Julia Exklusiv Band 392

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

BETTGEFLÜSTER von CAROLE MORTIMER

Harriet findet es unmöglich, was der aparte Banker Quinn McBride über ihren Freund behauptet! Und als er sie dann auch noch küsst, müsste sie eigentlich mit einer schallenden Ohrfeige darauf reagieren. Doch was macht sie? Sie genießt den Kuss wie nichts je zuvor …

DIESE NACHT DARF NIEMALS ENDEN von JULIA JAMES

Nur eine Nacht, manchmal zwei, verbringt die schöne Künstlerin Alexa mit dem faszinierenden Geschäftsmann Guy de Rochemont – niemals mehr. Ein perfektes Arrangement, das ihr fast das Herz zerreißt. Denn was sie am allermeisten ersehnt, scheint ihr für immer verwehrt …

PREMIERE FÜR DIE LIEBE von JACKIE BRAUN

Filmfest in Cannes – jetzt oder nie! Donna will dem Regisseur Colin McKinnon beweisen, dass er ihr eine Rolle in seinem nächsten Film geben muss. Das Problem: Früher hatte sie mit ihm eine stürmische Affäre. Gibt er ihr eine zweite Chance – für ihre Karriere und in der Liebe?


  • Erscheinungstag 16.08.2025
  • Bandnummer 392
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533942
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carole Mortimer, Julia James, Jackie Braun

JULIA EXKLUSIV BAND 392

Carole Mortimer

PROLOG

„Was muss ich tun, um eine große, schöne und dunkelhaarige Frau kennenzulernen?“

Das ist eine seltsame Bemerkung, dachte Harriet verblüfft. Nachdem sie den ganzen Nachmittag in dem kleinen Zelt verbracht hatte, hatte sie sich gefreut, endlich etwas Zeit für einen Tee zu haben. Doch dieser attraktive Fremde irritierte sie so sehr, dass sie sich vor lauter Nervosität die heiße Flüssigkeit über die Hand schüttete.

„Sie sind doch die Gypsy Rosa, oder?“, fragte er spöttisch, als sie nicht antwortete.

Du liebe Zeit, natürlich spiele ich hier die Wahrsagerin, dachte sie und betrachtete ihr Outfit. Normalerweise trug sie keine knöchellangen geblümten Röcke und viel zu tief ausgeschnittene weiße Blusen. Auch ihr Make-up war sonst viel dezenter. Sie hatte die Lippen grellrot geschminkt und die Nägel in demselben Rot lackiert. Ihr Haar war unter einem roten Schal verborgen, und an ihren Ohren baumelten goldene Creolen.

Glücklicherweise verbreitete die kleine Lampe nur ein gedämpftes Licht in dem engen Zelt, in dem es viel zu heiß war an diesem verregneten Nachmittag im Juni. Harriet hoffte, dass niemand sie in der Verkleidung erkannte.

Auf den Sommerfesten in den Jahren zuvor hatte ihre Schwester Andie immer die Gypsy Rosa gespielt. Doch an diesem Morgen war Andie mit einer Grippe aufgewacht und hatte Harriet gebeten, für sie einzuspringen. Da offenbar alle Dorfbewohner mit anderen Aufgaben voll ausgelastet waren, hatte Harriet widerstrebend eingewilligt.

Harriet war sich ganz sicher, dass sie den Mann noch nie gesehen hatte. Er war attraktiv, groß und dunkelhaarig, und er schien muskulös zu sein.

„Setzen Sie sich doch.“ Sie wies auf den Sessel ihr gegenüber. Dann stellte sie den Becher neben sich ins Gras und wischte sich unter dem kleinen Tisch verstohlen die Hand, über die sie sich den Tee geschüttet hatte, an ihrem Rock ab.

Nachdem der Fremde sich hingesetzt hatte, konnte sie erkennen, dass er hellgraue oder hellblaue Augen hatte. Seine Gesichtszüge wirkten streng, sein Kinn energisch. Sein eleganter dunkler Anzug und das weiße Hemd ließen darauf schließen, dass er nicht vorgehabt hatte, an diesem Nachmittag auf ein Dorffest zu gehen.

„Es hat wieder angefangen zu regen“, stellte er fest und zog leicht verächtlich die Augenbrauen hoch.

Ah ja, sonst wäre er sicher nicht zu mir ins Zelt gekommen, sagte sie sich leicht belustigt. Der Mann war wenigstens ehrlich.

„Am Eingang des Zeltes steht, was Sie tun müssen, damit ich Ihnen die Zukunft voraussage“, beantwortete sie schließlich seine erste Frage. „Es kostet ein Pfund.“

Der Mann holte eine Münze aus der Tasche und legte sie mitten auf den Tisch.

„Reichen Sie sie mir bitte“, forderte sie ihn auf.

Er zog die Augenbrauen noch höher und reichte ihr das Geld. Sie nahm es an, legte es wieder auf den Tisch und umfasste seine Hand. Dann drehte sie sie um und betrachtete sie.

Sie hatte keine Ahnung vom Handlesen, doch im Lauf des Nachmittags hatte sie die Erfahrung gemacht, dass die Hände sehr viel über einen Menschen aussagten. Die sehr gepflegte Hand des Fremden ließ darauf schließen, dass er nicht körperlich arbeitete. Er schien nicht verheiratet zu sein, denn er trug keinen Ehering. Andererseits konnte sie sich vorstellen, dass er es grundsätzlich ablehnte, sich durch irgendwelche Äußerlichkeit einengen zu lassen.

Jetzt musste sie versuchen herauszufinden, was er von Beruf war. Nach dem eleganten Anzug und dem Seidenhemd zu urteilen, hatte er viel Geld. Er hatte das sichere, selbstbewusste und gewandte Auftreten eines außerordentlich erfolgreichen Geschäftsmannes. Was er auf dem Sommerfest dieses kleinen Ortes machte, war ihr ein Rätsel.

Oder gab es dafür eine ganz einfache Erklärung? Harriet hatte eine Idee. Sie beugte sich über seine Hand und runzelte die Stirn, als wäre ihr etwas aufgefallen. „Sie werden jemandem begegnen, sehr bald sogar“, sagte sie leise.

„Dieser großen, schönen Frau?“, fragte er spöttisch.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es scheint ein Mann zu sein, den Sie noch nicht kennen“, fuhr sie fort und spürte, wie angespannt er plötzlich war.

„Und?“, wollte er wissen.

Ja, und was jetzt? überlegte sie. Sie hatte eine bestimmte Vorstellung, wer dieser Mann sein könnte. Aus seiner Reaktion schloss sie, dass sie vielleicht recht hatte. Sie hörte den Regen auf das Zelt prasseln und hatte auf einmal das Gefühl, es würde nur noch sie beide, diesen Mann und sie, geben. Die ganze Welt da draußen schien unendlich weit weg zu sein. Irgendwie verstand sie sich selbst nicht mehr.

In dem Moment wurde die Zeltklappe zurückgeschlagen, und eine junge Frau, die wie eine nasse Katze aussah mit dem roten Haar, das ihr am Kopf klebte, stand im Eingang.

Sie warf dem Mann einen vorwurfsvollen Blick zu. „Da sind Sie ja. Ich habe Sie überall gesucht.“

Der Mann entzog Harriet langsam die Hand und stand auf. „Okay, jetzt haben Sie mich gefunden“, antwortete er ruhig und sah die Frau kühl an.

Die Frau nickte. „Ich wollte Sie ins Haus bringen.“ Sie deutete auf den Regenschirm in ihrer Hand, den sie offenbar vergessen hatte aufzuspannen, sonst wäre sie nicht so nass geworden. „Natürlich nur, wenn Sie hier fertig sind“, fügte sie verächtlich hinzu.

Der Mann blickte Harriet belustigt an. Seine Augen waren aquamarinblau, wie sie jetzt bei Tageslicht erkennen konnte. „Ja, ich glaube, wir sind fertig“, erklärte er.

Dabei hatten wir gerade erst angefangen, dachte sie mit leichtem Bedauern. Doch da sie ihm sonst nichts hätte sagen können und nur improvisiert hätte, war sie ganz froh, dass sie unterbrochen worden waren.

