Julia Extra Band 380 - Titel 2: Liebe gesucht - Familie gefunden

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Jetzt oder nie! Meg wünscht sich ein Baby - und wer käme eher für die Rolle als Vater ohne Pflichten in Frage, als ihr bester Freund Ben? Sie konnte ja nicht ahnen, dass der attraktive Weltenbummler sich plötzlich nach dem größten aller Abenteuer sehnt: einer Familie.


  • Erscheinungstag 08.04.2014
  • Bandnummer 0380
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706326
  • Seitenanzahl 113
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ben, könntest du dir vorstellen, für mich Samen zu spenden?“

Bei dieser Frage seiner besten Freundin verschluckte sich Ben Sullivan und stellte schnell sein Weinglas auf den Couchtisch, bevor er den Inhalt verschüttete. Dann drehte er sich zu ihr um. Meg hob eine Hand, damit er sie ausreden ließ.

Dachte sie, er würde sie unterbrechen? So, wie er hustete, bekam er nicht einmal Luft, wie sollte er sie da unterbrechen?

Erschöpft ließ er sich auf die Couch fallen. Für einen kurzen, feigen Moment wünschte er sich, er wäre noch in Mexiko statt hier in Fingal Bay, Australien.

Samenspender? Ich? In seinen Ohren begann es zu klingeln, als ihm klar wurde, was Meg ihn gerade gefragt hatte. Fassungslos sprang er auf. „Warum brauchst du einen Samenspender? Warum willst du überhaupt eine künstliche Befruchtung? Du bist doch noch nicht einmal 30 Jahre alt!“ Meg war 28, so wie er. „Du hast doch noch so viel Zeit.“

„Nein, habe ich nicht.“

Ben erstarrte. Ihr angestrengtes Lächeln tat ihm weh.

„Mein Arzt hat gesagt, dass ich wegen meiner Endometriose Gefahr laufe, unfruchtbar zu werden.“

Diese verdammte Krankheit! Er setzte sich wieder, weil ihm plötzlich ganz übel wurde. Meg hatte schon immer Kinder gewollt. Himmel, sie leitete sogar eine Kindertagesstätte. Sie wäre eine fantastische Mutter. Mit großer Mühe riss er sich zusammen. Gegen das Schicksal zu wettern, würde ihr nicht helfen.

„Ich bin dabei, einen Termin für eine künstliche Befruchtung auszumachen, damit ich so schnell wie möglich schwanger werden kann.“

Deshalb fragte sie ihn also, ob er ihr Samenspender sein würde. Ihn? Er konnte es noch immer nicht fassen. Aber … „Du wärst eine fantastische Mum, Meg.“

„Danke.“ Ihr schüchternes Lächeln konnte einem Mann die Daumenschrauben anlegen. „Nicht alle werden so verständnisvoll sein, fürchte ich, aber …“ Als sie sich zu ihm beugte, fiel das blonde Haar ihr über die Schultern. „Ich habe keine Angst davor, eine alleinerziehende Mutter zu sein, und finanziell geht es mir wirklich gut. Ich kann mich problemlos um mich selbst und um ein Kind kümmern.“

Das bezweifelte er nicht. Es war ihm ernst gewesen, als er sagte, dass sie eine gute Mutter sein würde. Ihr Kind würde nie daran zweifeln, dass seine Mutter es liebte.

Seine Brust schmerzte, und seine Augen brannten. Meg würde ihrem Kind die Kindheit schenken, nach der sie beide sich so gesehnt hatten.

Meg richtete sich auf. „Hör zu, wenn dir meine Bitte auch nur ein kleines bisschen unangenehm ist, dann wechseln wir das Thema, okay?“

Das Blut rauschte immer noch in seinen Ohren.

„Ben?“

Ihr herrischer Tonfall ließ ihn beinahe schmunzeln. Stattdessen nickte er. „Gut.“

„Okay.“ Sie verschränkte ihre Hände so fest miteinander, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, und holte tief Luft. Bens Herz schlug schneller.

