Julia Saison Band 76

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KINDER, KÜSSE, KERZENSCHEIN von CAROLINE ANDERSON
Eine schöne Bescherung! Als Jake die Tür zu seinem Haus öffnet, herrscht dort fröhliches Chaos: Zwei süße Kinder und eine wildfremde, wunderhübsche Frau dekorieren seine Villa mit Tannenzweigen. Jake ist entsetzt – aber wegschicken kann er die kleine Familie ja wohl kaum, oder?

KÜSS MICH, WÄRM MICH – LIEBE MICH von CHRISTINE PACHECO
Romantische Weihnachten? Das ist nichts für Meghan! Bis ihr ein mächtiger Schneesturm einen Motorradfahrer beschert: Kyle Murdoch klopft an die Tür ihres Cottages. So sexy und männlich in seiner schwarzen Lederkluft, dass Meghan plötzlich an das Fest der Liebe glaubt …

BLEIB DOCH BIS ZUM NEUEN JAHR von LINDSAY ARMSTRONG
Als Merryn hört, dass auch ihr Adoptivbruder Brendan Grey über Weihnachten erwartet wird, möchte sie am liebsten aus Brisbane fliehen. Seit der Kinderzeit schwärmt sie für ihn, der in ihr immer nur die kleine Schwester sah. Wird er sehen, wie sehr sie sich verändert hat, und endlich ihre Gefühle erwidern?


  • Erscheinungstag 28.10.2023
  • Bandnummer 76
  • ISBN / Artikelnummer 9783751519854
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Caroline Anderson, Christine Pacheco, Lindsay Armstrong

JULIA SAISON BAND 76

1. KAPITEL

„Ich muss mit dir reden.“

Mit einem unguten Gefühl drehte sich Amelia zu ihrer Schwester um. Sie hatte den Streit gehört, die schroffen, kalten Worte ihres Schwagers, das Knallen der Türen und dann Lauras Schritte auf der Treppe. Sie wusste, was kommen würde.

Nur leider wusste sie nicht, wie sie damit umgehen sollte.

„Es funktioniert so nicht“, sagte sie ruhig.

„Nein.“ Laura wirkte hilflos und verunsichert, aber gleichzeitig schien sie erleichtert, dass Amelia es ihr so einfach machte. Wieder einmal. „Es liegt nicht an mir … sondern an Andy. Vielleicht doch auch an mir. Es sind die Kinder. Sie … rennen ständig herum, das Baby schreit die ganze Nacht, und Andy ist müde. Er wollte sich über Weihnachten ausruhen und jetzt … Es ist nicht ihre Schuld, Millie, aber wir sind Kinder einfach nicht gewöhnt. Und dann noch der Hund … Es tut mir leid, aber …könntest du nach Weihnachten so schnell wie möglich eine andere Unterkunft für euch finden?“

Amelia legte die Wäsche beiseite, die sie gerade sortierte, und stand auf. Sie würde nirgendwo bleiben, wo sie – nein, ihre Kinder – nicht erwünscht waren! „Du musst dich nicht entschuldigen. Es ist eine schreckliche Zumutung für euch. Mach dir keine Sorgen, wir verschwinden sofort. Ich packe nur unsere Sachen zusammen, dann sind wir weg.“

„Ich dachte, du wüsstest nicht, wohin?“

Das wusste sie auch nicht. Außerdem fehlte ihr das Geld, um eine Unterkunft zu bezahlen, aber das war ja nicht die Schuld ihrer Schwester. „Mach dir keine Sorgen“, wiederholte sie. „Wir fahren zu Kate.“

Allerdings wohnte ihre Freundin in einem winzigen Cottage, das kaum genug Platz für sie und ihre eigene Tochter bot. Auf keinen Fall konnten sie dort zu viert mit Hund unterkommen. Aber das wusste Laura nicht, die erleichtert aufatmete.

„Ich helfe dir beim Packen“, bot sie hastig an und verließ das Zimmer – wahrscheinlich um das Haus nach Spuren vom Aufenthalt ihrer ungebetenen Gäste abzusuchen. Müde lehnte sich Amelia an die Wand und kniff verzweifelt die Augen zusammen, um ihre Tränen zurückzuhalten. Zwei Tage vor Weihnachten.

Kurze, dunkle, chaotische Tage, in denen sie kaum eine Unterkunft finden würde, ganz zu schweigen von einer Arbeit, um dafür zu bezahlen. Und um alles noch schlimmer zu machen, gab es gerade einen für die Jahreszeit ungewöhnlichen Kälteeinbruch. So könnten sie im Notfall nur im Auto schlafen, wenn sie den Motor laufen ließ, aber dafür reichte das Benzin nicht. Wenn sie Glück hatte, war gerade noch so viel im Tank, dass sie wenigstens hocherhobenen Hauptes von hier wegfahren konnte.

Ihr Stolz war das Einzige, was ihr noch blieb, darum war das wichtig für sie.

Sie holte tief Luft, hob die Babysachen auf und begann planlos einzupacken. Dann hielt sie inne. Sie musste Prioritäten setzen: Die Sachen, die sie in den nächsten 24 Stunden brauchten, in eine Tasche, den Rest in eine andere, die sie später sortieren konnte, wenn sie ankamen, wo auch immer sie hinfuhren. Schnell packte sie die Babysachen und ihre eigenen, bevor sie das Zimmer betrat, das sich Kitty und Edward teilten, um deren Kleidung und Spielzeug einzupacken. Resolut verdrängte sie jeden weiteren Gedanken an ihre Situation.

Darüber konnte sie später nachdenken. Jetzt musste sie erst einmal die Kinder und ihre Sachen einsammeln und hier wegkommen, bevor sie zusammenbrach. Mit ihren Taschen ging sie nach unten und stellte sie in der Eingangshalle ab, bevor sie das sogenannte Familienwohnzimmer betrat. Dort lagen ihre Kinder bäuchlings auf dem Boden und sahen fern.

Zum Glück saß der Hund diesmal nicht auf dem Sofa, sondern zwischen den beiden.

„Kitty? Edward? Kommt her und helft mir dabei, eure Sachen einzupacken. Wir fahren jetzt Kate und Megan besuchen.“

„Jetzt?“ Edward drehte sich zu ihr um und sah sie skeptisch an. „Es ist doch fast Mittagszeit.“

„Fahren wir zum Mittagessen zu Kate?“, fragte Kitty begeistert.

„Ja, das wird eine Überraschung.“ Zumindest für Kate, dachte Amelia, während sie die Kinder durch das Haus scheuchte, um die letzten Spuren ihres kurzen, aber ereignisreichen Besuchs zu beseitigen.

„Warum nehmen wir alle unsere Sachen mit, wenn wir nur zum Mittagessen zu Kate und Megan fahren?“, fragte Kitty, aber Edward lenkte sie schnell ab. Zum Glück. Er war erst acht Jahre alt, aber ohne ihn wäre sie verloren.

In der Küche begegneten sie Laura, die Amelia verlegen einen Beutel reichte.

„Ich habe die Flaschen für das Baby gefunden“, sagte sie. „Es war auch eine im Geschirrspüler.“

„Danke. Ich muss nur noch den Kleinen holen und sein Bett zusammenklappen, dann bist du uns los.“

Schnell ging sie nach oben. Armer Thomas. Wimmernd kuschelte er sich an sie, als sie ihn hochnahm. Mit einer Hand klappte sie sein Reisebett zusammen und trug es nach unten. Ihre Sachen standen an der Tür. Würde Andy aus seinem Arbeitszimmer kommen und ihnen helfen, alles ins Auto zu packen? Nein, die Tür blieb fest verschlossen.

Auch gut. So musste sie wenigstens nicht höflich sein.

Sie setzte das Baby in seine Babyschale. Die kalte Luft gefiel ihm gar nicht, und Thomas protestierte lautstark. Dann belud sie den Kofferraum und schnallte Kitty und Edward an, bevor sie ihren letzten Rest Stolz zusammenkratzte, sich umdrehte und ihrer Schwester in die Augen sah.

„Danke, dass wir hier sein durften. Es tut mir leid, dass es so schwierig war.“

Laura verzog das Gesicht. „Oh, nicht doch. Es tut mir so leid, Millie. Ich hoffe, es regelt sich alles. Hier, die sind für die Kinder.“ Sie reichte ihr eine Tüte mit wunderschön eingepackten Geschenken. Und wahrscheinlich waren sie auch so teuer, dass sie unmöglich mithalten konnte. Aber darum ging es eigentlich nicht, darum nahm sie die Tüte.

„Danke. Ich fürchte, ich bin noch nicht dazu gekommen, für euch …“

„Das ist egal. Ich hoffe, ihr findet bald ein schönes Zuhause. Und … nimm das bitte. Ich weiß, das Geld ist im Moment knapp bei dir, aber vielleicht reicht es für die erste Monatsmiete oder die Kaution …“

Sie starrte auf den Scheck. „Laura, ich kann nicht …“

„Doch. Bitte! Wenn es sein muss, zahl’ es mir zurück, aber nimm es. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“

Achtlos stopfte Amelia ihn in ihre Tasche. „Ich zahle es dir so schnell wie möglich zurück.“

„Wenn du kannst. Frohe Weihnachten.“

Erstaunlich, dass sie noch lächelnd erwidern konnte: „Euch auch.“ Hastig stieg sie ins Auto, stellte die Geschenktüte in den Fußraum des Beifahrersitzes neben Rufus und schloss die Tür, bevor ihre Schwester sie vielleicht noch umarmte. Dann startete sie den Motor und fuhr los.

