Julia Extra Band 407

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EIN ENGEL IN ROTEM SATIN von KENDRICK, SHARON
Niccolo da Conti sieht rot - schuld daran ist Alannahs sexy Kleid aus scharlachrotem Satin! Er will sie verführen, um sie dann ein für alle Mal zu vergessen. Leichter gesagt als getan …

DIE SCHÖNSTE BLUME DES HAREMS von WEST, ANNIE
Eine tolle Chance: Jacqui darf die spannende Geschichte des Harems von Jazeer schreiben. Aber das heißt nicht, dass sie selbst als Wüstenbraut in den Armen des feurigen Sultans Asim landet - oder doch?

WIE VERFÜHRT MAN EINEN TRAUMPRINZEN? von HART, JESSICA
Kann man aus einem Durchschnittstypen einen Traumprinzen machen? Allegra soll das für eine Frauenzeitschrift beweisen. Bloß dumm, dass ihr Mitbewohner Max sich nicht ändern will! Und vielleicht ist er ja gerade deshalb so sexy …

DAS WUNDER EINER WINTERNACHT von BIANCHIN, HELEN
Chantelle freut sich auf das Weihnachtsfest mit ihrem kleinen Sohn Sam in Australien! Bis sie unerwartet dem Mann in die Arme läuft, vor dem sie ein Geheimnis hat: Dimitri Christopoulis, der nicht weiß, dass er Sams Dad ist …

HEIßE KÜSSE UNTERM MISTELZWEIG von WINTERS, REBECCA
Als ihr Freund David sie unter dem Mistelzweig küsst, spürt Annie - nichts! Als sie dagegen kurz darauf die Lippen ihres Bosses Mitch spürt - alles! Und nach der Party bleibt sie ausgerechnet mit Mitch im Fahrstuhl stecken …


  • Erscheinungstag 17.11.2015
  • Bandnummer 0407
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704728
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Sharon Kendrick, Annie West, Jessica Hart, Helen Bianchin, Rebecca Winters

JULIA EXTRA BAND 407

SHARON KENDRICK

Ein Engel in rotem Satin

Arrogant – aber unwiderstehlich! Alannah muss mit dem italienischen Milliardär Niccolo da Conti zusammenarbeiten. Doch wie gefährlich er für ihr Herz ist, merkt sie erst, als er versucht, sie zu verführen …

ANNIE WEST

Die schönste Blume des Harems

Wer hat da geschrien? Sultan Asim eilt durch den nächtlichen Palast. Und traut seinen Augen nicht, als er eine schlafende Schönheit im alten Harem entdeckt – von Albträumen geplagt und nackt …

JESSICA HART

Wie verführt man einen Traumprinzen?

Allegra will ihn in einen perfekten Mann verwandeln! Max versteht es nicht. Es knistert doch sowieso zwischen ihnen! Weiß sie nicht, dass zu einer großen Liebe auch kleine Fehler gehören?

HELEN BIANCHIN

Das Wunder einer Winternacht

Für Dimitri steht die Welt still, als er Chantelle wiedersieht. Nicht nur, weil er ihre heiße Affäre nie vergessen hat, sie hat auch einen kleinen Jungen an der Hand, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten ist!

1. KAPITEL

Niccolò da Conti hasste Hochzeiten, Weihnachten und Liebe. Aber noch mehr hasste er es, wenn Leute nicht taten, was er wollte.

Wütend unterdrückte er ein grobes Schimpfwort, während er in der großen Suite in einem New Yorker Hotel umherging. Draußen hoben sich Wolkenkratzer und Sterne glitzernd vom dunklen Nachthimmel ab. Noch heller funkelte allerdings die weihnachtliche Beleuchtung, die die gesamte Stadt erhellte.

Aber Niccolò bekam nichts von der festlichen Stimmung draußen mit. Ihm war noch nicht einmal bewusst, dass die verhasste Vorweihnachtszeit bereits begonnen hatte. Im Augenblick drehten sich seine Gedanken ausschließlich um seine einzige Schwester, die so verdammt eigensinnig war.

Angestrengt versuchte er, sein hitziges Temperament zu zügeln. „Ich werde nicht zulassen, dass ein billiges Nacktmodell deine Brautjungfer ist, Michela. Schließlich habe ich lange und hart dafür gearbeitet, dir einen gewissen Grad an Seriosität zu verschaffen.“

Vom anderen Ende der schicken Penthouse-Suite erwiderte Michela trotzig: „Du wirst mich nicht davon abhalten können. Ich bin die Braut, also ist es meine Entscheidung.“

„Meinst du?“ Niccolò presste den Mund zusammen, als ihn seine heiße Wut erneut zu überwältigen drohte. „Und wenn ich mich nun weigere, die Kosten für die Hochzeit zu tragen?“

„Mein zukünftiger Mann ist reich genug, um alles zu bezahlen.“ Michela zögerte kurz und fuhr fort: „Aber soll wirklich die ganze Welt erfahren, dass Niccolò da Conti sich weigert, für die Hochzeit seiner einzigen Schwester zu bezahlen, nur weil er mit ihrer Brautjungfer nicht einverstanden ist? Sogar für einen altmodischen Mann wie dich wäre das in der heutigen Zeit etwas übertrieben.“

Niccolò ballte die Hände kurz zu Fäusten, streckte die Finger dann wieder und wünschte sich insgeheim einen Punchingball. Eigentlich war er es gewohnt, dass sich die Welt nach seinen Wünschen richtete. Schlimm genug, dass sich sein Freund Alekto Sarantos derzeit wie eine Primadonna aufführte. Dass nun auch noch Alannah Collins hier auftauchen sollte, war wirklich zu viel!

Aufgebracht dachte er an die vielen Opfer, die er für seine Schwester schon erbracht hatte. Lange hatte er darum gekämpft, die nur aus ihr und ihm bestehende kleine Familie zusammenzuhalten, und er war noch nicht bereit, die Kontrolle über Michela aufzugeben. Er hatte Schande und tragische Ereignisse überstanden und seine Schwester so gut beschützt wie nur möglich. Nun wollte sie eine Ehe eingehen, die ihr Sicherheit fürs Leben bringen würde. Sein sorgfältiges Prüfen potenzieller Kandidaten hatte sich ausgezahlt: Michela würde in eine der mächtigsten italo-amerikanischen Familien New Yorks einheiraten und den guten Ruf bekommen, den Niccolò sich schon immer für sie gewünscht hatte. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass irgendetwas oder irgendjemand einen Schatten auf die Hochzeit warf, schon gar nicht Alannah Collins.

Es beunruhigte Niccolò, wie heftig sein Körper schon beim bloßen Gedanken an das kleine Biest reagierte, denn normalerweise hatte er sich immer absolut unter Kontrolle. Lust und Bedauern erfüllten ihn, doch am stärksten war seine Wut, und an die hielt er sich.

„Wie kann sie so unverfroren sein, hier aufzutauchen?“, fragte er wütend. „Ich dachte, du hättest sie nicht mehr gesehen, seit ich dich von dieser grässlichen Schule genommen habe.“

„Wir … wir sind seit damals in Kontakt geblieben“, erwiderte Michela zögernd. „Und wir haben uns immer getroffen, wenn ich in England war. Außerdem ist sie letztes Jahr nach New York gekommen. Wir sind zusammen in die Keys gefahren, und alles war genau wie früher. Wir kennen uns einfach schon ewig, Niccolò. In der Schule war sie meine beste Freundin.“

„Und das alles hältst du jahrelang vor mir geheim – bis zum Abend vor deiner Hochzeit!“, stellte er aufgebracht fest. „Was für einen Eindruck wird das machen, wenn diese … diese Exhibitionistin so eine wichtige Rolle bei deiner Hochzeit übernimmt?“

Frustriert hob Michela die Hände. „Wundert es dich, dass ich dir nichts erzählt habe – so wie du reagierst?“

„Was sagt Lucas denn zu deiner Verbindung mit ihr?“

„Die Sache ist lange her und längst Geschichte, Niccolò. Die meisten Menschen hier in den USA haben noch nicht mal vom Stacked Magazine gehört. Außerdem gibt es die Zeitschrift schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Und ja, ich weiß, dass ein Video vom Original-Shooting irgendwie auf YouTube gelandet ist …“

„Was?“, rief Niccolò.

„Aber nach heutigen Maßstäben ist es total harmlos“, fügte Michela schnell hinzu. „Außerdem macht Alannah so etwas nicht mehr. Du schätzt sie ganz falsch ein, Niccolò. Sie ist …“

„Sie ist ein Flittchen!“, fiel ihr Bruder ihr so wütend ins Wort, dass sein sizilianischer Akzent viel deutlicher zu hören war als sonst. „Ein Flittchen, das man nicht auf anständige Menschen loslassen sollte. Wann wirst du endlich begreifen, dass Alannah Collins …“

„Ups!“ Eine kühle Frauenstimme bereitete seiner Schimpftirade ein abruptes Ende. Als Niccolò sich umdrehte, sah er, dass ausgerechnet Alannah Collins ins Zimmer spaziert war. Natürlich ohne vorher anzuklopfen.

Schlagartig hatte Niccolò vergessen, was er sagen wollte. Und das, obwohl er sie im ersten Moment gar nicht erkannt hatte, denn in seiner Erinnerung trug sie so gut wie nichts am Leib – während die Frau vor ihm kaum Haut zeigte. Doch ihre sinnliche Stimme rief sofort die Erinnerungen in ihm wach und ließ sein Verlangen heiß auflodern.

Nach wie vor besaß Alannahs verführerischer Körper eine unvergleichlich erotische Ausstrahlung.

Unter der Jeans und dem hochgeschlossenen weißen Oberteil zeichneten sich ihre üppigen Kurven deutlich ab. Ihr glänzendes schwarzes Haar fiel ihr über eine Schulter, und die intensiv blauen Augen funkelten ein wenig spöttisch. Niccolò schluckte. Er hatte vergessen, wie zart ihr Teint und wie rosig ihre Lippen waren … Die Halb-Irin mit der zweifelhaften Vergangenheit war einfach zu verführerisch!

Als sie durch die Suite ging, sah er an ihrem Kragen eine Brosche in Form einer kleinen Libelle funkeln, die genau zur Farbe ihrer faszinierenden Augen passte. Und obwohl Niccolò diese Frau von ganzem Herzen verachtete, konnte er nichts gegen das heftige Verlangen tun, das seinen Körper erfasste. Bei Alannahs Anblick konnte er nur an eins denken: Sex.

„Ist hier gerade mein Name gefallen?“, fragte sie unbefangen. „Soll ich vielleicht rausgehen und noch einmal hereinkommen?“

„Du kannst gerne rausgehen, wann immer dir danach ist“, antwortete er kühl.

Als Alannah den Kopf zur Seite neigte, fiel ihr das Haar über den Rücken wie ein tiefschwarzer Wasserfall. „Wie ich sehe, hast du nichts von deinem angeborenen Charme eingebüßt, Niccolò“, stellte sie ironisch fest. „Die Kunst der Beleidigung beherrschst du wirklich meisterhaft.“

Niccolò spürte, wie es in ihm vor Wut zu brodeln begann. Noch schlimmer war aber die heftige Lust, die ihn erfasste und gegen die er sich nicht wehren konnte. Am liebsten hätte er Alannahs beleidigende Worte einfach weggeküsst. Nein, am liebsten hätte er sie gleich jetzt genommen, leidenschaftlich und hart. Er wollte hören, wie sie vor Erregung seinen Namen schrie, wieder und wieder …

Verdammt soll sie sein, dachte er, mit ihrer Selbstsicherheit, ihrer zweifelhaften Moral und diesen sündhaften Kurven, für die jeder Mann auf Knien über Glasscherben kriechen würde. „Entschuldige bitte“, sagte er trocken. „Einen Moment lang habe ich dich gar nicht erkannt, so bekleidet.“

Dass sie einen Moment lang peinlich berührt wirkte, erfüllte ihn mit Befriedigung. Denn immerhin hätte sie damals fast den Ruf seiner Familie zerstört.

Doch dann lächelte Alannah strahlend. „Darauf werde ich gar nicht eingehen“, sagte sie nur und wandte sich an seine Schwester. „Bist du bereit für die Anprobe?“

Michela nickte, blickte jedoch Niccolò nervös an. „Ich wünsche mir, dass ihr beide höflich und zivilisiert miteinander umgeht – zumindest bis zum Ende der Hochzeit. Danach braucht ihr euch ja auch nie wiederzusehen.“

Niccolò wurde wütend. Er fand es unglaublich heuchlerisch von Alannah, dass sie tatsächlich eine so wichtige Rolle spielen wollte. Warum hielt sie sich nicht im Hintergrund? Wie würden wohl die mächtigen Großeltern des Bräutigams darauf reagieren, dass eine Frau Brautjungfer sein würde, die sich im Schulmädchenlook dabei hatte ablichten lassen, wie sie gerade die eigenen Brustwarzen massierte? Für ihn war sie eine Persona non grata. „Bitte lass Alannah und mich kurz unter vier Augen miteinander reden“, sagte er zu seiner Schwester. „Vielleicht finden wir eine für alle Beteiligten gute Lösung.“

Auf Michelas fragenden Blick hin nickte Alannah. „Er wird schon nicht beißen“, sagte sie.