„Ben, du bist mein bester Freund, und ich vertraue dir vollkommen. Du bist gesund, fit und intelligent – alles, was ich für mein Kind möchte.“ Frech grinste sie ihn an. „Auch wenn ich das vor keiner anderen lebenden Seele jemals wiederholen werde, es gibt keinen Mann, dessen Gene ich mehr bewundere.“

Trotz ihrer frechen Miene spürte er deutlich, wie ernst es ihr war.

„Ich möchte so gern ein Baby, dass es fast körperlich wehtut.“ Ihr Lächeln verblasste. „Ein Kind durch künstliche Befruchtung zu bekommen, mit einem anonymen Spender …“ Sie strich sich eine blonde Haarsträhne hinters Ohr. „Ich weiß nicht … Das scheint mir einfach so gefühllos zu sein. Aber wenn du der Spender wärst, zu wissen, dass du ein Teil davon bist …“

Meg sah ihn offen an, und er konnte in ihrem Gesicht lesen, wie viel ihr das bedeutete.

„Das wäre nicht so schlimm, weißt du?“

Ben zupfte am Kragen seines T-Shirts, der ihm plötzlich zu eng vorkam.

Meg atmete tief durch. „Schau, ich weiß, dass du absolut nicht häuslich werden möchtest und nie Kinder wolltest. Das erwarte ich auch gar nicht von dir, ich sehe dich eher in der Rolle des Lieblingsonkels.“

Für einen kurzen Moment musterte sie ihn. „Ich kenne dich, Ben, und wenn du das nicht möchtest, wird dein Name nicht einmal auf der Geburtsurkunde erscheinen. Das Kind wird deine Identität nie erfahren. Außerdem“, fügte sie hinzu, „würde ich sterben, wenn du mir finanzielle Unterstützung anbieten würdest.“

Das brachte ihn zum Lächeln. Meg war verdammt unabhängig – das musste er ihr lassen. Unabhängig und sie kommandierte gern herum.

Sie schlug die Beine unter. „Du willst etwas loswerden. Bitte, halt dich nicht zurück.“

Ihre Worte überraschten ihn nicht. Zwischen ihnen hatte es nie irgendwelche Spielchen gegeben. Ben mochte seine Familie nicht – weder seine Mutter noch seinen Vater und erst recht nicht seine Großmutter. Oh, er wusste sehr gut, was er seiner Großmutter schuldete. Meg hielt ihm deswegen jedes Mal eine Predigt, wenn er zu Hause war, und sie hatte recht. Elsie hatte ihm zu essen gegeben, ihn eingekleidet und bei sich aufgenommen, hatte dafür gesorgt, dass er zur Schule ging und zum Arzt, wenn er krank war, aber all das hatte sie ohne sichtbare Gefühlsregung getan. Und wenn er sie jetzt besuchte, schien sie das auch nicht wirklich zu kümmern. Es war lediglich eine Pflicht auf beiden Seiten.

Darum würde Ben dafür sorgen, dass es ihr im Alter an nichts mangelte, aber soweit es ihn betraf, endete damit seine Verpflichtung ihr gegenüber. Er besuchte sie nur, um Meg glücklich zu machen.

Was er schätzte, war Freundschaft – und Meg war seine beste Freundin. Megan Parrish hatte ihn gerettet. Sie hatte einen Blick auf den zehnjährigen Jungen geworfen, der auf Elsies Türschwelle ausgesetzt worden war, und hatte verkündet, dass sie ab jetzt und für immer beste Freunde sein würden. Sie hatte seinem ausgehungerten Herzen die Kameradschaft, Loyalität und Liebe gegeben, die er brauchte.

Mehr als einmal hatte er miterlebt, wie schmerzhaft eine Endometriose war. Niemals hatte er sich in seinem Leben so hilflos gefühlt, weil er nichts dagegen tun konnte. Er ballte die Hände zu Fäusten. Ihm war nicht klar gewesen, dass sie noch immer darunter litt.

„Ben?“

Wäre eine Schwangerschaft für sie nicht ein unnötiges Risiko?

Er drehte sich zu ihr, um sie besser ansehen zu können. Meg hielt ihm ihr Glas hin, und er schenkte ihr aus der Flasche Chardonnay nach, die sie zum Essen geöffnet hatten. Ihre Hand zitterte, und in ihm zog sich etwas zusammen. Er knallte die Flasche auf den Couchtisch. „Geht es dir gut?“, platzte er heftig heraus.