Sie stand auf und reichte ihm die Münze. „Nehmen Sie sie wieder mit. Ich habe Ihnen ja nichts über Ihre Zukunft gesagt.“

Er neigte den Kopf, als wollte er ihr zustimmen, machte jedoch keine Anstalten, das Geld zurückzunehmen. „Behalten Sie es. Es ist für einen guten Zweck bestimmt.“

Harriet war überrascht, dass er es wusste. „Danke.“ Sie legte die Münze zu dem anderen Geld, das sie an diesem Nachmittag eingenommen hatte.

„Wir können gehen“, wandte der Mann sich an die junge Frau mit dem roten Haar, die ihre Ungeduld kaum verbergen konnte. Sie spannte den Schirm auf und ließ den Mann vor sich her aus dem Zelt gehen.

Oje, dachte Harriet und sah hinter den beiden her, wie sie über den nassen Rasen auf das Haus zuliefen. Aus dem Benehmen ihrer Schwester Danie schloss sie, dass sie sich an diesem Nachmittag nicht zum ersten Mal über den Mann geärgert hatte.

Und das war kein gutes Omen für das Meeting, das gleich stattfinden sollte.

Es wurde Zeit für Harriet, sich umzuziehen und wieder sie selbst zu sein. Sie hatte lange genug die Gypsy Rosa gespielt.

1. KAPITEL

Quinn saß im Sessel und trommelte mit den Fingern ungeduldig auf die Lehne. Er war es leid, auf den Gastgeber zu warten. Gleich nach seiner Landung mit dem Hubschrauber auf dem gepflegten Rasen hinter dem beeindruckenden Herrenhaus hatte man ihn informiert, dass Jerome Summer aufgehalten worden sei und wahrscheinlich erst im Lauf des Nachmittags zurückkommen würde.

Quinn ärgerte sich über die unbestimmte Zeitangabe. Jerome oder Rome Summer, wie er genannt wurde, war natürlich ein viel beschäftigter Mann. Deshalb fand das Meeting auch an einem Samstag statt. Aber Quinns Zeit war genauso kostbar, und er hatte nicht vorgehabt, sie auf einem Dorffest zu verschwenden.

Er konnte sich nicht erinnern, jemals so einen langweiligen Nachmittag verbracht zu haben. Nur die Wahrsagerin hatte ihm gefallen. Es hätte interessant werden können. Doch ehe sie sich überhaupt richtig hatten unterhalten können, waren sie von dieser rothaarigen jungen Frau, die er insgeheim mit einer Hexe verglich, gestört worden.

Und jetzt saß er schon fünfzehn Minuten im Wohnzimmer des Herrenhauses, und Jerome Summer war immer noch nicht aufgetaucht. Dafür hatte man ihm wenigstens Tee und Sandwiches serviert.

Ich warte noch fünf Minuten, nahm er sich vor. Dann würde er sich nach London zurückfliegen lassen. Natürlich wäre damit das Problem, das er mit Jerome Summer hatte besprechen wollen, nicht gelöst. Doch Quinn hatte keine Lust mehr, sich noch länger so behandeln zu lassen, als könnte man mit ihm machen, was man wollte.

In dem Moment wurde die Tür hinter ihm geöffnet. „Ah, mein lieber Mr McBride, es tut mir leid, dass Sie warten mussten!“, ertönte eine männliche Stimme.

Jerome Summer kam herein. Quinn kannte ihn von den Fotos in den verschiedenen Zeitschriften, die Jeromes Verlag herausbrachte. Außerdem wurde er ab und zu auf den Wirtschaftsseiten der Tageszeitungen abgebildet und zitiert, wenn er wieder einmal ein Geschäft erfolgreich abgeschlossen hatte. Er war groß und hatte blondes Haar. Obwohl er ungefähr Mitte fünfzig war, wirkte er sehr jugendlich. Der Mann strahlte Kraft und Stärke aus und besaß Charisma.

Er lächelte freundlich, während Quinn langsam aufstand. „Tut mir leid, es gab Probleme hier auf dem Gut“, entschuldigte Rome sich noch einmal und reichte Quinn die Hand.

Quinn verhandelte nie mit einem Gegner, ohne sich zuvor über ihn zu erkundigen. Deshalb wusste er, dass Jerome Summer das riesige Landgut vor etwa zwanzig Jahren gekauft hatte, zu dem das Haus, ein Wildpark und beinah die Hälfte der Cottages im Dorf gehörten. Er war seit mehreren Jahren Witwer und lebte mit seinen drei Töchtern in dem Herrenhaus.

Jerome Summer war ein Selfmademan. Als jüngster Sohn eines Landarztes hatte er in dreißig Jahren ein Firmenimperium aufgebaut und war jetzt, mit vierundfünfzig, einer der reichsten und mächtigsten Männer Englands. Entsprechend selbstbewusst und sicher trat er auch auf.

Er konnte es sich erlauben, Quinn stundenlang warten zu lassen. Wahrscheinlich hatte auch er Erkundigungen über Quinn McBride eingezogen, der die Aktienmehrheit einer der größten und renommiertesten Londoner Banken besaß und Aufsichtsratsvorsitzender war.

„Wenigstens hat man Ihnen Tee serviert.“ Jerome Summer wies auf das Tablett auf dem Tisch. Dann nahm er sich die andere Tasse, die man ihm offenbar hingestellt hatte, und schenkte sich auch einen Tee ein.

„Er ist wahrscheinlich kalt“, erklärte Quinn.

„Glauben Sie mir, im Lauf der Jahre habe ich mich daran gewöhnt, Tee und Kaffee auch kalt zu trinken“, antwortete Jerome Summer lächelnd. Und wie um zu beweisen, dass es ihm völlig egal sei, trank er einen großen Schluck des lauwarmen Getränks.

Quinn wurde wieder ungeduldig. Er war hier, weil er mit dem Mann etwas Wichtiges besprechen wollte. Doch wenn Jerome Summer so tat, als wäre er, Quinn, nur zum Tee und zum Plaudern gekommen, könnte es schwierig werden, das Thema anzuschneiden, um das es ihm ging.

„Mr Summer …“

„Nennen Sie mich Rome“, unterbrach ihn der andere Mann und ließ sich in einen Sessel sinken. „Setzen Sie sich doch, mein Lieber. Es macht mich ganz nervös, wenn ich zu Ihnen aufblicken muss.“ Er lachte leise.

Quinn kniff die Augen zusammen. „Das bezweifle ich sehr, Rome. So etwas macht Sie nicht nervös“, erwiderte er. Er ließ sich nicht täuschen. Seit zehn Jahren leitete er die Bank und verfügte mit seinen neununddreißig Jahren über eine gute Menschenkenntnis.

Jerome Summer lächelte immer noch. „Vielleicht haben Sie recht“, sagte er leicht belustigt. „Aber tun Sie mir bitte trotzdem den Gefallen.“ Er wies auf den Sessel ihm gegenüber.

Dieser Mann ist es nicht gewöhnt, dass es jemand wagt, ihm eine Bitte abzuschlagen, dachte Quinn, während er sich hinsetzte. „Ich muss unbedingt mit Ihnen reden, Rome. Die Sache ist …“

„Können wir noch einige Minuten warten, Quinn?“, fragte Jerome. „Mein … Rechtsanwalt wird jeden Moment eintreffen.“

Quinn runzelte die Stirn und versteifte sich. „Hat Ihnen Ihre Sekretärin nicht mitgeteilt, dass ich Sie in einer rein persönlichen Angelegenheit sprechen will?“ Verdammt, dazu brauchen wir doch keinen Rechtsanwalt, fügte Quinn insgeheim hinzu.

„Natürlich hat sie mir das gesagt, mein Lieber. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es besser ist, nur in Anwesenheit eines Rechtsanwalts zu verhandeln“, antwortete Jerome Summer hart. „Ich kann Ihnen versichern, dass Harrie absolut diskret ist“, fügte er hinzu. Dann beugte er sich vor und nahm sich eins der Sandwiches, die Quinn nicht angerührt hatte.

Quinns Miene wirkte grimmig. Es reichte ihm allmählich. Dieser Mann spielte offenbar Katz und Maus mit ihm. Das hatte er schon befürchtet, als man ihm vorgeschlagen hatte, er könne Jerome Summer am Wochenende privat treffen, wenn es so dringend sei. Jetzt wünschte Quinn, er wäre nicht so ungeduldig gewesen und hätte gewartet, bis der andere Mann Zeit für eine Unterredung in seinem Bürohaus in London gehabt hätte. Er gestand sich jedoch ein, dass weder er noch Corinne so viel Zeit hatten.

