauchte er nicht zu beeindrucken.

Als er vorhin den Helikopter gehört hatte, war Zakari aus der Wanne gestiegen, hatte nach einem Handtuch gegriffen und war nackt durch sein Wüstenheim gewandert. Dabei trocknete er sich ab und fühlte sich ausgesprochen wohl in seiner Haut. Nachdem der Hubschrauber endlich gelandet gewesen war, schaute er kurz aus dem Zelt. Der aufziehende Sandsturm trübte die Sicht, doch sobald Zakari Christobels türkisfarbenen Koffer erspähte, verhärtete sich sein Körper in Erwartung des bevorstehenden Abends.

Zufrieden zog er sich in sein Schlafgemach zurück. Ein König lief nicht hinaus und begrüßte seine Haushälterin. Sie würde sehr bald zu ihm kommen …

Kurzfristig überlegte er, sich anzuziehen, ließ es dann aber. Warum auch? Eine Woche lang hatte er keinen Sex gehabt, und jetzt, da die Erfüllung so nah war, drohte sein Verlangen ihn zu überwältigen. Christobel würde ihn wenigstens nicht mit sinnlosem Geschnatter belästigen wie viele ihrer Geschlechtsgenossinnen oder ein romantisches Techtelmechtel erwarten. Sie wusste genau, warum sie hier war.

Zakari schloss die Augen und lächelte in sich hinein … wie sie ihn anlächeln würde, wenn sie eintrat und ihn so hier liegen sah …

Während er an ihre magischen Hände und weichen Lippen dachte, beschleunigte sich sein Pulsschlag. Er hörte sie im Zelt umhergehen, spürte, wie sein Mund trocken wurde, und wartete fast atemlos auf ihren Eintritt. Dann endlich …

Effie war fest davon ausgegangen, König Zakari sei noch draußen in der Wüste. Als sie zu seinem Schlafgemach ging, galten ihre Aufmerksamkeit und ihre Gedanken allein der wundervollen Umgebung. Sie konnte es kaum fassen, hier mitten in der Wüste ein ähnlich prachtvolles Interieur vorzufinden wie im Palast.

Doch als Effie eintrat, stockte ihr der Atem.

Er ist schön …

Das war ihr erster Gedanke, als sie seinen kraftvollen, nackten Körper sah. Selbst die üppige, mit Juwelen besetzte Bettstatt mit den seidenen Laken und Kissen konnte da nicht mithalten. Das schwarze Haar war noch feucht vom Baden, unter der bronzefarbenen Haut zeichneten sich die wohldefinierten Muskeln ab. Seine Augen waren geschlossen, lange dichte Wimpern warfen dunkle Schatten auf hohe Wangenknochen.

Effie ließ ihre Augen langsam und fasziniert weiterwandern …

Breite Schultern, lange, muskulöse Arme, eine kräftige Brust, die in den flachen Bauch überging. Ein Bein hatte er angewinkelt, das andere lang ausgestreckt. Und dann sah Effie etwas, was sie nie hätte sehen sollen!

Wäre sie Kammerjungfer gewesen, hätte ihr so etwas vielleicht schon zuvor passieren können, aber dann hätte sie sicher ein Handtuch parat gehabt und hochgehalten oder einfach den Blick abgewendet. Doch in dieser Hinsicht fehlte ihr jede Erfahrung.

Das faszinierende Bild, das sich ihr bot, war das Erotischste, was sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte. Effie wusste, dass sie sich lautlos und dezent hätte zurückziehen müssen, doch ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen.

Der Besen, den sie wie einen Rettungsanker umklammert hielt, entglitt ihrer Hand und fiel scheppernd zu Boden. „Tut mir leid … Eure Hoheit …!“, stieß sie erstickt hervor und schlug die Hände vors Gesicht, während Zakari seine Augen überrascht aufriss. Effie versuchte, sich umzudrehen und zu verschwinden, aber ihre Beine wollten ihr nicht gehorchen. „Es … es tut mir so leid …“

Wie der Blitz war er aus dem Bett, und die Hände vor den Augen hinderten Effie nicht daran, zu hören, wie er quer durch den Raum auf sie zustürmte.

„Wo ist Christobel?“, donnerte Zakari.

„Sie … sie konnte nicht kommen, Eure Hoheit.“ Effie versuchte, dem Drang zu widerstehen, sich auf die Knie zu werfen und um Vergebung zu flehen. „Ich … ich hätte mich viel früher bemerkbar machen müssen, aber ich dachte … ich nahm an …“ Sie vermochte kaum zu atmen. Die Wüstenhitze war nichts im Vergleich zu ihren brennenden Wangen. Ihre Kleidung war schweißdurchtränkt, und wenn sie nicht sofort ging, würde sie bestimmt ohnmächtig. „Ich … werde mich jetzt zurückziehen.“

„Zurückziehen?“ Seine schneidende Stimme durchfuhr sie wie ein Schwert. „Wenn man dich als Ersatz für Christobel hierher geschickt hat, wirst du auch ihren Dienst übernehmen – tagsüber in der Küche, nachts in meinem Bett! Besser, du gewöhnst dich an den Gedanken …“

2. KAPITEL

Nie wieder würde sie dort hinausgehen! Niemals!

Das Gesicht in die Kissen vergraben, lag Effie bäuchlings auf ihrem Bett und krümmte sich vor Scham und Demütigung. Schluchzend und voller Angst überlegte sie, was sie jetzt tun sollte.

Einfach in die Wüste hinauslaufen und für immer verschwinden? Oder sich zusammenreißen und ein Abendessen machen, das sie ihm lächelnd servierte?

Die Idee mit der Wüste schien ihr erträglicher. Wie sollte sie König Zakari je wieder gegenübertreten können? Andererseits … was blieb ihr für eine Wahl?

Hatte Fatma etwa das gemeint, als sie von Tag und Nacht im Dienst sprach? Mit der Atmosphäre, in der er sich absolut entspannen kann?

Was der König will, das bekommt er!, hallte es in Effies Kopf wieder. Und jetzt war er auch noch wütend auf sie. Ihre gestammelten Entschuldigungen hatten alles nur schlimmer gemacht …

„Hier!“

Beim harschen Ton der tiefen Stimme stockte Effie der Atem.

„Ich habe dir einen Drink gemacht, nimm ihn …“

Der König brachte ihr etwas zu trinken?

Langsam drehte sie sich auf den Rücken, setzte sich auf und starrte auf die kleine goldene Tasse, die er ihr hinhielt. Schüchtern nahm Effie sie entgegen und trank einen Schluck von dem schwarzen sirupähnlichen Kaffee, dankbar für die Wärme, die ihren verkrampften Körper durchströmte. Doch aus ihrem Schockzustand konnte selbst das heiße, süße Getränk sie nicht ganz befreien. Der vertiefte sich eher noch, als sie sah, dass König Zakari gar nicht mehr verärgert schien, sondern sie sogar anlächelte.

„Sagst du mir deinen Namen?“

„Effie.“

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie immer noch saß in seiner Gegenwart. Hastig versuchte sie, auf die Füße zu kommen, wurde aber daran gehindert. Stattdessen ließ Zakari sich auf der Bettkante nieder.

„Eure Hoheit, es tut mir so …“

„Genug!“ Neugierig studierte er ihr aufgelöstes Gesicht. Seit einer Stunde hatte er sie weinen hören. Bis er sich angezogen hatte, war seine Wut längst verraucht und hatte aufrichtigem Amüsement Platz gemacht. So etwas wie Scham oder Verlegenheit kannte Zakari nicht, doch Effies ausgeprägtes Schamempfinden war ihm natürlich nicht verborgen geblieben.

Sobald er seinen Ärger und die Enttäuschung über Christobels Abwesenheit verdaut hatte und begriff, was passiert war, wurde ihm auch ihre offensichtliche Angst bewusst. Und angesichts der Tatsache, dass sie die nächsten Tage allein zu zweit hier in der Wüste ausharren mussten, entschloss sich Zakari, den Stier gleich bei den Hörnern zu packen.