Sie nippte scheinbar ganz ruhig an ihrem Wein. „Ja.“

Seine Anspannung ließ nach. Sie würde ihn nicht anlügen. „Aber?“

„Es ist ein monatliches Problem.“ Sie zuckte die Schultern. „Das weißt du.“

Aber er hatte gedacht, da wäre sie herausgewachsen!

Weil du das denken wolltest.

Er ballte die Hände zu Fäusten. „Kann ich irgendetwas tun?“

Im schummrigen Licht sah sie ihn liebevoll an, und er wollte sie am liebsten in seine Arme ziehen und einfach festhalten … ihren Duft einatmen, ihr von seiner Gesundheit und Vitalität abgeben, damit sie nie wieder krank werden würde. „Elsie hat dir bestimmt erzählt, dass ich in den letzten Monaten einige heftige Anfälle von Endometriose hatte?“

Sein Magen verkrampfte sich. Ben nickte. Als er vorhin auf seinem Motorrad in die Stadt gebraust war, hatte Meg ihn sofort nach nebenan geschickt, zum Pflichtbesuch bei seiner Großmutter. Auch wenn alle wussten, dass er nur nach Fingal Bay zurückkehrte, um Meg zu sehen. Elsies bevorzugte Gesprächsthemen waren Megs Gesundheit und die Gesundheit von Megs Vaters gewesen. Seitdem machten ihm die Neuigkeiten zu schaffen.

„Ist die Endometriose der Grund dafür, dass du unfruchtbar werden könntest?“

„Ja.“ Meg lehnte sich zurück. „Deswegen habe ich es auch auf deine Gene abgesehen.“

Wie konnte das Schicksal das seiner besten Freundin antun?

Ben lehnte sich vor und schaute ihr ernst in die Augen. „Keine väterliche Verantwortung?“

„Himmel, nein! Sonst würde ich das Gespräch erst gar nicht mit dir führen.“

Es gab einen sehr einfachen Grund, warum Meg sich an ihn wandte: Sie vertraute ihm. Genauso wie er ihr. Sie wusste genau, worum sie ihn bat. Und was sie bekam, wenn er bei ihrem Plan mitmachte.

Wenn er zustimmte, ihr Samenspender zu sein, würde er ihr nur helfen, Mutter zu werden. Punkt. Es wäre nicht sein Kind, sondern ihres.

Doch er würde ihr nicht dabei helfen, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen, auch wenn der Gedanke, dass sie vielleicht nie Kinder haben würde, ihn traurig machte. Nervös fuhr er sich durch die Haare und suchte nach den richtigen Worten.

„Ich muss dir noch etwas beichten, das deutlich weniger nobel ist.“ Sie lehnte sich zurück und streckte die Beine aus, bis sie seine berührte. „Ich freue mich auch darauf, keine Endometriose mehr zu haben.“

Es dauerte eine Weile, bis er verstand, was sie sagte. Er war zu sehr damit beschäftigt, ihre Beine zu bewundern. Und er fühlte sich in den Moment vor zehn Jahren zurückversetzt, als ihm bewusst wurde, wie schön Meg geworden war. Ein Moment, der mit Trost begonnen hatte und dann leidenschaftlich geworden war. Innerhalb einer Sekunde.

Ihm wurde kalt. Dabei hatte er gedacht, er hätte diese Erinnerung für immer aus seinem Gedächtnis verbannt. An diesem Abend hätte er beinahe den größten Fehler seines Lebens begangen und das Einzige zerstört, das ihm etwas bedeutete: Megs Freundschaft. Er schüttelte den Kopf, auf einmal raste sein Herz. Es war dumm, sich jetzt daran zu erinnern. Vergiss es!

Dann drangen ihre Worte zu ihm durch. Vorsichtig beugte er sich vor, um sie nicht zu berühren. „Was hast du gerade gesagt?“

„Während einer Schwangerschaft hat man Ruhe vor der Endometriose, außerdem könnte mich das auch heilen.“

Wenn er auf ihre Bitte einging, ihr half, schwanger zu werden, würde sie vielleicht nie wieder diese Schmerzen erleiden.