„Mummy, warum nehmen wir unsere ganzen Weihnachtsgeschenke und Rufus und das Babybett und alles mit, wenn wir nur zum Mittagessen zu Kate und Megan fahren?“, fragte Kitty verwirrt.

Verfluchte Laura. Verfluchter Andy. Und verdammter David. Sie setzte ein Lächeln auf, bevor sie sich zu ihrer kleinen Tochter umdrehte. „Wir bleiben nicht bei Tante Laura und Onkel Andy, darum fahren wir nach dem Essen woanders hin“, erklärte sie.

„Warum? Mögen sie uns nicht?“

Autsch. „Natürlich mögen sie uns“, log sie, „aber sie brauchen etwas Abstand.“

„Und wo fahren wir hin?“

Das war eine gute Frage, nur konnte Amelia sie nicht beantworten …

Es war ein unheilvolles Geräusch.

Jake wusste sofort, was es bedeutete. Sein Mund wurde trocken, und sein Herz begann zu rasen. Vorsichtig warf er einen Blick über die Schulter, bevor er sich fluchend umdrehte und auf seinen Skiern den Berg seitlich hinunterfuhr. Mit seinen Stöcken nahm er Fahrt auf und schoss nach unten, schnell weg von der Lawine, die bedrohlich näherkam.

Die aufgewirbelte Pulverschneewolke hüllte ihn ein und nahm ihm die Sicht, während ihn das tosende, dröhnende Monster langsam einholte. Der Schnee unter seinen Skiern bebte, während das Schneefeld, das die Seite des Gebirgskamms bedeckte, zusammenbrach und ins Tal donnerte.

Er fuhr blind und betete, dass er noch immer die richtige Richtung eingeschlagen hatte; hoffte, dass er die kleine Baumgruppe bereits hinter sich gelassen hatte, denn wenn er bei dieser Geschwindigkeit einen Baum erwischte, konnte das tödlich enden …

Es endete nicht tödlich, wie er herausfand. Nur unglaublich schmerzhaft. Jake prallte gegen einen Baum und spürte, wie er vom Schnee hochgehoben und weitergetragen wurde – nach unten, zu den Felsen am Ende des Schneefeldes.

Verdammt.

Schnell löste er seinen Lawinenairbag aus, dann traf er auf die Felsen …

„Kannst du zum Mittag noch ein paar mehr unterbringen?“

Kate warf einen Blick auf die kleine Schar, dann öffnete sie die Tür weit und winkte sie herein. „Was ist denn los?“, fragte sie und musterte Amelia besorgt.

„Wir sind zum Essen hier“, erzählte Kitty, noch immer verwirrt. „Und dann suchen wir einen Ort zum Wohnen. Tante Laura und Onkel Andy wollen uns nicht haben. Mummy sagt, sie brauchen Abstand, aber ich glaube, sie mögen uns nicht.“

„Aber natürlich mögen sie euch, Liebling. Sie sind nur sehr beschäftigt.“

Kates Blick schweifte von Kitty, den Hund an der Seite, zu Edward, der stumm dastand, und wieder zurück zu Amelia. „Nettes Timing“, sagte sie ausdruckslos, als sie verstand, was nicht gesagt wurde.

„Wem sagst du das“, murmelte Amelia. „Hast du eine gute Idee für mich?“

Trocken lachte Kate auf und reichte den älteren Kindern einen Beutel mit Schokoladenmünzen vom Weihnachtsbaum. „Hier, teilt euch die, während Mummy und ich uns unterhalten. Megan, teil sie gerecht auf, aber gib Rufus keine Schokolade.“

„Ich teile immer gerecht! Kommt, wir zählen ab … Und Rufus, du bekommst nichts!“

Kate verdrehte die Augen und zog Amelia in die Küche. Dort setzte sie den Wasserkessel auf und sah sie fragend an. „Nun?“

Amelia wiegte Thomas in ihren Armen. „Sie sind nicht gerade auf Kinder eingerichtet. Selbst haben sie keine, und ich bin mir nicht sicher, ob sie einfach noch nicht so weit sind, oder ob sie generell keine wollen.“

„Und deine waren dann zu viel für sie?“

Sie lächelte angespannt. „Thomas zahnt gerade. Und dann ist auch noch der Hund aufs Sofa gesprungen.“

„Ah ja.“ Kate warf einen Blick auf das müde, quengelnde Baby und verzog mitfühlend das Gesicht. „Oh Millie, es tut mir so leid“, murmelte sie. „Ich kann nicht glauben, dass sie euch vor Weihnachten rausgeworfen haben!“

„Haben sie nicht. Sie wollten, dass ich danach eine neue Bleibe suche, aber …“

„Aber …?“

Amelia zuckte die Schultern. „Mein Stolz hat das nicht zugelassen“, erklärte sie stockend. „Und jetzt stehen meine Kinder zu Weihnachten auf der Straße. Wie soll ich einen Vermieter davon überzeugen, mir ein Haus zu überlassen, bevor ich eine neue Stelle vorweisen kann? Und wenn meine Bewerbungen weiter so einen durchschlagenden Erfolg haben wie bisher, wird das noch dauern. Ich könnte David dafür umbringen, dass er den Unterhalt nicht zahlt“, sagte sie verzweifelt.

„Tu das … ich sage vor Gericht zu deinen Gunsten aus“, antwortete Kate finster, dann lehnte sie sich gegen die Arbeitsfläche, verschränkte die Arme und kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe. „Ich frage mich …“

„Was?“

„Du könntest Jakes Haus haben“, sagte sie schließlich leise. „Das ist mein Chef. Ich würde ja sagen, ihr könnt hierbleiben, aber meine Eltern und meine Schwester kommen, und wir haben so schon kaum Platz. Aber Jakes Haus hat unglaublich viele Zimmer, und er ist bis Mitte Januar verreist. Über Weihnachten schließt er jedes Jahr einen Monat lang das Büro, gibt allen Angestellten drei Wochen bezahlten Urlaub und verlässt noch vor der Büroparty das Land. Ich habe die Schlüssel, weil ich auf sein Anwesen aufpassen soll. Es ist ein fantastisches Haus, wie gemacht für Weihnachten, und es steht im Moment einfach nur leer.“

„Wird er nichts dagegen haben?“

„Jake? Nein! Das wäre ihm egal. Ihr richtet doch keinen Schaden an, oder? Es ist schon Hunderte Jahre alt und hat alles Mögliche überlebt. Was könntet ihr da schon anrichten?“

Welchen Schaden? Allein bei dem Gedanken bekam Amelia Panik. „Das kann ich nicht …“

„Sei nicht dumm. Wo willst du sonst hin? Außerdem ist es bei der Kälte ohnehin besser für das Haus, wenn die Heizung läuft und das Feuer brennt. Jake wird dankbar sein, wenn er es erfährt, und außerdem ist er unglaublich großzügig. Es würde ihn freuen, dass ihr dort unterkommt. Wirklich!“

Amelia zögerte, aber Kate schien absolut überzeugt, dass es ihm nichts ausmachen würde. „Dann ruf ihn an“, gab sie schließlich nach. „Aber sag ihm, dass ich Miete bezahle, sobald ich das kann.“

Ihre Freundin schüttelte den Kopf. „Ich habe seine Nummer nicht. Aber ich weiß, dass er Ja sagen würde.“

Amelias Mut sank. „Dann können wir dort nicht bleiben. Nicht ohne zu fragen …“

„Wirklich Millie, es ist in Ordnung. Er würde eher sterben, als euch über Weihnachten auf der Straße stehen zu lassen, und er würde kein Geld von dir annehmen. Glaub mir, er hätte nichts dagegen.“

Noch immer zögerte sie, musterte Kate ganz genau, aber falls sie doch unsicher war, zeigte sie es nicht.

„Bist du wirklich sicher?“

„Absolut. Der Kühlschrank wird allerdings leer sein, den hat seine Haushälterin bestimmt ausgeräumt, aber ich kann dir Brot und ein paar andere Sachen mitgeben. Außerdem findest du in der Tiefkühltruhe und den Schränken bestimmt etwas, womit ihr zurechtkommt, bevor du es ersetzen kannst. Nach dem Essen fahren wir hin und bringen euch unter. Du wirst es lieben!“

„Was lieben?“, fragte Kitty zweifelnd, die mit schokoladenverschmiertem Mund zu ihnen kam.

„Das Haus meines Chefs. Er ist verreist und borgt es euch.“

„Wirklich?“, fragte Amelia leise, aber Kate zuckte nur lächelnd die Schultern.

„Das würde er zumindest, wenn er es wüsste … Gut, erst Mittag essen und dann fahren wir!“

Es war wirklich ein fantastisches Haus.