Bei so einem intelligenten und scharfsinnigen Gegner durfte er sich keinen Fehler erlauben, das war Quinn klar. Er atmete tief ein und entspannte sich. „In diesem Fall verschwenden Sie nur die Zeit Ihres Rechtsanwalts, das kann ich Ihnen versichern“, erwiderte er.

Rome Summer zuckte die Schultern. „Das macht nichts“, antwortete er freundlich.

In dem Moment wurde die Tür hinter Quinn geöffnet. Rome stand mit strahlender Miene auf und durchquerte den Raum.

„Es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe. Ich bin aufgehalten worden“, ertönte eine weibliche Stimme.

Eine Frau, dachte Quinn und stand auch auf. Und dann erblickte er die schönste Frau, der er jemals begegnet war.

Sie hatte langes, gelocktes schwarzes Haar. Ihre großen grünen Augen wurden von dichten schwarzen Wimpern umrahmt, und ihre Haut war so fein wie Magnolienblüten. Er musste selbst lächeln über den Vergleich, der ihm spontan eingefallen war. Sie hatte wunderschön geschwungene Lippen, auf die sie rotes Lipgloss aufgetragen hatte. Ihre Hände waren schlank und feingliedrig und die Fingernägel perfekt lackiert. Sie war groß und schlank, trug ein elegantes graues Kostüm und eine weiße Seidenbluse, und der knielange Rock betonte ihre langen Beine.

Verwundert sah Quinn zu, wie Rome Summer die Hände dieser Frau nahm und die Frau auf die Wange küsste. Plötzlich begriff er alles und zog die Augenbrauen hoch. Offenbar hatte Rome Summer auch ein Privatleben. Warum auch nicht? Er war seit mindestens zehn Jahren verwitwet und immer noch ein attraktiver Mann. Quinn wünschte nur, Romes Freundin – sie musste seine Freundin sein, auch wenn sie mindestens dreißig Jahre jünger war als er – wäre erst nach dem Meeting gekommen. Es gefiel ihm nicht, dass er das Problem nicht mit Rome unter vier Augen besprechen konnte.

Rome legte der Frau den Arm um die Schulter und dirigierte sie lächelnd durch das Zimmer. „Ich möchte dir Quinn McBride vorstellen, Liebling.“

Die Frau ist nicht nur ungemein schön, sie bewegt sich auch noch traumhaft geschmeidig, dachte Quinn leicht verächtlich. Ihm war klar, dass für Rome Summer nur das Beste gut genug war, deshalb war es kein Wunder, dass auch seine Partnerin absolut perfekt wirkte.

„Mr McBride“, begrüßte ihn die Frau mit ihrer heiseren Stimme und blieb vor ihm stehen.

Er betrachtete ihre schlanken Hände und nahm den dezenten Duft ihres Parfüms wahr. Irgendwie kam es ihm bekannt vor, doch momentan hatte er keine Zeit zu überlegen, woher.

Eines wusste er jedoch genau: Er hatte die Frau noch nie zuvor gesehen, denn es war völlig unmöglich, so eine Frau zu vergessen.

Er nahm ihre Hand und verspürte plötzlich ein seltsames Kribbeln. Geht es ihr genauso? fragte er sich. Sie erwiderte seinen Blick jedoch kühl und gelassen.

Sie ist schön, aber kalt wie Eis, stellte Quinn insgeheim fest und versuchte, seine viel zu heftige Reaktion auf diese Frau zu ignorieren. Er wandte sich an Rome Summer. „Ich muss heute Abend unbedingt noch nach London zurückfliegen“, erklärte er bestimmt.

„Kein Problem“, antwortete Rome und bedeutete Quinn mit einer Handbewegung, sich wieder zu setzen. „Schießen Sie los“, forderte er ihn freundlich auf, nachdem er sich neben die junge Frau aufs Sofa gesetzt hatte.

Quinn warf ihr einen fragenden Blick zu. Okay, am Wochenende erlaubte Rome sich offenbar, ein Privatleben zu haben. Aber er konnte nicht davon ausgehen, dass er, Quinn, bereit war, die Angelegenheit in Anwesenheit von Rome Summers Freundin zu besprechen.

„Wie ich bereits erklärt habe, geht es um etwas sehr Persönliches“, begann er angespannt.

„Ich habe Ihnen doch versichert, dass Harrie alles streng vertraulich behandeln wird.“ Rome blickte Quinn herausfordernd an.

In seiner jahrelangen Tätigkeit als Banker hatte Quinn gelernt, sich perfekt zu beherrschen und sich nie eine Blöße zu geben. Deshalb merkte man ihm seine Verblüffung nicht an.

Harrie! schoss es ihm durch den Kopf. Die Frau, die Rome Summer offenbar sehr gut kannte, war der Rechtsanwalt, von dem er gesprochen hatte. Warum hatte er nicht erwähnt, dass es eine Rechtsanwältin war? Quinn betrachtete die Frau mit ganz anderen Augen. Sie sah in dem eleganten Kostüm und der Bluse aus wie eine Karrierefrau, und sie strahlte Kompetenz und Selbstbewusstsein aus. Wie auch immer ihre Beziehung zu dem älteren Mann sein mochte, sie war momentan vor allem seine juristische Beraterin. Wahrscheinlich ist sie sogar eine sehr gute, dachte Quinn, obwohl er nicht hätte erklären können, wie er zu der Einschätzung kam.

„Ja, das glaube ich Ihnen. Dennoch möchte ich wiederholen, dass es sich um eine sehr private Angelegenheit handelt, bei der die Anwesenheit eines Rechtsanwalts nicht erforderlich ist“, entgegnete er hart.

Es gefiel ihm nicht, dass er die Situation nicht beherrschte. Er war auf Rome Summers guten Willen angewiesen. Jedenfalls würde er seine Bitte nicht in Anwesenheit einer dritten Person vortragen, schon gar nicht im Beisein dieser Rechtsanwältin, die offenbar zugleich Rome Summers Geliebte war.

„Quinn – ich darf Sie doch so nennen, oder?“ Harrie sah ihn an und zog fragend eine Augenbraue hoch.

Er nickte kurz. Eine förmliche Anrede wäre in dieser Situation vielleicht angebrachter gewesen, aber andererseits lag ihm viel daran, die Atmosphäre etwas aufzulockern.

Sie lächelte und zeigte dabei ihre wunderschönen weißen Zähne. „Okay, Quinn, wäre es nicht am besten, Sie erzählten Rome, was Ihr Problem ist, ohne auf mich zu achten? Tun Sie so, als wäre ich gar nicht da“, schlug sie freundlich vor.

Du liebe Zeit, so eine ungemein attraktive Frau kann man doch nicht ignorieren, dachte er. „Wieso glauben Sie, dass ich ein Problem habe, Harrie?“ Er sah sie herausfordernd an.

Sie blinzelte kurz, und Quinn war sich sicher, dass er sie irritiert hatte. Doch die kurze Befriedigung darüber verschwand rasch wieder. Es gab wirklich ein Problem, auch wenn es ihn nicht unmittelbar betraf. Weiß etwa Rome Summer schon ganz genau, warum ich hier bin? überlegte er. Es würde ihn nicht überraschen.

Harrie zuckte die Schultern. „Hatten Sie nicht Romes Sekretärin gegenüber so etwas erwähnt, als Sie den Termin vereinbart haben?“

Er erinnerte sich daran, wie bereitwillig ihm Romes Sekretärin am Tag zuvor geholfen hatte. Es stimmte, er hatte es erwähnt, sonst hätte er niemals so kurzfristig einen Termin bekommen. Dann musste er lächeln, als ihm bewusst wurde, dass die schöne Harrie seiner Frage geschickt ausgewichen war.

Was für ein arroganter Kerl, dachte Harrie. Sie ließ sich jedoch nichts anmerken, sondern sah Quinn McBride kühl und gelassen an.