Am liebsten hätte er sofort zugestimmt, doch dann meldete sich sein Selbstschutz. Nicht, dass er sich vor Meg schützen müsste, aber es sollte alles geklärt sein, bevor er bei ihrem Plan mitmachte.

„Wenn ich zustimme, dann nur unter der Voraussetzung, dass das Ganze anonym geschieht. Ich möchte nicht, dass es jemand erfährt, auch das Kind nicht.“

Meg zuckte die Schultern. „Mir war schon klar, dass du das möchtest.“

Da hatte sie recht. Wüsste das Kind, wer sein Vater war, hätte es Erwartungen an ihn. Und damit wollte er nichts zu tun haben.

„Und es ist dein Baby, Meg. Alles, was ich dazu beitrage, ist das Sperma, richtig?“

„Absolut.“

„Ich wäre nur Onkel Ben, nicht mehr?“

„Nicht mehr.“

Meg würde eine tolle Mutter sein und verdiente es, ihren Traum wahr werden zu lassen. Außerdem bat sie um nichts, was er nicht geben konnte.

Er stand auf. „Gut, ich helfe dir.“

Überglücklich sprang Meg auf und warf sich ihrem 1,90 Meter großen, durchtrainierten besten Freund in die Arme. „Danke, Ben! Danke!“

Sofort löste sie sich wieder von ihm, als seine Körperwärme sie erreichte und sie an die Vitalität und Lebenskraft erinnerte, die unter all diesen Muskeln und der heißen Haut steckten. Eine Erinnerung, die sie bei Bens kurzen Besuchen jedes Mal aufs Neue überkam.

Ein Baby!

Trotzdem trat sie zurück und schluckte ihre Begeisterung herunter. „Bist du sicher, dass du nicht noch darüber nachdenken willst?“ Sie wollte ihn nicht zu so einer wichtigen Entscheidung drängen.

Ben schüttelte den Kopf. „Ich weiß alles, was ich wissen muss, und du weißt alles, was du über mich wissen musst. Wenn du als alleinerziehende Mutter glücklich bist, dann helfe ich dir gern.“

Sie wusste, dass sie wie ein Honigkuchenpferd strahlte, konnte aber nichts dagegen tun. „Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet.“

„Doch, das kann ich.“

Wahrscheinlich hatte er sogar recht. Bei seinem Lächeln wurde ihr warm ums Herz, und sie erinnerte sich an ihren verbotenen Kuss – wie üblich, wenn zwischen ihnen die Gefühle überschäumten. Meg unterdrückte einen Seufzer. Sie hatte ihr Bestes getan, um diesen Kuss zu vergessen, aber inzwischen waren zehn Jahre vergangen, und noch immer überfiel sie die Erinnerung.

Sie erstarrte. Nicht, dass sie den Kuss wiederholen wollte!

Himmel, nein! Wenn die Sache außer Kontrolle geraten wäre, hätten sie …

Meg erschauerte. Dann hätte sie Ben wahrscheinlich nie wiedergesehen.

Er schenkte ihr das freche Grinsen, das mehr Frauen, als sie zählen konnte, umgehauen hatte.

Aber nicht sie.

Sie schüttelte den Kopf. „Falls du magst, ich habe eine Käse- und Obstplatte gemacht. Und ich weiß, es ist noch nicht so warm, aber wir haben beinahe Vollmond, darum dachte ich, wir setzen uns auf die Veranda und genießen den Ausblick.“

Lässig zuckte Ben die Schultern. „Klingt doch gut.“

Sie wechselten auf die gepolsterten Stühle auf der Veranda. Im Mondlicht leuchtete die Bucht silbern, das Wasser glitzerte. Zufrieden atmete Meg die salzige Luft ein. Die Nachtluft kühlte ihre erhitzten Wangen, und allmählich beruhigte sich ihr rasender Puls.

Aber ihr Herz ging fast über vor Freude. Ein Baby!

„Elsie hat erzählt, dass dein Vater krank war?“, bemerkte Ben.

