Julia Herzensbrecher Band 59

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WIE EROBERE ICH EINEN SCHEICH? von LAURA WRIGHT

Während Rita mit ihrem Mann, dem König von Emand, durch die Weite der Wüste in den Sonnenuntergang reitet, kann sie bloß an das Eine denken. Doch wie erobert man einen Scheich, mit dem man nur eine Zweckehe geschlossen hat? Mit Wildheit – oder mit ganz viel Zärtlichkeit?

DOKTOR, SCHEICH – UND HERZENSBRECHER von MEREDITH WEBBER

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  • Erscheinungstag 12.07.2025
  • Bandnummer 59
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534192
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Laura Wright, Meredith Webber, Lynne Graham

JULIA HERZENSBRECHER BAND 59

Laura Wright

PROLOG

Im nördlichen Teil der Wüste Joona gibt es ein Land, wo ein Mann auf seinem Hengst direkt in den Sonnenuntergang galoppieren kann. Ein Land, wo der Sand heiß unter den Füßen brennt und die Gipfel der Berge, die hoch in den endlos blauen Himmel ragen, glitzern von Schnee. Ein Land, in dem die Luft erfüllt ist vom Duft wilder Pflanzen und von der Glut der Sonne. In stummer Erhabenheit wachen die Götter über dieses Land und heißen die willkommen, die es wagen, ihren Fuß über die Grenze zu setzen.

Dieses Land heißt Emand.

Ein uraltes Land, reich an Öl, fruchtbaren Tälern und kulturellen Schätzen. Aber auch ein Land voller Trauer und Bitterkeit.

Drei Söhne zeugte der Herrscher, bevor ihn die Götter zu sich holten. Gebeugt von Trauer besann sich der Älteste auf seine Pflicht und übernahm die Bürde des Throns. Der Jüngste war dazu bestimmt, im Alter von fünfzehn Jahren seinem Vater zu folgen. Der zweite Sohn aber, Scheich Sakir Ibn Yousef Al-Nayhal, verließ seine Heimat auf der Suche nach sich selbst. Was er stattdessen fand, waren jedoch nur die fremdartige Wüste von Texas und die Leere in seinem eigenen Herzen. Er war ein Mann, der nirgendwohin gehörte, an keinen Ort und zu keinem Menschen.

1. KAPITEL

„Was für eine Verschwendung“, murmelte Rita Thompson, als sie sich ein letztes Mal im Spiegel begutachtete.

Es fehlte nichts. Sie war die perfekte Braut. Sie trug ein traumhaftes Brautkleid – natürlich trägerlos, schließlich war es Hochsommer –, dazu hochhackige weiße Riemchenpumps und einen Schleier, hinter dem sie ihr Gesicht verbergen konnte, das ganz sicher ihre Nervosität verriet. Selbstverständlich hatte sie auch daran gedacht, sich die Finger- und Zehennägel maniküren zu lassen.

Sie sah einfach wundervoll aus.

Außerdem hatte sie versucht, dem alten Brauch, wonach eine Braut etwas Altes, etwas Neues, etwas Geborgtes und etwas Blaues haben sollte, gerecht zu werden. Das Blaue an ihr waren ihre strahlend blauen Augen, das Geborgte die mit Perlen besetzten Ohrstecker ihrer Schwester, das Alte, nun ja, das war sie selbst, und das Neue war ihr Hochzeitskleid, sofern das zählte. Schließlich wollte sie ihr Spielchen ja nicht übertreiben.

Immerhin würde sie die Rechnung für die Trauung und den Empfang bezahlen, nur um ihren Gästen anschließend zu sagen, wie leid es ihr tue, dass sie ihnen etwas vorgemacht hatte. Darüber hinaus würde sie kein Geld ausgeben, das kam überhaupt nicht infrage.

Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel und zog eine Grimasse. „Vielleicht wird es ja eines Tages doch mal was. Wenn du Glück hast.“

„Wenn wer Glück hat?“

Rita drehte sich um. Ihr Vater stand in der Tür der Paradise Lake Lodge. Er sah sehr gut aus in seinem perlgrauen Anzug und den passenden Schuhen.

„Ich“, erwiderte sie. „Ich habe Glück. Ich habe eine wunderbare Familie und scheue mich nicht, es auszusprechen.“

„Rita, mein Liebling“, sagte ihr Vater. „Du warst noch nie zu scheu, irgendetwas auszusprechen.“

Ein tiefes Schuldgefühl erfüllte Rita. Ihr Vater blickte sie so liebevoll an. Noch nie zuvor hatte sie ihn belogen. Okay, als Teenager hatte sie ein paar Dinge verschwiegen, aber das hier, das war etwas ganz anderes.

Sie hatte ihn regelrecht betrogen.

Rita bekam ein ganz flaues Gefühl im Magen. Hoffentlich würde er verstehen, weshalb sie sich die Mühe gemacht hatte, eine Scheinhochzeit zu organisieren, und hoffentlich würde er ihr irgendwann verzeihen.

„Gut schaust du aus, Dad.“

„Danke, Rita. Danke.“ Ben Thompson lächelte glücklich. „Na, bist du bereit, dich von deinem alten Herrn zum Altar führen zu lassen, meine Schöne?“

Mit schlechtem Gewissen erwiderte sie sein Lächeln und legte die Hand in seine Armbeuge. „Absolut.“

Ihr Vater drückte sie an sich. Plötzlich wurde sein Ausdruck ernst. „Du bist dir doch wirklich sicher, nicht wahr?“

Rita schluckte. „Natürlich, Dad. Was glaubst du denn?“

„Na schön“, entgegnete ihr Vater ein wenig resigniert und führte sie zum Ausgang des Hotels. Sie gingen die Stufen hinab in den strahlenden Sonnenschein. Vom See her wehte eine ganz leichte Brise.

„Weißt du“, fuhr ihr Vater fort. „Ich wollte eigentlich mit deinem Zukünftigen ein Gespräch von Mann zu Mann führen, aber er ist immer noch nicht da. Er lässt es ganz schön darauf ankommen, was?“

„Er ist nun mal sehr beschäftigt.“

„Mag sein, aber mir gefällt das nicht.“ Sie gingen zum Seeufer, wo eine Gesellschaft von etwa fünfzig Gästen auf weißen Gartenstühlen saß und auf einen festlichen, ganz in Weiß gehaltenen Baldachin blickte. „Nicht gerade die feinste Art, in den Hafen der Ehe einzulaufen.“

„Keine Sorge. Er ist ein wunderbarer Mann, Dad, und er wird kommen, ganz sicher.“ Unglaublich, sie hörte sich absolut überzeugend an. Genauso, wie eine Frau sich anhören sollte, die im Begriff war, mit dem Mann ihrer Träume den großen Sprung zu wagen.

Nun ja, dass es sich um den Mann ihrer Träume handelte, war jedenfalls zutreffend. Seit drei Jahren war Rita ernsthaft in ihren Chef, Scheich Sakir Al-Nayhal, verliebt. Er war intelligent, hatte eine unbeschreibliche intensive, männliche Ausstrahlung und war umwerfend sexy. Mit anderen Worten, er war genau ihr Typ.

Doch leider wusste der Mann nicht einmal, dass sie existierte – zumindest was den Teil betraf, der sich unterhalb ihres hübschen Gesichts befand. Rita war wirklich gut in ihrem Job, die beste Assistentin der Geschäftsleitung, die man sich wünschen konnte, und Sakir behandelte sie mit dem größten Respekt. Aber er hatte noch nie etwas anderes in ihr gesehen als eine äußerst kompetente Mitarbeiterin. Nie hatte er sie gebeten, abends etwas länger zu bleiben – es sei denn zum Arbeiten. Nicht ein einziges Mal hatte er sie mit begehrlichen Blicken auf ihre wohlgeformten Beine beglückt. Auch nicht mit einem wissenden Lächeln, wenn sie einmal etwas trug, das eigentlich ein bisschen zu gewagt war fürs Büro – in der Hoffnung, es würde ihm auffallen.