„Ich hielt dich für Christobel. Sie sollte heute Nachmittag hier ankommen, und als ich dich aus dem Helikopter steigen sah …“

„Sie … sie hat den Palast heute Morgen verlassen, Eure Hoheit.“ Effie zitterte vor Nervosität und Anspannung. Auf Augenhöhe direkt mit dem König zu sprechen, erschien ihr als ungeheuerlich. Gleichzeitig war sie ihm dankbar für die Möglichkeit, sich zu erklären und rechtfertigen zu können. „Ich wurde in letzter Minute als Ersatz für sie bestimmt, deshalb hatte ich nicht einmal Zeit zum Packen. Ich … ich werde Christobels Sachen tragen müssen …“

Zakari ließ seinen Blick über Effies weibliche Rundungen gleiten, sagte aber nichts.

„Ich dachte, Sie seien noch in der Wüste und würden erst nach Sonnenuntergang zurückkehren. Ich … ich wollte nur Ihr Schlafzimmer vorbereiten. …“ Sie zuckte hilflos mit den Schultern. „Fatma hat mir gesagt, dass ich tags- und nachtsüber im Dienst wäre, und ich war so entschlossen, mich anzustrengen und Ihnen zu zeigen, dass ich wirklich alles für Sie tun würde, aber ich habe nicht begriffen, dass …“ Effie brach ab und errötete heftig. „Ich verstehe nichts von diesen Dingen …“

„Fatma sprach davon, das Zelt sauber zu halten, meine Mahlzeiten zu kochen, mir Tee zu servieren und sich vielleicht ab und zu mit mir zu unterhalten“, versuchte Zakari zu seiner eigenen Überraschung die arme Effie zu beruhigen. „Was heute Nachmittag passiert ist … Christobel und ich, wir hatten ein eigenes privates Arrangement.“

„Oh …“ Effie krauste die Stirn und verstand plötzlich, warum ausgerechnet die eher arbeitsscheue Christobel den Job als persönliche Haushälterin des Königs bekommen hatte. „Dann bin ich also nicht hier, um … ich meine, Sie erwarten nicht von mir …?“

„Nein.“ Zakari schauderte schon bei dem Gedanken, zeigte es aber nicht. Er war gertenschlanke, kapriziöse und erfahrene Geliebte gewöhnt. Dieses rundliche, schüchterne Geschöpf war absolut nicht seine Kragenweite.

„Dann brauchen Sie wirklich eine Haushälterin?“, vergewisserte sich Effie vorsichtshalber noch einmal.

Nein, die brauchte er weder, noch wollte er sie. Doch als er in ihr ovales Gesicht mit den großen fragenden Augen schaute, rührte sich etwas Seltsames in Zakari, das er zum ersten Mal gespürt hatte, als er sie weinen hörte. Es hatte ihn sogar dazu veranlasst, seiner Haushälterin einen Kaffee zu bringen.

„Ja …“ Irritiert über seine eigene Antwort, runzelte er die Stirn. Versuchte er etwa gerade, einen Dienstboten zu schonen und zu beschwichtigen? Sonst war es immer umgekehrt. „Aber nicht mehr heute Abend. Pack in Ruhe deine Sachen aus und versuch, dich ein wenig zu erholen. Morgen wirst du dann offiziell deinen Dienst antreten.“ Damit verschwand er aus ihrer Schlafkammer und ließ Effie sprachlos und völlig überwältigt zurück.

Scham und Unbehagen waren unmerklich Staunen und Erleichterung gewichen. Und einem warmen Gefühl bei der Erinnerung an den stärkenden Kaffee, den er ihr kredenzt, und die freundlichen Worte, mit denen König Zakari Al’Farisi sie bedacht hatte. Es war ihm tatsächlich gelungen, sie aus den Niederungen von Peinlichkeit und Scham in die Normalität zurückzuholen. Und nicht nur das … Effie fühlte sich plötzlich richtig wohl in ihrer neuen Umgebung.

Doch als sie aufstand, waren ihre Beine noch ziemlich wackelig. Wie befohlen schlug sie den Kofferdeckel zurück und schaute mit zitternden Fingern den Inhalt durch. Außer einer Art Uniform, die einer Dienstmagd vielleicht angemessen war, ihr aber viel zu eng sein würde, fand Effie nur unpassende Dinge, die durchweg als frivol bezeichnet werden konnten und sie unwillkürlich erröten ließen.

Die ganze Zeit über konnte sie ohnehin an nichts anderes denken als an Christobels privates Arrangement mit dem König, und wie so etwas im Einzelnen ablaufen mochte. Eine gewisse Ahnung davon vermittelte ihr, was sie in die Finger bekam …

Hauchdünne Seidenstrümpfe und winzige Spitzen-Dessous lagen neben duftenden Lotionen und Tinkturen, die Christobel wohl benutzte, um ihre Magie noch zu steigern. Und dann fand Effie zu ihrem Entsetzten auch noch in Silberpapier verpackte Kondome im Seitentäschchen einer eleganten Kulturtasche!

Neben der Uniform nahm Effie nur ein hauchzartes rotes Kleid aus dem Koffer, das ihr am wenigsten dekadent erschien, klappte hastig den Deckel zu und versuchte zu vergessen, was sie gesehen hatte. Sie löschte die kleine Lampe neben ihrem Bett, doch die ersehnte Ruhe wollte sich nicht einstellen. Also machte sie das Licht wieder an und öffnete den Koffer ein zweites Mal …

Diesmal ließ sie sich Zeit, und nachdem sie die Kosmetiktasche erneut geöffnet hatte, probierte sie verschiedene Lippenstiftfarben auf ihrem Handrücken aus, sprühte Parfüm in die Luft und schnupperte neugierig. Dann drehte sie den Deckel einer besonders interessant wirkenden Dose auf und inhalierte tief den schweren, süßen Duft. Enthaarungstinktur las sie auf dem Etikett und schmunzelte.

Sie mochte naiv sein, war aber nicht dumm. Effie wusste genau, dass es im traditionelleren Calista keine modernen Schönheitsstudios gab wie jene in Aristo, in denen man unerwünschte Körperbehaarung mit Heißwachs entfernen lassen konnte. Deshalb musste sich Christobel offenbar dieser veralteten Methode bedienen.

Mit gerunzelter Stirn schaute Effie an ihrem eigenen Körper hinunter, sah den zarten Flaum auf ihren Beinen, dachte an die Härchen unter ihren Achseln und im Intimbereich und wünschte sich zum ersten Mal, ihre Haut wäre auch glatt, zart und mädchenhaft, und sie selbst schön genug, um …

Bereits in der nächsten Sekunde schalt sie sich selbst für derart vermessene Wünsche und bestürzende Fantasien, stopfte die Dose zurück in die Kulturtasche und die in den Koffer, den sie energisch verschloss und aus dem Weg schob. Ärgerlich löschte sie zum zweiten Mal das Licht, doch ihr verräterischer Körper wollte ihr die Ruhe nicht gönnen, die sie so dringend brauchte.

Sie hatte heute eine fremde Welt betreten und Dinge gesehen, mit denen sie nie zuvor konfrontiert worden war. Effie seufzte und kniff die Lider zu, was zur Folge hatte, dass König Zakaris dunkles Gesicht ihr noch viel klarer und intensiver vor Augen stand. Und die wildesten Träume der nächsten Stunden konnten mit der erlebten Realität nicht einmal mithalten …

Wenn er in der Wüste war, bereitete Zakari sich am liebsten selbst ein einfaches Frühstück. Doch heute Morgen erwartete ihn ein Festmahl.

Zunächst war er dem verlockenden Duft frisch gebackenen Fatirs, dem traditionellen Fladenbrot der Beduinen, nachgegangen. Dann streifte ihn ein süßer Hauch eines Pfannkuchen-Auflaufs, den Effie ebenfalls frisch zubereitet hatte. Daneben standen kleine Schälchen mit geriebenen Mandeln in Arganöl und Honig. Würziger Käse, in Sirup eingelegte Früchte, starker Mokka und sogar noch frisch aufgebrühter Pfefferminztee rundeten die opulente Auswahl ab.

„Fantastisch!“, rief Zakari mit einem für ihn völlig untypischen Enthusiasmus aus, als er ein Stück Fatir abgebissen hatte. Da beschäftigte er die besten Sterneköche der Welt und war an exzellente, kunstvoll kreierte Menüs gewöhnt, doch mit einem gut zubereiteten Fatir konnte nichts anderes mithalten.