Als seine Schwester die Suite verlassen hatte, wurde Niccolòs Verlangen so heftig, dass es ihn fast überwältigte. Bei Alannahs Bemerkung war sein Blick unwillkürlich zu ihrem schlanken Hals gewandert …

Doch Alannah stand einfach ruhig da und blickte ihn amüsiert aus ihren faszinierenden Augen an. „Dann mal raus mit der Sprache, Niccolò. Lass uns eine Lösung finden, damit deine Schwester genau die Hochzeit bekommt, die sie verdient hat.“

„Ja, ich finde auch, dass Michela eine perfekte Feier verdient hat“, fuhr er sie an. „Und zwar ohne eine Frau, die auf sehr negative Art und Weise die gesamte Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Du warst immer absolut ungezügelt, schon bevor du angefangen hast, dich vor der Kamera auszuziehen. Es ist absolut inakzeptabel, wenn bei der Trauung sämtliche anwesenden Männer mit den Augen die Brautjungfer ausziehen, anstatt sich auf den feierlichen Schwur der Brautleute zu konzentrieren.“

„Dafür, dass du dein ganzes Leben lang jeglicher Verpflichtung aus dem Weg gegangen bist, finde ich deine Achtung für die Trauungszeremonie erstaunlich.“ Alannah lächelte gelassen. „Allerdings glaube ich nicht, dass die meisten Männer sich so obsessiv mit meiner Vergangenheit beschäftigen wie du.“

„Bilde dir bloß nichts ein.“ Niccolòs Stimme klang hart. „Seit du damals so einen schlechten Einfluss auf meine Schwester hattest, habe ich kaum an dich gedacht.“ Doch in Wirklichkeit hatte er weder Alannah je vergessen noch die Wirkung, die sie auf ihn gehabt hatte. Sehr lange hatte er immer wieder von ihrem sinnlichen Körper und ihren Küssen geträumt – und sich beim Aufwachen schweißgebadet daran erinnert, wozu er sich fast hätte hinreißen lassen. „Ich hatte gehofft, du wärst aus ihrem Leben verschwunden.“

Ruhig erwiderte Alannah Niccolòs Blick. Lass dich nicht provozieren, ermahnte sie sich. Aus leidvoller Erfahrung wusste sie, dass Gelassenheit – auch wenn sie nur vorgetäuscht war – im Umgang mit einem Gegner die beste Waffe darstellte. Sie wusste, dass er glaubte, sie hätte einen schlechten Einfluss auf seine geliebte Schwester. Niccolò da Conti war kein Mann, der schnell etwas vergaß. Und auch keiner, den man schnell vergisst, fügte sie in Gedanken hinzu.

Er stellte sein Vermögen nicht zur Schau, doch seine machtvolle Aura war unverkennbar: Betrat er einen Raum, verstummten die Anwesenden. Ein Blick von ihm genügte, um in einer Frau das Verlangen zu wecken.

Alannah allerdings betrachtete er gerade mit unverhohlener Abscheu – nur weil sie vor Jahren seine puritanischen Befindlichkeiten verletzt hatte. Was sie damals getan hatte, bereute Alannah sehr, doch sie war jetzt ein anderer Mensch, und er hatte einfach nicht das Recht, über sie zu urteilen.

Die Verachtung in seinem Blick drohte aber die Gelassenheit zu beeinträchtigen, die sie sich über Jahre erarbeitet hatte. Sag ihm, dass er seine verstaubten Ansichten für sich behalten soll, forderte eine innere Stimme sie auf. Aber als Niccolò seinen obersten Hemdknopf öffnete, begann Alannahs Empörung zu schwinden, und sie nahm nur noch seinen Körper wahr. Widerstrebend spürte sie, wie ihr heiß wurde. Erinnerte er sie absichtlich daran, wie seine intensive sexuelle Ausstrahlung ihr damals den Atem geraubt hatte?

Alannah spürte, dass ihre Wangen sich röteten und ihr Herz wie wild schlug. Auch wenn sie Niccolò nicht mochte und er der herrschsüchtigste Mensch war, den sie kannte – sie begehrte ihn mehr als irgendeinen anderen Mann. Ein Tanz, ein Kuss, mehr war zwischen ihnen nicht vorgefallen, und doch hatte sie in ihrem ganzen Leben nie etwas so Erotisches, Sinnliches erlebt. Neben ihm verblasste jeder andere Mann zur Bedeutungslosigkeit.

Während sie Niccolò musterte, wünschte sie, er wäre einer jener Männer, die im Laufe der Jahre einen kleinen Bauch bekamen oder deren Gesichtszüge ihre Kontur verloren. Doch Niccolò wirkte noch immer so kraftvoll und durchtrainiert, als könnte er mit einem einzigen Axthieb einen Baum fällen. Die Menschen drehten sich nach ihm um, und seine markanten Züge waren vielleicht nicht klassisch schön, doch seine Lippen so unfassbar sinnlich, als seien sie nur zu dem Zweck gemacht, leidenschaftlich zu küssen. Ein starker Kontrast zum feindseligen Funkeln seiner Augen …

Alannah hatte ihn seit zehn Jahren nicht mehr gesehen. Zehn Jahre waren eine kleine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, in der sie sich den schlechten Ruf erworben hatte, den sie nicht mehr loswurde. So hatte sie sich fast damit abgefunden, dass Männer sie wie ein Sexobjekt behandelten und bei jedem Gespräch unverhohlen ihre üppigen Brüste betrachteten.

Das Schlimmste aber: In dieser Zeit war ihre Mutter schwer erkrankt und gestorben. Nach der Beerdigung hatte Alannah festgestellt, dass sie ganz allein auf der Welt war. Also hatte sie sich ihr Leben genau angesehen und begriffen, dass sie die halbseidene Welt der Erotikfotografie hinter sich lassen musste. Es war nicht einfach gewesen, einen Schnitt zu machen, aber Alannah hatte ihr Bestes getan. Und noch immer kämpfte sie und träumte davon, dass ihr Leben sich von Grund auf ändern würde. Noch immer arbeitete sie daran, ihr fragiles Selbstbewusstsein zu stärken, während sie zugleich die Fassade einer starken, stolzen Frau aufrechterhielt. Doch in Wirklichkeit fühlte sie sich manchmal wie ein verängstigtes kleines Mädchen.

Ich habe viele Fehler gemacht, aber ich habe für alle bezahlt, dachte Alannah, plötzlich trotzig angesichts Niccolòs offensichtlicher Verachtung. Und ich werde nicht zulassen, dass Niccolò da Conti mich als bedeutungslos abtut!

„Du führst dich auf, als sei deine Weste geradezu blütenweiß“, sagte sie betont gelassen. „Dabei habe ich neulich noch gelesen, dass du mit einer norwegischen Bankerin zusammen warst und sie auf ziemlich herzlose Weise fallen gelassen hast. Offenbar war sie nicht die Erste, mit der du so umgesprungen bist.“

„Ich war ihr gegenüber nicht herzlos, sondern ehrlich“, erwiderte Niccolò gleichgültig. „Aber interessant, dass du meine Aktivitäten verfolgst.“ Er lächelte spöttisch. „Vermutlich üben millionenschwere Junggesellen eine besondere Anziehung auf Frauen wie dich aus, die für Geld so gut wie alles tun würden.“

Alannah spürte, wie angespannt sie bei seinen Worten wurde. Niccolò stellte es fast so dar, als würde sie ihn stalken! Doch sie würde sich auf keinen Fall ein schlechtes Gewissen einreden lassen. „Jetzt bildest du dir etwas ein“, stellte sie fest. „Du bist doch mit dem Sultan von Qurhah eng befreundet. Und wenn du mit königlichen Hoheiten essen gehst, gibt es meistens Fotos davon in den Klatschblättern. Später wird dann darüber spekuliert, warum deine weibliche Begleitung am nächsten Morgen schluchzend vor deiner Wohnungstür stand. Also halt mir bitte keine Moralpredigten, Niccolò. Du weißt nichts über mein Leben.“

„Und dabei soll es nach Möglichkeit auch bleiben“, entgegnete er. „Wenn es nach mir ginge, würdest du einen möglichst großen Abstand zur gesamten Familie da Conti halten. Also lass uns jetzt zur Sache kommen.“

Alannah blinzelte überrascht. „Zur … zur Sache?“

„Ja. Komm schon, du weißt doch, wie diese Dinge laufen. Wir zwei haben etwas zu besprechen, und wir sollten uns dieses Gespräch so angenehm wie möglich machen. Wie wäre es also mit einem Drink?“ Er wies auf die Hausbar am anderen Ende der Suite. „Partygirls wie du trinken doch immer gerne Champagner, stimmt’s?“

Alannah rang sich ein müdes Lächeln ab. „Tut mir leid, dass ich deinem klischeehaften Denken widersprechen muss, aber mit dir würde ich nicht einmal dann Champagner trinken, wenn ich mir viel daraus machen würde. Für falsche Herzlichkeit habe ich nichts übrig. Also sag mir doch einfach, was du zu sagen hast.“

Statt zu antworten, lehnte Niccolò sich gegen eins der riesigen Sofas und sah sie an, die Arme vor der Brust verschränkt. Trotz seiner entspannten Pose ließ eine Vorahnung Alannah innerlich erbeben, als ihre Blicke sich trafen. Eine Aura der Macht umgab Niccolò, die ihr damals in jener Bar nicht aufgefallen war. Plötzlich wirkte er sehr entschlossen und strahlte eine unnachgiebige Härte aus.

„Wir wissen doch beide, wie dieses Problem ganz unkompliziert und schnell zu lösen ist“, sagte er sanft. „Du musst einfach nur aus dem Scheinwerferlicht treten. Michela heiratet einen sehr mächtigen Mann. Sie möchte Kinder mit ihm bekommen, für die ihre Freundinnen Vorbilder sein sollen. Und ich möchte nicht, dass eine Frau wie du Einfluss auf meine Neffen und Nichten hat.“

Alannahs Herz schlug wie verrückt. „Wie kannst du es wagen, mich so zu verurteilen?“, fragte sie leicht stockend.

„Sag Michela einfach, dass du es dir anders überlegt hast und nicht mehr ihre Brautjungfer sein möchtest“, fuhr Niccolò fort.

„Zu spät.“ Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und unbekümmert zu klingen. „Ich habe mir selbst ein Kleid genäht: aus leuchtend roter Seide, damit es zum herbstlichen Motto passt, unter dem die Hochzeit steht …“

„Glaubst du wirklich, ich werde zulassen, dass du als Brautjungfer an der Hochzeit teilnimmst?“

Beim unnachgiebigen Klang seiner Stimme fühlte Alannah sich plötzlich sehr verletzlich. Doch sie gab sich einen Ruck. Nein, dachte sie. Ich werde nicht zulassen, dass er mich zum Zweifeln bringt. „Das klingt, als sei ich geradezu bösartig.“

„Ich würde es eher als fehlgeleitet und ungezügelt bezeichnen“, entgegnete Niccolò betont sanft. „Und ich möchte nicht, dass die Medien schreiben, dass das beliebteste Pin-up-Girl des Stacked Magazine Brautjungfer bei der Hochzeit meiner Schwester war.“

„Aber niemand wird …“, begann Alannah.

Er schnitt ihr das Wort ab. „Ja, Michela wollte mir auch schon weismachen, dass niemand es mitbekommen wird. Aber die Ausgaben des Magazins, für die du dich ausgezogen hast, sind begehrte Sammlerobjekte und mehrere Tausend Dollar wert. Und jetzt ist gerade ein Filmchen von dir auf YouTube aufgetaucht, das dich noch bekannter machen wird. Egal was du trägst oder nicht trägst: Du hast einen Körper, der die männliche Fantasie anregt. Jeder, der dich ansieht, wird nur an eines denken.“

Ob bewusst oder nicht – der intelligente, grausame Niccolò hatte Alannah an ihrem wundesten Punkt getroffen. Nun fühlte sie sich nicht mehr wie eine Frau, sondern wie ein Sexobjekt, nach dessen Fotos Männer gierten. Sie würde nie mehr mit gespreizten Fingern über ihren nackten Brüsten oder mit aufreizend herabgeschobenem Slip für eine Kamera posieren. Damals war es aus unterschiedlichen Gründen nötig gewesen, doch diese Gründe würde der verklemmte, selbstgerechte Niccolò da Conti niemals verstehen.

„Einen Ruf wie deinen wird man nicht so einfach wieder los“, stellte er fest.

Ihm war offenbar nicht klar, dass Alannah sich seit Jahren mit den Folgen ihres Handelns auseinandersetzen musste. Er sah nur, was er sehen wollte, und versuchte gar nicht erst, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Sein Vermögen und seine Arroganz verschafften ihm eine privilegierte Position. Am liebsten hätte sie ihn geschüttelt und ihn angeschrien, er solle aufhören, sie zu verurteilen, und sie endlich als Menschen betrachten. Alannah verstand nur zu gut, warum Michela früher solche Angst vor Niccolò gehabt hatte. Kein Wunder, dass die junge Italienerin rebelliert hatte, sobald ihr Bruder sie in das exklusive Schweizer Mädcheninternat verfrachtet hatte, an dem Alannahs Mutter damals Hausmutter gewesen war.

„Michela möchte, dass ich bei der Trauung dabei bin“, sagte sie langsam. „Das ist für mich das Wichtigste. Und wenn du mich nicht kidnappen lässt, werde ich genau das morgen tun.“

„Vielleicht können wir uns ja doch anders einigen“, sagte Niccolò. „Wie du weißt, bin ich sehr wohlhabend. Und ich bin bereit, dich angemessen dafür zu entschädigen, dass du der Trauung fernbleibst. Es gibt doch bestimmt irgendetwas, das du gerne hättest.“

„Du bietest mir Geld an, damit ich mich von deiner Schwester fernhalte und nicht ihre Brautjungfer bin?“, fragte Alannah ungläubig.