Natürlich war es genau dieses völlige Desinteresse an ihr als Frau, weshalb sie ihn zu ihrem Scheinbräutigam auserkoren hatte. Das und die Tatsache, dass er selten in ihrer Heimatstadt Paradise, Texas, auftauchte und in diesem Augenblick gerade mit Harvey Arnold in Boston bei einem Geschäftsessen saß – sie selbst hatte das schon vor zwei Monaten arrangiert.

„Ich kann immer noch nicht fassen, dass wir ihn noch nicht kennengelernt haben.“ Ihr Vater seufzte tief. „Das ist einfach nicht richtig.“

„Halt die Luft an, Dad.“ Ava, Ritas ältere Schwester, gesellte sich zu ihnen. Sie sah wie eine Göttin aus in ihrem rosafarbenen Brautjungfernkleid. „Rita weiß schon, was sie tut.“

„Siehst du, Dad. Hör nur auf meine große Schwester.“

„Die in drei Wochen selbst verheiratet sein wird“, ergänzte Ava lächelnd.

Rita blickte von ihrer Schwester zu dem gut aussehenden Mann, der in der vordersten Reihe saß, seine kleine Tochter, von deren Existenz er erst vor Kurzem erfahren hatte, auf dem Schoß. Muna, seine indianische Großmutter, saß neben ihm. Rita lächelte zufrieden. Sie hatte es geschafft. Wenn das nicht den Aufwand wert war! Was bedeutete schon dieser kleine Betrug, wenn Ava wieder bei dem Mann war, den sie liebte, und ihre Tochter endlich einen Vater hatte und damit eine vollständige Familie. Die Hochzeit, die schon vor vier Jahren hätte stattfinden sollen, stand kurz bevor.

Zärtlich drückte Rita den Arm ihres Vaters. „Lass uns diesen Tag feiern.“

„Gerne. Wir warten nur noch auf den Bräutigam, mein Kind.“

„Er wird zusammen mit dem Reverend erscheinen.“

Oder auch nicht.

Ritas Vater geleitete sie zu dem weißen Teppich, den man auf dem Gras ausgerollt hatte und der auf den Altar zuführte. Einige Gäste drehten sich nach ihnen um und begannen sofort zu tuscheln. Die Musiker des kleinen Streichorchesters auf der anderen Seite schienen nur auf ihren Einsatz zu warten.

Rita atmete tief ein und wieder aus. Ihre Handflächen waren ganz feucht. Sie wollte das hier nur noch möglichst schnell hinter sich bringen.

„Da ist der Reverend“, flüsterte Ava neben ihr.

„Wo?“, fragte ihr Vater ebenso leise.

„Da vorne, Dad. Er ist …“ Ava brach plötzlich ab.

„Zum Teufel noch mal.“ Ben kniff die Augen zusammen.

Ritas Herz pochte zum Zerspringen.

„Er ist allein“, flüsterte Ben ungläubig. „Was zum Teufel ist hier eigentlich los?“

„Dad, bitte.“ Ava legte ihrer Schwester die Hand auf die Schulter, so als wollte sie ihr ihren Beistand anbieten im Angesicht des Dramas, das sich offensichtlich anbahnte: Der Bräutigam hatte sich aus dem Staub gemacht.

Rita hob das Kinn. Jetzt war es so weit, und sie war gewappnet. Sie würde das Getuschel der Gäste ertragen, wenn diese erst einmal merkten, dass ihr Verlobter nicht auftauchen würde. Sie war bereit, vor Scham zu erröten und ein paar Tränen zu vergießen.

Sie war bereit für die Schande, bereit für die Flucht.

Plötzlich sah sie aus den Augenwinkeln eine Gestalt herannahen, eine eindeutig männliche Gestalt. Stolz wie ein Prinz und in einen weißen Kaftan gekleidet, schritt sie majestätisch über den Rasen auf den Reverend zu.

Ritas Herzschlag setzte fast aus. Auf einmal fühlte sie sich schwach und schutzlos wie ein Grashalm im Wind.

Das war doch nicht möglich!

Aber er war es tatsächlich. Ihr Chef, ihr angeblicher Bräutigam und der Mann ihrer Träume, Sakir Al-Nayhal, war gekommen.

So eine Unverfrorenheit, hier einfach ohne Einladung aufzutauchen! Außerdem sollte er in Boston sein und sich um seine Geschäfte kümmern.

Ritas Herz hämmerte wild. Stumm beobachtete sie ihn, wie er vor dem Altar stehen blieb, hochgewachsen, breitschultrig und zum Verrücktwerden gut aussehend. Seine dunkle Haut bildete einen reizvollen Kontrast zu seinem weißen Kaftan.

Jetzt drehte er sich um und blickte Rita an. Nicht einmal ansatzweise war ein Lächeln zu erkennen, weder in seinen dunkelgrünen Augen noch um seine sinnlichen Lippen.

Ritas Gedanken rasten, in ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Dass diese Scheinhochzeit in den Augen der Gäste peinlich für sie werden würde, darauf war sie vorbereitet und konnte damit umgehen. Dass aber der nicht eingeplante Bräutigam plötzlich vor ihr stand und sie schlagartig in eine gefühlsmäßige Achterbahnfahrt versetzte – eine größere Lächerlichkeit war kaum vorstellbar. Wie sollte sie ihm jemals wieder unbefangen in die Augen sehen können?

Sakir hob eine Braue und machte eine Geste, als wolle er Rita zu sich befehlen.

„Wow“, hauchte Ava. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er so …“

Ritas Kehle war wie zugeschnürt. „Und ich hatte überhaupt nicht mit ihm gerechnet“, murmelte sie.

2. KAPITEL

Sakir beobachtete Rita aufmerksam. Ob sie wohl auf dem Absatz kehrtmachen und weglaufen würde?

Aber weglaufen entspräche nicht ihrem Charakter. Von allen Frauen, die er kannte, war Rita Thompson die einzige, die niemals einer Konfrontation auswich und keine Angst vor Konflikten hatte. Sie nahm jede Gelegenheit wahr, um für das, was sie wollte, engagiert zu kämpfen, und forderte Auseinandersetzungen geradezu heraus. Deshalb hatte er sie überhaupt zu seiner Assistentin gemacht und bestand darauf, sie bei allen Projekten an seiner Seite zu haben.

Aber er legte es nicht auf einen Konflikt mit dieser schönen Frau an – nicht heute.

Heute war er aus geschäftlichen Gründen hier.

Er brauchte Rita Thompson als Ehefrau, und deshalb würde er alles tun, um diese Scheinhochzeit zu einer echten werden zu lassen.

Das Streichquartett begann den Hochzeitsmarsch zu spielen und gab damit das Signal für die Gäste, sich zu erheben.

Rita stand wie erstarrt da. Stumm erwiderte sie Sakirs Blick. Und dann, als er schon glaubte, sie würde entgegen seiner Erwartung kehrtmachen und das Weite suchen, atmete sie langsam aus und ging auf ihn zu.

Fasziniert beobachtete Sakir ihren anmutigen Hüftschwung und die Rundungen ihrer Brüste, die durch das Brautkleid betont wurden.

Warum nur musste diese Frau so schön sein?

Er hatte sich so gut wie nie gestattet, Rita Thompson als Frau zu betrachten. Sie war seine Mitarbeiterin, und als solche bedeutete sie ihm viel. Auf keinen Fall würde er riskieren, sie wegen einer kurzen Affäre zu verlieren.