„Ein Rezept meiner Mutter“, erklärte Effie mit schüchternem Lächeln.

„Eine ausgezeichnete Köchin.“

„Ja, das war sie …“ Effies Lächeln verschwand. „Leider ist sie vor zwei Jahren gestorben. Sie war früher als Dienstmädchen im Palast von Aristo angestellt. Dort hat sie gelernt zu backen und …“

„In Aristo gibt es gar kein Fatir“, schnitt Zakari ihr das Wort ab. „Da isst man nur französische Pasteten, Croissants und ähnlich dekadentes Zeug. In Calista kennt man wenigstens noch traditionelles, landestypisches Essen!“

„Sicher haben Sie recht, Eure Hoheit“, beeilte Effie sich zu versichern. „Aber es war noch vor meiner Geburt, als meine Mutter in Aristo gearbeitet hat.“

„Ah, wohl noch zu Zeiten von König Christos!“ Überraschend erhellte ein Lächeln sein finsteres Gesicht in Erinnerung an einen beeindruckenden Mann, den er persönlich leider nie kennengelernt hatte. „Ja, das war eine gute Zeit, da pflegte man auch dort noch alte Traditionen. Ganz sicher gab es damals auch Fatir und Argan im Palast von Aristo …“

Genießerisch stippte er das noch warme Fladenbrot in kostbares Arganöl und hielt es Effie entgegen, die nach einer Schrecksekunde heftig den Kopf schüttelte.

„Setz dich“, befahl Zakari. „Seit Tagen habe ich mit niemandem mehr gesprochen. Solange du hier als Haushälterin für mich tätig bist, möchte ich, dass du dich normal mit mir unterhältst, wenn ich dich anspreche, verstanden?“ Wieder hielt er ihr das getunkte Brot hin, und diesmal nahm sie es an. „Sobald wir zurück im Palast sind, werde ich dich ignorieren.“

„Natürlich!“, beeilte Effie sich Verständnis zu signalisieren und hielt den Atem an, als König Zakari breit lächelte.

„Das war ein Witz“, klärte er sie amüsiert auf. „Natürlich werde ich dich grüßen, wenn wir uns zufällig begegnen sollten. Also, wie schmeckt dir das Arganöl?“

„Wundervoll!“, bekannte sie ehrlich. Sie hatte zwar schon vorher Fatir gegessen, aber nur mit Honig gesüßt. Das aus den Früchten der Arganbäume, die nur im Südwesten von Marokko wuchsen, gewonnene Öl war reiner Luxus. Pures Gold, sozusagen.

„Es verschafft dem Körper Energie“, erklärte Zakari. „Und man sagt ihm sogar …“ Er brach ab und zögerte, angesichts Effies hektisch geröteter Wangen. Nach dem gestrigen Erlebnis war es vielleicht nicht unbedingt angebracht, in Gegenwart seiner schüchternen Ersatz-Haushälterin von der Wirkung als Aphrodisiakum zu sprechen.

„Man könnte es fast als Medizin bezeichnen“, behauptete er mit einem freundlichen Lächeln, das Effies Herz wärmte und sie sichtbar entspannte. „Meine Mutter war ganz verrückt nach Fatir …“

Warum erzähle ich einer Dienstmagd von den Vorlieben meiner Mutter?

„Ihre richtige Mutter oder Königin Anya?“

Es war eine harmlose Frage, geboren aus der harmlosen Plauderei, die er ihr selbst angedient hatte, um die angespannte Atmosphäre zwischen ihnen aufzulockern. Doch als Effie sah, wie sich seine Miene verfinsterte, hätte sie sich am liebsten auf die Zunge gebissen, aber es war zu spät. Dabei hatte Fatma sie doch ausdrücklich gewarnt!

„Deine Aufgabe ist es, zuzuhören, und nicht, Fragen zu stellen!“, wurde sie angeherrscht.

„Verzeihung, Eure Hoheit …“ Mit flammenden Wangen griff Effie nach einem bereits geleerten Teller, um ihn abzuräumen. Aber kaum hatte sie sich abgewandt, hielt seine Stimme sie zurück.

„Meine erste Mutter“, erklärte er entschieden freundlicher als zuvor. Und auch sein Blick war wieder ruhig und zugewandt, als Effie sich umdrehte. „Sie hat darauf bestanden, jeden Morgen frisches Fatir auf dem Frühstückstisch zu haben.“

Ängstlich, wieder etwas Falsches zu sagen, nickte Effie nur.

„Und ich habe dieses Frühstück heute auch außerordentlich genossen. Aber Morgen möchte ich bitte nur einen starken Kaffee haben. Hier draußen mag ich es so einfach wie möglich.“

„Aber Sie können doch nicht ohne etwas im Magen in die Wüste gehen!“, entfuhr es Effie gegen ihren Willen. Entsetzt über ihr eigenes Verhalten, schlug sich die Hand vor den Mund und entspannte sich erst, als König Zakari, anstatt sie erneut zu maßregeln, sich noch ein weiteres Stück Fladenbrot mit Öl in den Mund schob.

„Also gut …“, gab er nach, „… Kaffee und Fatir, aber nichts anderes.“

Der starke Wind vom Vortag hatte ganze Arbeit geleistet. Auf dem Weg in die endlose Weite der Wüste betrachtete Zakari die veränderte Landschaft mit schmalen Augen. Doch selbst wenn er sich verirren sollte, würden ihm die eindrucksvollen Felsen Orientierung sein.

Er wünschte nur, im Falle des verschwundenen Stefani-Diamanten auf ebenso eindeutige Wegweiser bauen zu können …

Seit Zakari durch zuverlässige Quellen erfahren hatte, dass der kostbare Stein in der Königskrone von Aristo durch eine Fälschung ersetzt worden war, hatte er sich auf die Jagd nach dem unersetzlichen Stein begeben.

Seine unermüdliche Suche führte ihn über Ägypten nach Amerika und schließlich bis nach London. Einige andere kostbare Schmuckstücke aus der Königsschatulle von Aristo hatten unter dubiosen Umständen den Weg in ein berühmtes Londoner Auktionshaus gefunden, und Zakari ersteigerte sie, einem sicheren Instinkt folgend, alle anonym zurück.

Für ihn war damit bewiesen, dass Aegeus eine heimliche Geliebte gehabt haben musste, für deren Unterhalt er diverse Schmuckstücke – und möglicherweise sogar den Stefani-Diamanten – hatte veräußern müssen, um das Verhältnis vor der königlichen Familie und seinen Untertanen geheim zu halten.

Aber wer mochte diese Frau sein?

Jede Spur, die er in dieser Richtung verfolgt hatte, endete nicht nur in einer Sackgasse, sondern schien ihn immer weiter von der Wahrheit wegzuführen. Und jedes zusätzliche Schmuckstück, das auftauchte, verwirrte ihn nur noch mehr. Es hatte Gerüchte um ein Dienstmädchen gegeben, doch diese Recherche verlief im Sande. Ebenso wie jene über frühere Geliebte, noch vor Aegeus’ Eheschließung mit Königin Tia. Selbst wenn Aegeus seiner Frau Tia untreu gewesen sein sollte, schien er wenigstens ausgesprochen diskret gewesen zu sein.

Zakari schüttelte den Kopf. Diese Ungereimtheiten waren der Grund, warum er sich hierher in die Einsamkeit zurückgezogen hatte. Um Ruhe zu finden und endlich wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.

Ungewollt kehrten seine Gedanken dabei zu diesem Morgen zurück, der so ganz anders verlaufen war als die gesamte letzte Woche. Effie hatte nicht nur ein Frühstück gezaubert, das ihn an längst vergessene Zeiten erinnerte, sie hatte es sogar gewagt, von seiner Mutter zu sprechen! Und damit etwas angestoßen, was er für immer hatte ruhen lassen wollen.

Zunächst hatte es ihn einfach geschockt, dann weckte es eine kaum fassbare Erinnerung an eine Ära, als das Leben noch unkompliziert und er ein kleiner Junge gewesen war, der durch einen anderen Palast stürmte, immer dem hellen Lachen seiner Mutter hinterher …

Seiner richtigen Mutter.