Das brachte sie auf den harten Boden der Realität zurück. Sie schnitt sich ein Stück Camembert ab und nickte.

Ben runzelte die Stirn. Der Mond schien heller als die kleine Lampe im Wohnzimmer, darum sah sie deutlich, was er gerade fühlte – hauptsächlich war er frustriert und besorgt um sie.

„Elsie sagte, er hätte eine Nierenentzündung gehabt.“

Sowohl sie als auch Ben nannten seine Großmutter beim Vornamen. Elsie wollte es so.

Meg seufzte leise. „Es war schrecklich.“ Bei Ben konnte sie immer nur ehrlich sein, auch wenn sie ihn vor dem Schlimmsten beschützen wollte, was ihren Vater und Elsie betraf. „Über Nacht wurde er plötzlich gebrechlich. Darum bin ich hierher zurückgezogen, um mich um ihn zu kümmern.“

Leider hatte diese vorübergehende Maßnahme Vater und Tochter nicht näher zusammengebracht – eher hatte sich ihr Vater noch weiter von ihr zurückgezogen.

„Wie geht es ihm jetzt?“

„Es hat ein paar Monate gedauert, aber er ist wieder fit wie ein Turnschuh. Er ist nach Nelson Bay in eine kleine Wohnung gezogen, weil er näher beim Arzt, den Läden und dem Bowling Club sein wollte.“

Nelson Bay lag nur zehn Minuten entfernt und war das eigentliche Zentrum von Port Stephens. Fingal Bay lag in der südöstlichen Ecke von Port Stephens – eine hübsche kleine Stadt am Meer. Hier waren sie und Ben aufgewachsen.

Meg liebte es, Ben dagegen überhaupt nicht.

„Allerdings habe ich das Gefühl, dass das nur eine Ausrede war und er es einfach nicht länger mit seiner einzigen Tochter in einem Haus ausgehalten hat.“

Ben, der gerade einen Schluck trinken wollte, stockte und fluchte, als er ihren Gesichtsausdruck bemerkte. „Zum Teufel, Meg, warum nimmst du dir das so zu Herzen?“

Nach all der Zeit. Den unausgesprochenen Zusatz hörte sie nur zu deutlich. Sie starrte auf die Bucht hinaus, während sie darauf wartete, dass der Schmerz in ihrer Brust nachließ.

„Und überhaupt …“ Grimmig runzelte Ben die Stirn. „Ich wette, er wollte einfach nur nicht, dass du dein Leben opferst, indem du dich um ihn kümmerst.“

Sie musste lachen. „Da bist du dir so sicher, ja?“ Seit ihre Mutter gestorben war, als Meg gerade acht Jahre alt gewesen war, hatte ihr Vater … Was? Hatte er aufgegeben? Vergessen, dass er eine Tochter hatte? Oh, körperlich war er da gewesen. Er hatte gearbeitet und Geld verdient, nur emotional hatte er sich distanziert – sogar von ihr, seinem einzigen Kind.

Als Meg zu Ben hinsah, entdeckte sie, dass er mit aufeinandergepressten Lippen und schmalen Augen auf die Bucht hinausschaute. Doch sie hatte das Gefühl, dass er den Anblick gar nicht wahrnahm. Der Schmerz in ihrer Brust ließ nicht nach. „Ich verstehe sie nicht, weißt du? Meinen Vater nicht und Elsie genauso wenig.“

„Ich auch nicht. Nur im Gegensatz zu dir versuche ich es auch nicht mehr. Mir ist es egal.“

Den ersten Teil glaubte sie, aber nicht den Rest. Nicht einmal für einen Moment.

Langsam drehte er sich zu ihr um und musterte sie finster. „Ich glaube, es ist Zeit, dass du auch aufhörst, sie verstehen zu wollen. Es sollte dir nicht mehr so viel ausmachen.“

Wenn das nur so einfach wäre. Schulterzuckend wechselte sie das Thema. „Wie war es heute bei Elsie?“

Ben verzog den Mund. „Der übliche Spaß.“

Als sie und Ben zehn Jahre alt gewesen waren, hatte ihn seine Mutter bei seiner Großmutter abgeladen. Seine Mutter war nie mehr zurückgekommen, hatte nicht einmal angerufen. Elsie, die nie besonders lebhaft gewesen war, wurde noch apathischer. Meg konnte sich nicht erinnern, dass Elsie ihren Enkel umarmt oder ihm Zuneigung gezeigt hätte.