Aber es gab Momente, zum Beispiel nachts im Bett, in denen er an sie dachte, und zwar auf eine Art, wie er es besser nicht tun sollte. Es gab Momente, in denen er sich fragte, wie sich wohl ihre Lippen anfühlten beim Küssen und wie sie wohl reagieren würde, wenn er sie in die Arme nähme und seine Hände ihren Rücken hochgleiten lassen würde, bis er sie in ihrer langen rotbraunen Mähne vergraben könnte.

Sakir spürte erneut heftige Begierde, verdrängte sie aber im selben Moment. So ging es ihm immer, wenn er in ihrer Nähe war – und jedes Mal zwang er sich, nichts als kühle Gleichgültigkeit an den Tag zu legen.

Rita war seine Assistentin, die einzige Frau, der er vertraute und auf die er sich verließ wie auf niemanden sonst. Wie stark sein Verlangen nach ihr auch sein mochte, er wusste, er musste es unterdrücken, wenn er sie behalten wollte. Wenn er sich nicht im Griff hätte, würde sie zweifellos seine Firma verlassen. Sakir war sich sicher, dass Rita seine Gefühle nicht erwiderte.

Ihr Gesichtsausdruck verriet Nervosität und Unbehagen, als sie schließlich vor ihm stand und er ihr die Hand reichte. Doch, ganz wie er es erwartet hatte, reagierte sie nicht entsprechend, sondern sah ihn nur kühl an.

Dann drehte sie sich zu Reverend Chapman um. „Ich muss einen Augenblick mit meinem … Verlobten sprechen.“

„Jetzt?“ Der Reverend verzog unwillig das Gesicht.

Rita nickte. „Jetzt“, sagte sie entschlossen und wandte sich wieder Sakir zu. „Können wir reden? Bitte“, bat sie ihn mit leiser, aber fester Stimme.

So kannte er sie. Sakir musste ein Grinsen unterdrücken. Rita Thompson würde sich auf nichts einlassen ohne Diskussion. Selbst vor dem Traualtar gab sie sich beherrscht und überlegen.

Er nickte. „Natürlich.“ Erneut streckte er die Hand aus.

Aber sie sah sie nur an, als handelte es sich um eine giftige Schlange. Dann wandte sie sich kurz ihrem Vater und ihrer Schwester zu. „Wenn ihr uns einen Moment entschuldigen würdet.“

Sakirs filmreifer Auftritt hatte die Gäste offensichtlich verblüfft und neugierig gemacht, aber Rita schien dafür keinen Blick zu haben. Im Nu war sie hinunter zum Seeufer geeilt. Als Sakir dort ankam, ging sie schon ungeduldig auf und ab.

Sie warf ihren Schleier zurück, machte einen beherzten Schritt auf Sakir zu und funkelte ihn empört an. „Was zum Teufel machst du hier?“

Er antwortete leise und beherrscht. „Sollte ich dir nicht dieselbe Frage stellen?“

Sie ignorierte seine Frage. „Du solltest doch in Boston sein.“

„Als ich zufällig mitbekommen habe, dass man mich vor dem Traualtar erwartet, bin ich natürlich sofort zurückgeflogen.“

Rita senkte den Kopf und kaute nervös an ihrer Unterlippe.

Sakir hob die Schultern. „Ich hielt es für angemessen, bei meiner eigenen Trauung anwesend zu sein. Du etwa nicht?“ Er kostete diesen kleinen Triumph voll aus.

Wieder ignorierte sie seine Antwort. „Von wem hast du überhaupt erfahren, was ich vorhabe? Von Sasha? Nein, ich wette, es war Greg. Der war schon immer ein …“

„Das spielt doch überhaupt keine Rolle, Rita.“

„Für mich schon. Schließlich geht es um meine Privatangelegenheiten, aus denen du dich gefälligst herauszuhalten hast.“

„Es gehört zu meinen Prinzipien, mich immer darüber zu informieren, was meine Angestellten tun. Jederzeit. Vor allem aber, wenn ich dabei eine nicht unerhebliche Rolle spiele. Die des Bräutigams zum Beispiel.“

Rita kniff die Augen zusammen und rückte noch dichter an ihn heran. „Spionierst du mir etwa nach, Sakir?“

Ihr zarter Duft lenkte ihn einen Augenblick ab. Wie gerne hätte er sie jetzt in die Arme genommen und sie nach allen Regeln der Kunst geliebt. Aber er musste sich zusammenreißen und sich in der Gewalt haben. „Nein, ich spioniere dir nicht nach. Aber anscheinend hätte ich allen Grund dazu.“

Sie wandte den Blick ab. Sie verlor immer mehr die Kontrolle über die Situation. Auf was für eine Schnapsidee war sie da bloß gekommen?

„Was geht hier vor, Rita?“

Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden. Sie konnte nicht mehr. Am liebsten hätte sie sich ins Gras geworfen und geweint. Ihr perfekter Plan war soeben wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt. Und der Mann vor ihr, dieser unglaublich attraktive Mann, der sie mit einem einzigen Blick zum Erbeben bringen konnte, war schuld daran. Und er würde garantiert nicht den Rückzug antreten. Ein Mann wie Sakir ließ nicht mit sich spielen.

Sie hatte wohl keine andere Wahl, als ihm die Wahrheit zu erzählen. „Ich musste etwas unternehmen, um meine Schwester Ava und meine Nichte zurück nach Paradise zu holen.“

Sakir verschränkte die Arme vor der Brust. „Und weshalb sollten sie das tun?“

„Um der Liebe willen.“

„Wegen der Liebe?“

Es klang so unglaublich sinnlich, wie er dieses Wort aussprach. Rita verspürte ein verräterisches Kribbeln. „Ja, es ging darum, eine erloschen geglaubte Flamme wieder neu zu entfachen – Avas erste und einzige Liebe. Die einzige Möglichkeit, sie hierher zu locken, war diese Scheinhochzeit. So hat ihre kleine Tochter endlich ihren Vater kennengelernt.“ Rita zuckte resigniert mit den Schultern. „Jedenfalls erschien es mir als die einzige Möglichkeit.“

„Ich verstehe.“

Rita schüttelte unwillig den Kopf. „Alles schien so wunderbar zu funktionieren. Und dann musstest du auftauchen.“ Und dabei so sexy aussehen. Wie der sprichwörtliche große, dunkle, gut aussehende Fremde.

Sakir lachte trocken. „Aber du musstest doch damit rechnen, dass dein Verlobter zu seiner eigenen Hochzeit kommt, oder?“

„Ach, komm schon, Sakir. Natürlich war eine Trauung nicht wirklich vorgesehen, und deshalb auch kein Verlobter. Der existierte nur in der Fantasie. Ich musste dafür einfach nur den Namen irgendeines Mannes nennen.“

„Tja, aber derjenige, den du dir ausgesucht hast, das war nicht irgendein Mann, nicht wahr, Rita?“

Er machte einen Schritt auf sie zu, sie konnte seine Wärme spüren, sein Atem streifte ihr Gesicht. „Nein“, gab sie zu.

„Hast du dir überlegt, was die Leute in dieser Stadt von mir halten würden, wenn ich nicht erschienen wäre? Wenn ich eine Frau vor dem Traualtar allein gelassen hätte?“

Rita konnte darauf nichts entgegnen. Scham überwältigte sie. Nein, sie hatte sich nicht überlegt, was die Leute von ihm denken würden. Sie hatte an gar nichts gedacht, außer an ihre Schwester und ihre kleine Nichte.

Wollte dieser Albtraum denn nie ein Ende nehmen? Sie spähte hinüber zu den wartenden Gästen. Nein, der Albtraum sollte offenbar weitergehen. Es hatten sich kleine Grüppchen gebildet, die leise miteinander redeten. Alle wirkten ziemlich fassungslos, und einige Gäste starrten bestürzt zu ihnen herüber. „Nein, ich habe nicht darüber nachgedacht, wie man in der Stadt darauf reagieren würde.“

„Das dachte ich mir.“

„Ich habe weder an die Leute gedacht noch an dich.“ Sie blickte Sakir ernst an. „Es tut mir leid.“

Er nickte bedächtig. „Entschuldigung akzeptiert.“

Rita schwieg verblüfft. „Wirklich?“, fragte sie nach einer Weile, immer noch ein wenig skeptisch.