„Warum denn nicht?“ Niccolò lächelte kalt. „Erfahrungsgemäß bekommt man in der Regel alles, was man möchte, wenn man bereit ist, angemessen dafür zu bezahlen.“

Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Michela hat mir oft erzählt, dass du ständig versuchst, andere Menschen zu steuern. Ich dachte immer, dass sie übertreibt, aber offenbar habe ich mich geirrt.“

„Ich mache dir dieses Angebot, weil Michela mir sehr viel bedeutet.“ Plötzlich klang Niccolò sehr schroff. Er dachte daran, wie er alles dafür getan hatte, seine Schwester vor den Sünden ihres Vaters zu beschützen – und denen ihrer Mutter. Sie hatten Sizilien fluchtartig verlassen, als seine Mutter mit Michela schwanger gewesen war, und hatten nicht gewusst, was auf sie zukommen würde. Er war damals noch ein Kind gewesen. Trotzdem hatten sich alle auf ihn verlassen, und es fiel ihm noch immer schwer, diese Rolle aufzugeben …

„Michela ist meine gesamte Familie, außer ihr habe ich niemanden. Ich würde alles für sie tun“, sagte er beherrscht.

„Nur die Freiheit, auf die eine erwachsene Frau Anspruch hat, willst du ihr nicht zugestehen“, entgegnete Alannah. „Ich bin sehr froh, dass sie den Mut hat, sich dir zu widersetzen. Vielleicht verstehst du irgendwann, dass nicht alle Menschen springen, wenn du mit den Fingern schnippst. Mich bist du erst nach der Hochzeit los, Niccolò. Damit wirst du dich abfinden müssen.“

Als sich ihre Blicke trafen, spürte Niccolò etwas in seinem Inneren aufflackern. Alannah war wirklich einzigartig: Sogar Trotz wirkte bei ihr erotisch. Am liebsten hätte er sie an sich gezogen und ihr gezeigt, dass er sich von nichts und niemandem aufhalten lassen würde.

Als er auf sie zuging und sah, wie ihre Augen dunkler wurden, erfüllte ihn ein erregendes Gefühl der Befriedigung. Offenbar begehrte sie ihn noch immer. Vielleicht nicht so sehr wie er sie, aber das Verlangen in ihrem Blick war unverkennbar. Und Verlangen war eine sehr wirkungsvolle Waffe. Wenn eine Frau Sex mit einem Mann wollte, hatte dieser Macht über sie …

„Denk doch noch einmal über meinen Vorschlag nach. Vielleicht bist du so klug, bis zum Dinner nachher deine Meinung zu ändern.“

Plötzlich wirkte Alannah nicht mehr trotzig, sondern fast ein wenig unsicher. „Aber Michela sagte, du würdest wegen einer wichtigen geschäftlichen Angelegenheit erst morgen kommen. Es hatte mit einem neuen Wohnblock zu tun, den du vor Kurzem in London gebaut hast.“

„Stimmt, aber ich habe entschieden, dass das Geschäftliche warten kann“, erwiderte Niccolò lächelnd. Als er sie ansah, fiel es ihm plötzlich leicht, die dringenden Anliegen seiner millionenschweren Kunden und Freunde zu vergessen. „Seine Freunde soll man in der Nähe haben, aber seine Feinde noch viel mehr. Und dich möchte ich gleich aus mehreren Gründen ganz in meiner Nähe haben, Alannah.“

2. KAPITEL

Alannah zog den Reißverschluss ihres Cocktailkleids hoch und blickte in den Spiegel. Ihr Gesicht war sehr blass. Sie hatte Yoga gemacht und tief durchgeatmet, doch ihr zitterten noch immer die Hände. Als sie in ihre High Heels schlüpfte, musste sie daran denken, wie verächtlich Niccolò sie behandelt hatte. Und dennoch sehnte sie sich nach ihm …

Schaudernd fragte sie sich, was mit ihrer hart erarbeiteten Selbstachtung passiert war. Wie war es ihm gelungen, die gelassene, selbstbewusste Alannah so aus der Ruhe zu bringen? Ein vielsagender Blick aus seinen dunklen Augen hatte genügt, um ihr Dinge in Erinnerung zu rufen, die sie lieber vergessen hätte. Plötzlich hatte sie sich wieder wie die Siebzehnjährige gefühlt, die gegen alle Regeln verstoßen wollte …

Statt im Schlafsaal ihres Schweizer Mädchenpensionats im Bett zu liegen, war Alannah damals im ultrakurzen Minikleid und – was streng verboten war – geschminkt zu einer Party gegangen. Sie wusste noch nicht, dass ihr feminines Äußeres auch erhebliche Nachteile mit sich bringen konnte …

Eigentlich hätte jemand wie sie gar keine Schülerin hier sein dürfen. Alannah war nicht reich und hatte keine einflussreichen Beziehungen. Sie war die uneheliche Tochter einer alleinerziehenden Frau, die zufällig Schulmutter an diesem exklusiven Internat inmitten der malerischen Schweizer Alpen war. Und so bekam Alannah zwar jede Menge Bildung, doch die meisten der anderen Mädchen tolerierten sie lediglich und behandelten sie von oben herab.

Michela da Conti war anders – und wurde ihre einzige echte Freundin. Vielleicht, weil die beiden Mädchen trotz ihrer so unterschiedlichen Herkunft etwas gemeinsam hatten: Alannah hatte schon ihr ganzes Leben lang gegen ihre übermäßig strenge Mutter rebelliert, während Michela in ihrem jungen Leben schon schweres Leid erfahren hatte und sich gegen die strikten Regeln auflehnte, die ihr Bruder Niccolò ihr auferlegte.

Ihre Rebellion beschränkte sich darauf, unerlaubterweise Alkohol in einer der nahe gelegenen Bars zu trinken und am Fenster des Schlafraums zu rauchen, wobei sie gegen ihre Übelkeit kämpfen mussten. Aber eines Tages hörten sie von einer glamourösen Party: Einer von Niccolòs Patensöhnen feierte seinen einundzwanzigsten Geburtstag in einem Tal in der Nähe.

„Da gehen wir hin!“, verkündete Michela begeistert. Alannah runzelte die Stirn. „Aber wird dein Bruder nicht auch da sein?“

„Nein“, erwiderte ihre Freundin zufrieden. „Der ist mit seiner neuesten grässlichen Freundin in irgendeiner abartig teuren Hotelanlage auf Barbados. Wir haben also nichts zu befürchten.“

Unzählige Gäste waren zu der Party gekommen, auf der bunte Lichter zuckten und laute Musik dröhnte. Alannah hatte sich ein silberfarbenes Minikleid geliehen, das sich eng an ihren Körper schmiegte. Sie wurde ständig zum Tanzen aufgefordert, wies aber alle jungen Männer ab, denn sie waren ihr zu aufdringlich und selbstgefällig, um interessant zu sein.

Fest entschlossen, sich zu amüsieren, umklammerte sie ihren Softdrink und bewunderte den Blick auf die verschneite Landschaft. Auf dem Rückweg von der Toilette stieß sie auf ein schlafendes Kätzchen, dem sie ausgiebig den Bauch kraulte. Dann wollte sie Michela vorschlagen, ein Taxi zu rufen und nach Hause zu fahren, konnte sie aber nirgends finden. Also setzte Alannah sich in eine ruhige Ecke, während alle um sie herum ausgelassen feierten. Plötzlich sah sie ihn – und hatte das Gefühl, vom Blitz getroffen zu werden.

Er war groß, sein Haar und seine Augen schwarz wie der nächtliche Himmel. Er trug einen dunklen Anzug, wirkte elegant und weltgewandt, aber gleichzeitig strahlte er etwas fast Animalisches aus, und seine Augen glänzten wie die eines Raubtiers. Trotzdem hatte Alannah keine Angst, als er langsam, aber sehr entschlossen auf sie zukam. Aus irgendeinem Grund hatte sie das Gefühl, dass sie ihr ganzes Leben lang auf diesen Mann gewartet hatte.

Langsam ließ er den Blick über sie gleiten, fast als wäre sie ein Wagen, den er vielleicht kaufen wollte. Doch sein Lächeln schien tief aus seinem Inneren zu kommen. Es drang in ihr Herz und ließ ihre Knie weich werden.

„Ich finde, du solltest unbedingt tanzen“, sagte er.

„Leider tanze ich nicht besonders gut“, erwiderte Alannah.

„Nur, weil du noch nie mit mir getanzt hast. Ich werde es dir beibringen.“

Später sollte sie sich vorwerfen, wie bereitwillig sie zuließ, dass er die Arme um sie legte, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. Als er ihr übers Haar strich, hätte sie am liebsten geschnurrt wie das Kätzchen, um das sie sich vorhin gekümmert hatte. Fast ohne Worte tanzten sie miteinander – so langsam, dass sie sich kaum bewegten. Das Gefühl ihrer aneinander geschmiegten Körper war überwältigend. Ob er spürte, wie sehr sie es genoss? Neigte er deshalb den Kopf, sodass sie seinen warmen Atem auf ihrer Haut spüren konnte?

„Du bist wunderschön“, sagte er mit einer samtweichen Stimme, aus der Alannah erst jetzt einen sizilianischen Akzent heraushörte.

Er hatte eine geradezu hypnotisierende Wirkung auf sie, sodass sie nicht wie sonst errötend abstritt, schön zu sein. Stattdessen sagte sie cool: „Du bist auch ziemlich attraktiv.“

„Dann passen wir ja perfekt zusammen.“ Er lächelte.

„Bist du nicht ein kleines bisschen voreilig?“

„Das kann schon sein.“ Als er sich vorbeugte, spürte sie den intensiven Blick seiner dunklen Augen wie Scheinwerferlicht auf ihrem Gesicht. „Zumal wir uns ja noch nicht mal geküsst haben. Das sollten wir schnell nachholen.“

Alannahs Herz schlug wie verrückt. „Wer sagt denn, dass ich dich küssen werde?“

„Ich.“ Und genau das tat er.

Er küsste sie in der dunklen Ecke eines fremden Hauses in den Schweizer Bergen, während draußen dicke Schneeflocken wie weiße Federn vom Himmel fielen. Und er küsste sie so intensiv, dass ihr heiß wurde, und sie glaubte, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Sehnlichst wünschte Alannah, er möge nie wieder aufhören.

Als er ihr mit dem Daumen über die Brust strich, verschlug es ihr den Atem. Alannah hatte das Gefühl, nur aus einem einzigen Grund auf der Welt zu sein: um von diesem Mann berührt zu werden, der sie ansah, als sei sie die schönste Frau der Welt.

Als er sie noch leidenschaftlicher küsste und ihr ein Bein zwischen die Oberschenkel schob, schien die Luft zwischen ihnen in Flammen zu stehen. Ich brenne, dachte Alannah und spürte fast schmerzhaft ihre fest gewordenen Brustwarzen, als sie sich voller Sehnsucht gegen ihn presste.

Schwer atmend wich er ein wenig zurück. „Wir sollten uns lieber einen bequemeren Ort suchen“, sagte er heiser. „Einen Ort mit einem Bett.“

Bevor sie antworten konnte, gab es plötzlich Unruhe. Michela kam in den Raum gestürmt, mit Schneeflocken im schwarzen Haar und umgeben von einer unverkennbaren Marihuana-Wolke. Ihre schuldbewusste Miene, als sie Niccolò sah, und die Blicke, die sie ihrer Freundin zuwarf, sprachen Bände. Alannah sollte nie vergessen, wieNiccolòs leidenschaftlicher Gesichtsausdruck plötzlich in Abscheu umschlug.

„Du bist eine Schulfreundin meiner Schwester?“, fragte er ungläubig.

„Ich … ja“, erwiderte sie stockend.

„Wie alt bist du?“

„Siebzehn.“

Niccolò sah sie an, als hätte sie ihn geschlagen. „Michela gibt sich also mit einer puttana ab, mit einem billigen kleinen Flittchen, das sich auf Partys Fremden hingibt.“

„Aber … aber du hattest doch nichts dagegen.“ Alannah war tief getroffen, doch gleichzeitig hatte sie das Gefühl, sich nicht wirklich verteidigen zu können.

„Welcher Mann hat schon etwas dagegen, wenn eine Frau sich ihm so anbietet!“, fuhr Niccolò sie an.

Gleich am nächsten Tag nahm er Michela von der Schule, und kurz darauf wurden Alannah und ihre Mutter ins Büro der Schulleiterin bestellt. Diese war offenbar sehr aufgebracht, weil Niccolò da Contis großzügige finanzielle Unterstützung der Schule auf dem Spiel stand. Als sie Alannahs Verhalten als absolut inakzeptabel bezeichnet hatte, war Alannahs Mutter dem unausweichlichen Schulverweis zuvorgekommen, indem sie gekündigt hatte.

„Ich werde nicht zulassen, dass meine Tochter von einem reichen Kapitalgeber zum Sündenbock gemacht wird“, hatte sie erklärt. „Wenn Sie ihr die alleinige Schuld geben, dann ist das hier nicht die richtige Schule für Alannah.“

Doch leider war das alles nur der Anfang eines langen Albtraums gewesen. Ein Albtraum, in dessen Folge Alannah den Vorfall mit Niccolò in die dunkelste Ecke ihres Gedächtnisses verbannt hatte …

Alannah verdrängte die alten Erinnerungen und betrachtete ihre Freundin, deren Gesicht nach ihrer ausgiebigen Schönheitsbehandlung zu strahlen schien.

„Ich möchte nicht, dass du dich meinetwegen mit deinem Bruder streitest.“ Sie seufzte. „Vielleicht wäre es besser, wenn ich mich wie die anderen Gäste im Hintergrund halte und mit Blütenblättern werfe.“

Michela legte ihre Haarbürste hin und sah sie streng an. „Nur damit Niccolò seinen Willen bekommt? Kommt nicht in Frage. Du bist immer so eine tolle Freundin gewesen, und ich möchte dich unbedingt dabeihaben. Meinem Bruder kann das nur guttun. So wie du traut sich sonst niemand mit ihm zu reden!“

Sie ahnte nicht, dass Alannah sich Niccolò gegenüber bei Weitem nicht so selbstbewusst fühlte, wie sie sich gab. Denn was sie für ihn empfand, war kompliziert. Allein wenn sie ihn ansah, wollte sie ihm am liebsten das Hemd vom Körper reißen und den Anblick seiner seidigen bronzenen Haut genießen. Doch die ungezügelte Sehnsucht, die er in ihr weckte, war falsch. Und diese perfekt erscheinenden sexuellen Fantasien waren eine Illusion.