Ein wunderschönes, altes Herrenhaus im Tudorstil, das zuerst zu einer Farm, dann zu einem kleinen Hotel und schließlich zu einem Country Club gehört hatte, bevor Jake es gekauft und sein Büro hierher nach Berkshire verlegt hatte, erklärte Kate. Er selbst wohnte im Haus, während sein Büro in den ehemaligen Gebäuden des Country Clubs auf der anderen Seite des alten, ummauerten Küchengartens untergebracht war. Außerdem gab es einen Swimmingpool, eine Sauna sowie ein Squashfeld, erzählte sie, als sie in der breiten Schotterauffahrt hielten, und die Angestellten und ihre Familien durften alle Einrichtungen nutzen.

Ein weiterer Beweis seiner Großzügigkeit.

Aber es war das Haus, das Amelia anzog – aus rotem Backstein mit einer wunderschönen Veranda. Als Kate die riesige, schwere Eichentür öffnete, die die Narben unzähliger Generationen trug, und sie in die große Eingangshalle hineinwinkte, verstummten sogar die Kinder.

„Wow“, staunte Edward schließlich nach einer Weile.

Sprachlos schaute Amelia sich um. Zu ihrer Linken befand sich eine herrliche alte Eichentreppe, und von der weiten Halle gingen mehrere schöne, alte Türen ab, die zu den wichtigsten Räumen führen mussten.

Andächtig strich sie mit der Hand über den Treppenpfosten, dessen prächtige Schnitzereien durch die Hände unzähliger Generationen fast abgetragen worden waren. Sie konnte sie beinahe spüren, die Jungen, die Alten, die Kinder, die hier über die Jahrhunderte geboren, alt geworden und gestorben waren, behütet und beschützt von diesem fantastischen alten Haus. Auch wenn es albern war, aber als sich die Haustür hinter ihnen schloss, hatte sie das Gefühl, das Haus würde sie in sein Herz aufnehmen.

„Kommt, ich zeige euch schnell alles“, sagte Kate. Sie bog in den linken Korridor, und alle folgten ihr überwältigt. Wie reich war dieser Mann eigentlich?

Als Kate eine Tür öffnete und sie einen großen und geschmackvoll eingerichteten Salon mit einem Erkerfenster betraten, das den Blick auf einen riesigen Park ermöglichte, bekam Amelia ihre Antwort, und ihr blieb der Mund offen stehen.

Ohne Zweifel unglaublich reich.

Und trotzdem war er verreist und ließ dieses herrliche Haus allein, um Weihnachten auf einer Skipiste zu verbringen.

Sie spürte einen Kloß im Hals. Ihr tat der unbekannte Mann leid, der sein Haus so liebevoll eingerichtet hatte und trotzdem nicht zu der Jahreszeit darin wohnen wollte, zu der es besonders einladend sein musste.

„Warum?“, fragte sie Kate verwirrt. „Warum verreist er?“

Ihre Freundin zuckte die Schultern. „Das weiß eigentlich niemand. Zumindest spricht niemand darüber. Ich bin seit etwa drei Jahren seine persönliche Assistentin, seit er sein Geschäft von London hierher verlegt hat, aber er spricht nicht über sich selbst.“

„Wie traurig.“

„Traurig? Nein, nicht Jake. Er ist eher verrückt. Aber seine ausgefallenen Ideen funktionieren meistens, und außerdem ist er ein sehr aufmerksamer Chef. Zum Beispiel fragt er immer nach Megan. Man weiß zwar kaum etwas über ihn, aber ich glaube nicht, dass er traurig ist. Ich denke, er ist einfach ein Einzelgänger und fährt gern Ski. Kommt, schaut euch den Rest an.“

Vorbei an all den wunderschönen alten Türen, die Kate eine nach der anderen öffnete, um ihnen die Zimmer zu zeigen, gingen sie zurück in die Halle.

Es gab ein Esszimmer mit einem riesigen Tisch und eichenverkleideten Wänden; ein kleines Wohnzimmer mit einem Plasmafernseher, Wänden voller Bücherregale und abgenutzten Ledersofas – das musste sein ganz persönlicher Rückzugsort sein. Im vorderen Teil des Hauses lag sein Arbeitszimmer, das sie nicht betraten, und ein Raum, den Kate den Frühstücksraum nannte – riesig, aber genauso ungezwungen wie das kleine Wohnzimmer, mit rustikalen Eichendielen und einem riesengroßen Esstisch, der die Spuren unzähliger Generationen trug und einfach für ein Familienleben gemacht war.

Die Küche, die davon abging, war genauso dafür gemacht – oder, um im großen Stil Gäste zu unterhalten. Sie war geräumig, mit Schränken in zartem Blau, dicken Arbeitsflächen aus geöltem Holz, einem glänzenden, weißen Aga-Herd und einer Kücheninsel mit Granitarbeitsfläche, vor der Hocker standen. Es war die Küche ihrer Träume, und sie verschlug ihnen allen den Atem.

Stumm schauten sich die Kinder um, Edward stand bewegungslos da, während Kitty ehrfürchtig über den polierten schwarzen Granit mit den winzigen Goldsprenkeln im Stein strich. Ihr Sohn erholte sich als Erster wieder.

„Dürfen wir wirklich hierbleiben?“, fragte er schließlich, als er seine Stimme wiederfand.

Ungläubig schüttelte Amelia den Kopf. „Ich glaube nicht.“

„Doch, natürlich!“

„Kate, wir können nicht …“

„Unsinn! Es ist doch nur für ein, zwei Wochen. Kommt, schaut euch die Schlafzimmer an.“

Mit Thomas auf dem Arm ging Amelia mit ihrer Freundin die leise knarrende Treppe hinauf. Die Kinder folgten ihnen ehrfürchtig und hörten Megan zu, die davon erzählte, wie sie dieses Jahr hier übernachtet hatten.

„Das ist Jakes Zimmer“, erklärte Kate, als sie daran vorbeigingen. Neugier machte sich in Amelia breit. Wie sein Schlafzimmer wohl aussah? Üppig? Asketisch?

Nein, dieser Mann war ein überaus sinnlicher Mensch, wurde ihr klar, als sie die Vorhänge in dem Schlafzimmer berührte, in das Kate sie führte. Reine, gefütterte Seide, die wärmte und das luxuriöse Gefühl des gesamten Hauses widerspiegelte. Auf keinen Fall asketisch.

„Die Zimmer sind alle so – bis auf ein paar im Dachgeschoss, die einfacher eingerichtet sind“, erzählte Kate. „Ihr könnt es euch aussuchen, aber ich würde die Zimmer oben nehmen. Sie sind schöner.“

„Wie viele sind es denn?“, fragte sie benommen.

„Zehn. Sieben mit Bad, davon fünf auf dieser Etage und zwei darüber, und dann noch drei im Dachgeschoss, die sich ein Bad teilen. Er hat oft Geschäftskunden hier, die das Haus einfach lieben. Viele wollten es ihm schon abkaufen, aber er lehnt immer lachend ab.“

„Das kann ich mir vorstellen. Oh Kate, was, wenn wir etwas kaputt machen?“

„Das werdet ihr nicht. Der letzte Übernachtungsgast hat Kaffee auf dem Schlafzimmerteppich verschüttet, und Jake hat ihn einfach reinigen lassen.“

Amelia machte sich erst gar nicht die Mühe, darauf hinzuweisen, dass der letzte Gast eingeladen gewesen war – und wahrscheinlich ein Freund oder von wirtschaftlichem Interesse für ihren unbekannten Gastgeber.

„Können wir uns das Dachgeschoss ansehen? Die einfacheren Räume? Das scheint eher etwas für uns zu sein.“

„Sicher. Megan, zeig doch Kitty und Edward dein Lieblingszimmer!“

Aufgeregt rannten die beiden Megan hinterher, und Amelia nahm Kate am Arm. „Wir können hier nicht bleiben, ohne ihn zu fragen“, sagte sie drängend mit leiser Stimme. „Es wäre total unhöflich – und ich weiß einfach, dass etwas kaputt gehen wird.“

„Sei nicht albern. Komm, ich zeige dir mein Lieblingszimmer. Es ist wunderschön, du wirst es lieben. Megan und ich haben hier geschlafen, als unsere Rohre letzten Februar eingefroren waren, und es war herrlich. Das Zimmer hat ein fantastisches Bett.“

„Das haben sie alle.“

In allen Gästezimmern standen Himmelbetten mit schweren, geschnitzten Bettpfosten und seidenen Baldachinen.

Bis auf die drei Zimmer, die Kate ihr jetzt zeigte. Im ersten gab es ein großes Bett mit einem Gestell aus Messing und Eisen; das ganze Zimmer war einfacher und weniger furchteinflößend eingerichtet, auch wenn die Qualität der Möbel genauso gut war, und im angrenzenden Zimmer stand ein antikes Kinderbett, das sicher und einladend wirkte.

Das ist offensichtlich als Kinderzimmer gedacht und wäre perfekt für Thomas, dachte Amelia wehmütig. Daneben lag ein Doppelzimmer mit zwei schwarzen Eisenbetten, ebenfalls einfacher eingerichtet. Dort saßen Megan und Kitty auf den Betten und hüpften kichernd auf und ab, während Edward danebenstand und vorgab, zu alt für diesen Unsinn zu sein, aber trotzdem sehnsüchtig zuschaute.