„Ja.“ Sakir schien tatsächlich nicht im Mindesten beleidigt zu sein.

„Das ging aber schnell.“ Wenn da mal nicht ein Haken an der Sache war.

„Ich halte nichts davon, andere wegen ihrer Fehler unnötig leiden zu lassen.“

Das war aber wirklich großzügig von ihm. Aber irgendwie kaum zu glauben, nach allem, was sie angestellt hatte. „Du wirst mich also nicht entlassen?“, fragte Rita misstrauisch.

„Nein, wieso sollte ich?“

Ihr wurde immer unbehaglicher zumute. „Aber deshalb bist du doch nicht hergekommen und bist vor all diesen Leuten erschienen – nur damit ich mich bei dir entschuldige.“

„Nein, ehrlich gesagt nicht.“

„Weshalb dann? Um dich zu rächen?“ Rita lachte, es klang nervös und überreizt.

„Ich muss dich etwas fragen, Rita“, begann Sakir sehr langsam.

„Okay.“ Plötzlich hatte sie Angst.

„Ich möchte dir ein Geschäft vorschlagen.“

„Ein Geschäft?“ Also doch! Da war er, der Haken. Sie blickte über die Schulter zu der wartenden Hochzeitsgesellschaft. War das nicht absolut verrückt? Sie stand hier mit ihrem Scheinverlobten und redete über Geschäfte. Lieber Himmel, wie hatten die Dinge nur so außer Kontrolle geraten können? Wie sollte sie das jemals ihren Freunden und ihrer Familie erklären? „Kann das nicht warten? Ich muss zurück zu den Gästen und ihnen diesen Schlamassel erklären.“

„Nein, das kann nicht warten“, entgegnete Sakir knapp.

„Na schön, um was geht es?“

„Ich muss wissen, ob du an einer Partnerschaft interessiert bist. Genauer an einer kurzfristigen Partnerschaft in der Ehe, als Gegenleistung für eine fortdauernde Partnerschaft in meiner Firma.“

Rita fühlte sich plötzlich, als hätte ihr jemand einen Tritt verpasst. Sie hatte sich bestimmt verhört. War sie jetzt schon so durch den Wind, dass sie sich einbildete, Sakir hätte etwas von einer Ehe mit ihr erwähnt?

„Ich biete dir die Teilhaberschaft an der Al-Nayhal Corporation an.“

„Du bist ja verrückt“, krächzte sie, um sogleich in ein gezwungenes, ungläubiges Lachen überzugehen. Dann räusperte sie sich. „Du machst wohl Witze.“

„Mache ich jemals Witze, Rita?“

Nein, leider nicht. Schade eigentlich. Sie sah ihn stumm an.

„Ich muss für drei Wochen in mein Heimatland reisen, und dort brauche ich dich als meine Ehefrau. Deine kleine Scharade hier hat mich auf die Idee gebracht. Als verheirateter Mann wird man in meiner Heimat anders eingeschätzt. Man gilt als vertrauenswürdiger, zuverlässiger. Und genau darauf kommt es den Geschäftsleuten in meinem Land an, auch wenn ich ganz anders darüber denke.“

Rita rechnete immer noch damit, dass er im nächsten Moment sagen würde, er habe nur einen Scherz gemacht, aber er tat es nicht. Stattdessen redete er weiter.

„Man hat mich aufgefordert, nach Emand zu kommen, um der Ölgesellschaft ein Angebot zu präsentieren. Ich will, dass alles perfekt wird, und dafür werde ich keine Mühe scheuen.“

Rita bemerkte, wie sich sein Ausdruck verdüsterte, seine Züge sich immer mehr anspannten. „Ich verstehe nicht. Warum ist dir das so wichtig?“

„Das ist meine Sache.“

„Aber du bist dabei, es auch zu meiner zu machen, Sakir.“ Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein, sie dermaßen zu überfahren? So schlecht konnte ihr Gewissen wegen ihrer Schnapsidee gar nicht sein, dass sie sich auf einen solchen Kuhhandel einlassen würde. Oder eher Kamelhandel? Wie auch immer, Rita war empört.

Sakir dagegen schien seiner Sache sehr sicher zu sein. „Wenn wir aus Emand zurückkommen, kann die Ehe sofort aufgelöst werden, niemand wird dabei zu Schaden kommen – und du wirst mir dann ebenbürtig sein.“

Sie hob verdutzt die Brauen. „Wie bitte?“

„Du verstehst schon, was ich meine.“

Nein, sie verstand überhaupt nichts. „Das ist doch verrückt. Hör zu, wenn dieses Vortäuschen einer Ehe so wichtig für dich ist, kann ich ja so tun, als sei ich deine Ehefrau. Das bin ich dir sicher schuldig nach diesem Fiasko hier. Aber wir brauchen doch deswegen nicht wirklich verheiratet zu sein.“

„Für die Menschen in meinem Land schon.“

Er meinte es offenbar absolut ernst. „Wie können sie denn wissen, ob wir wirklich verheiratet sind?“

„Mein Bruder wird es wissen.“

„Du hast einen Bruder?“

Er ignorierte ihre Frage. „Nimmst du mein Angebot an?“

Du lieber Himmel, sie müsste verrückt sein, wenn sie darauf einginge.

Andererseits … hatte sie nicht schon seit langer Zeit geheime Träume und Sehnsüchte? Sie wünschte sich so sehr zu reisen und einmal ein völlig anderes Leben auszuprobieren. Das Fatale daran war, dass sich Sakir wie ein roter Faden durch all ihre Fantasien zog, das musste sie sich ehrlicherweise eingestehen. In ihren geheimsten Wunschträumen lag sie in Sakirs Bett und erlebte genüsslich in seinen Armen, wie er voller Leidenschaft die Frau in ihr entdeckte. Und genau diese Frau hätte nun am liebsten ganz laut „Ja!“ geschrien.

„Aber …“, begann sie völlig verunsichert und hielt die Luft an, als Sakir ihr ins Wort fiel.

„Keine Sorge, Rita.“ Er sah sie forschend an. „Es ist eine rein geschäftliche Abmachung. Ich schwöre dir, es wird zu keinen …“, ein Muskel zuckte in seiner Wange, „… Intimitäten zwischen uns kommen.“

„Natürlich nicht.“ Von seiner Seite war es also nichts weiter als ein Geschäft. Rita atmete erleichtert aus. Natürlich, er hatte ein Projekt, das er erfolgreich zu Ende führen wollte, und wie immer vertraute er dabei auf seine treu ergebene Assistentin. So einfach war das.

„Du bist also einverstanden?“, fragte er.

Warum nicht? dachte sie. Eine Teilhaberschaft würde ihr schon gut gefallen. Sehr gut sogar. Und die Möglichkeit, ihre Reiselust zu befriedigen, würde ebenfalls in greifbare Nähe rücken. Sie sehnte sich so sehr danach, dem Alltagstrott zu entfliehen und endlich einmal etwas anderes zu erleben. Und bei alledem würde sie im Grunde genommen nur ihren Job machen, vorbildlich, loyal und zuverlässig wie sonst auch. „Einverstanden.“

Sakir nickte. „Gut, ich hatte es nicht anders erwartet.“ Nachdenklich sah er sie an.