„Bei Elsie und meinem Vater geht irgendetwas vor“, überlegte Meg laut. „Sie sind in letzter Zeit wie Pech und Schwefel.“

„Ja, das Gefühl hatte ich auch. Aber …“ Ben rutschte auf seinem Stuhl hin und her. „Muss uns das wirklich kümmern?“

Aber Meg kümmerte es. Im Gegensatz zu ihrem Vater konnte sie Gefühle nicht so einfach abschalten oder sie wie Ben so tief begraben, dass sie nie wieder das Tageslicht sahen.

„Weißt du, was mich ärgert?“ Ben ballte eine Hand zur Faust. „Dass du jetzt dieses riesige Haus am Hals hast.“

„Ich habe es nicht direkt am Hals, Ben. Es gehört mir – mein Vater hat es mir geschenkt. Bevor er weggezogen ist, hat er es mir überschrieben.“

Erstaunt blieb Ben der Mund offen stehen. „Er hat was? Warum?“

Meg schnitt noch ein Stück Camembert ab und schob es sich in den Mund, bevor sie die Schultern zuckte. „Keine Ahnung.“

Fassungslos beugte er sich vor. „Und du hast es angenommen?“

Sie hatte das Gefühl gehabt, dass etwas Wichtiges davon abhing, ob sie das Haus akzeptierte.

Leider war sie nicht sicher, ob sie es Ben erklären konnte. „Es schien ihm wichtig zu sein.“

Dunkelblaue Augen sahen sie finster an. „Damit öffnest du der Enttäuschung Tür und Tor“, grummelte er.

„Vielleicht, aber jetzt kann zumindest niemand behaupten, ich hätte nicht genug Platz für ein Baby.“

Ben lachte. Genau, wie sie gehofft hatte. „Da nehme ich doch lieber ein Zelt.“

Das war definitiv eher Bens Stil.

Schnell wechselte sie das Thema. „Du bist eine Woche hier, oder?“ Ben blieb nie länger als eine Woche. „Hast du etwas dagegen, wenn ich für uns am Mittwoch oder Donnerstag einen Termin bei meinem Arzt mache?“

„Solange ich in Fingal Bay bin, stehe ich ganz zu deiner Verfügung, Meg.“

Und das meinte er wirklich ernst. Ihr ging das Herz auf. „Danke.“ Sie konnte den Blick einfach nicht von ihm lösen. Schnell nahm sie sich noch ein Stück Käse und zwang sich dazu, auf die Bucht zu schauen. „Wohin willst du eigentlich als Nächstes?“

Ben leitete für verschiedene Reiseveranstalter Abenteuerreisen in jeden Winkel der Welt. So konnte er sich aussuchen, wohin er fuhr und was er tat.

„Skigebiete in Kanada.“

Begeistert erzählte er ihr von seinen neuen Reiseplänen. Langsam fragte sich Meg, was er wohl tun würde, wenn er einmal alles gesehen hatte. Wieder von vorn anfangen? „Hast du schon auf einem Schiff für eine Weltumsegelung angeheuert?“

„Noch nicht.“

Das war sein großer Traum, und Meg zweifelte nicht daran, dass er das irgendwann wirklich tun würde. „Es dauert doch eine Weile, bis man die Erde umsegelt hat. Bist du sicher, dass du es so lange ohne weibliche Gesellschaft aushältst?“

„Hast du noch nie etwas von einem Mädchen in jedem Hafen gehört?“

Meg musste lachen. Das Problem war nur, dass es für Ben wahrscheinlich kein Witz war.

Seine Beziehungen dauerten nie länger als zwei Wochen. So sorgte er dafür, dass keine Frau besitzergreifend wurde. Ben hütete seine Freiheit sorgsam und kämpfte verbissen gegen jede Form von Bindung oder Verpflichtung – nicht nur in seinem Liebesleben.

