Leidenschaftliches Spiel mit dem Feuer

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Für einen entscheidenden Deal braucht Geothermie-Unternehmer Ari Valdasson dringend Unterstützung. Die einzige Person, die infrage kommt, ist ausgerechnet Vertragsverhandlerin Diana North – jene Frau, die ihn nach einer unvergesslich heißen Nacht mit seinem eigenen Bruder betrogen hat! Fest entschlossen, ihr diesmal zu widerstehen, holt er sie nach Island – ins Land aus Feuer und Eis. Doch stärker als jede Vernunft ist das gefährliche Verlangen, das er in ihrer Nähe verspürt. Bald steht mehr als die Zukunft seiner Firma auf dem Spiel. Viel mehr …


  • Erscheinungstag 25.11.2025
  • Bandnummer 2729
  • ISBN / Artikelnummer 9783751535236
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Emmy Grayson

Leidenschaftliches Spiel mit dem Feuer

1. KAPITEL

Diana

Er wartet auf mich.

Die geschwungene Lobby des internationalen Flughafens von Island ist überfüllt – Familien, Geschäftsreisende, eine Gruppe Frauen mit Rucksäcken und Wanderstiefeln.

Reines Chaos. Es ist die Art, die ich auf Reisen normalerweise genieße – wenn ich die Menschen um mich herum beobachte und mir Geschichten ausmale, woher sie kommen und wohin sie gehen.

Doch als ich Ari Valdassons Blick erwidere, verblasst das Chaos. Alles, was ich höre, ist das Schlagen meines eigenen Herzens. Er sieht genauso aus wie damals, als ich mich im Metropolitan Museum of Art umdrehte und unsere Blicke sich trafen. Hellblondes Haar und markante Gesichtszüge mit scharfen Konturen. Er überragt alle anderen um ihn herum. Sein Maßanzug schmiegt sich an seine breiten Schultern. Unter dem weißen Hemd verbirgt sich eine durchtrainierte Brust.

Ein Körper, den ich sehr genau kenne – seit ich ihm im Baccarat Hotel das Hemd vom Leib riss und meine Hände über seine Haut wandern ließ. Seit er mich sanft aufs Bett drückte, meine Hüften packte und mich ausfüllte, bis ich nicht mehr wusste, wo ich endete und er begann.

Ich schlucke schwer. Damals verließ ich das Hotel in den frühen Morgenstunden. Ich wollte nicht gehen. Ich wollte mich in seinen Armen zusammenrollen, seine Wärme genießen und sein Lächeln sehen, wenn er die Augen öffnet. Doch meine Sehnsucht nach dieser Intimität erschreckte mich dermaßen, dass ich aus dem Bett schlüpfte, mir meine Sachen griff und zur Tür hinausschlich.

Auf dem Weg zur U-Bahn redete ich mir ein, das Richtige getan zu haben. Dann rief Liam an, einer meiner beiden besten Freunde. Der einzige, der noch mit mir spricht. Obwohl auch er sich zurückgezogen hat, seit Aislinn aus unserem Leben verschwunden ist. Als er mich um einen Gefallen bat, sagte ich ohne zu zögern Ja. Es gibt nichts, was ich nicht für ihn tun würde.

Einschließlich, eine Verlobung vorzutäuschen.

Jetzt frage ich mich zum tausendsten Mal: Wie hoch stehen die Chancen, dass mein erster One-Night-Stand ausgerechnet der Halbbruder meines besten Freundes ist?

Der Blick aus Aris eisblauen Augen bohrt sich in meinen. Sein markanter Kiefer verleiht seiner Männlichkeit eine fast königliche Autorität.

Eine Autorität, der ich mich in den nächsten vier Wochen unterordnen werde, während ich als Unternehmensverhandlerin zwischen AuraGeothermal und Hellas Global Shipping vermittle.

Ich straffe die Schultern und gehe auf Ari zu. Mit jedem Schritt verspannen sich meine Nackenmuskeln. Er beobachtet mich mit kühler Distanz – so anders als der Mann, den ich im Museum traf. Dieser Mann sah mich mit Feuer in den Augen und einem selbstbewussten Zucken um die Lippen an, als er mit bedächtigen Schritten näher kam.

Die Anziehung zwischen uns war unmittelbar und überwältigend. Aber es war die Wärme in seinem Lächeln – seine Aufmerksamkeit, als wir durch das Museum schlenderten –, die mich einfing. Noch nie zuvor hatte ich einen Mann getroffen, der so gut aussehend war wie Ari. Der mich einerseits beruhigte und gleichzeitig eine nie gekannte Begierde in mir entfachte. All das waren Gründe, warum ich das Undenkbare tat und in dieser Nacht in seinem Bett landete.

Unüberlegte Gründe, unüberlegte Entscheidungen, erinnere ich mich, während ich die letzten Schritte auf ihn zugehe. Entscheidungen, die sich nicht wiederholen werden.