„Wir könnten hier oben schlafen“, stimmte Amelia schließlich zu. „Und den Tag unten im Frühstückszimmer verbringen.“ Selbst die Kinder würden diesen alten Tisch nicht kaputtkriegen.

„Es gibt noch ein Spielzimmer – kommt mit!“, rief Megan und stürmte los, die anderen beiden dicht auf ihren Fersen. Amelia folgte ihnen. Wo der Flur breiter wurde, standen große Sofas und ein Fernseher, und es gab unzählige Bücher und jede Menge Spielzeug.

„Er hat diesen Bereich für Leute eingerichtet, die mit ihren Kindern herkommen, damit sie sich entspannen können“, erklärte Kate lächelnd. „Siehst du, er hat wirklich nichts gegen Kinder in seinem Haus. Warum hätte er das sonst eingerichtet?“

Ja, warum? Es gab sogar ein Treppenschutzgitter aus Eichenholz, das an das Geländer zurückgeklappt war.

„Ich helfe euch, alles hochzubringen“, sagte Kate. „Los Kinder, helft mit. Ihr könnt auch einige eurer Sachen tragen.“

Sie mussten nur einmal gehen. Viel hatten sie nicht, denn die meisten ihrer Sachen waren eingelagert und warteten darauf, dass Amelia ein neues Zuhause für sie finden würde. Diesmal hoffentlich bei einem Vermieter, der sie nicht bei der ersten Gelegenheit vor die Tür setzte.

Als alles verstaut war, ließ sie Rufus aus dem Auto und ging mit ihm ein wenig auf dem Rasen neben der Auffahrt spazieren. Der arme kleine Hund war verwirrt, aber solange sie und die Kinder dabei waren, war er ganz brav. Tränen stiegen ihr in die Augen.

Hätte David seinen Willen bekommen, wäre der Hund wegen gesundheitlicher Probleme eingeschläfert worden. Doch so bemühte sie sich, die Beiträge für seine Hundekrankenversicherung zu begleichen, ohne die sie sich einen Tierarzt niemals hätte leisten können. Und das wäre für Rufus das Ende.

Aber das durfte nicht passieren. Der kleine Cavalier King Charles Spaniel, den sie als Welpen gerettet hatte, war in den letzten schrecklichen Jahren für ihre Kinder ein Rettungsanker gewesen, und sie schuldete ihm viel. Darum wurde seine Versicherung bezahlt, selbst wenn das bedeutete, dass sie kaum etwas zu essen hatte.

„Mummy, es ist schön hier.“ Kitty griff mit ihrer kleinen, kalten Hand nach der ihrer Mutter. „Können wir nicht für immer hierbleiben?“

Das wäre fantastisch, dachte Amelia, während sie Kitty lächelnd durch die blonden Locken wuschelte. „Nein, Liebling, aber wir bleiben bis nach Weihnachten, und dann finden wir ein anderes Haus.“

„Versprochen?“

„Versprochen.“ Hoffentlich machte das Schicksal keine Lügnerin aus ihr …

Jake bekam keine Luft.

Für einen Augenblick dachte er, er wäre trotz des Lawinenairbags verschüttet worden. In diesem flüchtigen Moment überwältigte ihn Angst, bis er erkannte, dass er mit dem Gesicht im Schnee lag.

Seine Beine steckten in der erstarrten Lawine fest, aber nahe der Oberfläche, und sein Körper lag zum größten Teil darauf. Unbeholfen drehte er den Kopf, und ein brennender Schmerz schoss ihm durch die Schulter in den linken Arm. Verdammt! Vorsichtig versuchte er es erneut. Er atmete tief ein, öffnete die Augen und sah Tageslicht. Zumindest den letzten Rest davon, denn es wurde langsam dunkel.

Er konnte seine Arme vom Schnee befreien und schüttelte den Kopf, um besser sehen zu können, bereute es aber sofort. Einen Moment verharrte er, bis der Schmerz nachließ, dann begann er in der Stille des schwindenden Lichts zu rufen.

Nach gefühlten Stunden hörte er wie durch ein Wunder Stimmen.

„Hilfe!“, rief er erneut und winkte, dabei blendete er den Schmerz aus.

Und es kam Hilfe in Form von zwei großen, kräftigen jungen Männern, die ihn aus dem Schnee befreiten. Himmel, ihm tat alles weh, besonders aber sein linker Arm und das linke Knie. Damit musste er den Baum oder die Felsen erwischt haben. Nein, ich habe mich an dem Baum verletzt, erinnerte er sich, aber die Felsen hatten sicherlich auch nicht gerade gutgetan. Bestimmt hatte er unzählige Prellungen.

„Können Sie auf den Skiern nach unten fahren?“, fragten sie ihn, und er bemerkte, dass er noch immer die Skier an den Füßen hatte. Die Bindungen hatten gehalten. Jake stand auf, belastete vorsichtig sein linkes Bein und zuckte zusammen, aber es trug sein Gewicht, und das rechte Bein war in Ordnung. Er nickte. Vorsichtig hielt er den linken Arm an die Brust gedrückt, während er den beiden langsam vom Berg hinunter ins Dorf folgte.

Dort angekommen wurde er sofort ins Krankenhaus gebracht, wo man ihn gründlich untersuchte. Es schien ewig zu dauern, bis sein Arm endlich in einem vorläufigen Gipsverband ruhiggestellt war und er eine dicke Spritze bekam, die ihn selig einschlummern ließ.

2. KAPITEL

Amelia weigerte sich, Kate die Heizung anstellen zu lassen.

„Es ist gut so“, protestierte sie. „Glaub mir, es ist nicht kalt.“

„Aber die Heizung steht nur auf Frostschutz!“

„Das reicht. Wir sind daran gewöhnt. Bitte, ich möchte wirklich nicht darüber streiten. Wir ziehen einfach noch einen Pullover mehr an.“

„Dann mach aber wenigstens den Kaminofen an“, gab Kate seufzend nach. „Neben der Hintertür liegt ein großer Haufen Holzscheite.“

„Ich kann doch nicht einfach seine Holzscheite nehmen! Die sind teuer!“

Ihre Freundin lachte nur. „Nicht, wenn man einige Hektar Wald besitzt. Er hat mehr Holzscheite, als er verbrauchen kann. Alle Angestellten nutzen sie. Ich nehme auch jeden Abend welche mit, wenn ich nach Hause fahre, und verbrenne sie über Nacht. Wirklich! Du kannst die Kinder nicht im Kalten sitzen lassen, Millie. Nutz das Holz.“

Also zündete sie ein Feuer an, stellte das schwere, schwarze Kamingitter davor, und die Kinder und Rufus machten es sich auf dem Teppich bequem und schauten fern, während sie schnell etwas Einfaches zum Abendessen zubereitete. Sogar Thomas war brav und aß, ohne das Essen über den ganzen Raum zu verteilen oder das Haus zusammenzuschreien. Schließlich entspannte sich Amelia.

Als nachts der Wind auffrischte und das alte Haus knackte und knarrte, schien es beinahe, als würde es zur Ruhe kommen, den Kragen gegen den Wind hochschlagen und die Arme fest um sie schließen, damit sie es alle warm hatten.

Was für eine alberne Vorstellung.

Aber es fühlte sich wirklich so an, und als sie am nächsten Morgen auf Zehenspitzen die Treppe hinunterschlich, um nach dem Feuer zu sehen, bevor die Kinder aufwachten, fand sie Rufus tief und fest schlafend auf dem kleinen Teppich vor dem Kaminofen. Als er sie hörte, hob er den Kopf und wedelte mit dem Schwanz. Sie nahm ihn hoch und drückte ihn. Tränen der Erleichterung stiegen ihr in die Augen, denn zum ersten Mal seit Monaten hatte sie das Gefühl, mit ihren Kindern in Sicherheit zu sein – auch wenn es nur für ein paar Tage war.

Das Feuer glomm noch, darum legte sie Holz nach und kochte sich einen Tee, während sie Rufus kurz in den Garten ließ. Dann nutzte sie die Ruhe und setzte sich zu ihm an den Kamin, um ihren Tee zu trinken und die nächsten Schritte zu planen.

Sie musste die Arbeitsvermittlungen abklappern. Welche Chance hatte sie sonst? Ohne Arbeit konnte sie kein Haus mieten. Außerdem brauchten sie etwas zu essen. Vielleicht ein kleines Hühnchen? Das könnte sie braten, und mit ein paar Würstchen wäre es günstiger als ein Truthahn und würde genauso gut schmecken. Das wenige Geld, das sie noch hatte, musste so lange wie möglich reichen.

Wenn sie an die kostspieligen Weihnachtsfeste dachte, die sie mit David in der Vergangenheit gefeiert hatten, die großzügigen Geschenke, das verschwenderische Essen, fragte sie sich, ob sich die Kinder betrogen fühlten. Aber er hatte sie regelmäßig im Stich gelassen, darum würden sie es bestimmt wegstecken.

Seufzend stand Amelia auf und spülte ihre Tasse aus, bevor sie nach oben ging, um den Tag zu beginnen. Für die Kinder war es wirklich schwierig, die vielen Veränderungen verunsicherten sie. Vielleicht half Lauras Scheck dabei, schneller ein Zuhause zu finden – auch wenn sie ihr jeden Cent zurückzahlen musste, sofern sie ihren Stolz bewahren wollte.