Als sie hereingekommen war, hatte er sie ungeniert von oben bis unten gemustert und sie wahrscheinlich für Romes Freundin gehalten. Natürlich hatte er sich bemüht, seine Überraschung zu verbergen, als Rome wie nebenbei erwähnt hatte, dass sie seine Rechtsanwältin sei. Sekundenlang war Quinn schockiert gewesen, das hatte ihr sein Blick verraten. Er hatte sich jedoch rasch wieder gefangen und seine Meinung über sie revidiert.

Auch jetzt war sein Urteil nicht gerade schmeichelhaft, wie sie sich eingestand. Er schien zu glauben, Rome würde das Geschäftliche mit dem Privaten vermischen. Andererseits spürte sie, dass er ihre Kompetenz nicht infrage stellte.

Wenn er Rome besser kennen würde, wäre ihm klar, dass er Geschäftliches und Privates stets auseinanderhielt. Manchmal verband er das eine mit dem anderen, doch er achtete stets darauf, dass es eine klare Trennung gab.

Rome hatte sie nach ihrer Ankunft informiert, dass an diesem Nachmittag ein Meeting mit dem Banker Quinn McBride stattfinden würde. Sie war jedoch genauso verblüfft gewesen wie Quinn, als sie erfuhr, dass sie daran teilnehmen sollte. Aber sie hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, denn sie wusste, dass Rome für alles, was er tat, einen guten Grund hatte.

Quinn McBride wandte sich schließlich ab und blickte den älteren Mann an. „Ich muss mich wohl mit der Situation abfinden“, stieß er hart hervor. „Ich möchte jedoch betonen, dass alles, was hier gesagt wird, streng vertraulich behandelt werden muss. Niemand darf etwas davon erfahren. Ich wiederhole, niemand!“

Harrie war empört. Natürlich würde sie alles vertraulich behandeln, immerhin war sie Rechtsanwältin!

„Darauf können Sie sich verlassen“, versicherte Rome ihm spöttisch und warf Harrie einen belustigten Blick zu.

Wenigstens einer, der Quinn McBrides Auftreten komisch findet, schoss es Harrie durch den Kopf. Sie fand es gar nicht komisch. Seit sie berufstätig war, hatte sie viele Männer wie ihn kennengelernt. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass sie nicht nur schön, sondern auch intelligent war. Normalerweise machte es ihr Spaß, solchen Männern zu beweisen, wie sehr sie sich täuschten. Doch dazu war die Atmosphäre momentan zu gespannt.

„Dem kann ich nur zustimmen“, sagte sie ruhig.

„Okay. Es geht um einen Ihrer Reporter, Rome, und um meine Schwester“, begann Quinn McBride mit finsterer Miene.

Harrie runzelte die Stirn. Sie glaubte nicht, dass Rome sich für die Privatangelegenheiten seiner Mitarbeiter beim Zeitungsverlag interessierte.

Sie schien recht zu haben, denn Rome antwortete: „Habe ich Sie richtig verstanden? Einer der Reporter, die für meine Zeitung schreiben, hat ein Verhältnis mit Ihrer Schwester, und Sie …?“

„Nein, natürlich nicht!“, unterbrach Quinn McBride ihn ärgerlich. „Darum geht es nicht. Meine Schwester ist mit einem Politiker verlobt. Aber dieser Reporter verfügt über gewisse Informationen, die die Vergangenheit meiner Schwester betreffen.“

„Und damit könnte er ihr schaden?“, fragte Rome. Es klang wie eine Feststellung.

Das war der Schlüssel zu Romes Erfolg. Er war freundlich und charmant, hatte aber auch einen scharfen Verstand und eine hervorragende Menschenkenntnis. Rome zu unterschätzen wäre ein fataler Fehler.

Diesen Fehler machte Quinn McBride nicht. So dumm war er bestimmt nicht. „Ja, er könnte ihr schaden“, antwortete er. „Unter normalen Umständen wäre es völlig unwichtig, doch …“

„Die Umstände sind nicht normal, stimmt’s?“, beendete Rome den Satz für ihn. „Ich vermute, Sie haben nur die eine Schwester, Quinn“, fügte er hinzu.

Das scheint er genau zu wissen, dachte Harrie und betrachtete Rome nachdenklich.

„Ja“, bestätigte Quinn hart. „Die Situation ist … zumindest heikel.“

„Ich verstehe Ihre Besorgnis, Quinn“, versicherte Rome ihm freundlich. „Aber ich weiß nicht, was ich für Sie tun kann. Zeitungen sind schließlich dazu da, Informationen zu verbreiten und die Wahrheit …“

„Nein, da kann ich Ihnen nicht zustimmen“, unterbrach Quinn ihn spöttisch. „Wenn es wirklich nur um die Wahrheit geht, bin ich mit Ihnen einer Meinung. Aber vieles wird nur aus Sensationssucht oder -gier veröffentlicht, und das lehne ich ab.“ Quinn verzog verächtlich die Lippen. „Außerdem gibt es nur wenige Menschen über fünfundzwanzig, in deren Vergangenheit es nicht den einen oder anderen dunklen Punkt gibt, der nicht unbedingt öffentlich breitgetreten werden sollte. Darauf wette ich.“

Rome nickte. „Ja, das ist wahrscheinlich richtig. Was meinst du dazu, Harrie?“ Er drehte sich zu ihr um. „Du bist jetzt neunundzwanzig. Ich bin sicher, es gibt auch in deinem Leben etwas, was du lieber geheim halten möchtest und was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist, oder?“ Rome sah sie spöttisch an.

Harrie errötete. Sie war völlig verblüfft. Mit so einer plumpen und taktlosen Frage hatte sie nicht gerechnet. So kannte sie Rome gar nicht. Dennoch erwiderte sie kühl: „Ich glaube nicht, dass es hier um mich geht.“

„Mag sein“, gab er zu und wandte sich wieder an Quinn. „Wir wollten über Ihre Schwester reden. Ich habe wahrscheinlich nicht das Recht, einen Bericht zu unterdrücken, der …“

„Das ist genau der Punkt. Dieser Reporter ist nicht … ach verdammt!“ Quinn McBride stand auf und ging ungeduldig hin und her. „Sie haben doch auch Kinder, Rome.“

„Ja …“ Rome war auf der Hut.

„Meine Eltern sind vor fünfzehn Jahren beim Absturz ihres Privatjets ums Leben gekommen. Ich war damals vierundzwanzig, Corinne erst fünfzehn“, erklärte er ruhig und emotionslos. „Ich habe natürlich die Verantwortung für meine Schwester übernommen …“

„Und die Leitung der Bank“, ergänzte Rome.

Wieder betrachtete Harrie ihn nachdenklich. Was wusste er sonst noch über Quinn McBride? Natürlich würde er ihr diese Frage nie beantworten. Er machte lieber alles allein, so war er eben.

„Ja, aber erst fünf Jahre später“, erwiderte Quinn. „Mit vierundzwanzig hatte ich noch nicht genug Erfahrung für so eine verantwortungsvolle Position. Doch darum geht es hier nicht“, fuhr er ungeduldig fort. „Obwohl meine Schwester jetzt dreißig ist, möchte ich sie immer noch beschützen.“ Er seufzte. „Sie wissen sicher selbst, wie das ist, Rome. Sie tun wahrscheinlich auch alles für Ihre Kinder.“ Er lächelte den älteren Mann verständnisvoll an.

Rome lächelte auch. „Ich habe drei Töchter, die mir im Lauf der Jahre viel Kopfzerbrechen bereitet haben“, erklärte er liebevoll.

„Hm.“ Quinn ging immer noch ruhelos im Raum hin und her. „Vor fünf Jahren hat meine Schwester geheiratet. Leider ist ihr Mann zwei Jahre später an Krebs gestorben. Corinne kam damit nicht zurecht. Ein Jahr lang war sie völlig verzweifelt und sehr deprimiert. Als sie dann anfing, wieder am Leben teilzunehmen, hat sie … einen Fehler gemacht.“

Harrie hatte keine Ahnung, worauf er hinauswollte. Sie nahm jedoch an, dass Rome sehr genau informiert war.

„Das kann jedem von uns passieren“, antwortete Rome verständnisvoll.

Quinn McBride schnitt ein Gesicht. „Es darf aber nicht der Frau passiert sein, die in Kürze einen Parlamentsabgeordneten heiraten wird, der Premierminister werden will.“

Es geht um Corinne Westley, sie ist seine Schwester, dachte Harrie plötzlich. Diese große, schöne, elegante Blondine war mit dem Parlamentsabgeordneten David Hampton verlobt. Die Hochzeit sollte im Sommer stattfinden.