Auf keinen Fall wollte Rita ihm jetzt die Hand schütteln. Rasch drehte sie sich um und eilte zurück zu ihren Gästen und zum Geistlichen. Doch dann blieb sie doch kurz stehen und blickte über die Schulter zurück. „Allerdings muss ich dich warnen. Wenn ich nicht im Büro bin und nicht meine Rolle als deine Assistentin spiele, kann ich manchmal sehr schwierig sein.“

Seine grünen Augen funkelten. „Ich weiß“, sagte er belustigt. „Aber genau wie du schrecke ich niemals vor einer Herausforderung zurück.“

3. KAPITEL

Er war bestimmt niemand, der sich mal eben zu einem Heiratsantrag hinreißen ließ.

Für Sakir war die Vorstellung, in irgendeiner Weise eingeengt zu sein, die Hölle auf Erden. Aber die Angst, er könnte den Auftrag verlieren, der größer war als alle seine bisherigen und außerdem auch noch aus seinem Heimatland stammte, ließ ihn alles vergessen. Er dachte nur noch an den Sieg und die Genugtuung, auf die er viel zu lange gewartet hatte.

Er nickte dem Reverend zu und sagte: „Ja, ich will.“ Dann küsste er seine attraktive Assistentin, die soeben seine rechtmäßige Ehefrau geworden war, rasch auf den Mund.

Es musste schnell gehen, das wusste er. Diese Frau verlockte ihn viel zu sehr, er konnte es auf keinen Fall riskieren, dass dieser Kuss zu einem richtigen Kuss wurde. Außerdem hatte er sein Wort gegeben, sich ihr in keiner Weise körperlich zu nähern.

Äußerlich gelassen nahm er nun lächelnd Ritas Hand und führte sie vom Altar weg. Die Gäste applaudierten und bewarfen dann das Brautpaar mit Rosenblütenblättern. Sakir schmunzelte. Noch vor wenigen Minuten hatten dieselben Leute voller Unbehagen, ja sogar Mitleid, auf das Paar geblickt.

Aber Rita hatte keineswegs die Hochzeit im letzten Moment abgesagt, wie viele geunkt hatten. Sie hatte ihn tatsächlich geheiratet.

Ritas Hand war ganz kalt und zittrig. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, auf was sie sich eingelassen hatte. Sie würde ihren Freunden und Verwandten erklären müssen, weshalb sie mit ihrem Bräutigam erst ein langes Gespräch führen musste, bevor sie mit ihm vor den Altar trat – und sie würde so tun müssen, als sei sie ganz schrecklich in ihn verliebt.

Im Nu war sie von einer Schar lachender junger Frauen umringt, die darauf warteten, dass sie den Brautstrauß werfen würde.

„Ein herrlicher Tag, nicht wahr, mein Sohn?“

Mein Sohn. Sakir drehte sich um. Er würde Ritas Vater nicht verraten, dass nicht einmal sein eigener Vater ihn so angesprochen hatte. Sicherlich versuchte Ben Thompson einfach nur, einen freundlich familiären Ton anzuschlagen gegenüber einem ziemlich unnahbaren Bräutigam, den er nie zuvor gesehen hatte. „Ja, ein wirklich guter Tag, auch wenn er ein wenig schwierig begonnen hat.“

Ben lächelte wissend und streckte die Hand aus. „Einen Augenblick hatte ich befürchtet, die Hochzeit würde nicht stattfinden.“

Sakir schüttelte Bens Hand. „Das ging mir auch so.“

„Nun, es ist schön, dich endlich kennenzulernen. Als du letzte Woche meiner Einladung zum Mittagessen nicht gefolgt bist, hätte ich dir am liebsten eine Standpauke gehalten – adlige Herkunft hin oder her. Und heute, als du nicht zusammen mit dem Reverend erschienen bist – nun ja, du kannst dir sicher vorstellen, was mir da durch den Kopf gegangen ist.“

„Oh ja, das kann ich sehr gut“, erwiderte Sakir höflich und respektvoll.

„Aber Ende gut, alles gut, nicht wahr? Was hat sie eigentlich zu dir gesagt da unten am See? Sie kann ganz schön dickköpfig sein, wenn sie will. Hat sie von dir verlangt, auf den Thron zu verzichten, oder …“

„Dad.“ Eine wunderschöne Blondine trat zu ihnen. Ihre Augen und ihre Lippen waren denen von Rita sehr ähnlich.

„Was ist, Ava?“, fragte Ben, nicht ohne Vaterstolz.

„Der Reverend möchte mit dir sprechen. Bereite dich schon einmal darauf vor, gleich den Toast auszubringen.“

„Ah ja, richtig.“ Ben schüttelte noch einmal Sakirs Hand. „Also, herzlichen Glückwunsch, mein Sohn – mehr will ich nicht sagen. Du hast großes Glück.“

Sakir nickte. „Das glaube ich auch.“

Als sie allein waren, wandte sich die blonde Frau lächelnd an Sakir. „Ich bin Ava, Ritas Schwester.“

„Ah ja, ich freue mich, dich kennenzulernen.“

„Ganz meinerseits.“ Sie zögerte. Offenbar hatte sie etwas auf dem Herzen. Schließlich sagte sie: „Weißt du, meine Schwester und ich, wir stehen uns sehr nah.“

„Es ist wundervoll, wenn Geschwister sich lieben.“ Sakir meinte das sehr ernst und empfand gleichzeitig eine gewisse Bitterkeit bei diesen Worten. Aber das konnte niemand hier wissen.

„Ja, nicht wahr?“ Ava senkte die Stimme und beugte sich ein wenig vor. „Ich weiß, was sie für mich getan hat, und ich weiß, was sie für dich tut.“

Sakir zuckte leicht zusammen. „Sie hat dir erzählt …“

„Keine Sorge“, beruhigte Ava ihn schnell. „Sie hat es mir gerade eben anvertraut. Alle anderen denken, ihr seid ein glückliches Paar, das nur eine kleine Auseinandersetzung hatte, bevor es sich das Jawort geben konnte.“

„Letzteres ist durchaus zutreffend“, bemerkte Sakir ein wenig reserviert.

„Ich wollte dir einfach nur danken.“

„Wofür denn? Es gibt keinen Grund.“

Sie hob die Schultern, ein schelmisches Funkeln in den Augen. „Dafür, dass du so gut mitgespielt hast. Ich meine, du hättest Rita auch ganz schlimm in Verlegenheit bringen können.“

„Wie du schon sagtest, sie tut auch mir einen großen Gefallen.“

„Ich hoffe, ihr bekommt beide, was ihr wollt.“

„Das hoffe ich allerdings auch.“

Verlegen kaute sie an ihrer Unterlippe. „Ich möchte dich nur um eines bitten.“

„Natürlich. Um was geht es?“

„Pass auf sie auf. Rita ist ein wunderbarer Mensch, treu, großherzig und humorvoll. Für mich ist sie ein wahrer Schatz, und ich will nicht, dass …“

Sakir legte seine Hand auf Avas. „Ja, das ist sie, und ich werde auf sie aufpassen. Das verspreche ich dir.“

Ava lächelte erleichtert. „Das wollte ich nur hören“, sagte sie. „Ich wünsche dir schöne Flitterwochen, Schwager!“, rief sie ihm im Weggehen über die Schulter zu.

Sakir seufzte. „Wir gehen nicht …“, begann er, brach jedoch ab, als er die neugierigen Blicke der Menschen um sich herum bemerkte.

„Wir gehen nicht wohin?“ Rita kam zu ihm. Sie hatte einen Teller mit einem großen Stück Hochzeitstorte in der Hand, und sie war so wunderschön.

Sakir antwortete nicht, sondern sah sie nur an. Er verschlang sie geradezu mit seinen Blicken. Würde er jemals wirklich heiraten, würde er jemals an die Ehe glauben, dann würde er sich wünschen, seine Braut möge so sein wie Rita. So schön wie sie, so bezaubernd wie sie, so charakterstark und so intelligent.