Zakari war nicht als König von Calista geboren worden. Und eine Zeit lang hatte er sich auch nicht mit dieser Rolle anfreunden können, wobei es der Bevölkerung des Inselstaates bestimmt nicht anders ergangen war.

Seine Mutter starb bei der Geburt ihres siebten Kindes … Zafir. Sein Vater, Scheich Ashraf Al’Farisi, dritter Sohn der regierenden Familie des Scheichtums von Hadiya, verliebte sich nach einer angemessenen Zeit der Trauer in Königin Anya, die Herrscherin von Calista.

Anya, die unfruchtbar war, hatte Ashrafs Kinder wie ihr eigen Fleisch und Blut angesehen, liebevoll aufgezogen und Zakari dazu bestimmt, eines Tages die Thronfolge anzutreten. Doch dieser schmerzliche Tag kam viel früher als erwartet. Ashraf und Anya starben bei einem schrecklichen Helikopterabsturz, und die gesamte Bürde des trauernden Volkes lastete fortan auf Zakaris Schultern.

Heute, fünf Jahre später, mit seinen siebenunddreißig Jahren, empfand er die Verantwortung als belastender denn je. Macht war alles, was noch für ihn zählte. Und deshalb war es seine wichtigste Mission, den verschwundenen Diamanten aufzuspüren. Das sagte er sich wieder und immer wieder.

Aber warum fiel es ihm auf einmal so schwer, sich genau darauf zu konzentrieren?

Der Tag zog sich schrecklich in die Länge. König Zakari war gleich nach dem Frühstück aufgebrochen, und Effie hatte sich ohne Verzögerung ans Putzen gemacht. Sie war froh über die Ablenkung, um nicht ständig an den gestrigen verstörenden Abend denken zu müssen. Und es gab hier eine Menge für sie zu tun!

Zakari, wie Effie den König inzwischen heimlich und mit einem wohligen Schauer bei sich nannte, mochte ja in der Lage sein, Essen und Drinks selbst zuzubereiten, doch das Abräumen und Spülen von Gläsern und Tellern gehörte offensichtlich nicht dazu. Auch seine gebrauchte Kleidung lag überall verstreut auf dem mit Teppichen bedeckten Boden herum.

Effie sammelte alles ein, wusch die Sachen, reinigte das gesamte Zelt und träumte dabei wie ein alberner Teenager vor sich hin. Wenn sie sich genügend anstrengte, würde Zakari vielleicht so beeindruckt von ihrem Fleiß und ihrer Umsicht sein, dass er sie nach der Rückkehr in den Palast an Christobels Stelle setzte …

Natürlich nur als reguläre Haushälterin!, fügte sie sofort mit klopfendem Herzen in Gedanken hinzu und presste die Handrücken gegen ihr brennendes Gesicht.

Erst am späten Nachmittag hatte Effie ihre zitternden Nerven genügend unter Kontrolle, um sich in Zakaris Schlafgemach zu wagen. Doch kaum war sie eingetreten, brannten ihre Wangen schon wieder wie Feuer. Zunächst hielt sie den Kopf tief gesenkt, reinigte den Boden und polierte die ornamentierten Möbel, doch schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als sich aufzurichten, um die Kissen ausschütteln und das Bett machen zu können.

Doch ganz gleich, wie sehr sie darum rang, Zakaris prachtvollen nackten Körper aus ihrem Gedächtnis und ihrer Fantasie zu verbannen, es wollte ihr nicht gelingen. Dabei wusste Effie genau, wo ihr Platz war. Berechnung oder hochfliegende Träume hatte es nie für sie gegeben.

Ihre Mutter hatte sie dazu erzogen, das Königshaus zu achten und zu lieben. Man sei ihr gegenüber sehr großzügig gewesen, hatte Lydia erklärt. Ihre harte Arbeit als junges Dienstmädchen im Palast von Aristo sei bei ihrem Weggang mit einer stattlichen Unterstützung belohnt worden, die ihr durch geschicktes Investment ein eigenes Heim und ein bescheidenes Einkommen ermöglicht habe, weshalb sie ihr Kind selbst versorgen konnte und bis zu ihrem Tod nicht wieder arbeiten musste.

Effie hatte das nie hinterfragt, genauso wenig wie sie sich fragte, warum einige alles und andere nichts besaßen. Stattdessen fühlte sie sich sogar privilegiert, weil sie in einem königlichen Palast arbeiten durfte. Selbst wenn sie die feine Wäsche, das kostbare Geschirr und die schweren Silberbestecke nur reinigte, konnte sie alles in die Hand nehmen und heimlich bestaunen.

Klaglos akzeptierte sie, dass nichts davon je ihr gehören würde.

Ebenso wenig wie der Mann, dessen körperliche Schönheit und Kraft sie für einen flüchtigen Moment voller Faszination hatte genießen dürfen. Doch in diesem Fall verspürte Effie zum ersten Mal in ihrem Leben so etwas wie Neid … oder eher Sehnsucht nach etwas, das ihr nicht zustand.

Sekundenlang presste sie ihr Gesicht in das Kissen, auf dem sein dunkler Kopf gelegen hatte, inhalierte tief den verführerisch herben, männlichen Duft und wünschte sich verzweifelt, sie wäre so schlank und begehrenswert wie Christobel. Und dass der König sie erwartet hätte, und nicht bei ihrem Anblick enttäuscht gewesen wäre …

Doch dann rief Effie sich streng zur Ordnung. Schließlich wurde sie nicht fürs Träumen bezahlt. Also fuhr sie energisch in ihrer Arbeit fort.

3. KAPITEL

Zakari erwachte jeden Morgen vor Sonnenaufgang, und wenn er sein Schlafgemach verließ, hatte Effie bereits das Frühstück vorbereitet. Meist aß er stumm, doch manchmal fragte er sie auch, ob sie gut geschlafen habe oder murmelte einen Dank. Doch für gewöhnlich hüllte er sich in brütendes Schweigen. Für Effie war es sogar eine Erleichterung, wenn er endlich zu seinem täglichen Wüstentrip aufbrach und sie ungestört ihrer gewohnten Arbeit nachgehen konnte.

Denn nach Sonnenuntergang kehrte er als anderer Mensch zu ihr zurück. Ausgeglichen, freundlich und umgänglich. Nach einem erfrischenden Bad nahm er gut gelaunt das Mahl ein, das sie ihm bereitet hatte. Und während Effie später abräumte, ließ er sich wohlig tiefer in die dicken Kissen sinken und trank seinen Kaffee. Kehrte sie aus der Küche zurück, sprach er sie für gewöhnlich an.

Eingedenk Fatmas strenger Warnung und der Fehler, die ihr bereits unterlaufen waren, versuchte Effie, ihre Zunge zu hüten, doch König Zakari Al’Farisi erwies sich als so anregender Gesellschafter, dass sie ihre Vorsicht schnell vergaß und bereitwillig von ihrer Familie plauderte. Wenn sie einen albernen Witz machte, verursachte ihr sein spontanes Lächeln jedes Mal schreckliches Herzklopfen, und gab sie ihm im Eifer mal Kontra, wies er sie überraschenderweise nicht wieder zurecht, sondern ging bereitwillig und ernsthaft auf ihre Argumente ein.