Offenbar hatte ein Reporter, der für Romes Zeitung arbeitete, irgendeinen Skandal aufgedeckt, in den die schöne Corinne verwickelt gewesen war. Das könnte natürlich die Heiratspläne gefährden. Kein Wunder, dass Quinn McBride beunruhigt war. Was erwartet er jetzt von Rome? fragte Harrie sich. Die Sache fing an, sie zu interessieren.

„Setzen Sie sich doch wieder hin, Quinn“, bat Rome ihn freundlich. „Ich lasse frischen Tee bringen, dann können Sie uns alles in Ruhe erklären.“

Harrie spürte, dass Quinn Rome am liebsten widersprochen hätte. Er schien überzeugt zu sein, auch jetzt schon alles ruhig und sachlich besprochen zu haben. Er schwieg jedoch und ließ sich in den Sessel sinken. Und dann blickte er mit regloser Miene aus dem Fenster, während Rome den Tee über das Haustelefon bestellte.

Die Gelegenheit nutzte Harrie, Quinn McBride genauer zu betrachten. Er war zehn Jahre älter als sie. Die ersten grauen Strähnen in seinem dunklen Haar bewiesen, dass sein Leben nicht leicht gewesen war. Wie hätte es das auch sein können, nachdem er als junger Mann die Verantwortung für seine Schwester und die Bank hatte übernehmen müssen?

Instinktiv beugte sie sich vor und legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich bin sicher, dass Rome Ihnen helfen wird, das Problem zu lösen“, versicherte sie ihm mitfühlend. Trotz all seines Reichtums und seiner Macht war er ein Softie, das spürte sie deutlich.

Er sah sie mit den blauen Augen an. „Leider lässt sich das Problem nicht mit einem Diamantarmband oder einer Reise nach Paris lösen“, erwiderte er verächtlich.

Rasch zog sie die Hand zurück, als hätte sie sich verbrannt. Sie hatte recht gehabt, er glaubte, sie sei Romes Geliebte und sehr oberflächlich obendrein.

Sie bereute ihr Mitgefühl, kniff die Augen zusammen und blickte ihn kühl an. „Heutzutage ist das Glück nicht mehr so billig zu haben“, stieß sie hervor.

Ärgerlich presste er die Lippen zusammen. „Ich …“

„Der Tee kommt gleich“, verkündete Rome in dem Moment. „Hätten Sie Lust, zum Abendessen zu bleiben, Quinn?“

Sogleich warf Harrie ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Auch wenn Quinn McBride seine Schwester sehr liebte und sich um sie sorgte, war er der arroganteste Mann, den sie jemals kennengelernt hatte. Sie würde sich an diesem Abend nicht mit ihm an den Tisch setzen und sich von ihm den Appetit verderben lassen.

„Vielleicht sollten Sie erst die ganze Geschichte hören, ehe Sie mich einladen. Das Thema ist sehr heikel“, antwortete Quinn spöttisch.

Rome lachte. „Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht“, versicherte er ihm.

Quinn senkte den Kopf. Der Mann schien ihn zu mögen. „Dennoch glaube ich …“

„Ah, der Tee“, stellte Rome zufrieden fest, als eine Frau mit einem Tablett in den Händen hereinkam. „Und er wird uns sogar von der schönen Audrey serviert.“ Er lächelte die Frau dankbar an. Dann stand er auf und nahm ihr das Tablett ab.

Audrey Archer, eine zierliche zweiundvierzigjährige Blondine, war seit zwölf Jahren Romes Sekretärin und Assistentin. Seine Schmeicheleien beeindruckten sie überhaupt nicht. Sie hielt es für charmantes, aber leeres Gerede und hatte damit sicher recht.

Doch Romes Bemerkung hatte Quinn abgelenkt, und Harrie hatte etwas Zeit, sich von der Beleidigung zu erholen, die er ihr zugefügt hatte. Er hatte sich ein Urteil über sie und die Beziehung, die seiner Meinung nach zwischen ihr und Rome bestand, angemaßt. Dieser verdammte, arrogante, hochnäsige Kerl! Was bildete er sich eigentlich ein?

Nachdem Rome Quinn seine Sekretärin vorgestellt hatte, bat er Audrey, der Haushälterin Bescheid zu sagen, dass er Quinn zum Abendessen eingeladen hätte.

„Nein, Audrey, das ist nicht nötig“, mischte Harrie sich ein. „Es wird kein zusätzliches Gedeck benötigt, denn ich fahre in zwei Stunden nach London zurück.“

Rome blickte sie fragend an. Aber in Quinns Augen blitzte es spöttisch auf. Offenbar wusste er genau, warum sie ihre Pläne geändert hatte. Es schien ihn zu amüsieren.

Doch Rome fand es gar nicht so amüsant. „Das höre ich jetzt zum ersten Mal“, sagte er und runzelte die Stirn.

Es war ihr egal, was Rome dachte. Sie konnte jedenfalls Quinn McBrides Gegenwart nicht länger ertragen. Momentan hatte sie keine Wahl. Sie konnte sich nicht einfach verabschieden, sondern musste das Ende des Treffens abwarten. Aber den Abend würde sie so verbringen, wie es ihr passte, und ganz bestimmt nicht zusammen mit Quinn McBride.

Sie zuckte gleichgültig die Schultern. „Ich bin sicher, du kommst auch ohne mich zurecht“, erwiderte sie leicht ironisch.

„Darum geht es nicht.“ Rome wurde ungeduldig. „Du …“

„Andie geht es etwas besser, Rome“, mischte Audrey sich ein. „Ich habe ihr gesagt, Sie würden sich bei ihr sehen lassen.“

„Oh, das freut mich. Ich bin in ungefähr einer Stunde bei ihr“, versprach Rome. Seine Miene hellte sich auf.

Diese gute Nachricht hat ihn besänftigt, und genau das war Audreys Absicht, überlegte Harrie und lächelte Audrey dankbar an. Ehe Romes Sekretärin leise die Tür hinter sich schloss, warf sie Harrie noch einen verschwörerischen Blick zu.

Harrie verging jedoch das Lächeln, als sie bemerkte, dass Quinn McBride sie scharf beobachtete. Er zog wieder einmal seine eigenen Schlüsse aus dem stillschweigenden Einverständnis zwischen den beiden Frauen. Aber das war ihr egal, sie konnte es sowieso nicht ändern. Sie brauchte sich nicht für das, was sie tat oder sagte, zu rechtfertigen.

„Würdest du bitte den Tee einschenken?“, forderte Rome in dem Moment Harrie auf. „Sie wollten uns erklären, was für einen Fehler Ihre Schwester gemacht hat“, fuhr er an Quinn gewandt fort.

Quinn McBrides Miene wurde finster. „Nein, das hatte ich nicht vor“, antwortete er kurz angebunden. „Sie hat einen Fehler gemacht. Doch über die Einzelheiten möchte ich nicht reden. Es geht hier nur darum, wie der Reporter das, was er bei seinen Recherchen herausgefunden hat, verwenden will“, fügte er hart hinzu und trank etwas Tee, den Harrie ihm soeben eingeschenkt hatte. Plötzlich verzog er das Gesicht. „Oh …“

Sie hatte Milch und Zucker hinzugefügt. „Ist er Ihnen zu süß?“, fragte sie betont unschuldig.

Er stellte die Tasse behutsam hin. Dann sah er Harrie an. „Damit Sie es für das nächste Mal wissen: Ich trinke Tee und Kaffee immer ohne Zucker.“

Ein nächstes Mal wird es bestimmt nicht geben, schoss es ihr durch den Kopf, während Rome sie vorwurfsvoll anblickte.

„Dann nehmen Sie doch meine Tasse, ich habe sie noch nicht benutzt.“ Sie schob sie Quinn hin. „Ich trinke Tee und Kaffee auch immer ohne Zucker“, fügte sie freundlich hinzu und bemerkte, dass Rome Mühe hatte, sich das Lachen zu verkneifen. Er kannte sie zu gut und ließ sich von der betont liebenswürdigen Bemerkung nicht täuschen.