Den Vormittag telefonierte sie herum, um ein Zuhause für sie zu finden, aber der nächste Tag war Heiligabend, und kein Makler wollte ihr vor den Feiertagen etwas zeigen. Die Arbeitsvermittlungen waren auch nicht hilfreicher. Im Moment schien niemand eine Übersetzerin zu suchen, darum verschob sie ihre Suche bis nach Weihnachten und ging mit den Kindern auf dem Grundstück spazieren. Rufus schnüffelte aufgeregt und hatte seinen Spaß, während Kitty und Edward kreischend und kichernd umhertobten.

Hier beschwerte sich niemand über ihr fröhliches Kinderlachen. Langsam entspannte sich Amelia und genoss den Tag.

„Mummy, können wir einen Weihnachtsbaum haben?“, fragte Edward, als sie mittags zum Haus zurückgingen.

Das würde bedeuten, dass sie Geld für einen Baum und den nötigen Schmuck ausgeben müsste. Dafür konnte sie Lauras Geld nicht anrühren. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist“, antwortete sie ausweichend und schob dem unbekannten Jake die Schuld in die Schuhe. Resolut verdrängte sie ihre Schuldgefühle, denn sie hatte es satt, ihren Kindern sagen zu müssen, dass sie manche Sachen nicht haben konnten, weil ihr charakterloser, desinteressierter Vater sich weigerte zu zahlen. „Das Haus gehört uns nicht, und du weißt doch, wie sehr die Bäume nadeln. Vielleicht hat der Besitzer etwas dagegen.“

„Bestimmt nicht! Ganz bestimmt nicht! Jeder hat doch einen Weihnachtsbaum!“, erklärte Kitty geduldig.

„Aber wir haben keinen Baumschmuck, und wo sollen wir jetzt noch einen Baum herbekommen?“, erwiderte Amelia. Würde sie damit durchkommen? Sie hasste es, ihre Kinder schon wieder enttäuschen zu müssen.

Eine Weile gingen sie schweigend weiter, dann blieb Edward plötzlich stehen. „Wir könnten einen basteln!“, rief er aufgeregt. Seine Augen glänzten. „Und als Schmuck nehmen wir Tannenzapfen und Beeren! Im Wald gab es doch so viele davon – und da waren doch auch Zweige, die ein bisschen wie Weihnachtsbaumzweige ausgesehen haben. Die könnten wir nach dem Essen holen und zusammenbinden und so tun, als ob sie ein Baum sind. Wenn wir sie mit Tannenzapfen und Beeren schmücken, sieht es doch fast wie ein Baum aus. Und wenn wir nur ein paar nehmen, hat er bestimmt nichts dagegen …“

„Aber vielleicht …“

„Nein, wird er nicht! Mummy, er hat uns sein Haus geborgt!“, unterbrach Kitty sie ernst, und nicht zum ersten Mal fühlte sich Amelia unwohl.

Aber die Kinder hatten recht, alle hatten einen Baum, und welchen Schaden richteten ein paar abgeschnittene Zweige und Tannenzapfen schon an? Und vielleicht noch ein paar Beeren …

„In Ordnung“, stimmte sie zu, „wir basteln einen kleinen Baum.“ Also zogen sie nach dem Essen noch einmal los und holten Zweige, Tannenzapfen und Beeren.

„So!“, rief Edward zufrieden, als er seinen Stapel Zweige an der Hintertür fallen ließ. „Jetzt können wir anfangen!“

Nur der Gedanke an zu Hause ließ Jake die höllische Fahrt überstehen.

Sein himmlisch bequemes altes Ledersofa, eine Flasche 15-jähriger Single-Malt-Whisky und – genauso wichtig – die Schmerztabletten in seiner Reisetasche.

In seinem Zustand nach oben ins Bett zu gehen, war unmöglich. Sein Knie brachte ihn um – es war nicht so schlimm wie beim letzten Mal, als er sich die Bänder im anderen Knie verletzt hatte, aber es reichte. Jetzt wollte er sich nur noch hinlegen – je früher, desto besser. Es war dumm gewesen, so schnell nach dem Unfall zu reisen; er war am ganzen Körper grün und blau, aber Weihnachten stand kurz bevor, und alle im Dorf waren deswegen so aufgeregt gewesen, dass er einfach dringend dort wegmusste, jetzt, wo er seinen inneren Dämonen nicht mehr auf Skiern davonlaufen konnte.

Nicht, dass er das jemals geschafft hätte, obwohl er es immer wieder versuchte. Aber diesmal hatte er beinahe alles verloren, und tief im Inneren erkannte er, dass es vielleicht an der Zeit war, nach Hause zu fahren und sein Leben weiterzuleben – dort konnte er sich zumindest ablenken.

Er hörte, wie die Autoreifen auf dem Schotter knirschten, und öffnete die Augen. Endlich zu Hause! Als das Taxi in der Abenddämmerung vor dem Haus hielt, überreichte er dem Fahrer eine Unmenge Geld, stieg mit einem schmerzhaften Ächzen aus dem Auto aus und ging langsam zur Tür.

Dort stockte er.

In der Auffahrt stand ein Auto, das er nicht kannte, und im Haus brannte Licht. Sowohl im Dachgeschoss als auch auf der Treppe.

„Wo sollen die hin, Meister?“, fragte der Taxifahrer und deutete auf seine Koffer.

„Hier rein, bitte“, sagte er, schloss die Tür auf und schnupperte. Es roch nach Holzfeuer. Aus dem Frühstückszimmer drang Licht, und es war … Gelächter zu hören? Kinderlachen?

Seine Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Bitte nicht! Nicht ausgerechnet heute, wo er sich nur in einer Ecke verkriechen und vergessen wollte …

„Bitte sehr, Meister. Frohe Weihnachten.“

„Ihnen auch“, antwortete er. Leise schloss er die Tür hinter dem Taxifahrer und starrte betäubt auf das Frühstückszimmer. Was zum Teufel war hier los? Das konnte nur Kate sein – niemand sonst hatte einen Schlüssel, und das Haus glich Fort Knox. Sie musste mit Megan und einem Freund vorbeigekommen sein, um nach dem Haus zu sehen – aber es klang nicht so, als würden sie Blumen gießen. Es klang eher, als ob sie Spaß hatten.

Oh Himmel, bitte nicht heute …

Jake humpelte zur Tür, drückte sie vorsichtig auf und blieb dann wie erstarrt stehen.

Es herrschte das reinste Chaos.

Vor dem Kamin saßen zwei Kinder auf dem Boden in einem Durcheinander von Grünzeug und banden vorsichtig Beeren an einige ramponiert aussehende Zweige, die von der Koniferenhecke hinter dem Country Club stammen mussten. Doch es war die Frau, die auf dem Tisch stand, der er sofort seine ganze Aufmerksamkeit zuwandte.

Groß und schlank, mit blondem Haar, das sich leicht aus ihrem Pferdeschwanz löste, und in einer Jeans, die schon bessere Tage gesehen hatte, streckte sie sich und band noch einen dieser Zweige an den schweren Eisenring der Lampe über dem Esstisch. Diese provisorische Weihnachtsdekoration trug nicht gerade zur Verschönerung des Raums bei.

Er hatte sie noch nie gesehen, sonst würde er sich an sie erinnern, da war er sich sicher. Also wer zum Teufel …?

Verärgert presste Jake die Lippen zusammen, aber dann bückte sie sich und gewährte ihm einen guten Blick auf ihren runden Po, über dem sich die Jeans spannte, und plötzlich spürte er unerwünschtes Verlangen.

„Es ist so schade, dass Jake nicht hier ist, wo wir das doch so schön machen“, sagte das kleine Mädchen.

„Warum verreist er überhaupt?“, fragte der Junge.

„Ich weiß es nicht“, antwortete die Frau mit einer weichen, melodischen Stimme.

„Hat Kate nichts gesagt?“

Kate. Natürlich steckt sie dahinter, dachte er. Am liebsten würde er ihr für ihr miserables Timing den Hals umdrehen.

Wenn er zwei gesunde Hände hätte … was im Moment nicht der Fall war.

„Er geht Ski fahren.“

„Ich hasse Ski fahren“, antwortete der Junge. „Hier, ich habe noch einen fertig.“

Schnell stand er auf und drehte sich dabei zufällig um. Als er Jake entdeckte, erstarrte er.

„Dann gib ihn mir“, sagte die Frau und griff suchend hinter sich.

„Ähm … Mum …“

„Liebling, gib mir den Zweig, ich kann nicht ewig auf dem Tisch stehen.“

Schließlich drehte sie sich zu ihrem Sohn um, folgte seinem Blick und riss erschrocken die Augen auf. „Oh!“

„Mummy, brauche ich noch mehr Beeren, oder reicht das so?“, fragte das kleine Mädchen, aber Jake hörte sie kaum.

„Shh, Kitty, Liebling“, sagte die Frau leise und kletterte hastig vom Tisch runter. Mit einem zaghaften Lächeln kam sie auf ihn zu. „Ähm … ich schätze, Sie sind Jake Forrester?“, fragte sie mit zittriger Stimme, und er wappnete sich gegen ihren verzweifelten Blick.