„Miss North.“

Seine volle und tiefe Stimme vibriert durch mich hindurch. Ich atme langsam ein und versuche, den Anschein von Kontrolle zu bewahren, während ich meinen Koffer aufrecht hinstelle und ihm die Hand entgegenstrecke.

„Mr. Valdasson.“

Er wirft nicht einmal einen Blick auf meine Hand, sondern starrt mich nur an.

Mein erster Test. Ich halte meine Hand ausgestreckt. Ja, der Mann hat mich nackt gesehen. Also, fast. So nackt, wie ich es vor einem anderen Menschen sein kann. Aber ich werde nicht zulassen, dass mich das von meiner Arbeit ablenkt.

Endlich nimmt er meine Hand und kleine Funken huschen über meine Haut.

Wenn schon ein einziger Händedruck mich daran erinnert, wie er mit seinen Fingern meinen Hals entlangfuhr, kurz bevor er mich im Central Park küsste, dann werde ich vier Wochen in einer ganz anderen Glut schmoren. Der „Hölle-auf-Erden“-Sorte.

Er lässt los. Ich widerstehe dem Drang, die Hand an meiner Hose abzuwischen, und lächle höflich.

„Ich hatte nicht erwartet, dass Sie mich abholen.“

Er hebt herablassend eine Augenbraue. „Ich bin nicht Ihretwegen hier.“

Ja, du mich auch.

„Verstehe.“

„Georgios Xenakis’ Flugzeug ist gerade gelandet.“

Das weckt meine Neugier. Georgios Xenakis ist der CEO von Hellas Global Shipping, dem griechischen Schifffahrts- und Logistikunternehmen, das derzeit um einen Vertrag mit Aris Geothermie-Unternehmen ringt. Meine Aufgabe ist es, beiden Unternehmen in vier Wochen dabei zu helfen, ihre Differenzen beizulegen und den Deal abzuschließen.

Ich liebe meinen Job: Unternehmen und Führungskräfte dabei zu unterstützen, Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Die Kommunikations- und Vermittlungsfähigkeiten einzusetzen, die ich durch meine Jugend in Pflegefamilien entwickelt und im Studium verfeinert habe, um etwas zu bewirken.

Aber hin und wieder fühlt es sich an, als würde ich einen Streit zwischen Kleinkindern schlichten. Ari Valdasson, der CEO eines weltbekannten Geothermie-Imperiums mit einem Milliardenvermögen, zankt wie ein trotziges Kind. Der Gedanke lässt meine Mundwinkel zucken.

„Finden Sie etwas amüsant, Miss North?“

„Ganz und gar nicht, Mr. Valdasson. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen und Mr. Xenakis.“

„Dann macht es Ihnen nichts aus, den heutigen Zeitplan zu ändern und uns um zwei zu treffen?“

Er testet mich. Ich hülle mich in meine Professionalität wie in einen Schutzschild, hebe mein Kinn und lächle schmallippig.

„Natürlich nicht.“

Ja, wir haben eine Vorgeschichte. Eine Nacht, von der wir beide wussten, dass sie den Sonnenaufgang nicht überdauern würde. Es ist drei Monate her, seit ich Ari gesehen habe. Einen Monat, seit Liam unsere vermeintliche Verlobung beendet hat. Ich bin hervorragend in meinem Job. Ich weiß, dass ich hier einen Unterschied machen kann, falls Ari seinerseits die Vergangenheit hinter sich lassen und sich aufs Geschäft konzentrieren kann.

Er dreht sich um und geht weg. Ist er nur zu mir so unfreundlich? Wenn er mit allen so umgeht, ist es kein Wunder, dass Auras Verhandlungen mit Hellas nicht gut laufen.

Er wirft mir einen Blick über die Schulter zu. „Die Limousine steht draußen.“

Wir treten in einen kühlen Nieselregen. Ich verziehe das Gesicht genau in dem Moment, als Ari zu mir schaut. Ich spüre seine beißende Missbilligung.

Er dreht sich zu mir um. „Problem?“

Gereiztheit schleicht sich ein. Selbst während des quälenden Abendessens in New York, als Liam mich seinem verlorenen Halbbruder vorstellte, war Ari nicht so schroff oder unhöflich. Er war distanziert, konzentrierte sich hauptsächlich auf Liam und stellte Fragen zu Liams Kindheit bei seinen Adoptiveltern, seine Zeit in Pflegefamilien nach deren Tod bei einem Autounfall. Sie sprachen über Geschäfte, Studium und Karrieren. Er fragte auch ein wenig nach meinem Abschluss und meiner Arbeit, förmlich und höflich, als hätte ich nicht erst vierundzwanzig Stunden zuvor nackt auf seinen Hüften gesessen.