„Ich werde versuchen, es nicht zu vergessen“, antwortete Quinn McBride. „Rome, ist Ihnen bekannt, dass zumindest einer Ihrer Reporter nicht vor Erpressung zurückschreckt, um an Informationen zu kommen?“

Harrie war verblüfft. Wovon redete der Mann? Er hatte doch behauptet, es sei eine rein private Angelegenheit. Aber das wäre es nicht mehr, wenn es sich wirklich um Erpressung handelte.

Sie blickte Rome an, der ruhig und beherrscht wirkte. Nur in seinen Augen blitzte es ärgerlich auf.

Er stellte die Tasse auf den Tisch, dann sah er Quinn an und runzelte die Stirn. „An was für Informationen?“

„Politische, was sonst?“, antwortete Quinn ungeduldig. „Als der Mann Corinne zum ersten Mal mit ihrer Vergangenheit konfrontierte, dachte sie, es sei das Ende ihrer Beziehung zu David. Eine Frau mit einem dunklen Punkt in der Vergangenheit wäre seiner politischen Laufbahn nur hinderlich. Aber dem Reporter schwebte etwas ganz anderes vor.“ Quinn verzog verächtlich das Gesicht und verstummte.

„Reden Sie weiter“, forderte Rome ihn prompt auf.

Auch Harrie wünschte, er würde sie beide nicht so lange im Unklaren lassen. Es war nicht schwierig zu raten, was Corinne Westleys sogenannter Fehler gewesen war. Sie war als junge Frau verzweifelt gewesen über den frühen Tod ihres Mannes und hatte sich vermutlich in irgendeine Beziehung gestürzt, um ihren Kummer und Schmerz zu vergessen. Vielleicht war dieser Mann verheiratet gewesen. Wie Rome schon gesagt hatte, so etwas konnte jedem passieren. Deshalb war es nicht richtig und nicht fair, jetzt Corinne Westley eine längst vergessene Beziehung vorzuhalten und sie unter Druck zu setzen.

Quinn seufzte. „Dieser Mann glaubt, wie übrigens die meisten Menschen in der City, dass David eines Tages Premierminister wird. Für sein Schweigen verlangt der Reporter von Corinne, dass sie ihm Insiderwissen preisgibt. Er ist geradezu versessen darauf, einen politischen Skandal zu inszenieren.“

So etwas hatte Harrie sich gedacht. Sie konnte gut nachvollziehen, warum Quinn so zornig war.

„Wie heißt er?“ Romes Stimme klang ruhig und emotionslos, aber Harrie wusste genau, wie sehr er sich ärgerte.

„Können Sie garantieren, dass alles, was wir hier besprechen, unter uns bleibt?“, fragte Quinn vorsichtig.

So eine Garantie brauchte er nicht. Rome konnte sehr rücksichtslos sein, wenn er es für nötig hielt, aber hinterhältig war er bestimmt nicht. Und Mitarbeiter, die mit unfairen Methoden arbeiteten, duldete er nicht. Deshalb war Harrie sich sicher, dass der Reporter bald seinen Job verlieren würde.

Wahrscheinlich hat Quinn McBride recht, meine Anwesenheit bei diesem Treffen ist völlig überflüssig, überlegte Harrie. Sie verstand nicht, weshalb Rome auf ihrer Teilnahme bestanden hatte.

„Rome“, begann sie ruhig, „vielleicht sollte ich euch allein lassen, damit Mr McBride dir den Rest der Geschichte unter vier Augen erzählen kann.“

„Du bleibst hier“, fuhr Rome sie so grob an, dass Harrie ihn verblüfft ansah. „Wie heißt der Mann?“, fragte er Quinn noch einmal.

Harrie wusste, es war sinnlos, mit Rome zu diskutieren, wenn er so gereizt war. Deshalb schwieg sie.

„Richard Heaton“, erklärte Quinn verächtlich.

Wie bitte? schoss es Harrie durch den Kopf. Hatte sie sich verhört? Sie blickte Rome vorwurfsvoll an. Er verzog keine Miene. Offenbar war er nicht überrascht. Er musste gewusst haben, um wen es ging.

Am Morgen hatte er verkündet, sie müsse an dem Treffen teilnehmen. Und soeben hatte er noch einmal betont, dass er sie unbedingt dabeihaben wollte. Das ließ nur einen Schluss zu: Er wusste noch viel mehr, als er bisher zugegeben hatte.

Rome hatte herausgefunden, dass sie mit Richard Heaton befreundet war. Dessen war Harrie sich plötzlich sehr sicher.

2. KAPITEL

Als Harrie sich versteifte, betrachtete Quinn sie genauer. Er verstand ihre Reaktion nicht. Er hatte sie doch nicht persönlich beleidigt, sondern nur den Namen des Mannes genannt, der seine Schwester unter Druck setzte.

Er merkte, dass sie Rome ärgerlich und vorwurfsvoll ansah. Quinn schüttelte den Kopf und wandte sich ab. Die Beziehung der beiden ging ihn nichts an. Wenn sie sich entschieden hatte, die Geliebte eines reichen und mächtigen Mannes zu sein, war das allein ihre Sache. Er war nur hier, um Corinne in einer schwierigen Situation zu helfen.

„Richard Heaton“, wiederholte Rome hart.

„Kennen Sie ihn?“

„Nicht persönlich, nein“, antwortete Rome. „Ich habe aber den Namen schon gehört“, fügte er hinzu.

Harrie warf Rome wieder einen seltsamen Blick zu, und Quinn war irritiert. Auch wenn sie sehr schön war, empfand er ihre Anwesenheit immer noch als störend.

„Wirklich?“, fragte sie sanft und sah Rome aufmerksam an.

Rome erwiderte ihren Blick ruhig. „Ja, wirklich“, antwortete er spöttisch. „Überrascht dich das?“

Harrie schluckte und wurde blass. Quinn war sich jetzt völlig sicher, dass es bei der Unterhaltung um etwas ging, wovon er keine Ahnung hatte. Aber was es auch sein mochte, er hatte keine Zeit für die Beziehungsprobleme dieser beiden Menschen.

„Ich …“, begann sie.

„Können wir wieder zum Thema kommen?“, unterbrach Quinn sie ungeduldig.

„Sie haben erklärt, dass Richard Heaton Ihre Schwester erpresst. Sie soll ihm vertrauliche Informationen über die innerparteilichen Vorgänge ihres zukünftigen Mannes liefern. Im Gegenzug ist er bereit, nichts über ihre Vergangenheit zu veröffentlichen. Habe ich das richtig verstanden?“, vergewisserte Rome sich.

Dieser Mann ist genauso offen und direkt wie ich, doch in diesem Fall hätte er die Wahrheit diskret umschreiben können, überlegte Quinn. Immerhin ging es hier um seine Schwester.

„Das ist ein schwerwiegender Vorwurf, Mr McBride“, stellte Harrie kühl fest. „Solche Erpressungen sind ein Fall für den Staatsanwalt. Verleumdungen allerdings auch. Deshalb hoffe ich für Sie, dass Sie sich Ihrer Sache sehr sicher sind.“ Sie blickte ihn mit ihren grünen Augen aufmerksam an.

Auch wenn sie Romes Rechtsanwältin war, wünschte Quinn, sie würde sich nicht immer wieder einmischen. Außer ihnen war sonst niemand im Raum. Wer sollte ihn wegen Verleumdung anzeigen, falls das, was er behauptete, sich wirklich als falsch herausstellen sollte?

„Natürlich bin ich mir meiner Sache sicher“, erwiderte er verächtlich. „Hoffentlich können Sie mir helfen, einen Ausweg aus dieser heiklen Situation zu finden“, fügte er an Rome gewandt hinzu.

Es gefiel Quinn nicht, Rome um Hilfe bitten zu müssen, dazu war er viel zu unabhängig, was Harrie wahrscheinlich als Arroganz bezeichnen würde.

Verdammt, es ist mir doch völlig egal, was diese Frau denkt, sagte er sich sogleich. Zugegeben, sie war ungemein schön, aber sie war Rome Summers Geliebte. Schon allein deshalb war er von ihren beruflichen Fähigkeiten nicht mehr überzeugt. Es würde sich noch herausstellen, ob sie eine gute Juristin war oder nicht.