„Da haben Sie einen Vorteil“, murmelte er trocken, „denn ich habe keine Ahnung, wer Sie sind oder warum Sie in meiner Abwesenheit mein Haus mit Grünzeug zupflastern …“

Peinlich berührt errötete sie. „Ich kann das erklären …“

„Sparen Sie sich die Mühe, es interessiert mich nicht. Räumen Sie einfach diesen … Plunder auf und verschwinden Sie.“

Er drehte sich auf dem Absatz um. Das war keine gute Idee, denn sein Knie protestierte schmerzhaft, aber der Schmerz befeuerte nur noch seine Wut. Aufgebracht humpelte er ins Arbeitszimmer, nahm das Telefon und rief Kate an.

„Millie?“

„Das ist also ihr Name.“

„Jake?“, rief Kate überrascht. „Was machst du denn zu Hause?“

„Es gab eine Lawine, und ich stand ihr im Weg. Ich scheine Gäste zu haben. Würdest du mir das bitte erklären?“

„Oh Jake, es tut mir so leid, ich kann dir das erklären …“

„Fantastisch! Du hast 10 Sekunden, also lass dir was Gutes einfallen.“ Ächzend ließ er sich in seinen Sessel fallen und hörte, wie Kate tief Luft holte.

„Millie ist eine Freundin von mir, die in letzter Zeit großes Pech hatte. Erst ist ihr Ex nach Thailand verschwunden und weigert sich, Unterhalt zu zahlen, dann hat sie ihren Job verloren und ihr Haus, und gestern hat ihre Schwester sie rausgeworfen.“

„Pech. Sie packt gerade, ich schlage also vor, dass du einen anderen Trottel findest, der sie und ihre Kinder aufnimmt, damit ich hier meine Ruhe habe, während mir alles wehtut. Und glaub ja nicht, dass das damit erledigt ist.“

Er beendete das Gespräch und warf das Telefon auf seinen Schreibtisch. Als er den Kopf hob, sah er die Frau – Millie – mit hochrotem Kopf in der Tür stehen.

„Bitte lassen Sie es nicht an Kate aus, sie wollte uns nur helfen.“

Jake unterdrückte ein verächtliches Schnauben und sah sie herausfordernd an, die Schmerzen halfen nicht gerade dabei, seinen Sarkasmus zu mildern. „Sie scheinen weder Ihren Mann, noch Ihre Arbeit oder Ihr Haus halten zu können – sogar Ihre Schwester will Sie nicht. Ich frage mich, warum. Was haben Sie an sich, dass jeder Sie loswerden will?“

Sie zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen, und wurde blass. Leichte Schuldgefühle machten sich in ihm breit, die er aber resolut unterdrückte.

„Wir sind in einer halben Stunde verschwunden. Ich muss nur noch unsere Sachen packen. Was soll ich mit der Bettwäsche machen?“

Bettwäsche? Er warf sie aus dem Haus, und sie machte sich darüber Gedanken?

„Lassen Sie sie einfach, wo sie ist. Ich möchte Sie nicht unnötig aufhalten.“

Sie richtete sich kerzengerade auf; er konnte sehen, dass sie zitterte. „Richtig. Ähm … gut.“

Hastig drehte sie sich um und floh in Richtung Frühstückszimmer, ließ ihn mit seinen Schuldgefühlen allein. Seufzend ließ er sich im Sessel zurücksinken, sein ganzer Körper schien schmerzhaft zu pochen. Als er den Blick hob, bemerkte er den Jungen.

„Es tut mir wirklich leid“, sagte der Kleine mit erhobenem Kinn, seine Augen wirkten in dem schmalen, blassen Gesicht riesig. „Bitte seien Sie nicht böse auf Mummy. Sie wollte uns nur ein schönes Weihnachten machen. Sie dachte, wir bleiben bei Tante Laura, aber Onkel Andy wollte uns dort nicht haben. Er sagt, das Baby lässt ihn nicht schlafen …“

Auch noch ein Baby? Lieber Gott, das wurde ja immer besser.

„… und der Hund riecht, und er ist auf das Sofa gesprungen, und das hat ihn sehr wütend gemacht. Ich habe gehört, wie sie sich gestritten haben. Und dann hat Mummy gesagt, wir besuchen Kate, und Kate hat gesagt, wir sollen hierherkommen, weil Sie ein netter Mann sind, und dass es Ihnen nichts ausmachen würde, weil Sie Kinder mögen, sonst hätten Sie das Spielzimmer im Dachgeschoss nicht eingerichtet.“

Da ging ihm die Luft aus.

Jake starrte den Jungen vor sich sprachlos an. Kate dachte, er sei nett? Das musste sie geträumt haben.

Aber der verletzte Blick des Kindes berührte etwas tief in ihm, das Jake nicht ignorieren konnte. Er konnte sie nicht so kurz vor Weihnachten in die Kälte schicken. Selbst er war kein solcher Unmensch.

Aber nicht nur der alte Ebenezer Scrooge hat Geister, und das Letzte, was ich über Weihnachten brauche, ist ein Haus voller Kinder, dachte Jake mit einem Anflug von Panik. Und dann auch noch ein Baby und … einen Hund?

Das musste ein seltsamer Hund sein, denn er hatte nicht gebellt und war auch nicht zu sehen. Oder war er alt und taub?

Nein, das nicht, aber es war auch kein richtiger Hund, bemerkte er, als er den Blick in den schwach beleuchteten Flur schweifen ließ. Hinter dem Jungen entdeckte er ein kleines rot-weißes Fellbündel, das unsicher mit dem Schwanz wedelte und ihn hoffnungsvoll ansah.

Ein kleiner Spaniel, genau wie der, den seine Großmutter einmal gehabt hatte. Er hatte diesen Hund geliebt – aber deswegen würde er sich nicht von diesen verdammten Hundeaugen einwickeln lassen!

Unsicher trat der Junge von einem bestrumpften Fuß auf den anderen, aber gab trotzdem nicht auf. Würden seine Rippen nicht so schmerzen, hätte Jake vor Frust schreien können.

„Wie heißt du?“

„Edward. Edward Jones.“

Ein schöner, ehrlicher Name. Wie das Kind, dachte Jake. Oh verdammt! Er seufzte innerlich, als er spürte, wie seine Abwehr nachgab. Schließlich konnte der Junge nichts dafür, dass er mit seinen Erinnerungen nicht zurechtkam … „Wo ist deine Mutter, Edward?“

„Ähm … sie packt. Ich soll die Zweige wegräumen, aber ich komme nicht an die Lampe heran, darum muss ich warten, bis sie runterkommt.“

„Könntest du sie bitte für mich holen und dann auf deine Geschwister aufpassen, während wir uns unterhalten?“

Der Junge nickte, rührte sich aber nicht von der Stelle. Unsicher kaute er auf seiner Unterlippe.

Jake seufzte leise. „Was ist?“

„Sie werden aber nicht gemein sein zu ihr, oder? Sie versucht nur, sich um uns zu kümmern, und sie fühlt sich so schuldig, weil Dad uns kein Geld gibt, darum können wir uns nie etwas Schönes kaufen, aber das ist wirklich nicht ihre Schuld …“

„Hol sie einfach, Edward“, unterbrach er ihn sanft. „Ich werde auch nicht gemein sein.“

„Versprochen?“

Was tat er hier eigentlich? Er sollte sie loswerden, bevor er noch den Verstand verlor! „Versprochen.“

Der Junge lief los, aber der Hund blieb da und wimmerte leise. Jake hielt ihm seine Hand hin und rief ihn zu sich. Vorsichtig wedelte er mit dem Schwanz und kam näher, setzte sich aber etwas von ihm entfernt hin.

Sehr klug, dachte Jake. Er war wirklich in keiner guten Stimmung, aber daran war der Hund nicht schuld. Außerdem hatte er dem Jungen versprochen, nicht gemein zu seiner Mutter zu sein.

Zumindest nicht gemeiner, als er schon gewesen war. Verärgert presste er die Lippen zusammen. Er würde sich entschuldigen müssen – bei einer Frau, die ohne Erlaubnis in sein Haus gezogen war und seine Pläne, sich einfach zu verkriechen und seine Wunden zu lecken, komplett zerstört hatte.

Verdammt.

„Mummy, er will mit dir reden.“

Amelia sah auf, während sie blindlings ihre Sachen in eine Tasche stopfte. „Ich glaube, er hat schon alles gesagt, was er zu sagen hatte“, antwortete sie knapp. „Hast du unten aufgeräumt?“

„Ich komme nicht an die Lampe, aber alles andere habe ich nach draußen gebracht. Vom Boden habe ich auch alles aufgehoben. Fast alles. Mummy, er will wirklich mit dir reden. Er hat mich gebeten, dir das zu sagen und dann auf meine Geschwister aufzupassen, während ihr euch unterhaltet.“

Nun, das klingt wenig verlockend, dachte sie, und ihr Mut sank. Ein verbaler Angriff war schlimm genug, auf eine Wiederholung konnte sie gut verzichten.