Doch für ihn würde Rita immer tabu bleiben.

Sie strahlte ihn an und hielt ihm den Teller unter die Nase. „Bevor wir den ersten Tanz beginnen, müssen wir beide etwas davon essen.“

„Warum?“ Kuchen mit dicker weißer Glasur entsprach überhaupt nicht seiner Vorstellung von wahrem Genuss.

„Weil es Glück bringt“, erwiderte sie und nahm einen kleinen Bissen.

„Ich glaube nicht an Glück.“

„Aber ich. Und wir werden es brauchen – also iss.“ Und damit schob sie ihm einfach ein Stück von dem Kuchen in den Mund.

4. KAPITEL

Mit großen, glänzenden Augen blickte Rita durch das winzige Fenster in die schwarze Nacht. „Hm, das nenne ich ein tolles Taxi, Sakir.“

Sakir, der seinen Kaftan gegen eine schwarze Hose und einen schwarzen Kaschmirpullover getauscht hatte, blickte von seinem Teller auf. „Danke. Ich finde es sehr bequem.“

Rita musste lachen. Bequem. Das war wohl eine starke Untertreibung für einen eigenen Jet mit Ledersitzen, passenden Teppichen, Mahagonimöbeln, Badezimmer mit Marmorverkleidung und luxuriösem Schlafgemach.

„Wenn ich nur daran denke“, sagte sie mit gespielter Melancholie, „dass ich das hier hätte benutzen können statt meines einfachen Kleinwagens, um Kunden zu besuchen.“

„Dein Job hat allerdings meistens deine Anwesenheit im Büro erfordert.“

Sie lächelte. „Tja, jetzt nicht mehr.“

Sakir neigte den Kopf. „Nein, jetzt nicht mehr.“

Nachdenklich aß Rita weiter. Da saß sie nun, verheiratet mit Sakir, trank Champagner und aß die köstlichsten Speisen an Bord eines Privatjets. Es war nur wenige Stunden her, seit sie in dem Hotel in Paradise Abschied genommen hatte von ihrer Schwester, ihrem Vater und allen Gästen.

Wie unwirklich das alles erschien.

Es war eindeutig das aufregendste Abenteuer ihres Lebens.

Sie nippte an ihrem Champagner und fühlte sich leicht beschwipst, obwohl sie noch kaum etwas getrunken hatte. Drei Wochen lang sollte sie nun Sakirs Frau sein. Dieser Mann, von dem sie seit Jahren heimlich träumte – und den sie als den idealen Bräutigam betrachtet hatte bei einer Hochzeit, die nie wirklich hätte stattfinden sollen –, dieser Mann war nun ihr rechtmäßig angetrauter Ehemann. Ihr Lächeln erstarb, als sie den schmalen Goldring an ihrem Finger betrachtete und an die geheimen Bedingungen ihrer Ehe dachte. Es war nur ein Geschäft, nichts weiter. Ein Arrangement, um neue Kunden zu gewinnen. Wenn sie klug war, würde sie gut daran tun, das nicht zu vergessen.

Nachdenklich musterte sie Sakir. Er war so unglaublich attraktiv. So männlich, so sexy in seiner Unnahbarkeit. Sich nicht in seine Arme zu werfen erschien fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Du lieber Himmel, sie hatte ein riesiges Problem.

Sie verdrängte alle Gedanken, die in eine bestimmte Richtung gingen, und setzte eine ungezwungene Miene auf. „Ich kann nicht glauben, auf was für ein geschäftliches Arrangement ich mich da eingelassen habe“, bemerkte sie scheinbar leichthin.

Sakir schüttelte den Kopf. „Und ich kann nicht glauben, dass ich wegen eines einzigen Auftrags auf so einen verrückten Plan zurückgreifen musste.“

„Warum hast du es dann getan?“

Er aß schweigend weiter.

„Du tust das alles nur, um im Endeffekt deine Familie zu Hause zu beeindrucken, nicht wahr? Ist dir das wirklich so viel wert?“

Er sah sie entrüstet an. „Es geht mir nicht darum, jemanden zu beeindrucken.“

„Nicht? Um was geht es dir dann?“ Langsam fand Rita Spaß daran, ihr wortkarges Gegenüber ein wenig zu provozieren.

„Ist das jetzt das Schwierige an dir, vor dem du mich gewarnt hast?“, fragte er und ließ mit keiner Miene erkennen, ob er sich über Rita lustig machte oder ernsthaft böse war.

Sie strahlte ihn herausfordernd an. „Hm, das könnte man so sagen.“

Sein Ausdruck war nahezu unergründlich, aber Rita glaubte, so etwas wie Verlangen in seinem Blick zu erkennen. „Ich hatte gehofft, du würdest mir deine so genannten schwierigen Seiten in einem vergnüglicheren Zusammenhang präsentieren“, entgegnete er.

Rita erschauerte. Vielleicht lag es ja an diesem absolut verrückten Tag, oder daran, dass Sakir nach langer Zeit wieder in seine Heimat reiste, jedenfalls hatte er in all den Jahren noch nie etwas so Anzügliches zu ihr gesagt. Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte.

Doch im nächsten Moment hatte sich der sinnliche Ausdruck in seinem Blick verflüchtigt, und er war wieder ganz der kühle, beherrschte Geschäftsmann. „Es ist spät“, meinte er sachlich. „Es ist ein ziemlich langer Flug. Es ist wohl am besten, wenn du jetzt schlafen gehst.“

„Ich bin nicht müde.“

Er redete weiter, als ob er sie nicht gehört hätte. „Ich werde hierbleiben. Ich habe noch viel zu tun. Bitte …“, er deutete auf die Tür hinter seinem Rücken, „… fühl dich wie zu Hause.“

Rita wurde rot. Sein Schlafzimmer? Sein Bett? „Wie zu Hause? Ich glaube nicht, dass ich das kann.“

„Es ist sehr bequem.“

„Das bezweifle ich nicht.“ Keine Frage, dass das Luxusbett in diesem Luxusjet bequem sein würde – und zudem eine exquisite Folter für eine Frau, die den Besitzer des Bettes anbetete.

Sakir wirkte sehr steif und förmlich, wie er so in dem Ledersessel saß. „Wir haben eine Abmachung, Rita, und ich würde diese Abmachung niemals brechen, ganz gleich, wie … müde ich bin.“

Rita senkte den Kopf. Auf einmal fühlte sie sich entsetzlich erschöpft. Was hatte sie sich denn vorgestellt? Dass er eine rauschende Hochzeitsnacht mit ihr verbringen würde? Das wäre natürlich wundervoll, doch sie wusste genau, Sakir würde ihre Abmachung nicht brechen. Ganz gleich, wie sehr sie ihn begehren mochte, er empfand nichts für sie. Was er vorhin gesagt hatte, und wie er sie dabei angeblickt hatte, das hatte nichts zu bedeuten. Besser, sie merkte sich das ein für alle Mal.

„Also gut.“ Sie stand auf und ging zur Tür.

„Einen Augenblick, Rita.“

Sie drehte sich um. „Ja?“

Er blickte ihr direkt in die Augen, Rita wurden die Knie weich. „Ich möchte dir danken.“

„Wofür?“ Es kostete sie unglaubliche Mühe, dieses eine Wort so normal wie möglich hervorzubringen. Seine Augen, in denen ein dunkles Feuer glomm, zogen sie völlig in ihren Bann.

„Dafür, dass du diese Reise mit mir machst. Es ist viele Jahre her, seit ich in Emand war. Es wird eine seltsame Heimkehr sein.“ Er wandte sich wieder seiner Mahlzeit zu. Er gab keinerlei Gefühlsregung zu erkennen, doch Rita war sicher, so etwas wie Verletzlichkeit in seinen sonst so unergründlichen grünen Augen gesehen zu haben, und sie konnte sich nicht helfen: Sie war entzückt.