Alannah rang sich ein Lächeln ab. „Gut, wie du möchtest.“

Gemeinsam fuhren sie mit dem Fahrstuhl hinunter zum sogenannten Mitternachtsraum, wo eine große Uhr ständig die Geisterstunde anzeigte. Für die Gestaltung des für Festlichkeiten vorgesehenen Raums hatte Emma Constantinides, die Frau des Hotelbesitzers, zahlreiche Preise bekommen. Die runden Tische waren festlich gedeckt, und an der mit dunklem Samt bespannten Decke funkelten winzige Lichter wie an einem Sternenhimmel. Im Schein Hunderter Kerzen tranken Gäste in Abendgarderobe Champagner, und der Duft dunkelblauer Hyazinthen lag in der Luft.

Die künftige Braut wurde begeistert von den Anwesenden begrüßt. „Gibt es noch irgendetwas, das ich für dich erledigen kann?“, fragte Alannah sie leise.

Michela schüttelte den Kopf. „Nein. Aber bitte genehmige dir vor dem Dinner einen großen Cocktail. Du siehst ganz erledigt aus.“

Alannah, die ohnehin schon sehr nervös war, wollte jedoch lieber nicht auf leeren Magen Alkohol trinken. Sie musste einfach irgendwie die nächsten sechsunddreißig Stunden überstehen. Das werde ich schon schaffen, dachte sie.

Doch als ihr Blick auf Niccolò fiel, war ihre Zuversicht wie weggeblasen. Er unterhielt sich mit einer Blondine, deren paillettenbesetztes Kleid wenig der Vorstellungskraft überließ. Sie blickte so fasziniert zu ihm auf, als würden fortwährend Weisheiten von seinem sinnlichen, grausamen Mund perlen. Mehrere Frauen in seiner Nähe hingen ebenfalls sehnsüchtig an seinen Lippen.

Als hätte er Alannahs Blick bemerkt, hob Niccolò den Kopf, sah zu ihr hinüber – und direkt in ihre Augen. Plötzlich fühlte sie sich entblößt und hilflos ausgeliefert. Aus Angst, er könne ihre Unsicherheit bemerken, wollte sie den Blick abwenden, doch er schien ihn festzuhalten. Vergeblich versuchte sie, sich zu beruhigen und nicht daran zu denken, wie perfekt sich Niccolòs dunkler Anzug an seinen Körper schmiegte. Unwillkürlich blickte sie zum Kragen seines blendend weißen Hemdes, wo ein Stück seiner bronzenen Haut zu sehen war.

Als er etwas zu der plötzlich überrascht wirkenden Blondine sagte, wandte Alannah sich ab, um mit anderen Gästen zu reden. Sie entspannte sich sogar ein wenig – bis zum Dinner geläutet wurde und sie feststellen musste, dass Niccolò ihr Sitznachbar war.

Vermutlich, weil Michela sich wünschte, ihr Bruder und ihre enge Freundin würden besser miteinander zurechtkommen. Alannah, die das für wenig aussichtsreich hielt, fühlte ihr Herz heftig schlagen. Sie spürte Niccolòs Nähe hinter sich, noch bevor sein Schatten auf den Tisch fiel. Aber sie rang sich ein Lächeln ab und begrüßte ihn höflich.

Doch als er sie, wie jeden anderen weiblichen Gast, auf beide Wangen küsste, schnellte ihr Puls in die Höhe, und sie musste mit aller Macht den Wunsch unterdrücken, den Kopf zu wenden, sodass sich ihre Münder berührten. Sie betrachtete seine markanten Züge und hätte ihm am liebsten mit den Fingerspitzen über die Wange gestrichen. Wie konnte sie einen Mann, den sie nicht einmal mochte, nur so sehr begehren?

Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich, als er ihr den Stuhl herauszog. Seine Höflichkeit stand im Widerspruch zum spöttischen Ausdruck seiner Augen. Ob er ahnte, was für eine Wirkung er auf sie hatte, dass ihr in seiner Nähe schwindelig wurde und es in ihren Brüsten prickelte? Als Niccolò neben ihr Platz nahm, spürte sie seine Körperwärme und wurde von seinem maskulinen Duft eingehüllt, würzig wie Sandelholz. Um sich abzulenken, trank sie einen Schluck Champagner. Doch sie konnte genau spüren, wie er sie ansah. So können wir nicht anderthalb Tage lang weitermachen, dachte sie und stellte entschlossen das Glas ab.

„Ich glaube, Michela hat uns nebeneinandergesetzt, damit wir eine Art Waffenstillstand vereinbaren“, sagte sie. „Dir scheinen unsere ständigen Auseinandersetzungen ja nichts auszumachen, aber ihr zuliebe wäre ich dafür, dass wir zivilisiert miteinander umgehen, zumindest in der Öffentlichkeit.“

Niccolò sah ihr in die tiefblauen Augen und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Er wollte sich keinesfalls ständig mit Alannah Collins streiten, sondern hatte in Bezug auf sie wesentlich grundlegendere Bedürfnisse. Womöglich hätte er sie sogar um ein Date gebeten, wäre sie nicht die Art Frau gewesen, die er verachtete.

Doch heute Abend erinnerte nichts an ihr an den frühreifen Teenager oder das Pin-up-Girl. Im Gegenteil, sie wirkte regelrecht sittsam: Das Kleid aus dunkelblauer Seide war hochgeschlossen, und unterhalb des Rocksaums sah man nur ein paar Zentimeter ihrer schlanken Knie. Als einzigen Schmuck trug Alannah eine kleine Brosche in Form eines fliegenden Nachtfalters. Ihre Brüste, die die britische Öffentlichkeit vor etlichen Jahren so fasziniert hatten, waren unter dem weichen Stoff ihres Kleides nur zu erahnen. Niccolò schluckte dennoch. Ob Alannah ahnte, dass es fast noch erotischer war, wie dezent sich ihre Kurven abzeichneten?

Mit Sicherheit. Hatte sie nicht schon immer ihre Sexualität bewusst eingesetzt, um Männer verrückt zu machen?

Mit einer geübten eleganten Bewegung entfaltete er seine Serviette und legte sie sich auf den Schoß. Dann dachte er daran, wie er Alannah zum ersten Mal begegnet war, bei der Geburtstagsparty seines Patensohns …

Noch nie hatte er etwas so Verführerisches gesehen wie Alannah in ihrem silbernen Kleid. Eine kleine Ewigkeit lang hatten sie einander in die Augen gesehen. So etwas hatte Niccolò nie zuvor erlebt – und auch danach nie wieder.

Sein heftiges Verlangen war fast unerträglich gewesen. Irgendeine Urgewalt schien ihn im Griff zu haben, er fühlte sich fast verloren. Das Tanzen mit Alannah war eine reine Formalität, die den Weg für ihren ersten Kuss bereitete. Während er sie leidenschaftlich küsste, verspürte er den starken Drang, sie in eine dunkle Ecke zu ziehen und über sie herzufallen. Fast hätte er diesem Impuls nachgegeben und wäre mit Alannah in sein Hotel gefahren, wenn nicht in diesem Moment seine Schwester aufgetaucht wäre.

Dann hatte Niccolò erfahren, dass Alannah Collins kein Partygast in den Zwanzigern war, sondern ein frühreifer Teenager und noch dazu Michelas beste Freundin. Eine ungezügelte Jugendliche, die den guten Ruf seiner Schwester gefährdete und Schande über den Namen da Conti bringen konnte, den er über Jahre hinweg mühsam reingewaschen hatte.

War es da ein Wunder, dass er Alannah verachtete? Aber auch sich selbst verachtete Niccolò, wenn er daran dachte, was er fast mit ihr getan hätte. Und dennoch brannte in ihm noch immer das Verlangen, es zu tun …

Er lehnte sich zurück, ohne auf die Teller mit Räucherlachs zu achten, die man vor ihnen auf den Tisch stellte. „Hast du Michela je erzählt, was zwischen uns passiert ist?“, fragte er unvermittelt.

Angespannt wandte Alannah sich zu ihm um. „Es ist doch gar nichts passiert!“

Er lachte schroff. „Aber nur, weil meine Schwester plötzlich aufgetaucht ist. Ich habe noch nie so einen erotischen Tanz erlebt wie mit dir. Er hätte direkt ins Bett geführt.“

„Das kannst du nicht wissen.“

„Doch, kann ich. Sei doch ein einziges Mal ehrlich mit dir“, sagte Niccolò rau und neigte sich zu ihr. „Glaub mir, ich weiß, wann eine Frau von einem Mann geliebt werden will. Und du hast geradezu darum gebettelt.“

„Tatsächlich?“ Nervös trank sie einen Schluck.

„Also, was hast du Michela erzählt?“

„Nichts.“ Alannah zuckte die Schultern. Sie hatte sich viel zu sehr geschämt. Schließlich hatte sie gewusst, dass Michelas Bruder seine Begleiterinnen so häufig wechselte wie seine Hemden. Und dann wäre sie selbst um ein Haar eine dieser bemitleidenswerten Frauen geworden. Wäre Michela nicht dazugekommen …

Einen Moment lang schloss sie die Augen. Sie war ihm so verfallen gewesen, dass sie ihm an Ort und Stelle ihre Jungfräulichkeit geschenkt hätte. Niccolò hatte recht: Natürlich wäre sie ihm damals ins Bett gefolgt!

Sie sah Niccolò an und erklärte: „Michela hat dich zwar immer als totalen Kontrollfreak empfunden, aber sie hat dich auch vergöttert. Und ich wollte ihr nicht ihre Illusionen nehmen, indem ich ihr erzählte, dass ihr geliebter Bruder ihre beste Freundin angebaggert hat.“

„Ihre beste Freundin angebaggert?“ Er lächelte zynisch. „Leider hast du mir ja verschwiegen, dass du minderjährig warst.“

„Hast du deswegen dafür gesorgt, dass ich aus dem Internat geworfen wurde?“

„Nein, damit habe ich nichts zu tun. Ich habe deinen Namen nicht erwähnt, sondern nur Michela von der Schule genommen. Ich dachte, das würde genügen, um sie vor deinem schlechten Einfluss zu bewahren. Dass ihr eure Freundschaft hinter meinem Rücken fortsetzen würdet, konnte ich ja nicht ahnen.“

Nachdenklich strich Alannah mit dem Finger über ihr Champagnerglas. „Das ist alles sehr lange her“, sagte sie langsam.

„Ja. Und da du offenbar fest entschlossen bist, morgen Michelas Brautjungfer zu sein, bleibt mir nichts anderes übrig, als nett zu dir zu sein.“ Niccolò betrachtete ihren hellen Teint, auf den die Kerzen einen goldenen Schein warfen. Dann glitt sein Blick zu ihren Fingern, und er stellte fest, dass sie keine Ringe trug. „Dann bring mich doch mal auf den neuesten Stand. Was ist in den letzten zehn Jahren in deinem Leben so passiert?“

Alannah antwortete nicht sofort. Sicher wollte er nicht wissen, wie leer und trostlos sie sich gefühlt hatte, nachdem ihre Mutter gestorben war. Männer wie Niccolò interessierten sich nicht für das Leid oder für die Ziele anderer Menschen. Sie betrieben bedeutungslosen Smalltalk, weil das zu den Umgangsformen gehörte, die man ihnen beigebracht hatte.

Eine Kellnerin trat näher, um verschiedene Brotspezialitäten anzubieten, doch Alannah winkte dankend ab. „Ich arbeite jetzt als Innenarchitektin“, sagte sie dann.

„Ach ja? Hast du eines Morgens beschlossen, dass du Expertin für Kissen und Vorhänge bist?“

„Das ist ziemlich herablassend.“

„Ich habe so meine Erfahrung mit Innenarchitektinnen“, erwiderte Niccolò ironisch. „Und mit reichen, gelangweilten Frauen, die sich zur Expertin berufen fühlen.“

„Also, ich bin weder reich noch gelangweilt. Ich habe Modedesign studiert und wollte eigentlich Kleider entwerfen, aber die Konkurrenz in der Modebranche ist hart, und es ist schwer, Finanzmittel zu bekommen.“ Besonders mit meiner Vergangenheit, dachte sie verbittert.

„Wie bist du es angegangen?“

„Ich habe lange für eine große Modekette gearbeitet.“ Alannah schob das Essen auf ihrem Teller hin und her. „Irgendwann stellte ich fest, dass mein Talent darin bestand, einen ‚Look‘ zu kreieren: Mir macht es Spaß, Farben und Stoffe zu kombinieren und interessante Räume zu schaffen. Also habe ich ein paar Jahre für ein großes Unternehmen gearbeitet und Erfahrungen gesammelt. Erst kürzlich habe ich dann den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt.“

„Und, bist du gut?“, wollte Niccolò wissen.

„Ich glaube schon. Du kannst dir ja meine Website ansehen und dir eine eigene Meinung bilden.“

„Und deine Karriere als Pin-up-Girl?“, fragte er wie beiläufig.

Fast wäre Alannah zusammengezuckt. Doch Niccolò sollte nicht merken, wie sehr er sie mit dieser Frage getroffen hatte. „Das verstehst du also unter ‚nett sein‘?“, entgegnete sie. „Mich wie Dreck behandeln?“

„Was meinst du? Ich habe dir doch nur eine absolut legitime Frage zu deinem früheren Beruf gestellt.“

„Mit ziemlich angewiderter Miene.“

„Jeder anständige Mann wäre angewidert von einer Frau, die ihren Körper dem Meistbietenden zur Verfügung stellt“, versetzte Niccolò.