Deshalb verteidigte sie auch mutig den benachbarten Inselstaat, in dem ihre Mutter sich einst so wohl gefühlt hatte. „Das Königshaus von Aristo hat meine Mutter sehr gut behandelt und sich ihr gegenüber ausgesprochen großzügig gezeigt“, hielt sie seiner harschen Kritik entgegen. „Und deshalb spare ich auch mein Gehalt, um im Januar zur Krönung von Prinz Alex reisen zu können.“

Dass im Januar keine Krönung stattfinden würde, wenn er das verschwundene Juwel in der Zwischenzeit fand, verriet Zakari ihr natürlich nicht. „Du denkst also wirklich, Alexandros würde einen guten König abgeben? Immerhin ist sein Bruder Sebastian dazu erzogen worden, seinem Vater auf den Thron zu folgen, hat aber auf dieses Vorrecht zugunsten einer völlig unpassenden Heirat verzichtet.“

Effie klatschte spontan in die Hände. „Aber das ist doch ungeheuer romantisch, finden Sie nicht?“

„Es ist ein Zeichen von Schwäche!“, kam es hart zurück. „Die Bevölkerung von Aristo ist von einem derartigen Verhalten mehr als beunruhigt. Zumal sie sich dessen bewusst sind, dass auch Alex den Thron nicht wirklich will.“

„Nun, ich bin nicht beunruhigt.“

„Du lebst ja auch in Calista. Die Verunsicherung unserer Nachbarn betrifft dich nicht, weil du einen starken König hast.“

Effie senkte errötend den Blick. „Das stimmt allerdings …“, flüsterte sie scheu, „… ich habe einen wundervollen König und bin außerordentlich stolz, ihm dienen zu dürfen. Doch ich mache mir auch über Aristo viele Gedanken und glaube, dass Alex mit der liebevollen Unterstützung seiner Mutter, Königin Tia, einen ebenso wundervollen König abgeben wird.“

Zakari betrachtete aufmerksam ihr klares Gesicht und konnte sich nicht entscheiden, ob die Bewunderung für ihre Loyalität und den Mut, für ihre Meinung einzutreten, überwog, oder der leichte Frust angesichts der Erkenntnis, von ihr mit dem Kronprinzen von Aristo auf eine Stufe gestellt zu werden.

Noch ehe er etwas antworten konnte, verbeugte sich Effie lächelnd, wünschte ihm eine gute Nacht und zog sich rasch und lautlos in Richtung der Dienstbotengemächer zurück.

Zakari entschloss sich, sie wegen ihrer Unerschrockenheit zu bewundern, machte die Augen zu und ließ sich mit einem tiefen Seufzer in die opulenten Kissen zurücksinken. Sein Körper war erschöpft von den Anstrengungen des Tages, sein Geist hingegen hellwach.

Wenn er recht überlegte, war Königin Tia die einzige Trumpfkarte, auf die Aristo noch zählen konnte. Eine ebenso schöne wie elegante Frau mit Stil und Intelligenz. Loyal und in vorbildlicher Haltung hatte sie bis zu seinem Tod an Aegeus’ Seite gestanden, und sich mit Kompetenz und Hingabe ihren Kindern und verschiedenen Wohltätigkeitsorganisationen gewidmet. Und sie hatte ihre Kinder vorzüglich erzogen, wie sich Zakari widerwillig eingestehen musste. Prinz Sebastian hatte er von jeher bewundert. Zumindest, bis er seiner Verantwortung wegen der Liebe zu einer Frau den Rücken kehrte.

Sich mit Effie auch über solche Dinge zu unterhalten, hatte ihm gefallen, stellte Zakari im Nachhinein erstaunt fest. Und mit der Aussicht auf eine lange, schlaflose Nacht war er fast geneigt, sie zurückzurufen, um weiter zu plaudern.

Überhaupt war ihm aufgefallen, dass er begann, sie zu vermissen, wenn sie sich abends einfach so sang- und klanglos zurückzog. Er vermisste das Funkeln in ihren strahlend blauen Augen, ihr spontanes Erröten und helles Lachen …

Was ist denn nur in dich gefahren?, rief er sich grimmig zur Ordnung. Wahrscheinlich eine Art Lagerkoller!

Aber was hatte es zu bedeuten, dass er in ihrer Gegenwart viel mehr erzählte als beabsichtigt? Unter ihrem klaren, offenen Blick war es so einfach, sich zu entspannen, Regeln und Konventionen zu vergessen, ebenso wie die gewohnte Distanz und Diskretion, die nach Zakaris fester Überzeugung bereits in seiner DNA verankert und ihm inzwischen zur zweiten Natur geworden waren.

Anstatt Effie zurückzuholen, legte auch er sich schließlich hin, aber nicht in sein luxuriöses Bett, sondern draußen. Zakari entfachte ein kleines Feuer, streckte sich daneben aus und schaute zum Sternenhimmel empor, bis ihn schließlich der Schlaf übermannte.

Als er am sechsten Abend ihrer inzwischen vertrauten Zweisamkeit mit seinem Kaffee in der Hand in die Kissen zurückgelehnt saß, während Effie den Tisch abräumte, beschloss Zakari, die kurze Zeit, die ihnen blieb, zu nutzen, um noch mehr über seine Ersatzhaushälterin zu erfahren.

Effie zögerte, als er sie bat, ihm Gesellschaft zu leisten, und auf das Kissen neben sich klopfte. Doch als sie sah, dass seine gute Laune zu schwinden drohte, ließ sie sich fügsam auf dem bunten Sitzkissen nieder.

„Du lebst nicht im Palast?“

„Nein, ich wohne in einem kleinen Häuschen, das meiner Mutter gehörte.“

„Wie konnte sie sich das von ihrem Dienstmädchengehalt leisten?“

Effie hob die Schultern. „Sie kaufte es bereits vor meiner Geburt. Ich weiß nur, dass meine Mutter sehr sparsam war und kluge Investitionen getätigt hat. Es ist ja auch nur ein ganz einfaches Haus. Doch ihre Ersparnisse haben zumindest ausgereicht, dass sie bis zu ihrem Tod nicht mehr arbeiten musste.“

Zakari unterdrückte ein Lächeln. Sie war so unglaublich unschuldig. Die einzigen alleinerziehenden Mütter in Calista mit Eigentum arbeiteten sogar extrem hart für ihr Geld! Für Naivität hatte er noch nie etwas übrig gehabt, doch in Effies Fall rührte es ihn sogar, dass sie ihrer Mutter offenbar jede fromme Lüge ohne Weiteres abgekauft hatte.

„Du vermisst sie sehr, nicht wahr?“

„Ganz schrecklich …“, murmelte sie rau und versuchte, die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln. „Sie müssen Ihre Mutter ebenso vermissen … Eure Hoheit“, fügte sie mitfühlend hinzu. „Oder Mütter …“, ergänzte sie noch wegen der Genauigkeit.

Diesmal ermahnte Zakari sie nicht, sondern nickte nur knapp.

Seine Mutter mit elf Jahren zu verlieren, war sehr hart für ihn gewesen. Sie hatten einander gemocht und respektiert. Doch anders als später mit Anya konnte er weder aufrichtig mit ihr reden noch ihr seine Zuneigung zeigen. Seine Stiefmutter hatte ihn wie einen eigenen Sohn geliebt und ihm geholfen, sich mit der anfangs erschreckenden Aussicht anzufreunden, eines Tages die Geschicke des Königreiches Calista lenken zu müssen, und ihn gründlich auf die zukünftige Verantwortung vorbereitet.

Und als er erwachsen genug war, vertraute sie ihm auch ihre eigenen Kümmernisse, ihren Schmerz und ihre Ängste an, in der Gewissheit, dass er ihr zur Seite stehen würde. Anyas Tod vor fünf Jahren hatte er fast noch schrecklicher empfunden als den seiner leiblichen Mutter.

Zakari war so in Erinnerungen verloren, dass er Effies Geplauder nur mit halbem Ohr zuhörte, bis sie einen bestimmten Namen erwähnte und er sie mit einem Stirnrunzeln zum Schweigen brachte.

„… und nach dem, was mit Ihrem jüngsten Bruder, Zafir, geschehen ist …“

„Das ist kein Thema, über das ich zu sprechen wünsche.“ Er wollte mehr über Effie erfahren und nicht an Vergangenes erinnert werden, das zu schmerzhaft war, um darüber zu reden. „Es ist schön für dich, dass du ein eigenes Heim hast“, führte er sie zum eigentlichen Thema zurück, doch Effies Zutraulichkeit war mit seinem harschen Einwurf verschwunden, und sie antwortete nur noch einsilbig und zurückhaltend.

So unschuldig süß und naiv sie auch sein mochte, wenn Zakari jetzt in ihre blauen Augen schaute, sah er noch etwas anderes. Eine wache Intelligenz und nicht zu leugnende Sturheit, die sie geschickt hinter höflichen Floskeln oder schamhaft gesenkten Lidern zu verbergen suchte. In diesem Zustand würde er nicht wirklich Wissenswertes aus ihr herausbekommen, so viel stand für ihn nach den wenigen Tagen Erfahrung mit seiner neuen Haushälterin fest.

„Du würdest einen ausgezeichneten Schachpartner abgeben“, stellte er aufrichtig belustigt fest.