Sakir starrte auf die bedruckten Blätter, aber die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen zu etwas, das immer wieder die gleiche Form annahm: die Umrisse einer liegenden Frau.

Schließlich warf er mit einem entnervten Stöhnen die Blätter beiseite und griff nach dem kleinen vergoldeten Kästchen, das auf dem Tisch stand. Er gestattete sich nur ganz selten eine dieser sündhaft teuren, feinen Zigarren, aber nun schien der richtige Augenblick dafür gekommen zu sein. Sakir konnte an nichts anderes mehr denken als an Rita. Es war zum Verrücktwerden. Rita, wie sie aus ihren Kleidern schlüpfte, nackt durchs Zimmer ging und sich dann in sein Bett kuschelte.

Er inhalierte tief und lehnte sich zurück. Draußen vor dem Fenster herrschte noch immer tiefe Nacht.

Er kehrte nach Hause zurück.

Nach so vielen Jahren ohne Verbindung zu seiner Familie war er nicht sicher, was er erwarten sollte. Zweifellos würde sein Bruder ihn verachten, aber das spielte keine Rolle. Sakir wollte einfach nur den Zuschlag für dieses Projekt bekommen und damit seinem ältesten Bruder, dem Sultan von Emand, beweisen, dass er sich geirrt hatte, als er dachte, Sakir würde außerhalb seines Heimatlandes nichts zustande bringen.

Sakir schaltete die Deckenbeleuchtung aus und beobachtete dann in der Dunkelheit, wie der Rauch von seiner Zigarre aufstieg – und die Form eines weiblichen Körpers annahm.

Die dazugehörige Frau schlief jetzt in seinem Bett.

Und sie war seine Frau.

Er nahm einen weiteren Zug von der Zigarre. Nein, sie war nicht seine Frau. Sie war seine Geschäftspartnerin. Und so sollte es auch bleiben.

Keine Frau würde jemals wirklich seine Frau sein.

Seit er damals Emand verlassen hatte, war Sakir kalt und hart geworden. Er wollte nur eines: arbeiten und Erfolg haben, sich sein eigenes Imperium aufbauen. Wenn er gewisse Bedürfnisse verspürte, nahm er sich eine Geliebte, aber niemals gab er sich einer Frau wirklich hin.

Vor seinem geistigen Auge sah er noch einmal Rita, und er spürte wieder ihre Lippen, als er sie kurz nach der Trauung geküsst hatte. Sie hatte mehr gewollt. Sakir wusste genau, wie die Lippen einer Frau sich anfühlten, wenn diese ihn begehrte, und er hätte ihr zu gerne gegeben, was sie wollte. Aber er konnte es nicht tun, niemals. Sie war seine wertvollste Mitarbeiterin, er konnte sich völlig auf sie verlassen und ihr vertrauen. Auf keinen Fall würde er dulden, dass seine Arbeit unter seinen erotischen Bedürfnissen litt.

Sein Diener betrat lautlos den Raum. „Brauchen Sie noch etwas, Hoheit?“

Die Frau, die in seinem Bett lag.

„Nein.“

Der Diener verschwand. Sakir saß schweigend in der Dunkelheit und rauchte.

5. KAPITEL

Der Flughafen von Emand glich einem Bienenstock. Touristen und Einheimische drängten sich am Gepäckkarussell und versuchten freie Taxis zu ergattern.

Für Rita Thompson allerdings, beziehungsweise für Rita Al-Nayhal, war alles ganz einfach. Der Scheich und seine Frau wurden von einem Dutzend Leibwächter und Bediensteter empfangen, die bereit waren, ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

Nur zehn Minuten nach der Landung saßen Rita und Sakir in zwei getrennten Limousinen. Rita hatte wenig Zeit, deswegen schockiert zu sein, denn innerhalb weniger Sekunden wurde die Wagentür geöffnet, und Sakir stieg ein. Er trug einen weißen Kaftan mit goldener Verzierung. Sein Gesicht war wie versteinert.

Einer der Leibwächter, ein großer Mann mit dunklen Augen und olivfarbener Haut, stand an der noch offenen Tür. „Eure Hoheit, vielleicht sollten Sie das besser nicht tun.“

„Ich habe nicht um diesen Empfang gebeten“, entgegnete Sakir, und es war ihm anzuhören, dass er verärgert war. „Ich bin nicht als Staatsgast hierhergekommen.“

„Ja, Eure Hoheit, ich verstehe, aber, Sie wissen, Ihre Königliche Hoheit …“

Sakir bedachte den Mann mit einem Blick, der ihn automatisch einen Schritt zurückweichen ließ. „Ich weiß nur, dass mein Bruder hier seine Hand im Spiel hat. Und das akzeptiere ich nicht.“ Sakir beugte sich vor und zog die Tür zu. „Fahren Sie los“, kommandierte er.

Rita beobachtete Sakir, als sie durch die Straßen der Stadt fuhren. Sein Gesicht war nahezu regungslos, als er seinen Aktenkoffer öffnete und einige Papiere herausholte. Schon in seinem Büro in Texas hatte Sakir sich stets als äußerst konzentrierter, gewissenhafter Geschäftsmann gezeigt, aber hier, in seinem Land, erschien er ihr geradezu wie erstarrt in seiner Professionalität. Er schien dringend ein bisschen Auflockerung zu brauchen.

„Weißt du, Sakir, ich fühle mich wirklich geschmeichelt“, begann sie vorsichtig.

„Wieso das?“

„Nun ja, du wolltest in meiner Limousine mitfahren und nicht in deiner eigenen.“

Er blickte kurz von seinen Papieren auf. „Es ist hier Tradition, dass Mitglieder des Königshauses getrennt von ihren Frauen und Kindern fahren.“

Rita lächelte schelmisch. „Ich mag Männer, die Tabus brechen.“

Der Hauch eines Lächelns glitt über sein Gesicht, und sein Blick wurde ein ganz klein wenig weicher. „Ich bin in deinen Wagen gestiegen, weil ich meiner Familie gegenüber etwas klarstellen muss. Ich gehöre nicht mehr zu ihnen.“

„Zu deiner Familie oder zum Königshaus?“

„Beides.“ Die Antwort kam kurz und knapp.

„Auf die Gefahr hin, dass es dir nicht gefällt, Sakir, aber sieh dir das nur an.“ Sie deutete auf die Dinge um sich herum. „Luxuslimousine, Privatjet, Bodyguards – ich fürchte, du wirst niemals etwas anderes sein als ein Prinz.“

Ein Muskel an seinem Unterkiefer zuckte. „Ich bin zwar als Prinz geboren, Rita, aber ich gehöre nicht mehr dazu.“

„Heißt das, ich werde deinen Bruder gar nicht kennenlernen?“

Mittlerweile hatten sie die Stadt verlassen und fuhren durch eine Wüstenlandschaft.

„Du wirst ihm wohl begegnen, das wird sich nicht vermeiden lassen.“

Der Gedanke schien ihm unangenehm zu sein. Rita fragte sich, was wohl geschehen war zwischen Sakir und seiner Familie, dass er Emand verlassen und die Menschen, die ihm am nächsten standen, aus seinem Herzen verbannt hatte.

„Hast du noch andere Verwandte außer deinem Bruder?“, wollte sie wissen.