Seine Worte machten ihr noch einmal deutlich, dass er trotz seiner Aura eines Mannes von Welt absolut überholte Ansichten und Moralvorstellungen hatte. Kein Wunder, dass seine Schwester rebelliert hatte.

Sie atmete tief ein. „Soll ich dir sagen, warum ich damals diese Fotos gemacht habe?“

„Vermutlich, weil es leicht verdientes Geld war.“

Alannah, die gerade einen Bissen essen wollte, legte ihre Gabel zurück auf den Teller. Es ist sinnlos, dachte sie. Niccolò interessierte sich doch gar nicht für ihre Gründe. Er würde immer glauben, dass sie der Mensch war, als den er sie wahrgenommen hatte: eine junge Frau, die bei einer Party zu eng mit einem Fremden getanzt hatte. Eine junge Frau, die nur hatte überleben können, indem sie sich auszog …

„Um ehrlich zu sein, ich glaube doch nicht, dass wir höflich miteinander umgehen können. Zwischen uns ist zu viel vorgefallen“, sagte sie.

„Zu viel? Oder nicht genug?“ Plötzlich klang Niccolòs Stimme samtweich. „Vielleicht sollten wir neue Erinnerungen schaffen, Alannah.“

Alannah war wie vor den Kopf geschlagen. Flirtete er etwa mit ihr? Sie schluckte. Falls ja, musste sie das im Keim ersticken, um ihm ihre Selbstachtung zu beweisen.

„Das wird wohl kaum passieren“, sagte sie lächelnd. „Wir sollten uns lieber aus dem Weg gehen. Ich schlage vor, wir unterstützen Michela so gut wir können und feinden uns nach Möglichkeit nicht an. Das genügt. Und jetzt tu mir bitte den Gefallen und unterhalte dich mit deiner anderen Tischnachbarin. Sie bemüht sich schon die ganze Zeit um deine Aufmerksamkeit. Außerdem ist sie ziemlich hübsch. Erstaunlich, dass dir das noch gar nicht aufgefallen ist.“

3. KAPITEL

So eine schreckliche Nacht hatte Niccolò schon ewig nicht mehr gehabt! Hatte er überhaupt jemals zuvor wegen einer Frau nicht schlafen können?

Unruhig warf er sich in seinem Kingsize-Bett hin und her und versuchte sich davon zu überzeugen, dass Alannah recht gehabt hatte: Je weniger Zeit sie zusammen verbrachten, umso besser. Aber beim Gedanken daran, auf Abstand zu ihren tiefblauen Augen und ihrem sinnlichen Schmollmund zu gehen, bekam er ein unangenehmes Gefühl im Magen. Was war bloß los mit ihm? Sie ist doch gar nicht mein Typ, redete er sich ein. Alannah Collins symbolisierte alles, was er an der modernen Wegwerfgesellschaft verachtete.

Da an Einschlafen nicht zu denken war, bearbeitete Niccolò seine E-Mails und sprach mit seiner Assistentin in London. Sie teilte ihm mit, dass Alekto Sarantos mit der Innengestaltung seines Penthouse-Apartments noch immer unzufrieden war. Dem griechischen Milliardär war sie zu nichtssagend. Und obwohl sie seit Jahren eng zusammenarbeiteten, schien er nun sogar zu erwägen, aus dem Vertrag auszusteigen und stattdessen in Paris ein Apartment zu kaufen.

In Gedanken verfluchte Niccolò seinen temperamentvollen Freund, als er das Telefongespräch beendete. Wie schnell würde er wohl nach der Hochzeit abreisen können, ohne unhöflich zu erscheinen?

Er zog sich seine Sportkleidung an und ging zum Joggen in den Central Park, wo sich die kahlen Bäume eindrucksvoll vor dem Winterhimmel abzeichneten. Trotz der wenig erholsamen Nacht und der Tatsache, dass noch nichts blühte oder sprosste, nahm Niccolò an diesem kalten Morgen die schöne Umgebung ungewohnt deutlich wahr: Er sah Enten und Möwen auf den Seen und hörte das Klopfen der Spechte in den Bäumen. Es waren noch weitere Jogger unterwegs. Eine bildhübsche Blondine lächelte hoffnungsvoll und wurde langsamer, als Niccolò sich näherte, aber er würdigte sie keines zweiten Blickes. Denn ihre Augen waren grün, nicht tiefblau, und genau dieses intensive Blau hatte ihn nachts nicht schlafen lassen.

Nach dem Joggen fühlte er sich zumindest ein wenig entspannter. Als Niccolò geduscht und sich angezogen hatte, fand er mehrere SMS von seiner Schwester vor, gefolgt von einer Mailbox-Nachricht, in der sie ihn ganz aufgelöst fragte, wo er denn sei.

Als er besorgt zu ihrem Zimmer ging und anklopfte, öffnete Alannah. Darauf war Niccolò nicht vorbereitet, obwohl er natürlich wusste, dass sie und Michela sich eine Suite teilten. Bei Alannahs Anblick fühlte er sofort ein heftiges, fast schmerzhaftes Verlangen. Sie trug ein blaues Hemdblusenkleid, dessen Farbton genau zu ihren Augen passte. Am Kragen steckte eine winzige, rot und schwarz funkelnde Brosche in Form eines Marienkäfers. Sie sieht so gesittet aus wie eine Lehrerin, dachte Niccolò und beobachtete, wie sich unterschiedlichste Gefühlsregungen auf ihrem Gesicht spiegelten.

Dann rang sie sich sichtbar mühsam ein Lächeln ab und sagte: „Hi.“

„Hi.“ Auch Niccolò setzte ein Lächeln auf. „Hast du gut geschlafen?“

Alannah zog die Augenbrauen hoch. „Willst du dich wirklich erkundigen, wie ich geschlafen habe?“

Nein, dachte er. Ich will dir den Slip herunterziehen und dir meine Zunge zwischen die Schenkel schieben. Betont gelassen zuckte er die Schultern. „Eigentlich bin ich hier, weil Michela mich mit SMS bombardiert hat. Wo ist sie denn?“

Sie wies mit dem Kopf in Richtung des Badezimmers und schnitt ein Gesicht. „Leider hat sie sich einen Fingernagel abgebrochen.“

„Soll das ein Witz sein?“

„Nein, Niccolò“, entgegnete Alannah. „Es ist der Nagel des Ringfingers, auf dem sie nachher den Ehering tragen soll. Das Malheur wird also allen Anwesenden auffallen. So kurz vor der Trauung ist das für eine Braut eine echte Katastrophe. Ich habe die Maniküre angerufen, sie ist auf dem Weg.“

„Luxusprobleme“, stellte er ein wenig bissig fest. „Dann ist also alles unter Kontrolle?“

„Das kommt darauf an, wie man es betrachtet.“ Alannah sah ihm in die Augen und schien sich für etwas zu wappnen. Dann sagte sie: „Michela ist an diesem wichtigen Tag natürlich ziemlich nervös, und es macht die Sache nicht besser, dass du heute bestimmt irgendwann einen Wutanfall bekommen wirst.“

„Wie kommt sie denn darauf?“, fragte Niccolò.

„Mir ist das auch schleierhaft“, erwiderte sie ironisch, „wo du doch als stets freundlich und sanftmütig bekannt bist. Vielleicht liegt es daran, dass wir uns gestern während des gesamten Dinners in den Haaren lagen?“

„Und was sollen wir ihrer Meinung nach tun – uns in die Arme fallen und uns versöhnen?“

„Das wäre wohl kaum glaubwürdig“, versetzte Alannah.

Ich könnte das durchaus überzeugend rüberbringen.“ Niccolò lächelte vielsagend.

Er flirtet wirklich mit mir, stellte sie angespannt fest. Nun würde sie gekonnt schauspielern müssen, um ihn davon zu überzeugen, dass er damit bei ihr keinen Erfolg hatte. Sie zog die Augenbrauen hoch und fragte: „Kann ich Michela sagen, dass du vorhast, heute brav zu sein? Kannst du dich überzeugend verstellen und so tun, als hättest du Spaß an der Hochzeit?“

„Normalerweise verstelle ich mich nie, und als brav hat mich auch noch niemand bezeichnet“, erwiderte Niccolò sanft. „Aber wenn es für Michela wichtig ist, dann versichere ihr, dass ich mich absolut tadellos benehmen werde. Ich komme dann um drei wieder, um euch abzuholen, damit wir gemeinsam nach unten gehen können.“

Alannah nickte und schloss mit einem gelassenen Lächeln die Tür – dabei klopfte ihr Herz wie verrückt.

Als die Maniküre kam und den lädierten Nagel reparierte, schwand die allgemeine Anspannung ein wenig. Und als Alannah ihrer Freundin in das zarte weiße Brautkleid half, wurde die Stimmung in der Suite sogar noch besser. Alannah war sehr stolz auf die Robe, die sie für ihre Freundin entworfen hatte. Und ich werde nicht zulassen, dass Niccolò da Conti mein Selbstvertrauen untergräbt, dachte sie entschlossen.

Mit selbstbewussten, geübten Bewegungen strich sie die Lagen zarten Tülls glatt. Endlich war sie wieder sie selbst: Alannah Collins, eine Frau, die nach ihren eigenen Regeln lebte und sich nicht darum scherte, wenn andere Menschen Dinge von ihr dachten, die einfach nicht stimmten.

Doch als Niccolò zurückkam, war ihre Gelassenheit wie weggeblasen. Deutlich spürte Alannah seinen durchdringenden Blick, während sie mit zitternden Fingern den mit Blumen verzierten Haarreif zurechtrückte, an dem Michelas Schleier befestigt war. Sie konnte sich nur damit trösten, dass sie ihn nie wiedersehen müsste, sobald dieser Tag vorbei wäre. Aber warum versetzte ihr dieser Gedanke dann so einen schmerzhaften Stich?

„Du siehst wunderschön aus, Schwesterchen“, sagte Niccolò.

„Findest du?“ Lächelnd vollführte Michela eine kleine Pirouette.

„Ja, allerdings“, bekräftigte er liebevoll. „Lucas kann sich wirklich glücklich schätzen.“

„Dass ich so hübsch aussehe, habe ich Alannah zu verdanken, denn sie hat mir das Kleid genäht. Ist es nicht toll?“

Am liebsten hätte Alannah ihrer Freundin gesagt, sie solle sich nicht so bemühen. Sie und Michelas Bruder würden bestenfalls zu einem gezwungen höflichen Umgang miteinander finden. Doch um die Nerven der aufgeregten Braut zu beruhigen, schenkte sie ihm ein Lächeln.

„Ja, das Kleid ist wirklich schön“, sagte Niccolò.

Was das Glänzen seiner Augen zu bedeuten hatte, darüber wollte Alannah lieber nicht nachdenken. Sie reichte Michela ihr Bouquet, und dann gingen sie gemeinsam in das berühmte Hochzeitszimmer des Pembroke, wo bereits die Gäste warteten. Eine Harfenistin begann zu spielen, und Alannah merkte, wie angespannt Niccolòs Miene plötzlich war, als er seine Schwester zum Altar führen sollte. Vielleicht mochte er einfach keine Hochzeiten?

Sie versuchte, ihn nicht anzustarren, als die Brautleute sich das Jawort gaben. Sie bemühte sich, die Frauen zu ignorieren, die ganz offensichtlich versuchten, Niccolòs Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Und auch nach der Trauungszeremonie gab Alannah sich alle Mühe, der perfekte Gast zu sein: Sie unterhielt sich mit der Schwester des Bräutigams und bot ihr an, eine neue Farbgestaltung für ihr Haus in Gramercy Park zu entwerfen. Nach dem Festessen spielte sie mit mehreren kleinen Mädchen, die zu Lucas’ großer Familie gehörten. Und als die Kleinen müde waren, frisierte sie den hocherfreuten Mädchen das lange Haar zu aufwendigen Frisuren.

Erst als die Tische abgeräumt waren und die Band das Stück für den ersten Tanz anstimmte, konnte Alannah sich ein wenig entspannen. Sie hatte ihre Pflichten zu jedermanns Zufriedenheit erfüllt, und alles war absolut glatt gelaufen. Mit einem Getränk in der Hand stand sie am Rand der Tanzfläche und sah zu, wie Michela in Lucas’ Armen tanzte. Der zarte weiße Tüll bauschte sich um ihren schlanken Körper, und sie sah ihren frischgebackenen Ehemann verträumt und hingebungsvoll an.

Wider besseres Wissen zog sich Alannahs Herz schmerzlich zusammen. Heute war nicht der richtige Tag, um sich sehnsüchtig zu fragen, warum manche Menschen die Liebe fanden, während andere es so schwer damit hatten.

„Warum treffe ich dich eigentlich immer allein am Rand der Tanzfläche an?“

Alannahs Herz machte einen Sprung, als sie Niccolòs Akzent hörte, aber sie drehte sich nicht um, sondern blieb einfach stehen, bis er bei ihr angekommen war.

„Ich sehe dem glücklichen Paar beim Tanzen zu“, erwiderte sie dann.

Er folgte ihrem Blick, und eine Weile lang beobachteten sie schweigend, wie der Bräutigam Michela auf der Tanzfläche herumwirbelte.

„Glaubst du, sie werden dauerhaft glücklich miteinander sein?“, fragte Niccolò plötzlich.

„Glaubst du das denn nicht?“, entgegnete sie überrascht.

„Ich glaube, dass sie eine Chance haben, wenn sie mit dem zufrieden sind, was sie haben, und darauf aufbauen. Aber wenn sie anfangen, an all das romantische Gerede zu glauben, dann werden sie eine herbe Enttäuschung erleben.“ Er klang jetzt sehr hart.

„Offenbar hast du keine allzu hohe Meinung von Ehen“, stellte Alannah fest.

„Stimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Ehe nicht hält, ist nun einmal sehr groß. Mir persönlich wäre das Risiko zu hoch – ich bin kein Spieler.“

Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn an. „Und was ist mit der Liebe?“

Er presste den Mund zusammen, und einen Moment lang glaubte sie in seinen dunklen Augen etwas aufflackern zu sehen. „Liebe ist eine Schwäche, die das Schlechteste in den Menschen zum Vorschein bringt.“

„Das ist aber …“, begann Alannah, doch er fiel ihr ins Wort, und plötzlich spürte sie seine Finger auf ihrem nackten Arm.

„Tanz mit mir.“

Seine Aufforderung erinnerte sie an die ersten Worte, die er vor all den Jahren zu ihr gesagt hatte. Damals hatten sie ihr den Kopf verdreht, doch jetzt war sie älter und hoffentlich auch klüger – vielleicht aber auch nur desillusioniert. Niccolòs gebieterische Art wirkte jetzt arrogant auf sie.

Sie hob das Kinn. „Darf ich da vielleicht auch mitreden?“

„Nein.“ Niccolò nahm ihr das Glas aus der Hand und stellte es einer vorbeigehenden Kellnerin aufs Tablett. Dann legte er Alannah den Arm um die Taille und führte sie auf die Tanzfläche.

Du musst das nicht mitmachen, sagte Alannah sich. Sie konnte sich einfach entschuldigen und weggehen. Doch sie zögerte den Bruchteil einer Sekunde zu lang, und dann war es zu spät, um zu protestieren. Schon stand sie auf der Tanzfläche, Niccolò hielt sie in den Armen, und was das Schlimmste war: Es gefiel ihr viel zu sehr.

„Das ist absolut übertriebenes Alphatier-Verhalten“, sagte sie ein wenig atemlos.

„Ich kann leider einfach nicht anders“, antwortete er spöttisch. „Ich bin ein Alphatier. Wusstest du das etwa noch nicht?“

Doch, dachte Alannah und schluckte, als er ihre Taille fester umfasste und ihr der Gedanke durch den Kopf ging, dass sie in diesem Moment nirgendwo lieber sein würde als hier. Wenn ich mich jetzt von ihm löse, würde das Aufsehen erregen und ein schlechtes Bild auf uns beide werfen, redete sie sich ein. Also: durchhalten! Nur ein Tanz, dann ist es geschafft.

Eine Weile lang bewegten sie sich schweigend zur Musik. Es fiel Alannah schwer, so zu tun, als würde es ihr nichts bedeuten, dass sie erneut Niccolòs Arme um sich spürte. Nur zu deutlich nahm sie seinen festen Körper wahr. Seine starken Arme. Seinen an Sandelholz erinnernden maskulinen Duft, der sie ganz einzuhüllen schien. Es war, als würde dieser Mann ihr auf unterschwellige Art näherkommen als jeder andere zuvor.

Sie hörte ihr Herz wie verrückt schlagen, als er den Kopf neigte und ihr mit samtweicher Stimme ins Ohr flüsterte: „Gefällt dir die Feier?“

Alannah schluckte. „Sie gefiel mir sogar sehr, bis du mich gezwungen hast, mit dir zu tanzen – und so zu tun, als könnten wir zivilisiert miteinander umgehen.“

„Verhalte ich mich denn nicht wie ein perfekter Gentleman?“

Sie wollte etwas erwidern, doch in diesem Moment strich er sachte mit einer Hand über ihren Rücken. Als sie durch den feinen Stoff ihres Brautjungfernkleides seine Finger heiß auf ihrer Haut spürte, zog sich ihr die Kehle zusammen. „Du hältst mich zu fest“, brachte sie mühsam heraus.

„Eigentlich halte ich dich kaum fest“, entgegnete Niccolò gespielt ahnungslos.

„Warum tust du das?“, flüsterte sie.

„Warum ich mit dir tanze? Weil es üblich ist, dass der Bruder der Braut die Brautjungfer auffordert. Insbesondere, wenn beide Single sind.“

„Ich habe dir doch gar nicht gesagt, ob ich Single bin!“

„Aber du bist es doch, oder?“ Niccolò sah ihr in die Augen. „Du reagierst nämlich wie eine Frau, die seit Langem nicht mehr berührt wurde.“

Am liebsten hätte Alannah ihn empört angefahren, doch er hatte recht. Es war lange her, dass ein Mann sie berührt oder mit ihr getanzt hatte, und so wie jetzt war es mit niemandem gewesen, nur mit Niccolò. „Warum flirtest du eigentlich mit mir? Du magst mich doch nicht mal! Und ich dich übrigens auch nicht.“

Er zog sie noch näher an sich. „Aber wir wollen einander, auch wenn wir uns nicht mögen. Zuneigung ist schließlich keine Voraussetzung für Verlangen.“ Langsam strich er mit einem Finger über ihre Taille. „Sex ist viel aufregender, wenn es zwischen Mann und Frau eine gewisse Reibung gibt, findest du nicht?“

Seine sanfte Berührung ließ Alannahs Haut prickeln. „Das reicht. Mein Pflichttanz ist vorbei“, sagte sie, nahm all ihre Willenskraft zusammen und löste sich von ihm. „Deutlicher hättest du mir nicht zeigen können, dass du dich in den letzten zehn Jahren kein bisschen verändert hast. Du behandelst Frauen noch immer, als ob…“

„Ich an deiner Stelle würde das lieber nicht verallgemeinern.“ Niccolòs Stimme klang kalt und hart wie Stahl. „Denn du hast keine Ahnung, wie ich Frauen behandle. Und du kannst mir glauben, dass ich bisher noch nie Klagen zu hören bekommen habe.“

Sein unverhohlenes sexuelles Prahlen hatte zur Folge, dass Alannah ihr Brautjungfernkleid plötzlich viel zu eng vorkam. In ihren Brüsten prickelte es, und sie wusste, dass sie schleunigst gehen musste, bevor sie eine Dummheit beging. „Gute Nacht, Niccolò. Wir können jetzt unseren Waffenstillstand für offiziell beendet erklären“, sagte sie und wandte sich um.

Ungläubig blickte Niccolò ihr nach. Alannah war einfach gegangen, mit stolz erhobenem Kopf. Was natürlich prompt seinen Jagdinstinkt weckte – genau wie der Anblick ihres verführerisch gerundeten Pos unter dem Seidenkleid.

Er hatte auf die falsche Karte gesetzt – oder vielleicht ihr Verhalten auch nur falsch gedeutet. Es stimmte, er mochte Alannah nicht besonders, und vor allem hatte er keinen Respekt vor ihr. Trotzdem begehrte er sie mehr als je eine andere Frau.

Und morgen würde sie New York verlassen und nach London zurückkehren. Obwohl er ebenfalls dort wohnte, würden sich ihre Wege nicht wieder kreuzen, denn sie lebten in unterschiedlichen Welten. Nie würde Niccolò erfahren, wie es wäre, Alannah zu erobern, ihre weiblichen Kurven unter seinen Fingern zu spüren und zu fühlen, wie sie sich um ihn schloss, wenn er tief in sie hineinstieß. Er würde nie erfahren, welche Laute sie bei einem Orgasmus von sich gab oder wie es sich anfühlte, sich in sie zu ergießen. Vielleicht war Alannah in sehr vieler Hinsicht die falsche Frau für ihn, aber bestimmt nicht beim Sex.

Noch immer gebannt vom Anblick ihrer schwingenden Hüften, ging Niccolò ihr nach und holte sie an einer der Bars ein, wo sie gerade einen Cocktail ablehnte. Sie würdigte ihn kaum eines Blickes.

„Gehst du nicht?“

„Nein, das kann ich erst, wenn Michela ihren Brautstrauß geworfen und mit Lucas losgefahren ist. Aber danach wirst du von mir nur noch eine Staubwolke sehen, versprochen.“

„Ich möchte dir einen Vorschlag machen.“

„Nicht nötig“, entgegnete sie kühl. „Nach deinen Worten und der Art und Weise zu urteilen, wie du mich gehalten hast, muss man kein Genie sein, um von selbst darauf zu kommen.“ Sie atmete tief ein und sah ihm in die Augen. „Ich will keinen Sex mit dir haben, Niccolò.“

Ihre fest gewordenen Brustspitzen, die sich unter ihrem Kleid abzeichneten, sprachen eine andere Sprache. „Und wenn es nun ein geschäftlicher Vorschlag ist?“ Niccolò betrachtete Alannah. Am liebsten hätte er den Mund auf ihren gepresst, ihr das Kleid vom Leib gerissen und endlich den Anblick ihres nackten Körpers genossen. Dass sich Alannah Collins ihm, der normalerweise alles bekam, was er wollte, so eigensinnig widersetzte, ging ihm gewaltig gegen den Strich. Plötzlich erkannte er, dass Alannah ein Dorn in seinem Fleisch war – die Erinnerung an einen erotischen Hochgenuss, der ihm versagt geblieben war. Aber das würde sich bald ändern.

„Du hast mir von deiner Arbeit als Innenarchitektin erzählt und mich aufgefordert, mir deine Website anzusehen“, sagte er lächelnd. „Das habe ich getan – und festgestellt, dass du tatsächlich sehr gut bist. Mit anderen Worten: Du hast Talent und ich die Nachfrage danach. Sagt dir ‚Park View‘ etwas?“

„Das ist doch dieser riesige Wohnblock am Hyde Park, dessen Bauarbeiten den Verkehr über die Knightsbridge monatelang behindert haben.“

„Genau. Ich habe ihn gebaut, und er gehört mir.“

Alannah blinzelte. „Aber Park View ist das t…“ Sie verstummte.

„Man sollte niemals zurückhaltend sein, wenn es um Geld geht“, sagte Niccolò sanft. „Ja, es ist weltweit das teuerste Gebäude seiner Art.“

„Und warum sollte das für mich interessant sein?“

„Ganz einfach. Weil es Probleme mit einem der Penthouse-Apartments gibt, das demnächst fertiggestellt wird. Der künftige Besitzer heißt Alekto Sarantos, er ist Grieche und ein Freund von mir. Und offenbar gefällt ihm die Innengestaltung nicht“, fuhr er leicht gereizt fort. „Obwohl ein sehr begehrter Innenarchitekt dafür verantwortlich zeichnet.“

Alannah zog die Augenbrauen hoch. „Lass mich raten: cremefarbene Wände, dekorative Schalen mit großen Steinen, jede Menge Glas und Jalousien in neutralen Tönen?“

„Hast du Fotos gesehen?“, fragte Niccolò stirnrunzelnd.

„Nicht nötig. Diesen Trend macht gerade so gut wie jeder Innenarchitekt mit. Wahrscheinlich gefällt deinem Freund die Gestaltung nicht, weil er sie nichtssagend findet.“

„Das stimmt. Er hat sie als ‚Tsunami in Beige‘ bezeichnet und mir angedroht, aus dem Vertrag auszusteigen, falls ich das Apartment nicht bis Ende des Jahres zu seiner Zufriedenheit umgestalten lasse. Er will nämlich seine legendäre Silvesterparty in seinem neuen Zuhause feiern. Ansonsten besteht die Gefahr, dass er nach Paris zieht. Natürlich verlangt mein Stolz es, dass er sich für London entscheidet. Und genau hier könntest du ins Spiel kommen“, fuhr er fort. „Bestimmt wünschst du dir einen lukrativen, prestigeträchtigen Auftrag. Und dieser hier wäre wohl kaum zu toppen.“

„Aber …“ Irgendwie gelang es Alannah, trotz dieser aufregenden Aussicht ruhig zu klingen. „Warum fragst du mich? Nach so einem Auftrag lecken sich bestimmt Tausende von Innenarchitekten die Finger.“

Niccolò ließ den Blick über sie gleiten wie ein kalter schwarzer Scheinwerfer: objektiv und absolut gefühllos. „Weil mir dein Stil gefällt“, sagte er zu ihrer Überraschung. „Mir gefällt, wie du dich kleidest. Dein Aussehen hat mir schon immer gefallen. Und wenn du meinen anspruchsvollen Freund mit deinen Entwürfen überzeugen kannst, dann gehört der Auftrag dir.“

Niccolòs Lob freute Alannah so sehr, dass sie sich innerlich ermahnen musste. Lieber wollte sie nichts empfinden, nichts nehmen und nichts geben. „Und dass du mit mir ins Bett möchtest, hat rein gar nichts mit diesem Angebot zu tun?“, fragte sie und sah ihm direkt in die Augen.

Niccolò lachte leise. „Doch, natürlich. Wie du schon gesagt hast, Tausende von Innenarchitekten lecken sich die Finger nach diesem Auftrag, aber dass du so verführerisch bist, zeichnet dich natürlich gegenüber deinen Konkurrenten aus. Ich streite nicht ab, dass ich dich begehre und entschlossen bin, dich zu erobern.“ Seine dunklen Augen funkelten. „Aber ich würde dir diesen Auftrag niemals anbieten, wenn ich nicht sicher wäre, dass du ihn auch ausführen kannst.“

4. KAPITEL

„Niccolò wird Sie gleich empfangen, Alannah.“ Die rothaarige Frau im Vorzimmer trug eine Seidenbluse im selben Farbton wie die Lilien auf ihrem Tisch, und wenn sie lächelte, formten ihre Lippen eine perfekte korallenrote Kurve. „Ich bin übrigens Kirsty, eine seiner Assistentinnen. Bitte nehmen Sie doch Platz. Kann ich Ihnen Tee oder Kaffee anbieten?“

„Nein, vielen Dank.“ Vorsichtig legte Alannah ihre Moodboards ab und setzte sich in einen Sessel. Ob man ihr ansah, wie nervös sie war?