„Das bezweifle ich“, murmelte Effie mit trügerischer Sanftheit, wie ihm schien. „Ich mag keine Spielchen …“

Das war eindeutig! Dieses freche kleine Ding versuchte tatsächlich, mit ihm die Klingen zu kreuzen! Während Zakari ihre täuschend harmlose Miene gründlich studierte, fiel ihm plötzlich auf, dass Effie diesmal weder errötet war, noch schamhaft den Blick senkte, sondern seinem offen und sogar eine Spur herausfordernd begegnete.

Keine Spielchen also …

„Es vergeht nicht ein Tag, an dem ich nicht an meinen kleinen Bruder denke …“ Es war Zakari, der schließlich das Schweigen brach. Nie zuvor hatte er jemandem etwas Ähnliches eingestanden – nicht einmal sich selbst. Es war ihm bewusst, dass seine Stimme bebte, aber er konnte nicht anders, als weiterzureden. „In meinem innersten Herzen kann ich mir nicht einmal eingestehen, dass … dass er tot ist und ich ihn nie wiedersehen werde …“

„Und deshalb konnten Sie bisher nicht um ihn trauern“, sagte Effie leise und legte eine Hand auf seinen Unterarm, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Allerdings brachte der Kontakt mit seiner warmen Haut sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Rasch zog sie ihre Finger weg und ballte sie zur Faust.

Doch Zakari war selbst so verstört über sein ungewohntes Verhalten, dass er ihre Verwirrung nicht mitbekam und wie ein Verdurstender auf ein weiteres Wort der Erlösung von Effie hoffte, nachdem er sich ihr so weit geöffnet und sie seinen Schmerz hatte sehen lassen. Ihre Hand auf seinem Arm hatte ihm Trost gespendet. Das Gefühl, wenigstens für einen flüchtigen Augenblick verstanden zu werden, war einfach überwältigend gewesen.

Er hatte tatsächlich nicht um seinen kleinen Bruder getrauert. Er hatte es sich nie erlaubt. Ein Prinz, der dazu auserwählt war, eines Tages König zu werden, weinte nicht.

Anya hatte getrauert. Plötzlich stand ihm ihr Bild vor Augen, wie sie zusammengekrümmt auf ihrem Bett lag und haltlos schluchzte. Wie gern hätte er mit ihr geweint. Doch damals war er bereits sechzehn, der zukünftige König auf der Schwelle zum Erwachsensein.

Als er Effie anschaute, sah er Tränen in ihren schönen blauen Augen stehen und vermeinte plötzlich, die schwere Hand seines Vaters auf der linken Schulter zu spüren.

Sei stark, mein Sohn. Es ist nicht an uns, Antworten vom Schicksal zu verlangen …

Bisher hatte er diese Äußerung nie angezweifelt. Jetzt allerdings, unter Effies mitfühlendem Blick, tat er es.

„Darf ich fragen, was damals passiert ist?“

„Das weißt du doch“, brummte Zakari ungnädig und schämte sich dafür.

„Ich weiß nur, was die Zeitungen geschrieben haben … nicht, was wirklich geschehen ist“, erwiderte sie sanft.

„Das reicht.“

„Es würde Ihnen aber helfen zu reden …“

„Wie?“, stieß er unbeherrscht hervor, und Effie begriff, dass er es wirklich nicht wusste. Vor ihr stand ihr König – ein Mann, der gelernt hatte zu handeln, aber nicht zu fühlen.

„Versuchen Sie es einfach.“ Effie hätte weinen können. Nicht um seinen Bruder, sondern wegen des Schmerzes und der Unsicherheit in Zakaris dunklen Augen. Was ihr selbstverständlich und leicht erschien, kostete ihn offensichtlich große Überwindung.

Und dann machte König Zakari Al’Farisi ihr das größte und kostbarste Geschenk, das sie sich nur vorstellen konnte. Er ließ sie an seinem Kummer teilhaben, und Effie wusste plötzlich, dass sie ihn dafür immer lieben würde …

„Emir, mein zweitjüngster Bruder, war krank … er hatte eine Grippe.“ Seine dunkle Stimme war kaum mehr als ein raues Wispern. „Ich habe eigentlich nie mit meinen jüngeren Geschwistern gespielt, dazu hatte ich als zukünftiger Thronfolger weder Zeit, noch schickte es sich. Aarif und Kaliq, die Zwillinge, hatten sich ein abenteuerliches Floß gebaut. Sie waren bereits im Teenageralter und hätten es eigentlich besser wissen müssen. Doch an jenem Tag wollten sie ihr Floß unbedingt auf offener See ausprobieren. Zafir bekam das mit und drängelte so lange, bis sie ihn mitnahmen …“

Seine Stimme stockte.

„Im aufkommenden Wind verloren sie die Kontrolle, fielen ins Meer und wurden von Diamantschmugglern aufgefischt. Zafir, ein unerschrockener, stolzer kleiner Kerl, schrie ihnen entgegen, wer ihr Vater sei. Damit besiegelte er sein Schicksal und das der Zwillinge. Alle drei wurden gefesselt und ins Schmugglerlager gebracht. Aarif und Kaliq tragen heute noch sichtbare Narben an den Handgelenken …“

Effie schwieg mit klopfendem Herzen. Sie war gerade mal vier Jahre alt gewesen, als das Furchtbare geschehen war, und hatte erst später vom Hörensagen davon erfahren und sich in der Bibliothek weiter darüber informiert. Aarifs Narbe von einer Schussverletzung im Gesicht hatte sie sogar schon selbst gesehen.

„Als sich die Erpresser meldeten, war der Königspalast natürlich in hellem Aufruhr. Ich erinnere mich noch an die groß angelegte Suche per Helikopter und Schnellbooten. Es war Zafir, der sich als Erster befreien konnte und seine Brüder losband. Die Flucht war ihnen fast geglückt, da wurden sie entdeckt. Aarif wurde ins Gesicht geschossen, die Narbe sieht man immer noch …“

Effie nickte.

„Doch sie ist nichts im Vergleich zu den Verletzungen in seiner Seele. Aarif stürzte in die See, Kaliq sprang hinterher, um ihn zu retten, und beide wollten aufs Floß zurückkehren, aber das war inzwischen mit Zafir abgetrieben worden. Inzwischen hatten die Schmuggler sie erneut aufgespürt, schleppten Aarif und Kaliq in ihr Lager zurück und misshandelten sie aufs Übelste.“

Zakari sah aus, als bereite ihm jedes Wort unerträgliche Schmerzen, und Effies Herz krümmte sich für ihn.

„Mein Vater zahlte schließlich das Lösegeld für zwei seiner Söhne, aber Zafir …“ Seine Stimme brach.

„Von Zafir fehlt seither jedes Lebenszeichen“, vollendete Effie den Satz für ihn.

„Hätte er überlebt, dann könnte er nächste Woche seinen siebenundzwanzigsten Geburtstag feiern“, sagte Zakari mit einem schmerzlichen Lächeln.

„Vielleicht lebt er wirklich noch …“, gab Effie zu bedenken, doch Zakari schloss die Augen und schüttelte den Kopf. „Mein Herz versucht, mir das Gleiche vorzugaukeln, doch mein Kopf sagt, das ist unmöglich. Und, dass ich ihn endlich loslassen und ihm seine ewige Ruhe gönnen muss … doch ich kann nicht!“, endete er mit einem verzweifelten Aufstöhnen, das Effie innerlich fast zerriss.

Zakari erhob sich, schwerfällig wie ein alter Mann. „Ich werde mich jetzt hinlegen.“

Und genau das tat er, ohne ihr einen weiteren Blick zu schenken oder einen Gutenachtgruß auszusprechen wie sonst.

Effie saß noch einen Augenblick still da, bevor auch sie sich zwang, aufzustehen und die Kissen für das Frühstück am nächsten Morgen aufzuschütteln. Dann deckte sie mechanisch den Tisch, ging in ihre eigene Kammer, zog sich aus und schlüpfte unter ihre Decke. Mit aller Gewalt musste sie sich an ihren Stand erinnern und sich regelrecht zwingen, im Bett liegenzubleiben, anstatt zu Zakari zu laufen und ihm den Trost zu spenden, den er jetzt dringend benötigte.