Da war nichts von der Verachtung, die jetzt von ihm ausgeht.

„Meine einzige Befürchtung ist, dass unsere Vergangenheit für Sie ein Problem darstellt.“

Er beugt sich herunter. Ich atme ein und bereue es sofort. Ein berauschender Duft erfüllt meine Sinne, weicher Whiskey und Zedernholz. Er weckt Erinnerungen. Daran, wie ich stöhnend seinen Namen rief. An das Gefühl seines Körpers. Wie er einen zärtlichen Kuss auf meine Schläfe drückte, während ich einschlief.

„Wenn ein Vorfall von vor drei Monaten ein Problem wäre, hätte ich Sie nicht angeheuert.“

„Und warum haben Sie mich angeheuert?“

„BWL-Studium mit mehreren Auslandssemestern in Europa und Asien. Praktikum bei einem deutschen Logistikunternehmen. Aufbaustudium an der Georgetown School of Foreign Service. Drei Jahre Arbeit für die New York City Economic Development Corporation. Und jetzt etwas über ein Jahr bei Lumen International Consultants. Sie haben Erfahrung in der Zusammenarbeit mit griechischen Unternehmen sowie in der Logistik internationaler Transporte. Jede Referenz sprach hochachtungsvoll von Ihnen.“

„Überrascht?“

„Da Sie mich belogen haben – ja, ich bin überrascht.“

Schuld schwillt in meiner Brust, und ich versuche, tief durchzuatmen. Was Ari angeht, habe ich gelogen. Wir verbrachten Stunden zusammen in dieser Nacht. Als sich die Aufzugtüren schlossen und der Fahrstuhl zu seinem Penthouse hochfuhr, presste er mich gegen die Wand und umschloss meine Handgelenke mit einem Griff, während seine andere Hand meine Brust umfasste.

„Gibt es jemand anderen?“

Mein „Nein“ war die Wahrheit. Aber das wusste er nicht. Konnte es nicht wissen.

„Während ich die Anerkennung meiner beruflichen Fähigkeiten zu schätzen weiß“, sage ich so ruhig wie möglich, „beziehe ich mich nicht nur auf unsere persönliche Geschichte. Ist meine Trennung von Ihrem Bruder ein Problem?“

Sein Zorn verfliegt so schnell, dass ich mich frage, ob ich ihn mir eingebildet habe.

„Ihre Beziehung mit Liam geht mich nichts an. Das beeinflusst Ihre Aufgabe hier nicht.“

Mein Herz sinkt. Genau das hatte ich an jenem Morgen in seinem Hotelzimmer befürchtet. Diese überwältigenden Gefühle für einen Mann, bei dem ich mich stark und schön fühlte und der mich gleichzeitig wertschätzte. Nicht nur durch berauschende Küsse und atemberaubenden Sex, sondern durch intime Worte und eine Hingabe, die mich verwundbar machte und in mir die Sehnsucht weckte, mehr von mir preiszugeben.

Während er, denke ich bitter, nichts weiter als Lust empfand. Befriedigt durch unverbindlichen Sex. Die Art Sex, die er vermutlich auf jeder internationalen Reise hat. Er hat in jener Nacht nichts für mich empfunden. Er ist nur wütend, weil ich gelogen habe.

Er kennt nicht einmal die Hälfte meiner Lügen. Notwendige Lügen, erinnere ich mich. Nötig, um Liams Bitte zu erfüllen und jemanden zu schützen, den wir beide lieben – auch wenn sie nichts mehr mit uns zu tun haben will.

„Sie haben recht, Mr. Valdasson. Es geht Sie nichts an. Ich bin froh, dass wir das beide so sehen.“

Er dreht sich um und geht zum Bordstein, wo ein eleganter schwarzer Wagen wartet. Ein junger Mann im dunklen Anzug steht neben der Beifahrertür.

„Willkommen in Island, Miss North. Ich bin Viktor, Chauffeur bei AuraGeothermal.“

„Diana, bitte.“ Ich lächle ihn an. „Danke.“

Er wirft einen Blick auf meinen Rucksack und meine Kuriertasche. „Haben Sie weiteres Gepäck?“

„Nein, das ist alles.“

Sieben Mal. So oft bin ich zwischen vier und siebzehn umgezogen, von einer Pflegefamilie zur nächsten. Jedes Mal packte ich meine Habseligkeiten – gespendete Kleidung, ein paar Notizbücher, eine Zahnbürste, einen Kamm und einen abgenutzten Stoffhund – ein und zog weiter. Die ersten beiden Male kam alles in einen Kissenbezug. Beim dritten hatte ich das Glück, einen Rucksack zu bekommen. Das machte die Umzüge nicht weniger schmerzhaft, aber etwas weniger demütigend. In diesen Jahren lernte ich, leicht zu packen. Eine Angewohnheit, die ich nicht ablegen kann.