„Wenn es wirklich stimmt, was Sie diesem Mann vorwerfen, was könnte dann Rome Ihrer Meinung nach tun, um die Situation zu ändern?“, fragte sie beharrlich weiter.

Quinns Ärger wuchs. Rechtsanwälte sollten nur dann reden, wenn man sie ausdrücklich um Rat fragt, schoss es ihm durch den Kopf. Weil Rome mit dieser Frau eine Beziehung hatte, verhielt sie sich unerträglich arrogant, was ausgesprochen lästig war.

Er deutete ein Lächeln an. „Das überlassen Sie am besten Rome und mir“, entgegnete er.

Sie atmete tief ein bei dieser Beleidigung. „Rome, ich rate dir, dich auf nichts einzulassen, ehe wir uns nicht selbst vergewissert haben, ob an der Geschichte überhaupt etwas dran ist oder nicht“, forderte sie Rome ziemlich gestelzt auf.

„Da gibt es nichts zu prüfen, Liebling“, antwortete Rome leise und wie um Entschuldigung bittend, ehe er sich wieder Quinn zuwandte. „Ich glaube, ich habe schon eine Idee, wie wir Ihr Problem lösen können.“ Er stand auf und ging zu dem Sideboard, um sich einen Drink einzuschenken. „Manchmal braucht man etwas Stärkeres als Tee. Trinken Sie auch einen Whisky, Quinn?“

Quinn trank nur selten Whisky und nie während der Arbeit. Aber das hier hatte mit seiner Arbeit nichts zu tun. „Gern“, sagte er deshalb. Irgendwie hatte er das Gefühl, Rome würde ihm helfen. „Aber nur einen Kleinen, ohne Wasser und Eis“, fügte er hinzu und lehnte sich entspannt zurück. Es müsste ihm und Rome als erfolgreiche Geschäftsmänner doch gelingen, Corinnes Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen.

„Du auch, Harrie?“, fragte Rome.

„Nein, danke“, lehnte sie steif ab. Ihre Wangen waren gerötet, während sie vor wenigen Minuten noch unnatürlich blass gewesen waren. Sie presste die Hände fest zusammen. „Rome, ich meine …“

„Ich weiß, was du meinst, Harrie“, unterbrach Rome sie sanft, während er Quinn den Drink reichte. Dann legte er Harrie die Hand auf die Schulter. „Aber Quinn hat die Wahrheit gesagt, Liebes“, erklärte er rau. „Er …“

„Das glaube ich dir nicht – und ihm auch nicht!“ Harrie stand unvermittelt auf und blickte Rome und Quinn zornig an. „Ich glaube nicht, dass Richard dazu fähig ist“, stellte sie kühl fest und hob arrogant den Kopf.

In ihrem Zorn ist sie sogar noch schöner, überlegte Quinn. Ihre grünen Augen schienen wie Smaragde zu glitzern und zu funkeln, die geröteten Wangen wirkten ganz bezaubernd, ihre Brüste waren unter dem eleganten Kostüm deutlich zu erkennen, und sie hatte lange, schlanke Beine. Ja, sie war schön und begehrenswert. Quinn konnte verstehen, dass Rome von ihr begeistert war. Aber er konnte nicht verstehen, dass der andere Mann Geschäftliches mit Privatem vermischte, auch wenn es dabei um so eine schöne Frau wie Harrie ging.

Weshalb war sie eigentlich so zornig? Ganz entschieden hatte sie erklärt, Richard sei zu einer Erpressung nicht fähig. Quinn betrachtete sie. Offenbar kannte sie Richard Heaton. Aber wie gut?

Neugierig blickte er den älteren Mann an und überlegte, ob er über Harries Freundschaft mit dem jungen Reporter Bescheid gewusst hatte. Spätestens jetzt musste ihm klar sein, was los war.

„Du irrst dich, Harrie“, antwortete Rome traurig. „Ich fürchte, Richard Heaton hat genau das getan, was Quinn ihm vorwirft, und noch viel mehr. Liebes, es tut mir leid, dass du die Wahrheit über ihn so schonungslos erfahren musstest, aber …“

„Nein, es tut dir nicht leid“, unterbrach sie ihn und lachte verbittert auf. „Du scheinst die Situation zu genießen. Wie lange weißt du es schon?“

„Harrie, ich bin sicher, Quinn möchte nicht Zeuge unserer privaten Auseinandersetzung sein …“

„Auch das glaube ich nicht.“ Mit finsterer Miene ließ sie den Blick über Quinns entspannte Gestalt und das halb leere Whiskyglas gleiten, das er in der Hand hielt. „Sie haben heute Nachmittag einige voreilige Schlüsse gezogen, Mr McBride“, stellte sie ärgerlich fest. „Und alle sind falsch“, fügte sie mit Genugtuung hinzu und verzog verächtlich die Lippen. „Ich hoffe für Sie, dass das, was Sie Richard Heaton unterstellen, nicht genauso falsch ist.“

Quinn versteifte sich und richtete sich langsam im Sessel auf. Dann kniff er die Augen zusammen und beugte sich vor. „Das soll wohl eine Drohung sein, oder?“, sagte er gefährlich leise.

„Ich …“, begann sie aufgeregt.

„Sei vorsichtig, Harrie“, fiel Rome ihr freundlich ins Wort. „Quinn ist mein Gast.“

Sekundenlang blickte sie die beiden Männer gereizt an. Dann nahm sie sich zusammen und versuchte, sich zu beruhigen.

„Ja, das stimmt“, stieß sie schließlich immer noch zornig hervor. „Glücklicherweise kann ich kommen und gehen, wann ich will. Deshalb möchte ich mich verabschieden. Dann könnt ihr in aller Ruhe über Richard Heaton herziehen, ohne dass euch jemand unterbricht.“

„Harrie …“

„Rome?“, erwiderte sie kühl und nahm die Umhängetasche in die Hand.

Der ältere Mann seufzte. „Sehe ich dich morgen?“

Jetzt kam Quinn sich wirklich wie ein Eindringling vor. Er wollte nicht Zeuge sein, wenn ein so reicher und mächtiger Mann wie Rome Summer sich vor seiner Geliebten erniedrigte.

Er stand auf. „Ich lasse Sie lieber allein, dann können Sie sich besser unterhalten.“

„Das ist nicht nötig, Mr McBride“, erklärte Harrie spöttisch. „Rome und ich haben alles gesagt, was zu sagen war.“ An Rome gewandt, fügte sie hinzu: „Ich weiß noch nicht, ob ich morgen komme, Rome.“

„Gehst du zu Richard Heaton?“, fragte Rome.

Harrie hob herausfordernd den Kopf. „Wäre das schlimm?“

Rome senkte den Kopf. „Dann vergiss bitte nicht, dass du dich verpflichtet hast, die ganze Sache vertraulich zu behandeln“, erinnerte er sie sanft.

In ihren Augen blitzte es auf. „Na, wenn das keine Drohung ist!“

Rome zuckte die Schultern. „Das ist deine eigene Interpretation, Liebes.“ Er seufzte. „Ich habe dich nur daran erinnert, dich in deinem Urteil nicht von deinen Gefühlen leiten zu lassen.“

Sie lachte freudlos auf. „Gefühle?“, wiederholte sie. „Ich wusste gar nicht, dass ich welche haben darf. Aber keine Sorge, Rome, ich nehme meinen Beruf ernst und bin mir bewusst, wozu ich mich verpflichtet habe.“ Dann wandte sie sich an Quinn: „Noch eine Frage, Mr McBride …“

„Ja?“ Er blickte sie interessiert an.

„Einmal angenommen, es stimmt, was Sie Richard vorwerfen“, stieß sie ärgerlich hervor und ließ keinen Zweifel über ihre Meinung aufkommen, „wäre dann sein Informant für Ihre Schwester nicht genauso gefährlich wie Richard selbst?“

Obwohl sie immer noch zornig ist, kann sie klar und logisch denken, dachte Quinn. Irgendwie bewunderte er diese Frau.

„Sein Informant wird sich nicht an die Medien wenden. Er hat genauso viel zu verlieren wie Corinne“, antwortete er. Andrew McDonald war verheiratet und hatte zwei Kinder. Seine Frau ahnte nichts von seiner Affäre mit Corinne.