Seit ihrer Abreise aus New York hatte sie sich immer wieder all die Gründe aufgezählt, aus denen sie Niccolòs Vorschlag ablehnen sollte: Er war arrogant und gefährlich und hatte ihr ganz unverfroren mitgeteilt, dass er mit ihr ins Bett wollte – noch dazu auf äußerst uncharmante Art und Weise. Es hatte so geklungen, als müsste er das einfach hinter sich bringen.

Alannah biss sich auf die Lippe, als unschöne Erinnerungen in ihr wach wurden. Sie hasste Männer, die Frauen als Objekte betrachteten. Eigentlich hätte sie allein aus Selbstachtung und Stolz sein Angebot ablehnen sollen, so lukrativ es auch sein mochte.

Andererseits bot er ihr ehrliche Arbeit an. Die Aussicht auf diesen Auftrag hatte auf Alannah gewirkt wie ein Glas kühles Wasser für ihre ausgetrocknete Kehle. In ihrer Branche waren Aufträge wie dieser so rar und so heftig umkämpft, dass sie es sich eigentlich nicht leisten konnte, einfach abzulehnen. Also hatte sie das ganze Wochenende lang Ideen erarbeitet, die dem griechischen Milliardär mit der ausgeprägten Abneigung gegen Beige gefallen könnten. Dabei war ihr klar geworden, dass dieser Auftrag das entscheidende Sprungbrett für ihre berufliche Zukunft sein könnte. Sie musste diese einmalige Chance also unbedingt nutzen.

Alannah versuchte, sich auf die schönen cremefarbenen Lilien auf Kirstys Tisch zu konzentrieren. Aber sie konnte nur daran denken, wie Niccolò ihr beim Tanzen mit den Fingern über den Rücken gestrichen hatte – eine fast unschuldige Berührung, auf die sie jedoch sehr heftig reagiert hatte. Die Intensität ihrer Empfindungen hatte sie erschreckt: Sie hatte sich danach gesehnt, dass er ihr das Brautjungfernkleid abstreifte und ihren Körper richtig berührte. Und dass er sie so küsste wie damals vor all den Jahren – aber diesmal ohne aufzuhören.

Und genau das war das Problem: Sie begehrte Niccolò noch immer. Diesen Gedanken hatte Alannah so gut wie möglich verdrängt, als sie ihm per Mail ihre ersten Vorschläge geschickt hatte, ebenso wie das Gefühl von freudiger Erregung, als spät am Vorabend seine Antwort gekommen war: Deine Entwürfe sind gut. Komm morgen Abend um 7 in mein Büro.

Dass er ihr den anspruchsvollen Auftrag offenbar zutraute, machte sie glücklicher, als gut für sie war. Doch Alannah war nicht nur stolz, sondern auch dankbar. Denn Niccolò gab ihr die Chance, etwas aus ihrer Karriere zu machen. Und sie würde ihm beweisen, dass sein Vertrauen gerechtfertig war.

Als ein Summer auf Kirstys Schreibtisch ertönte, stand die Assistentin auf und öffnete eine Doppeltür. „Niccolò hat jetzt Zeit für Sie“, sagte sie lächelnd. „Hier entlang, bitte.“

Alannah nahm ihre Moodboards und betrat ein riesiges helles Büro. Ein wenig eingeschüchtert sah sie sich um, denn der Raum war geradezu spektakulär. Durch eine Wand, die vollständig aus Glas bestand, blickte man auf Londons berühmteste Wahrzeichen. Sie war so beeindruckt, dass sie Niccolò erst nach einer Weile bemerkte.

Er saß lässig auf einem großen Ledersofa, hatte die langen Beine ausgestreckt und schien sich in dieser luxuriösen Umgebung absolut zu Hause zu fühlen. Ihm gegenüber saß ein Mann mit schwarzem Haar und den blauesten Augen, die Alannah je gesehen hatte. Das muss Alekto Sarantos sein, dachte sie. Doch die Attraktivität des fremden Mannes berührte sie nicht. Ihre Aufmerksamkeit galt allein Niccolò.

Nach außen hin wirkte er entspannt, doch als ihre Blicke sich trafen, war ihm seine Anspannung auf einmal deutlich anzumerken. „Ich weiß, wie sehr du mich willst“, schienen seine Augen ihr spöttisch mitzuteilen. Plötzlich wäre sie am liebsten im Boden versunken.

„Da bist du ja, Alannah.“ Amüsiert ließ er den Blick über sie gleiten. „Hoffentlich hast du keinen Jetlag?“

„Nein, gar nicht“, log sie höflich.

„Darf ich dir Alekto Sarantos vorstellen? Alekto, das hier ist Alannah Collins, die begabte Innenarchitektin, von der ich dir erzählt habe.“

Nervös fragte sie sich, was Niccolò seinem Freund wohl noch erzählt haben mochte. Die beiden schienen sich gut zu kennen, und Männer prahlten doch gerne untereinander. Sie spürte, wie ihre Wangen warm wurden, als sie Alekto ansah. „Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“

„Bitte nehmen Sie doch Platz“, erwiderte dieser mit starkem griechischem Akzent.

Als Niccolò neben sich auf den Sitz klopfte, sah es aus, als befehle er einem Hund, aufs Sofa zu springen. Alannah rang sich trotzdem ein Lächeln ab, setzte sich und lockerte ihren leuchtend grünen Pashmina.

Alekto sah sie mit seinen faszinierenden blauen Augen an. „Niccolò hat mir versichert, dass Sie etwas Einfallsreicheres für mich entwerfen könnten als die derzeitige Gestaltung.“

„Ich glaube schon, Mr Sarantos.“

„Bitte nennen Sie mich Alekto“, sagte er etwas ungeduldig, dann lächelte er kurz. „Ich mag es, wenn eine schöne Frau meinen Vornamen sagt.“

Wohl kaum eine Frau würde sich selbst vor anderen als schön bezeichnen, und das war auch nicht der Eindruck, den Alannah hatte erwecken wollen. Sie hatte sich das Haar zu einem dicken Zopf geflochten und ihr Outfit so gewählt, dass es sie vor Niccolòs heißen Blicken schützen würde: Ihr graues Kleid im japanischen Stil war so hochgeschlossen wie die meisten von Alannahs Kleidern. Mit einer glitzernden Skarabäus-Brosche und rockigen Ankle Boots hatte sie aus dem schlichten Outfit gekonnt etwas Apartes gemacht. Sie wusste, dass kleine Details immer den Ausschlag gaben.

„Wie Sie möchten, Alekto.“ Sie lächelte höflich.

„Während Alekto deine unbestrittene Schönheit genießt, könntest du ihm ja vielleicht schon mal die Entwürfe für sein Apartment zeigen“, schlug Niccolò sarkastisch vor.

Bemüht ungerührt breitete Alannah ihre Moodboards aus und beobachtete, wie Alekto sich in diese vertiefte. Gekonnt hatte sie modernen Brokat neben unterschiedlichen Farbtupfern und Stoffproben aus Samt und Seide platziert. So konnte sie ihrem potenziellen Kunden eindrucksvoll die Vielfalt an Farbtönen und Strukturen verdeutlichen, die ihr vorschwebte.

„Traditionell ist ebenso möglich wie modern“, sagte sie. „Aber auf jeden Fall sollten wir kräftigere Töne wählen. Graugrün und gedämpftes Blau als Wandfarbe würden den perfekten Hintergrund für diese Stoffe bieten und gleichzeitig Ihre Liebe zum Meer widerspiegeln.“

„Hat Niccolò Ihnen erzählt, dass ich das Meer liebe?“

„Nein, ich habe mir im Internet Ihre verschiedenen Häuser auf der ganzen Welt angesehen und festgestellt, dass Sie Meeresblicke offenbar sehr schätzen.“

Alekto nickte anerkennend und sah sich alle Moodboards noch einmal aufmerksam an. „Das ist perfekt – alles. Du hast eine gute Wahl getroffen, Niccolò. Und Sie, Alannah, haben mich sehr zufrieden gemacht. Zum Dank werde ich Sie heute Abend zum Essen einladen.“

„Das würde sie sicher nur zu gern“, schaltete Niccolò sich ein, „aber leider hat sie schon anderweitige Verpflichtungen.“

Sein Freund zog die dunklen Augenbrauen hoch. „Die lassen sich doch bestimmt verschieben.“

„Aber nur, wenn du noch länger warten möchtest, bis dein Apartment fertig ist, mein Freund. Wenn du darin deine Silvesterparty feiern willst, dürfen wir keine Zeit verlieren.“

Die beiden Männer sahen sich abwägend in die Augen.

„Ich … verstehe“, sagte Alekto schließlich und stand auf. „Du warst schon immer ein Kenner wahrer Schönheit. Und da Wilderei unter guten Freunden tabu ist, lasse ich dich in Frieden. Viel Spaß“, fügte er vielsagend hinzu, und seine blauen Augen funkelten.

Seine chauvinistische Anspielung missfiel Alannah, doch sie rief sich in Erinnerung, dass sie ja nur für ihn arbeiten würde und sich nicht mit ihm anfreunden musste. Lächelnd stand sie auf und schüttelte ihm die Hand, bevor Niccolò ihn hinausbegleitete.

Als er zurückkam, fragte sie ihn: „Was sollte das alles?“

Er ging zum Schreibtisch und drückte einen Knopf an seinem Telefon, sodass ein rotes Licht aufleuchtete. „Du solltest froh sein, dass deine Entwürfe ihm gefallen. Alekto ist einer der reichsten Männer, die ich kenne, und dieser Auftrag ist für dich von unschätzbarem Wert.“ Durchdringend sah er sie an. „Daraus könnten sich ungeahnte Möglichkeiten ergeben. Nicht zuletzt, weil er dich offenbar sehr attraktiv findet.“

Alles in Alannah sträubte sich gegen die Art, wie er sie ansah und über sie sprach. „Es interessiert mich nicht, ob er reich ist oder ob er mich attraktiv findet! Warum muss es immer um mein Aussehen gehen? Ich bin schließlich wegen meiner ausgezeichneten Entwürfe hier.“ Aufgebracht sah sie Niccolò an. „Warum hast du Alekto gesagt, ich sei zu beschäftigt, um heute Abend mit ihm essen zu gehen?“

„Hättest du das denn gerne getan?“

„Darum geht es nicht. Ich kann selbst Entscheidungen treffen und mag es nicht, wenn jemand anderes für mich antwortet. Außerdem …“ Sie zögerte und sagte dann: „Außerdem hast du kein Recht, Ansprüche auf mich zu erheben.“

„Nein“, sagte er langsam.

Misstrauisch kniff Alannah die Augen zusammen. „Soll das etwa heißen, du stimmst mir zu?“

Niccolò zuckte die Schultern. „Ansprüche kann ein Mann nur dann auf eine Frau erheben, wenn sie sich ihm auf irgendeine Art hingegeben hat. Und das hast du ja nicht getan.“ Seine Augen funkelten. „Allerdings wissen wir beide, dass sich dieser Umstand schnell beheben ließe.“

Alannahs Kehle wurde trocken, als sie seinen Blick auf sich fühlte. Und so sehr sich auch sträubte, gegen die heftige Reaktion ihres Körpers schien sie machtlos zu sein. Es wäre so leicht, dem Verlangen nachzugeben, das so heftig in ihr brannte. Mehr als ein vielsagendes Lächeln würde Niccolò nicht zur Ermunterung brauchen. Und dann?

Sie schluckte. Blinde Leidenschaft für einem Mann, der aus seiner Verachtung für sie keinen Hehl machte? Niccolò würde danach triumphieren – und sie würde sich leer fühlen.

Alannah, die schon unzählige Einladungen zum Sex abgelehnt hatte, wusste genau, dass sie mit einem kühlen Lächeln die Situation entschärfen konnte, ohne eine Szene zu machen. Doch diesmal fiel es ihr schwer.

„Nein, danke.“ Sie nahm ihren Pashmina. „Mein Selbsterhaltungstrieb warnt mich vor Vertraulichkeiten mit einer bestimmten Art Männer, zu der bedauerlicherweise auch du gehörst. Von dir will ich nur Folgendes: eine Liste der Handwerker, die du für deine Immobilien einsetzt und die schnell arbeiten, damit wir rechtzeitig fertig werden.“

Niccolò machte eine ungeduldige Geste. „Das kannst du mit Kirsty besprechen.“

„Gut, mache ich.“ Alannah hängte sich ihre Tasche über die Schulter. „Wenn das alles ist, dann gehe ich jetzt.“

„Ich fahre dich nach Hause.“

„Nicht nötig.“

„Warum nicht, hast du einen eigenen Wagen?“

Sollte das ein Witz sein? War Niccolò nicht klar, dass sich allein wegen der Parkgebühren kein Normalsterblicher in London ein Auto leisten konnte? „Nein, ich fahre mit dem öffentlichen Nahverkehr“, erklärte sie.

„Dann bestehe ich darauf, dich zu fahren. Es sei denn, du möchtest in einer eisigen Dezembernacht lieber mit der U-Bahn fahren.“

Alannah gab sich geschlagen und folgte ihm aus dem Büro in den Aufzug, wo sie bewusst Abstand hielt. In der Tiefgarage stiegen sie in seinen Wagen. Niccolò gab ihre Postleitzahl in das Navi ein und fuhr schweigend durch den dichten Verkehr in Knightsbridge, wo zahlreiche Passanten ihre Weihnachtseinkäufe erledigten. Alles war bunt geschmückt und voller Lichter.

Als der Wagen auf den Trafalgar Square bog und der berühmte riesige Weihnachtsbaum auftauchte, verspürte Alannah plötzlich einen Stich im Herzen. Vor Jahren war sie mit ihrer Mutter hergekommen und hatte sich mit ihr den Baum angesehen, während sie auf das Ergebnis der Biopsie gewartet hatten. Geld hatten sie kaum gehabt, aber immerhin noch etwas Hoffnung – bis eine halbe Stunde später ein Mann im weißen Arztkittel ihnen diese endgültig genommen hatte.