Nicht Zakari dem König, sondern Zakari dem Mann …

Konzentriere dich! Und genau das fiel ihm unendlich schwer.

Die Sonne stand hoch am strahlendblauen Himmel, sein Schatten fiel kaum sichtbar direkt auf die Füße. Obwohl es gerade erst Mittag war, konnte Zakari sich kaum bezwingen, zum Zelt zurückzukehren. Zu ihr!

Anfangs hatte ihn Effies Geschnatter irritiert, ebenso wie ihr ängstliches Gesicht, wenn sie ihm abends aus einem Zeltspalt entgegenstarrte, um seine Laune einschätzen zu können. Oder ihre beflissene Art, sein Bad einzulassen, ihm frische Wäsche rauszulegen und ein köstliches Abendessen zu kredenzen. Oder die kleinen Geschichten über das aufregende Leben, das ihre Mutter als junge Frau in Aristo verbracht hatte. So, wie Effie ihre Mutter beschrieb, hätte man sie für eine Prinzessin halten können anstatt für ein Dienstmädchen.

Zuerst hatte ihn das amüsiert, dann irgendwie geärgert, weil sie sich selbst dadurch so klein machte, doch inzwischen …

Er wollte mehr über Lydia erfahren. Ihren Namen kannte er immerhin bereits. Der Tag schien sich heute endlos hinzuziehen, und wenn es ihm ohnehin nicht gelang, einen klaren Kopf zu bekommen, weil sich entweder das Bild seines kleinen Bruders vor sein inneres Auge schob, oder Effies reizendes Gesicht …

Es war, als zöge ihn ihr verlockender weiblicher Duft schon lange vor Sonnenuntergang zum Zelt zurück.

„Sie sind viel zu früh!“

Christobel hätte um diese Zeit auf einem der Sofas gelegen, Wein getrunken, Illustrierte gewälzt oder einen Schönheitsschlaf gehalten, doch Effie war völlig darin vertieft, die bunten Teppiche an der Zeltwand hinter den Sitzkissen aufzuhängen und zu drapieren.

„Tut mir leid, dass Sie Ihr Heim in diesem Zustand vorfinden, Eure Hoheit“, entschuldigte sie sich errötend.

„Nein, nein“, wehrte Zakari ganz automatisch ab. „Lass dich nicht stören, ich sollte noch gar nicht hier sein.“

„Ich hatte sie alle nach draußen getragen, um sie auszulüften und besser reinigen zu können …“

„Schon gut, kein Problem …“ Jetzt war es fast an ihm, zu erröten, weil er sich unversehens wie ein Eindringling fühlte. Außerdem irritierte ihn irgendetwas an seiner fleißigen Haushälterin. Etwas, das er nicht fassen konnte. Sie stand auf einer kleinen Trittleiter, und Zakari beobachtete mit zunehmendem Interesse, wie sie sich reckte und streckte, wobei sich ihr Kleid nach oben schob und cremig weiße, durchaus vorzeigbare Beine seinem neugierigen Blick preisgab.

Er schluckte trocken und ließ sich aus einem spontanen Impuls heraus auf die Kissen sinken, die um den bereits gedeckten Tisch lagen. Von hier aus bot sich ihm eine verlockende Perspektive auf Effies volle Brüste und auf ihren wohlgerundeten Po, als sie Teppich um Teppich befestigte.

„Und, wie war Ihr Tag?“, fragte sie leichthin. „Nicht, dass es mich etwas anginge …“

„Offenbar weit weniger produktiv als deiner.“

„Oh!“ Ihr weicher Mund entspannte sich zu einem breiten Lächeln, und in den blauen Augen blitzte es mutwillig auf. „Das hört sich ja fast nach einem Lob oder Kompliment an“, entschlüpfte es ihr. Effie hielt kurz den Atem an, doch da Zakaris Miene sich nicht veränderte, beschloss sie, diesmal auf eine Entschuldigung wegen ihrer Respektlosigkeit zu verzichten.

Und Zakari selbst fragte sich staunend, wo er bisher seine Augen hatte. Wieso war ihm ihre ganz eigene Schönheit nicht längst aufgefallen? Vielleicht lag es daran, dass sie eines von Christobels Kleidern trug, das ihr zwar ein wenig zu klein war, dafür aber ihre reizvollen weiblichen Rundungen auf eine Art und Weise betonte, die plötzlich das Blut in seinen Ohren rauschen ließ.

Warum bemerkte er all das erst jetzt?

„Darf ich wissen, warum?“

Ihre Frage verwirrte ihn. Das stand ihm offenbar deutlich ins Gesicht geschrieben.

„Ich meine, warum Ihr Tag heute nicht so produktiv verlaufen ist?“, präzisierte Effie geduldig.

„Oh, das …“ Zakari machte eine wegwerfende Handbewegung, erleichtert, dass sie den wahren Grund seiner Verwirrung zum Glück nicht erraten hatte. „Ich habe ständig an meinen Bruder denken müssen.“ Ihr betroffenes Gesicht legte sich wie Balsam auf seine immer noch wunde Seele.

Effie schüttelte traurig den Kopf, wobei sich einige vorwitzige schwarze Locken aus ihrem nachlässig hochgesteckten Haar lösten und weich auf ihre Schultern herabfielen. „Das lag nicht in meiner Absicht, als ich …“

„Ich musste daran denken, wie er wohl heute als erwachsener Mann aussehen würde.“ Sein Lächeln war dazu gedacht, sie zu entlasten. „Es tut weh, sich an ihn zu erinnern“, gestand er leise. „Aber es tut auch gut.“

„Ob der Schmerz je ganz vergeht?“, murmelte Effie, und Zakari wusste instinktiv, dass sie diesmal auch von sich, von ihrem eigenen Schmerz und Kummer sprach.

„Man lernt, damit zu leben. Er verschwindet nie ganz, aber man bricht nicht unter der Last zusammen. Auch du nicht, Effie.“

„Danke“, sagte sie leise und schenkte ihm ein scheues Lächeln, das sein Inneres wärmte wie eine lebendige Flamme. Zakari lächelte nicht zurück, sondern kostete diesmal bewusst jede einzelne Sekunde aus.

Gleich würden sich wieder ihre Wangen verfärben, und Effie würde den Blick senken, womit das magische Gefühl einer besonderen Verbindung zwischen ihnen abgeschnitten wäre … doch nichts geschah.

Stattdessen wurde das Lächeln breiter, und sie schnitt einfach ein neues Thema an. „Sobald ich hier fertig bin, lass ich Ihnen ein Bad ein. Danach wird es Ihnen gleich besser gehen. Aber vorher gibt es noch eine kleine Erfrischung …“

Zakari nickte knapp, lehnte sich bequem in die Kissen zurück und beobachtete seine Haushälterin, die eifrig in seinem Sichtfeld herumhantierte. Langsam dämmerte es ihm, was ihn an ihr so irritierte. Er war es gewohnt, dass Frauen ihn offen begehrten, ihm sogar nachstellten. Alle … zumindest bisher. Diese eine tat es nicht.

War es etwa nur weibliche Neugier gewesen, die sie Christobels Koffer durchstöbern ließ? Ober galt ihre aufreizende Aufmachung vielleicht doch ihm?

„Fertig“, verkündete sie strahlend, nachdem sie den letzten Teppich an seinen Platz gehängt hatte, und zwinkerte ihm doch tatsächlich zu. Aber nicht kokett, sondern eher freundschaftlich … fast kumpelhaft.

Als Effie von der Leiter stieg, schwankte sie einen Moment, fing sich aber gleich wieder. Für Zakari trotzdem Anlass genug, auf die Füße zu springen und ihr zu Hilfe zu eilen. Die letzten beiden Stufen bewältigte sie an seiner Hand.

„Danke.“

Er hielt immer noch ihr Handgelenk umfasst. Effies Duft, nicht nach einem raffinierten, teuren Parfum, sondern nur nach ihr, reizte seine Sinne. Und als er ihren Puls wie ein verängstigtes kleines Vögelchen unter seinen Fingern spürte, hatte er seine Antwort. Obwohl sie sich nach außen bemerkenswert ungerührt zeigte, war sie innerlich ebenso angespannt und in Aufruhr wie er selbst.