„Ich verstehe.“ Harrie kniff die Augen zusammen und betrachtete Quinn sekundenlang. Sie konnte sich denken, um was es hier ging. „Ich kann nicht sagen, dass ich mich gefreut habe, Sie kennenzulernen, Mr McBride, denn …“

„Harrie!“, unterbrach Rome sie scharf.

Sie seufzte und atmete tief ein, ehe sie das Gesicht verzog, um ein Lächeln anzudeuten, was ihr jedoch gründlich misslang.

Dieses Treffen verläuft gar nicht so, wie ich es mir gewünscht habe, überlegte Quinn. Er hatte sich ein Gespräch mit Rome Summer vorgestellt und gehofft, sich mit ihm auf eine Möglichkeit verständigen zu können, wie das Problem zu lösen sei. Danach hatte er nach London zurückfliegen wollen. Damit, dass Rome Summer seine Freundin oder Geliebte mit ins Spiel brachte, die dann offenbar auch noch eine Beziehung zu Richard Heaton hatte, hatte er nicht rechnen können. Trotzdem glaubte Quinn zu wissen, dass der ältere Mann ihm helfen würde.

„Sie haben Ihre Begegnung mit einem Fremden gehabt, Mr McBride“, erklärte Harrie spöttisch. „Aber die große, dunkelhaarige Frau, die Sie so gern kennengelernt hätten, war es nicht. Sie haben einen Mann verleumdet, den Sie noch nicht einmal kennen“, fügte sie vorwurfsvoll hinzu. „Sie können stolz auf sich sein!“ Dann verließ sie den Raum und schlug die Tür hinter sich zu.

Wie betäubt blickte Quinn auf die geschlossene Tür. Er wusste, wo die Unterhaltung, auf die sie angespielt hatte, stattgefunden hatte: im Zelt der Wahrsagerin.

„Ich hoffe, Sie können meiner ältesten Tochter das unhöfliche Benehmen verzeihen, Quinn“, sagte Rome und seufzte. „Sie ist verletzt und zornig, ganz besonders auf mich. In solchen Fällen überschreitet sie manchmal Grenzen.“

Quinn war gerade dabei, sich von dem Schock zu erholen, dass Harrie und die Gypsy Rosa ein und dieselbe Person waren. Deshalb dauerte es einige Sekunden, bis er begriff, was Rome da gesagt hatte. Er ließ sich nicht oft aus der Fassung bringen, doch jetzt geschah es gleich zweimal hintereinander. „Ihre älteste Tochter?“, wiederholte er verblüfft.

Rome verzog wehmütig das Gesicht. „Ja. Sie heißt Harriet, aber wir haben sie schon immer Harrie genannt. Als Sie meine Kinder erwähnten, war Ihnen wohl nicht bewusst, dass meine Töchter schon neunundzwanzig, siebenundzwanzig und fünfundzwanzig Jahre alt sind.“

„Ich hatte keine Ahnung, dass Harrie Ihre Tochter ist“, gab Quinn zu. Ihr ist wahrscheinlich klar, dass ich sie für Romes Geliebte gehalten habe, überlegte er. Deshalb hatte sie ihm auch vorgeworfen, er habe voreilige Schlüsse gezogen.

„Ja, sie ist die älteste, aber nicht die temperamentvollste“, erklärte Rome liebevoll und stolz.

Quinn schüttelte den Kopf. Wie sehr hatte er sich getäuscht! „Ist etwa die rothaarige junge Frau, die mich den ganzen Nachmittag genervt und herumkommandiert hat, auch eine Ihrer Töchter?“

Rome lachte. „Das muss Danie gewesen sein. Andie, die Jüngste, liegt mit einer Grippe im Bett“, antwortete Rome.

Quinn war immer noch fassungslos. Zuerst hatte sich herausgestellt, dass es sich bei dem Rechtsanwalt um eine Frau handelte, und dann war sie auch noch Rome Summers älteste Tochter. Aber nicht genug damit. Harrie war nicht nur eine Frau und Rome Summers Tochter, sondern auch die Gypsy Rosa vom Sommerfest.

Harrie war so zornig auf Quinn McBride und ihren Vater, dass sie am liebsten alles kurz und klein geschlagen hätte.

Sie hatte zunächst nicht verstanden, warum sie an dem Treffen mit Quinn McBride hatte teilnehmen sollen. Normalerweise hielt sich ihr Vater die Wochenenden für die Familie frei. Als er sie am Tag zuvor angerufen hatte, um sich zu vergewissern, dass sie kommen würde, hatte sie sich nichts dabei gedacht und es für eine Routinefrage gehalten.

Jetzt war ihr klar, dass er über ihre Beziehung zu Richard Heaton informiert war. Aber seit wann? Und wie hatte er es erfahren?

„Was ist los, Harrie?“, fragte Audrey besorgt, als sie aus Romes Arbeitszimmer kam.

In dem Moment merkte Harrie, dass sie immer noch vor der Wohnzimmertür stand und die Hände zu Fäusten geballt hatte. Sie atmete tief ein, um sich etwas zu entspannen. „Ach, Rome hat mal wieder sein Spiel mit mir getrieben“, stieß sie dann ärgerlich hervor.

Audrey zog die Augenbrauen hoch. „Ich habe gedacht, es sei eine geschäftliche Besprechung.“

Harrie war siebzehn gewesen, als Audrey Romes Sekretärin geworden war. Zwei Jahre später war Harries Mutter gestorben, und seitdem war Audrey so etwas wie Harries Vertraute. Dass Rome seit fünf Jahren seinen Töchtern immer wieder junge Männer aus angesehenen Familien vorstellte, weil er hoffte, sie würden endlich heiraten und ihm Enkelkinder schenken, war kein Geheimnis. Bis jetzt hatte sich jedoch keine seiner Töchter für einen dieser Junggesellen interessiert.

„War es auch. Und es war nicht das übliche Spiel“, erklärte Harrie rasch. Auch wenn Rome sich einen Schwiegersohn wünschte, mit Quinn McBride wäre er sicher nicht einverstanden.

Außerdem kann ich mir meinen Ehemann durchaus selbst aussuchen, überlegte Harrie. Bis vor wenigen Minuten hatte sie sogar geglaubt, den richtigen Mann gefunden zu haben.

„Komm mit ins Arbeitszimmer“, forderte Audrey sie freundlich auf. „Da sind wir ungestört, und du kannst mir alles erzählen.“ Sie spürte, wie irritiert und bestürzt Harrie war.

Harrie hätte sich zu gern Audrey anvertraut. Doch in diesem Fall war es unmöglich. Sie hatte versprochen, die Sache vertraulich zu behandeln. Außerdem schmerzte es sie momentan noch viel zu sehr, um mit jemandem über das zu reden, was Quinn McBride Richard vorgeworfen hatte. Natürlich glaubte sie Quinn kein Wort. Aber sie musste erst die Gedanken ordnen und mit sich selbst ins Reine kommen.

„Heute n...

Autor

Julia James
<p>Julia James lebt in England. Als Teenager las sie die Bücher von Mills &amp; Boon und kam zum ersten Mal in Berührung mit Georgette Heyer und Daphne du Maurier. Seitdem ist sie ihnen verfallen. Sie liebt die englische Countryside mit ihren Cottages und altehrwürdigen Schlössern aus den unterschiedlichsten historischen Perioden...
Mehr erfahren
Jackie Braun
Nach ihrem Studium an der Central Michigan Universität arbeitete Jackie Braun knapp 17 Jahre lang als Journalistin. Regelmäßig wurden dabei ihre Artikel mit Preisen ausgezeichnet. 1999 verkaufte sie schließlich ihr erstes Buch ‚Lügen haben hübsche Beine‘ an den amerikanischen Verlag Silhouette, der es im darauf folgenden Jahr veröffentlichte. Der Roman...
Mehr erfahren

Gefahren

  • Dieses Produkt enthält keine bekannten Gefahren.

Kontakt zum Herausgeber für weitere Informationen zur Barrierefreiheit

  • Weitere Informationen zur Barrierefreiheit unserer Produkte erhalten Sie unter info@cora.de.

Navigation

  • Dieses E-Book enthält ein Inhaltsverzeichnis mit Hyperlinks, um die Navigation zu allen Abschnitten und Kapiteln innerhalb dieses E-Books zu erleichtern.