Alannah blinzelte, als ihr Tränen in die Augen stiegen. Niccolò, der den Wagen in hohem Tempo Richtung Acton West London lenkte, hatte hoffentlich nichts davon bemerkt. Er hatte Musik angemacht, etwas Italienisches, sehr Leidenschaftliches, das Alannah als schön und schmerzlich zugleich empfand.

Sie schloss die Augen und gab sich ganz dem Klang der Musik hin. Als sie die Augen wieder öffnete, sah es draußen ganz anders aus. In diesem Teil Londons standen die Häuser viel dichter zusammen, und es lag Müll auf den Fußwegen.

Niccolò parkte, stellte den Motor aus und sah sie an. „Hier wohnst du? So etwas hatte ich nicht erwartet.“

„Was hast du dann erwartet?“, fragte Alannah fast ein wenig kokett.

Er antwortete nicht sofort, denn wieder einmal hatte sie ihn überrascht. Er hatte mit einer teuren Wohngegend gerechnet, mit einem Luxusapartment, das sie sich von ihren Honoraren vom Stacked Magazine gekauft hatte. Oder ein niedliches, kleines Cottage in Holland Park. Auf jeden Fall in einer Gegend, in der es jede Menge wohlhabender Männer gab, die es auf schöne Frauen wie sie abgesehen hatten.

Aber das hier … überall sah man die unverkennbaren Anzeichen von Armut: Müll auf dem Bürgersteig, ein demoliertes Auto, an dem der Rückspiegel fehlte. Eine Gruppe Jugendlicher in Kapuzenjacken betrachtete schweigend Niccolòs Wagen.

„Was ist mit dem ganzen Geld von den Fotos passiert?“, fragte er. „Du musst doch Unmengen verdient haben.“

Alannah betrachtete starr ihre Handtasche. „Für eine dicke Rente hat es bei Weitem nicht gereicht, dafür bin ich zu schnell wieder ausgestiegen.“

„Was hast du mit dem Geld gemacht?“

Ich habe die Arztrechnungen meiner Mutter bezahlt und immer auf ein Wunder gehofft, bis von dem Geld fast nichts mehr übrig war. Erreicht habe ich nichts. Sie versuchte, unbeteiligt zu klingen, doch es fiel ihr schwer. „Ich habe es verschwendet, wie man das eben so tut.“

Niccolò bemerkte, dass ihr Mund bebte. Ihre plötzliche Verletzlichkeit, die sie offenbar unbedingt verbergen wollte, überraschte ihn. Lag sie nachts wach und fragte sich, wie sie in so einer Gegend gelandet war? Alannah passte einfach nicht hierher. Trotz all ihrer Versuche, ihre natürliche Sinnlichkeit und ihr verführerisches Aussehen zu verstecken, fiel sie hier auf wie eine Lilie, die jemand in den dreckigen Rinnstein geworfen hatte.

Der orangefarbene Schein einer Straßenlaterne ließ Alannahs zarte Haut schimmern wie einen reifen Pfirsich, und plötzlich verspürte Niccolò den heftigen Drang, sie zu küssen. Langsam, aber unwiderstehlich wuchs das Verlangen in ihm. Und dann berührte er plötzlich ihre Wange, die sich genauso samtig weich anfühlte, wie er es sich ausgemalt hatte. Heftiges Begehren erfüllte ihn.

„Was tust du da?“, flüsterte Alannah.

„Das weißt du ganz genau“, erwiderte er leicht stockend. „Ich gebe einem Impuls nach, der immer da war und einfach nicht weggeht. Jedes Mal, wenn wir uns sehen, wird er stärker. Du solltest ihm auch nachgeben, Alannah, damit wir herausfinden können, was dann passiert.“

Sie wusste, was kommen würde. Sie war schon oft genug von Männern geküsst worden, um die eindeutigen Vorzeichen zu erkennen: die plötzlich rau klingende Stimme und das Glühen in den Augen. Aber nie hatte jemand sie so geküsst wie damals Niccolò.

Ganz langsam neigte er den Kopf und wollte ihr offenbar Gelegenheit geben, ihm Einhalt zu gebieten. Aber dafür war ihre Sehnsucht viel zu groß. Also ließ sie zu, dass er mit den Händen ihren Hinterkopf umfasste und seinen Mund auf ihren presste.

Alannah stöhnte leise auf. Zehn lange Jahre waren seit ihrem letzten und ersten Kuss vergangen, und doch ließ die Berührung sofort heiße Leidenschaft in ihr aufflammen, die sie ganz zu verzehren drohte. Voll verzweifeltem Verlangen legte sie ihm die Hände auf den Oberkörper, während er mit der Zunge ihren Mund erkundete. Wie ausgehungert öffnete sie die Lippen, um ihn noch tiefer hineinzulassen. Niccolò gab einen zufriedenen Laut von sich. Alannah, die nicht wahrhaben wollte, wie heftig sie ihn begehrte, ballte die Hände zu Fäusten und trommelte ihm gegen den Oberkörper.

Als er den Kopf hob, schien der Blick seiner dunklen Augen sie zu verbrennen. Doch seine Stimme klang ein wenig spöttisch. „Versuchst du, mir wehzutun, bella?“

„Ich … ja!“ Sie wollte ihm wehtun, bevor er sie verletzen konnte.

Niccolò lachte, vielleicht weil es ihm gefiel, wie viel Macht er über sie hatte. „Das werde ich aber nicht zulassen“, sagte er sanft. „Wir werden einander keinen Schmerz zufügen, sondern uns nichts als Genuss bereiten.“

Alannah ließ den Kopf in den Nacken sinken, als er ihre Brust durch den schweren Seidenstoff ihres Kleides umfasste. Ihr sehnsüchtiges Seufzen schien ihn zu animieren, noch weiterzugehen: Er küsste ihren Hals und legte seine Hand auf ihr Knie. Sofort schob Alannah die Beine auseinander und wünschte sich sehnlichst, er möge sie dort liebkosen, wo ihre Sehnsucht fast unerträglich heftig brannte.

Doch das tat Niccolò nicht, zumindest noch nicht. Eine Weile schien er bewusst ihr Verlangen so zu steigern, bis sie es kaum noch aushielt. Dann endlich tastete er sich mit seiner Hand an ihrem Bein hinauf. Als er die nackte Haut oberhalb ihres Strumpfes fühlte, atmete er hörbar ein. Alannah erschauerte.

„Wie schön, dass du dich unter deinen etwas biederen Outfits noch immer aufreizend kleidest. Ich muss dich jetzt ganz schnell ausziehen, sonst werde ich vor Verlangen noch verrückt. Ich muss diesen wunderschönen Körper unbedingt mit eigenen Augen sehen.“

Plötzlich war der Zauber gebrochen, jegliches Verlangen schlagartig verschwunden. Niccolòs Worte machten Alannah schmerzlich bewusst, was sie um ein Haar zugelassen hätte.

Zugelassen? Von wegen. Sie hätte sich ihm genauso gut in Geschenkpapier verpackt und mit Schleife verziert präsentieren können. Er hat mir angeboten, mich nach Hause zu fahren, weil er glaubt, er könne mich wie ein Pin-up-Girl behandeln, dachte sie entsetzt. Für ihn war sie nicht mehr Alannah, sondern nur ein Körper, den er begaffen wollte. Wie hatte sie nur denken können, er sei anders als andere Männer?

„Was tue ich hier eigentlich?“ Entsetzt presste sie sich die Hand auf den Mund und rückte von ihm weg.

„Ach, komm schon, Alannah“, entgegnete Niccolò ungeduldig. „Für solche Spielchen sind wir doch beide zu alt. Vor zehn Jahren hätte man dir die züchtige Jungfrau noch abgenommen, aber jetzt nicht mehr. Bestimmt ist dein Erfahrungsschatz mit dem anderen Geschlecht genauso umfangreich wie meiner. Warum also jetzt dieser Rückzug? Wir wollen es doch beide.“

Fast wäre Alannah auf ihn losgegangen, aber zum Glück fiel ihr noch rechtzeitig ein, dass er ihr Auftraggeber war. Und eigentlich konnte sie ihm seine unschmeichelhaften Mutmaßungen auch nicht vorwerfen. Anständige junge Frauen zogen sich schließlich nicht vor der Kamera aus – oder machten die Beine für einen Mann breit, der keinen Respekt vor ihnen hatte.

Als sie die Beifahrertür öffnete, kühlte ihr der eisige Luftzug das erhitzte Gesicht. „Im Auto übereinander herzufallen – das ist etwas für Teenager. Von dir hätte ich etwas mehr Stil erwartet. Die meisten Männer laden einen wenigstens zum Essen ein“, sagte sie, stieg aus und schlug die Tür zu.

5. KAPITEL

Immer wenn Niccolò die Augen schloss, stellte er sich Alannahs Lippen vor – an einer ganz bestimmten Stelle seines Körpers. Er hatte das Bild so klar vor Augen, dass es fast wehtat – denn es war ja nur ein Bild. Frustriert stöhnend schlug er mit der Faust ins Kopfkissen. Wusste Alannah Collins eigentlich, dass sie ihn halb verrückt machte vor Verlangen?

Er drehte sich auf den Rücken und blickte starr zur Decke. Natürlich wusste sie es. Immerhin hatte ihr Beruf – wenn man diese Tätigkeit so bezeichnen konnte – darin bestanden, Männerfantasien zu befriedigen. Bestimmt hatte sie gelernt, was halterlose Strümpfe, zerzaustes Haar und ein Schmollmund bei einem Mann bewirkten. Genauso wie große blaue Augen und wunderschöne Brüste …

Und sicher wusste sie auch, dass man Männer durch bewusstes Locken und Vorenthalten fast ebenso sehr erregen konnte. Verweigerte sich eine Frau einem Mann, der es gewohnt war, alles zu bekommen, dann verbrannte dieser natürlich schier vor Begehren. Ob Alannah oft Männer über die seidige Haut ihrer Schenkel streicheln ließ, nur um dann die Hand wegzuschieben, die ihr schon so vielversprechend nah gekommen war?

Niccolò stand auf und ging ins Badezimmer. Wäre Alannah am Vorabend ehrlich in Bezug auf das gewesen, was sie wollte, würde er sich jetzt nicht so schlecht fühlen. Sie hätte ihn mit ihren blauen Augen ansehen und den Dingen einfach ihren Lauf lassen können. Dann hätten sie die Nacht zusammen verbracht, und er hätte sie endlich ein für alle Mal vergessen können.

Er stellte die Dusche an und genoss das Gefühl des eiskalten Wassers auf seiner Haut. Zugegeben, ihr Haus hatte nicht besonders einladend gewirkt und bot sicher nur Platz für ein Einzelbett, aber das hätte ihn nicht gestört. Im Gegenteil: Die raue Gegend hätte das Ganze noch spannender gemacht …

Beim Haarewaschen dachte Niccolò darüber nach, dass er wegen Alannah am liebsten gegen sämtliche Regeln verstoßen würde. Das beunruhigte ihn, denn normalerweise suchte er sich seine Frauen sehr sorgfältig aus. Meist waren es blonde, coole Bankerinnen oder Juristinnen, die nie zu schwitzen schienen. Ganz anders als Alannah Collins.

Niccolò schluckte, denn er konnte sich sehr gut vorstellen, dass sie schwitzte. Er schloss die Augen und stellte sich vor, wie sie ihn ritt: Das lange schwarze Haar war feucht vor Anstrengung und glitt ihr über die üppigen Brüste … Er stellte die Dusche aus und redete sich ein, dass der Sex mit ihr unbedeutend und flüchtig wäre, wie Fast Food nach langer gesunder Ernährung: Der erste Bissen schmeckte einfach himmlisch, aber wenn man aufgegessen hatte, sehnte man sich nach etwas Reinem, Einfachem.

Den Rest der Woche versuchte Niccolò, sich abzulenken und nicht an Alannah zu denken. Von Alektos Apartment hielt er sich fern und ließ sich stattdessen von Kirsty über die Fortschritte auf dem Laufenden halten. Er bekam den Zuschlag für die Errichtung eines Neubaus in der Nähe des Pembroke in New York, hielt mehrere Besprechungen zu seinem Bauprojekt an einem Strand in Uruguay ab, aß mit einer Gruppe Bauunternehmer aus dem Nahen Osten zu Mittag und ging dann bis in die frühen Morgenstunden mit ihnen in einen Club. Dann flog er nach Paris und ging mit einem wunderschönen australischen Model essen, das er im Vorjahr beim Melbourne Cup kennengelernt hatte.

Aber weder Paris noch das Model hatten die gewünschte Wirkung: Anders als normalerweise zog ihn die Stadt nicht in ihren Bann, der allgegenwärtige Weihnachtsrummel stieß ihn ab, und immer wieder musste er an Alannah denken. Wie hatte sie ihn nur dazu gebracht, sich so untypisch zu verhalten? Er kannte eine Reihe ausgezeichneter Innenarchitekten, und doch hatte er Alannah beauftragt, obwohl er sich nur kurz mit ihrer Arbeit beschäftigt und keine Referenzen gesehen hatte. So ein Wagnis wäre er unter normalen Umständen niemals eingegangen! Doch sein Drang, sie zu erobern, war stärker als jede Vernunft. Das machte ihm fast ein wenig Angst.

Niccolò ließ sich von seinem Chauffeur zu dem Gebäude fahren, das am Hyde Park hoch in den Himmel ragte. Normalerweise erfüllte ihn der Anblick des futuristischen Baus, den er selbst geplant und entworfen hatte und der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden war, mit großem Stolz. Doch jetzt konnte Niccolò nur an das Verlangen denken, das in seinem Inneren brannte und ihn zu verzehren drohte.

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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