Seine Gedanken schweiften um Jahre zurück …

Ein Vogel hatte sich in den Palast von Calista verflogen.

Ein kleiner grauer Vogel, der großes Chaos verursachte. Der dreijährige Zafir kreischte vor Vergnügen, während er hinter ihm herjagte, und die Dienstmädchen rückten ihm mit Netzen zu Leibe, bis sich das verängstigte Tier schließlich in die Bibliothek flüchtete, wo es in heller Panik immer wieder gegen die hohen Glastüren flatterte.

Anya scheuchte das Personal fort, bedeutete Zafir, sich still hinzusetzen, und wandte sich an ihren ältesten Sohn.

„Wenn dir Ärger ins Haus flattert, die Menschen aufgescheucht und schreiend umherirren, musst du, Zakari, dem Chaos mit Ruhe und Gelassenheit begegnen. Gib dich nicht gleich der ersten Reaktion hin, die dir in den Sinn kommt. Auf keinen Fall stimme in das Gezeter der Masse ein. Als König solltest du die Situation mit kühlem Kopf ausloten, ehe du eine Entscheidung fällst. Sieh dir den kleinen Vogel an … der Palast ist riesig groß in unseren Augen, ihn beengt er so sehr, dass er alles versucht, um freizukommen. Doch bald wird er seinen Widerstand aufgeben.“

So setzten sie sich hin und warteten geduldig, bis das verschreckte Tier ein Versteck hinter einigen dicken Büchern gefunden hatte. Behutsam schob Anya sie auseinander. „Hier ist er, Zakari, von unserem Anblick vor Schreck gelähmt. Aber so wird er stillhalten, und du kannst ihm endlich helfen.“

Der Vogel fühlte sich schwerelos an in seinen dreizehnjährigen Händen. Zakari betrachtete ihn aus der Nähe und stellte überrascht fest, dass er keineswegs so unscheinbar war, wie er gedacht hatte. Sein glänzendes Gefieder schillerte in allen Schattierungen von Silber, und als Zakari seinen kleinen Körper sanft umfasste, konnte er das ängstliche Flattern seines winzigen Herzens unter seinen Fingern spüren. Er trug ihn hinaus in den Garten, setzte ihn unter einem Baum auf dem Boden ab und beobachtete ihn zwanzig Minuten, wie er einfach nur da hockte, bevor er die Schwingen ausbreitete und davonflog …

Zakari fühlte immer noch ihren Pulsschlag unter seinen Fingern, ängstlich flatternd wie das Herz des kleinen Vogels von damals. Obwohl Effie äußerlich kein bisschen aufgeregt wirkte, wusste er, dass sie sich innerlich fast zu Tode ängstigte. Er konnte es spüren, und plötzlich wollte er sie unbedingt fliegen sehen …

Es gab ihm einen Stich ins Herz, als sie ihm ihre Hand entzog und hinter ihrem gelassenen Lächeln und ihrer freundlichen Stimme verbarg, was sie beide wussten.

„Ich werde jetzt die Erfrischungen vorbereiten“, versprach sie leichthin.

Während sie in die Küche floh, brannte Effies Gesicht wie Feuer. Und ihr Handgelenk fühlte sich regelrecht versengt an, wo Zakaris Finger es umfasst hatten, sodass sie den Drang verspürte, es in kaltes Wasser zu halten. Aber was sollte das gegen die sengende Hitze in ihrem Innersten helfen?

Das riesige Zelt erschien ihr plötzlich unerträglich heiß und beengt, als säße sie unter einer gläsernen Glocke, die in der sengenden Wüstenhitze zu schmelzen drohte.

Effie wünschte sich ihren alten Job zurück. Sie sehnte sich nach den vertrauten, sicheren Palastmauern, der gewohnten Routine und der Anonymität, die damit einherging. Sie wollte nicht länger hier sein, wo die Wüste einem das Hirn vernebelte und vorgaukelte, Begehren in Zakaris Blick gesehen zu haben …

Aber warum hätte Calistas König in ihr etwas anderes sehen sollen als eine simple Dienstmagd? Da half es auch nicht, dass sie sich geradezu nach ihm verzehrte.

Bevor Effie die Küche wieder verließ, holte sie tief und zitternd Luft. Sie war eben nicht Christobel. Daran erinnerte sie gerade jetzt wieder das knapp sitzende Kleid ihrer frivolen Kollegin, in dem ihre vollen Brüste so eingequetscht wurden, dass sie aus dem viel zu freizügigen Dekolleté zu hüpfen drohten.

Entschlossen griff sie nach der Kanne geeisten Pfefferminztees und zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, als sie sich auf die Knie herunterließ, um Zakari von dem erfrischenden Getränk einzuschenken.

Natürlich wurde sein Blick wie magisch von dem reizvollen Tal zwischen den alabasterfarbenen Brüsten seiner Haushälterin angezogen. Ob ihre Haut wirklich so samtweich war, wie es den Anschein hatte? Zakari spürte ein vertrautes, aber ungewöhnlich heftiges Ziehen in den Lenden und konnte sich nur mit äußerster Selbstbeherrschung davon zurückhalten, die Hand auszustrecken, um zu erfahren, ob er mit seiner Vermutung recht hatte. Aber das würde Effie nur noch mehr in Angst versetzen.

„Setz dich“, befahl er, ungeachtet dessen, dass es heller Nachmittag war und sie noch eine Menge Arbeit zu erledigen hatte. „Trink einen Tee mit mir.“

Ihr Zittern war nicht zu übersehen, als sie sich zögernd neben ihm niederließ. Zakari wollte sie mit einem freundlichen Blick beruhigen, doch sie hielt den Kopf eisern gesenkt.

„Was denkst du … wäre es eigentlich sehr dekadent, hier mitten in der Wüste einen Pool zu bauen?“, fragte er wie nebenbei und entlockte ihr damit ein Lächeln, das er nur zu gern erwiderte.

„Sündhaft dekadent!“, behauptete Effie mit vorwurfsvollem Blick.

„Schade …“ Zakari schnitt eine Grimasse und zuckte die Schultern. „Das ist nämlich das Einzige, was ich hier draußen vermisse …“

Dass sie beide gleichzeitig den Augenkontakt abbrachen, war ein sicheres Zeichen dafür, dass sie auch beide wussten, es war eine Lüge.

„Ich finde Pools auch toll“, beeilte Effie sich zu versichern, um die lastende Stille zu durchbrechen. „Das heißt, ich schaue sie mir gern an. Der Pool im Palast von Calista ist wunderschön. Und ich erinnere mich noch gut daran, was meine Mutter mir über den Pool in der königlichen Ferien-Residenz in Kionia erzählt hat.“

Zakari runzelte die Stirn. „Ich denke, sie hat im Palast gearbeitet?“

„Das stimmt. Vielleicht musste sie dort einmal saubermachen. Auf jeden Fall gibt es dort einen riesigen Pool, der auf der Meerseite etwas erhöht gebaut wurde, sodass man beim Schwimmen den Eindruck gewinnt, direkt in den Ozean eintauchen zu können …“, schloss sie verträumt.

Zakari, der sie nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, musste wider Willen grinsen. Wieder eins von Effies verklärten Märchen aus der Vergangenheit, die ihn stets amüsierten! Den Pool hatte Königin Tia bauen lassen, als ihre jüngste Tochter, Prinzessin Elissa, zur Welt kam. Und das war lange nach Lydias Zeit in Diensten der königlichen Familie von Aristo gewesen.

Vielleicht halfen die Geschichten, die Effie in ihrer überschäumenden Fantasie um ihre Mutter herum rankte, ihr dabei, die Erinnerung an sie lebendig zu erhalten. Anfangs hatte es ihn genervt, doch inzwischen wollte er einfach alles über diese ungewöhnliche junge Frau wissen, die der Wüstenwind ihm in sein Zelt geweht hatte …

„Bist du verlobt?“

„Nein!“, rief Effie fast entsetzt aus und ließ ein schüchternes Kichern hören.

„Obwohl du bereits fünfundzwanzig bist?“

Er sah, wie ihr das Blut förmlich in die Wangen schoss. Viele Frauen ihres Standes waren in dem Alter längst verheiratet und hatten mehrere Kinder.

Autor

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