Megs Magen zog sich zusammen, aber dann lächelte sie. Deshalb war er einfach perfekt.

Sie strahlte geradezu. Ein Baby!

2. KAPITEL

ICH BIN SCHWANGER!!!

Ein breites Grinsen breitete sich auf Bens Gesicht aus, als er Megs E-Mail las.

Tolle Neuigkeiten, schrieb er zurück. Gratuliere!!! Dann unterschrieb er mit Onkel Ben. Kurz stockte er dabei, aber im nächsten Moment schüttelte er den Kopf und schickte die Nachricht lächelnd ab. Ein Monat war seit seinem Besuch zu Hause vergangen, und jetzt … war Meg schwanger! Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und fuhr sich durch die Haare. Heute Abend in der Kneipe würde er mit dem Rest der Mannschaft auf sie anstoßen.

Als er gerade den Computer ausschalten wollte, erhielt er eine weitere E-Mail.

LIEBLINGSONKEL Ben!

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Er sprach die Worte laut aus. „Lieblingsonkel Ben.“ Erneut schüttelte er den Kopf, bevor er sich hinaus in die Kälte, in das Eis und den Schnee eines kanadischen Skihanges stürzte.

Während der nächsten zwei Monate sah Ben plötzlich überall schwangere Frauen – in Skihütten, am Strand der Pazifischen Inseln, wo er eine Tauchexpedition leitete, bei einer Zwischenlandung in Singapur und sogar in Neuseeland.

Und die Babybäuche faszinierten ihn ungemein. Immer wieder ertappte er sich dabei, dass er mit den Frauen Gespräche anfing und ihnen zu ihrem Familienzuwachs gratulierte.

Jede von ihnen strahlte ihn glücklich an. Verdammt! Er musste dringend etwas Zeit finden, um nach Hause zu fahren und Megs Begeisterung mit ihr zu teilen.

Im dritten Monat hörte er dann Horrorgeschichten.

Er war gerade in Afrika, um eine dreiwöchige Safaritour zu leiten, und gab sich alle Mühe, diese Geschichten zu verdrängen. Meg war gesund. Und außerdem war sie stark – emotional und körperlich. Nicht zu vergessen, intelligent. Er ballte die Fäuste. Es ging ihr gut. Weder ihr noch dem Baby würde etwas geschehen.

„Willst du mir erzählen, was dir auf der Seele brennt?“, fragte Stefan, der Leiter des Reiseunternehmens, bei dem Ben für die Safari unter Vertrag stand, an seinem zweiten Abend in Lusaka, Sambia. „Du bist genauso freundlich wie ein Löwe mit einem Dorn in der Pfote.“

Seit über fünf Jahren arbeitete Ben schon für Stefan. Sie hatten sich angefreundet, weil sie die Liebe für Abenteuer und die Natur teilten, aber nun ging Ben auf, dass er nichts Privates über den anderen Mann wusste. „Hast du Kinder, Stefan?“

„Hast du jemanden geschwängert, Ben?“

Das nicht. Er zog die Schultern hoch. Zumindest nicht so, wie Stefan es meinte. „Meine beste Freundin zu Hause ist schwanger. Sie ist total aus dem Häuschen, und ich freue mich für sie, aber in letzter Zeit habe ich einige unschöne Geschichten gehört.“

„Was für welche?“

Hastig trank Ben einen Schluck Bier. „Über kräftezehrende Morgenübelkeit. Müdigkeit.“ Ihm wurde übel, und er stellte sein Glas zurück auf den Tresen. „Fehlgeburten, hohen Blutdruck, Diabetes und unglaublich lange Wehen!“

Autor

Michelle Douglas

Das Erfinden von Geschichten war schon immer eine Leidenschaft von Michelle Douglas. Obwohl sie in ihrer Heimat Australien bereits mit acht Jahren das erste Mal die Enttäuschung eines abgelehnten Manuskripts verkraften musste, hörte sie nie auf, daran zu arbeiten, Schriftstellerin zu werden.

Ihr Literaturstudium war der erste Schritt dahin, der...

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