„Ich habe einen Neffen.“

Rita war überrascht. „Dein Bruder ist verheiratet?“

„Nein. Er hat nur einen Sohn. Die Frau wollte das Kind nicht. Finanzielle Unabhängigkeit war ihr wichtiger.“

„Das hört sich ja schrecklich an. Wie kann eine Mutter ihr Kind nicht wollen?“

Sakir sagte nichts dazu, sondern fuhr mit seiner Erklärung fort. „Zayad hat sie für dieses Kind reichlich entschädigt.“

Rita erschien so etwas unvorstellbar. Diese Frau hatte sich ihr Kind abkaufen lassen. Zum Glück hatte der Vater es bei sich aufgenommen. So etwas war längst nicht selbstverständlich. „Dein Bruder scheint ein großzügiger Mann zu sein.“

Sakirs Blick verdüsterte sich. „Vielleicht sollten wir jetzt einmal über das höfische Protokoll sprechen.“

„Das Gespräch wird dir wohl zu persönlich?“, fragte sie scherzhaft und hoffte, die Stimmung würde sich langsam entspannen.

„Stimmt.“ Sakir lächelte sie vielsagend an. „Aber ich habe damit gerechnet, dass es irgendwann zwischen uns persönlich wird.“

Schmetterlinge im Bauch, dachte sie. Hm, so ein Gefühl hatte sie seit Jahren nicht mehr gehabt. „Du hast gerade vom Protokoll gesprochen.“

Sakir nickte. „Du bist meine Frau, Rita. Das bedeutet hier nicht dasselbe wie in Amerika.“

„Hat es etwas mit der Kleidung zu tun?“ Besorgt strich Rita über ihr Kleid. Es war aus blauer Seide. „Muss ich etwas Traditionelleres anziehen?“

„Nein. Du siehst …“, er ließ den Blick über ihren Körper gleiten, „… sehr schön aus. Dieses Kleid passt ganz fantastisch zur Farbe deiner Augen.“

Sie spürte, wie ihre Wangen sich erhitzten. „Danke.“

„Nein“, sagte er, ohne den Blick von ihr zu lösen. „Es geht um das Verhalten.“

Sie lachte amüsiert. „Ich werde nicht vor dir knicksen oder deine Füße küssen, Sakir. Vergiss es.“

„Ich würde niemals verlangen, dass du meine Füße küsst, Rita.“

„Gut zu wissen.“

Und wieder schaute er sie geheimnisvoll und undurchdringlich an. Ihr wurde ganz heiß unter diesem Blick. Wie schaffte er das nur? Wie konnte er sie mit einem einzigen Blick so schwach werden lassen? Das war nicht fair.

„Was also soll ich tun?“, fragte sie und räusperte sich unauffällig.

„Ich wünsche nur, dass du mich respektvoll behandelst, das ist alles.“

„Natürlich. Und du wirst es umgekehrt auch tun?“

Er nickte und schaute sie dabei nachdenklich an.

Rita wusste plötzlich nicht mehr, was sie noch sagen oder fragen sollte, und blickte aus dem Fenster – und hatte das Gefühl, ihr Herz würde stehen bleiben. „Du liebe Güte!“

„Was ist los?“

„Was los ist?“ Sie deutete an Sakir vorbei. „Schau dir das an. So ein Hotel habe ich noch nie gesehen, einfach unglaublich.“

Es musste der Geist aus Aladins Wunderlampe gewesen sein, der diesen wundervollen Palast durch Zauberei geschaffen hatte. Inmitten der rauen, zerklüfteten Wüstenlandschaft lag auf einer Anhöhe eine riesige Festung. Unzählige Türme und Türmchen mit vergoldeten Kuppeln ragten hoch in den Himmel. Die Balkons waren überdacht und hatten kunstvoll geschmiedete, vergoldete Balustraden. Die gesamte Fassade glänzte in allen Schattierungen von Gold bis Terrakotta. „Es sieht aus wie aus einem Märchen“, sagte Rita ehrfürchtig.

Sakir blickte nicht einmal über die Schulter. „Das ist kein Hotel.“

„Was? Aber es kann doch nur …“

„Es ist das Heim meiner Familie, Rita.“

Sie starrte ihn ungläubig an. „Das ist nicht dein Ernst.“

„Doch.“

„Aber es ist so wunderschön und …“

„Und?“

Sie lachte. „Nun ja, so unglaublich groß für die wenigen Personen, die darin leben.“

„Es ist sehr komfortabel“, bemerkte Sakir achselzuckend.

Sie lachte wieder, diesmal über seine Gleichgültigkeit. „Komfortabel“, sagte sie. „Und bequem. Genau wie der Privatjet, nicht wahr?“

„Genau wie der Privatjet.“

Rita schüttelte den Kopf. „Ich verstehe das nicht. All das hast du hinter dir gelassen, um in Texas zu leben?“

„Ich habe das hinter mir gelassen, was sich darin befindet.“

Rita war plötzlich hellwach und neugierig geworden. Was er sagte, klang so geheimnisvoll und düster. Mehr als alles auf der Welt wünschte sie, sie könnte erfahren, was zwischen Sakir und seiner Familie geschehen war. Aber sie bezweifelte, dass er ihr das jemals anvertrauen würde. Er war viel zu stolz, um ihr seine Narben zu offenbaren. Aber vielleicht könnte sie ja versuchen, ein wenig an der Oberfläche zu kratzen.

„Eines verstehe ich nicht, Sakir.“

„Was willst du wissen?“

„Du willst nicht hier dazugehören – zu diesem höfischen Leben –, aber trotzdem wohnen wir im Palast?“

Sakir seufzte. „Das entspricht keineswegs meinen Wünschen. Es gibt genug Plätze, wo wir wohnen könnten. Aber im Hinblick auf unsere Kunden ist der Palast, fürchte ich, die einzige Möglichkeit. Sie sind sehr traditionell eingestellt und würden nicht verstehen, wenn ich im Hotel wohnen würde. Das würde ihr Vertrauen in mich stark erschüttern.“

„Du bist also bereit, deine Prinzipien über Bord zu werfen, um diesen Auftrag zu bekommen?“

Sakirs Augen glühten plötzlich vor Zorn. „Sprich du nicht von Prinzipien. Hast du nicht selbst nur zum Schein eine komplette Hochzeitsfeier auf die Beine gestellt, nur wegen deiner Schwester?“

„Das ist etwas anderes.“

„Was soll daran anders sein?“

„Es war ein Opfer. Damit sie glücklich wird.“

„Du hast dabei viele Menschen belogen, also ebenfalls Prinzipien über Bord geworfen, oder etwa nicht? Meinst du, das sei etwas anderes, nur weil es angeblich zu einem guten Zweck geschieht?“

„Ist ja schon gut.“ Rita blickte Sakir direkt ins Gesicht. „Und wen machst du mit diesem Auftrag glücklich, außer dich selbst?“

Seine Nasenflügel bebten. „Das könntest du niemals verstehen.“

„Oh, ich denke, ich verstehe sehr gut“, gab sie zurück. Sie spürte instinktiv, dass Sakir nicht nur deshalb hier war, weil er einen dicken Auftrag an Land ziehen wollte. Allerdings war sie auch ziemlich sicher, dass er sich das selbst nicht eingestand.

„Ich merke schon, du möchtest diskutieren. Normalerweise würde ich mich gern darauf einlassen.“ Sein Blick war jetzt fast eisig, er ...

Autor

Meredith Webber
Bevor Meredith Webber sich entschloss, Arztromane zu schreiben, war sie als Lehrerin tätig, besaß ein eigenes Geschäft, jobbte im Reisebüro und in einem Schweinezuchtbetrieb, arbeitete auf Baustellen, war Sozialarbeiterin für Behinderte und half beim medizinischen Notdienst.
Aber all das genügte ihr nicht, und sie suchte nach einer neuen Herausforderung, die sie...
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Lynne Graham
<p>Lynne Graham ist eine populäre Autorin aus Nord-Irland. Seit 1987 hat sie über 60 Romances geschrieben, die auf vielen Bestseller-Listen stehen. Bereits im Alter von 15 Jahren schrieb sie ihren ersten Liebesroman, leider wurde er abgelehnt. Nachdem sie wegen ihres Babys zu Hause blieb, begann sie erneut mit dem Schreiben....
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