„Bitte, Mummy. Das hat er wirklich gesagt … und er hat versprochen, dass er nicht gemein ist zu dir.“

Sie kniff die Augen zusammen und zählte bis 10. Was hatte Edward ihm bloß erzählt? Dann stand sie auf und streckte die Arme nach ihm aus. Sofort rannte er zu ihr und umarmte sie fest.

„Es wird alles gut, Mummy“, murmelte er. „Bestimmt.“

Wenn sie sich da nur auch so sicher wäre.

Widerwillig ließ sie ihn los und ging mit wild klopfendem Herzen über die herrliche Eichentreppe nach unten, durch die Halle mit dem dicken Teppich und klopfte leise an die geöffnete Tür des Arbeitszimmers.

Er saß mit dem Rücken zu ihr, aber bei ihrem Klopfen drehte er sich mit dem Sessel um und sah ihr in die Augen. Inzwischen hatte er seinen Mantel ausgezogen, und sie konnte sehen, dass sein linker Arm eingegipst war. Jetzt, wo ihm das Licht ins Gesicht schien, sah sie auch die Schramme auf seiner linken Wange und das blaue Auge.

Seine schwarzen glänzenden Haare trug er an den Seiten kurz, aber die obere Partie fiel ihm locker in die Stirn. Sie wirkten zerzaust, als wäre er immer wieder mit den Händen durchgefahren, und sein Kinn war dunkel vor Bartstoppeln. Er sieht übel zugerichtet aus, dachte Amelia und fragte sich, was er angestellt hatte.

Obwohl es keine Rolle spielte. Was auch immer vorgefallen war, hatte ihn nach Hause gebracht, und nur das betraf sie. Seine Verletzungen gingen sie nichts an.

„Sie wollten mich sehen“, sagte sie und wartete angespannt darauf, dass die Beleidigungen von vorn begannen.

„Ich schulde Ihnen eine Entschuldigung“, sagte er knapp. Überrascht blieb Amelia der Mund offen stehen, aber schnell schloss sie ihn wieder. „Ich war unverschämt, und dazu hatte ich kein Recht.“

„Das stimmt nicht ganz. Wir sind ohne Ihre Erlaubnis in Ihrem Haus“, entgegnete sie, „ich bin sicher, an Ihrer Stelle wäre ich genauso unhöflich gewesen.“

„Irgendwie bezweifle ich das, wenn man sieht, wie gut Sie Ihren Sohn erzogen haben. Er macht Ihnen alle Ehre.“

Sie schluckte schwer und nickte. „Danke. Er ist ein tolles Kind und hat schon viel durchgemacht.“

„Da bin ich sicher. Allerdings wollte ich nicht über Ihren Sohn sprechen. Sie können nirgendwohin, ist das richtig?“

Trotzig hob Amelia ihr Kinn. „Wir finden einen Ort.“ Sie hätte schwören können, dass ein Lächeln um seinen kräftigen, geschwungenen Mund spielte, bevor er ihn zusammenpresste.

„Haben Sie eine oder haben Sie keine geeignete Unterkunft, wo Sie mit Ihren Kindern über Weihnachten hinkönnen?“, fragte er mit einem harten Unterton in seiner warmen Stimme.

Kleinlaut schüttelte sie den Kopf.

„Keine, aber das ist nicht Ihr Problem.“

Nickend akzeptierte er ihre Worte, sagte dann aber: „Allerdings habe ich ein Problem, und das könnten Sie lösen. Ich war dumm genug, mich mit einer Lawine anzulegen und habe mir dabei das Handgelenk gebrochen. Ich kann schon nicht kochen, wenn ich gesund bin, und ich hole meine Haushälterin ganz sicher nicht aus ihrem wohlverdienten Urlaub, damit sie sich um mich kümmert. Aber Sie sind schon hier, können nirgendwo anders hin und sind vielleicht an einem Vorschlag interessiert.“

Hoffnung keimte in ihr auf. „Ein Vorschlag?“, fragte sie argwöhnisch. Jake nickte.

„Ich werde Sie nicht bezahlen – schließlich sind Sie ohne mein Wissen oder Einverständnis in mein Haus gezogen und haben sich ausgebreitet. Aber im Austausch für gewisse Pflichten bin ich bereit, Sie hier wohnen zu lassen, bis Sie nach Neujahr ein Zuhause gefunden haben. Können Sie kochen?“

Benommen nickte sie. „Ja, kann ich“, versicherte Amelia ihm. Hoffentlich konnte sie sich noch daran erinnern, wie das ging. Es war schon eine Weile her, seit sie etwas Aufwendigeres auf dem Tisch gehabt hatte, aber früher hatte sie es geliebt zu kochen.

„Gut, dann übernehmen Sie das Kochen, kümmern sich um den Haushalt und helfen mir bei den Dingen, die ich nicht schaffe … können Sie Auto fahren?“

Sie nickte erneut. „Ja, aber wenn Sie einen hübschen, kleinen Sportwagen besitzen, werden wir mit meinem Auto fahren müssen, weil die Kinder mitmüssen.“

„Es ist ein Audi A6, ein Automatik. Ist das ein Problem?“

„Nein“, antwortete sie zuversichtlich. David hatte auch einen gehabt. Allerdings mit einer Finanzierung, die, wie alles andere in den letzten Jahren, in die Hose gegangen war. „Sonst noch etwas? Irgendwelche Regeln?“

„Ja. Die Kinder können das Spielzimmer oben am Treppenabsatz benutzen, und Sie können die Schlafzimmer im Dachgeschoss behalten – ich vermute, Sie haben sich die drei mit den Patchworkdecken ausgesucht?“

Erstaunt sah Amelia ihn an. „Woher wissen Sie das?“

Sein Mund verzog sich zu einem ironischen Lächeln. „Sagen wir einfach, dass ich Menschen ganz gut einschätzen kann, und Sie sind leicht zu deuten. Sie können also das Dachgeschoss haben, und wenn Sie kochen, können die Kinder im Frühstückszimmer bei Ihnen sein.“

„… da ist noch der Hund“, fügte sie unnötigerweise hinzu, denn Rufus saß auf ihrem Fuß. Zu ihrer Überraschung verzog sich Jakes Mund zu einem echten Lächeln.

„Ja“, sagte er leise. „Der Hund. Meine Großmutter hatte auch so einen. Wie heißt er?“

„Rufus“, antwortete sie. Daraufhin wedelte der kleine Hund hoffnungsvoll mit dem Schwanz. „Bitte sagen Sie nicht, dass er nach draußen in einen Zwinger muss! Er ist schon alt, und es geht ihm nicht besonders gut, außerdem ist es draußen so kalt. Er macht auch keinen Ärger …“

„Millie … wofür steht das eigentlich?“

„Amelia.“

Er musterte sie eine Weile und nickte dann. „Amelia“, sagte er mit einer Stimme, die ihren Namen beinahe wie eine sanfte Berührung klingen ließ. „Natürlich kann der Hund im Haus bleiben … wenn er stubenrein ist.“

„Oh, das ist er. Meistens zumindest. Manchmal gibt es einen kleinen Unfall, aber nur, wenn es ihm schlecht geht.“

„Gut. Lassen Sie ihn nur nicht auf die Betten. Das wäre alles. Wenn Sie mir noch ein Glas holen könnten, den Malt Whisky und meine Reisetasche, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Danach lege ich mich aufs Sofa und schlafe erst mal.“

Vor Schmerz ächzend stand er auf und humpelte langsam auf sie zu.

„Sie haben ganz schön was abbekommen, stimmt’s?“, fragte sie leise. Daraufhin blieb er kurz vor ihr stehen und sah ihr aufmerksam in die Augen.

„Ja, Amelia, das habe ich … und ich könnte jetzt wirklich die Schmerztabletten brauchen. Wenn es Ihnen also nichts ausmacht …?“

„Sofort“, erwiderte sie und versuchte, sich daran zu erinnern, wie man atmete. Sie huschte an ihm vorbei in die Küche, füllte ein Glas mit Wasser und setzte den Wasserkessel auf. Dann machte sie ein Sandwich mit dem letzten Käse und zwei kostbaren Scheiben Brot, strich etwas Chutney, das sie im Kühlschrank gefunden hatte, auf den Käse und brachte es ihm.

„Ich dachte, Sie haben vielleicht Hunger“, erklärte sie, „Im Moment ist nichts anderes im Haus, aber Sie sollten die Schmerztabletten nicht auf leeren Magen nehmen.“

Seufzend schaute er sie vom Sofa aus an, auf dem er sich bereits ausgestreckt hatte. Trotz seines Gipsverbandes, der Prellungen und dem blauen Auge wirkte er nicht im Geringsten verletzlich. „Ist das so?“, fragte er trocken. „Wo ist der Whisky?“

„Sie sollten keinen Alkohol …“

„… zu den Schmerztabletten trinken“, beendete er frustriert ihren Satz. „Geben Sie mir die verdammten Schmerztabletten. Sie sind in meiner Reisetasche, vorderer Reißverschluss. Ich nehme sie mit Wasser.“

Sie holte sie und reichte sie ihm. „Wann haben Sie die letzten genommen? Man soll nicht mehr als sechs in 24 Stunden nehmen …“

„Habe ich Sie um medizinischen Rat gebeten?“, fauchte er, nahm ihr die Streifen aus der Hand und drückte mit seiner gesunden Hand umständlich zwei aus der Verpackung.

Definitiv nicht verletzlich. Nur unglaublich schlecht drauf. „Ich möchte nicht, dass mich Ihre Familie später verklagt, weil Sie an einer Überdosis gestorben sind“, erwiderte Amelia.

„Die Gefahr besteht nicht“, antwortete er tonlos. „Ich habe keine Familie. Gehen Sie jetzt bitte. Ich habe im Moment nicht die Ausdauer, mit einer vorlauten, eigensinnigen Frau zu diskutieren. Und bringen Sie mir den Whisky!“

„Ich habe Wasser aufgesetzt, für Tee oder Kaffee.“

„Sparen Sie sich die Mühe, ich will den Whis…“

„Essen Sie das Sandwich, dann überlege ich es mir“, unterbrach sie ihn. Dann verließ sie schnell das Zimmer und schloss die Tür hinter sich, bevor er seine Meinung änderte und sie doch noch alle hinauswarf …

3. KAPITEL

Edward wartete schon auf sie.

Er saß auf der obersten Treppenstufe und sah sie ängstlich an. „Und?“

„Wir bleiben hier“, antwortete Amelia lächelnd, obwohl sie es selbst noch nicht ganz glauben konnte. „Aber er möchte, dass wir hier oben bleiben und nur ins Frühstückszimmer gehen, wenn ich koche. Er braucht seine Ruhe, weil er einen Skiunfall hatte und verletzt ist.“

„Also kann ich meine Sachen wieder auspacken?“, fragte Kitty verwirrt, die mit einer vollgepackten Tasche zu ihnen kam.

„Ja, Liebling. Wir können alle auspacken, und dann gehen wir ganz leise nach unten und räumen die Küche auf, bevor ich das Abendessen koche.“

Es war nicht viel da, aber für Jake musste sie etwas Richtiges zubereiten. Wie sollte sie das aber ohne die nötigen Zutaten oder das Geld, um diese zu kaufen, schaffen? Ob sie im Gefrierschrank etwas finden würde?

„Ich bin ganz, ganz leise“, flüsterte Kitty und sah sie aus grauen Augen ernst an. Auf Zehenspitzen schlich sie mit der Tasche zurück in ihr Zimmer.

Leider stieß sie gegen den Türrahmen, die Tasche fiel ihr aus der Hand, und das Buch, das obenauf lag, polterte auf den Boden. Sie bekam ganz große Augen, und für einen schrecklichen Moment dachte Amelia, sie würde anfangen zu weinen.

„Es ist gut, Liebling, ganz so leise musst du nicht sein“, beruhigte sie ihre Tochter lächelnd. Edward, immer der Beschützer seiner kleinen Schwester, nahm seine eigene Tasche, ging zurück in ihr Zimmer und umarmte Kitty, bevor er ihr half, ihre Sachen wegzuräumen, während Amelia die Babysachen wieder auspackte.

Der Kleine schlief zum Glück noch, und sie musste bei dem friedlichen Anblick die Tränen wegblinzeln. Plötzlich hörte sie ein Auto kommen und ging zum Fenster. In der Einfahrt sah sie Kates Wagen.

Natürlich kam sie, um sie zu retten und mit Jake zu sprechen.

Der jetzt schlief.

„Pass bitte auf Thomas auf, ich lasse Kate herein“, sagte sie zu Edward und lief leise die Treppe nach unten. Sie kam gerade in der Eingangshalle an, als ihre Freundin die Tür öffnete.

„Oh Millie, es tut mir so leid, dass es so lange gedauert hat, aber Megan hat gerade gebadet, und ich musste erst ihre Haare trockenföhnen, bevor ich mit ihr in die Kälte konnte“, sagte sie hastig. „Wo sind die Kinder?“

„Oben. Es ist alles in Ordnung, wir bleiben. Megan, gehst du zu ihnen ins Dachgeschoss, während ich Mummy einen Kaffee koche?“

„Dafür habe ich keine Zeit, ich muss mit Jake sprechen … es ihm erklären … Was meinst du damit, dass ihr bleibt?“, fragte sie verblüfft.

„Schh. Er schläft. Geh nach oben, Megan, aber sei bitte leise, weil es Jake nicht gut geht.“

Megan nickte ernst. „Ich bin ganz leise“, flüsterte sie und lief die Treppe hinauf. Kate nahm Amelia am Arm, zog sie ins Frühstückszimmer und schloss die Tür hinter ihnen.

„Also, was ist los?“, fragte sie mit verzweifeltem Unterton. „Ich dachte, ihr habt schon alles gepackt und wollt fahren?“

Amelia schüttelte den Kopf. „Nein. Er hat sich das Handgelenk gebrochen und ist auch sonst ziemlich angeschlagen. Ich glaube, sein Knie hat auch etwas abbekommen, darum braucht er jemanden, der für ihn kocht und sich um ihn kümmert.“

Erstaunt sah ihre Freundin sie an. „Er stellt dich ein?“

Trocken lachte sie auf. „Nicht ganz.“ Sie erinnerte sich an seine unverblümten Worte. „Aber wir können hierbleiben. Als Gegenleistung helfen wir ihm; ich muss nur die Kinder von ihm fernhalten.“

„Und der Hund? Weiß er überhaupt von ihm?“

Amelia lächelte. „Anscheinend mag er ihn. Stimmt’s, Rufus?“, murmelte sie und kraulte seine Ohren. Er blieb ganz nah bei ihr. Wahrscheinlich spürte er, dass er sich benehmen musste. Ängstlich sah er sie an, und sie fühlte, wie er zitterte.

Als sie aufsah, starrte Kate sie sprachlos an. „Er mag den Hund?“

„Seine Großmutter hatte auch so einen. Von der Weihnachtsdekoration war er allerdings gar nicht begeistert“, fügte sie reumütig mit einem demonstrativen Blick auf die Lampe hinzu. „Komm, machen wir etwas zu trinken und bringen es den Kindern nach oben.“

„Er wollte da oben auch eine Küche einbauen“, erzählte Kate, während sie Wasser aufsetzte. „Nur eine kleine, um Getränke und Snacks zu machen, aber dazu ist er noch nicht gekommen. Schade, für dich wäre das jetzt praktisch gewesen.“

„Schon, aber ich muss die Kinder nur mit nach unten bringen, wenn ich koche. Uns geht es oben im Spielzimmer gut, und es verschafft uns eine kleine Atempause.“

„Gott sei Dank!“ Erleichtert lehnte sich Kate an die Arbeitsfläche und verschränkte die Arme. „Ich habe mich schon gefragt, was ich mit Jake machen soll – ich meine, ich könnte ihn über Weihnachten schlecht hier allein lassen, wenn er verletzt ist, aber bei mir wird es laut und chaotisch, also hätte ich ständig hin- und herfahren müssen … Du tust mir also einen Riesengefallen. Und man weiß ja nie, vielleicht habt ihr alle viel Spaß zusammen! Eigentlich …“

Abwehrend hob Amelia eine Hand. „Das glaube ich nicht“, erwiderte sie bestimmt, während sie sich an seine beißend sarkastischen ersten Worte erinnerte. „Aber wenn wir ihm aus dem Weg gehen, überleben wir es vielleicht alle.“

Sie reichte Kate eine Tasse, nahm ihre eigene und zögerte dann. Egal, wie unhöflich und sarkastisch er auch gewesen war, er war ein menschliches Wesen und verdiente allein deshalb Rücksicht. Außerdem war er verletzt und erschöpft und konnte wahrscheinlich nicht klar denken. „Ich sollte nach ihm sehen“, sagte sie und stellte ihre Tasse wieder weg. „Er hat von Malt Whisky gesprochen.“

„Und? Mach dir keine Sorgen, er trinkt nicht viel.“

„Aber zu Schmerztabletten?“

„Oh. Welche waren das?“

„Keine Ahnung – auf jeden Fall ziemlich starke. Keine, die ich kenne.“

„Himmel! Wo ist er?“

„Nebenan im kleinen Wohnzimmer.“

„Ich werde …“

„Nein, lass mich. Er war ziemlich sauer.“

„Meinst du, ich habe ihn noch nie so erlebt?“, fragte Kate amüsiert.

Gemeinsam öffneten sie leise die Tür, bis sie ihn ausgestreckt auf dem Sofa sehen konnten. Ein Bein baumelte über den Rand, sein Gipsa...

Autor

Lindsay Armstrong

Lindsay Armstrong wurde in Südafrika geboren, und bis heute fasziniert sie der Kontinent sehr. Schon als kleines Mädchen wusste sie, was sie später machen wollte: Sie war entschlossen, Schriftstellerin zu werden, viel zu reisen und als Wildhüterin zu arbeiten.

Letzteres ist ihr zwar nicht gelungen, aber noch immer ist sie...

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Caroline Anderson

Caroline Anderson ist eine bekannte britische Autorin, die über 80 Romane bei Mills & Boon veröffentlicht hat. Ihre Vorliebe dabei sind Arztromane. Ihr Geburtsdatum ist unbekannt und sie lebte die meiste Zeit ihres Lebens in Suffolk, England.

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Christine Pacheco
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