Ari öffnet mir die Tür. Plötzlich erschöpft – vom Flug, von unserer Interaktion, von meinen albernen Gefühlen –, sehe ich ihn nicht einmal an, als ich einsteige.

„Danke, Mr. Valdasson.“

„Ich sehe Sie um zwei, Miss North.“ Er schließt die Tür.

Ich starre geradeaus und atme erleichtert aus, als Viktor Richtung Reykjavik zum Hauptsitz eines der angesehensten Geothermie-Unternehmen Islands losfährt.

Ich drehe mich nicht um, um zu sehen, ob Ari uns nachschaut. Teilweise aus Stolz – aber auch, weil ich diese Grenze ziehen muss. Er ist mein Chef, nicht mein Liebhaber.

Unterwegs auf der kurvenreichen Autobahn schlägt Wind gegen die Tür der Limousine. Ich zucke zusammen.

„Ich habe gelesen, dass Island für seine starken Winde berühmt ist“, sage ich.

„Stimmt. Gerade sind es zehn Meter pro Sekunde oder etwas über zwanzig Meilen pro Stunde. Aber in diesem Fahrzeug können wir sicher fahren.“

„Gut zu wissen.“

Aislinn hätte alles hier erkundet. Oder zumindest die Aislinn, die ich früher kannte. Manche hätten ihre Freundlichkeit für Schwäche gehalten. Aber an einem der dunkelsten Tage meines Lebens war sie für mich da. Sie war eine von zwei Konstanten in meinem Leben.

Bis sie es nicht mehr war.

Meine Brust schnürt sich schmerzhaft zusammen. Zehn Monate, seit Aislinn begonnen hat, sich zurückzuziehen. Neun Monate, seit wir erfahren haben, dass sie mit einem fast doppelt so alten Mann ausging. Acht Monate seit ihrer überstürzten Hochzeit. Und drei Monate, seit Aislinns Ehemann Dexter Liam beschuldigt hat, in sie verliebt zu sein. Er drohte, Aislinns Vater, Liam und mich zu vernichten, sollte es auch nur den leisesten Hinweis auf eine Affäre geben.

Und so entstand unsere vorgetäuschte Verlobung. Sie milderte Dexters Eifersucht und lenkte seine Aufmerksamkeit von uns ab. Das gab Liam und mir Zeit, nachzuforschen, wie so ein Mistkerl unsere beste Freundin heiraten konnte.

Doch vor vier Wochen fiel Dexter tot um – Herzinfarkt. Wir gingen zur Beerdigung in der Hoffnung, dass sein Tod alles ändern würde. Doch abgesehen davon, dass sie uns für unser Kommen dankte und uns zur Verlobung gratulierte, blieb Aislinn distanziert.

Nichts hatte sich geändert. Liam und ich lösten stillschweigend unsere sogenannte Verlobung auf. Immer noch überzeugt, dass etwas im Gange ist, gräbt Liam weiter in Dexters Vergangenheit und Aislinns Leben der vergangenen zehn Monate. Aber auch er hat sich zurückgezogen, ist entweder auf seine Recherche oder die Eröffnung seiner Kanzlei fixiert.

Meine Finger streifen das silberne Herz an meinem Armband. In die kleine Plakette ist Lucys Name eingraviert. Liam besorgte damals das Halsband, Aislinn die Hundemarke. Ich sah das Herz zum ersten Mal, als Liam und Aislinn Lucy nach dem Angriff heimlich zu mir ins Krankenhaus brachten. Ich lag dort mit dem Hund an meiner Seite, Aislinns Hand in meiner, und Liam, der am Bett wachte. In dem Moment fühlte ich mich zum ersten Mal beschützt und geliebt.

Meine Augen brennen, während ich meine Finger um das Herz schließe. Die meiste Zeit kann ich mich an Logik klammern und mir ins Gedächtnis rufen, dass das nicht Aislinns Art ist. Dass Liam recht hat und etwas nicht stimmt. Aber ab und zu kriecht der Zweifel durch die Risse und schürt alte Ängste. Angst, dass ich mich auf niemanden verlassen kann. Dass ich etwas Falsches getan habe und Aislinn sich meinetwegen zurückgezogen hat.

Es ist schwer, diese Gedanken in Schach zu halten. Besonders nach der Begegnung mit dem Mann, der seit drei Monaten meine Träume heimsucht. Ein Mann, der mich gerade daran erinnert hat, warum man Menschen am besten auf Distanz hält. Ich habe Aislinn verloren. Wenn Liam herausfindet, dass ich mit seinem Bruder geschlafen habe – wird er wütend sein und auch gehen?

Eine weitere Windböe rüttelt am Auto. Ich starre über die unwirkliche Landschaft aus dunklem, zerklüftetem Gestein. Es ist fremdartig und wunderschön. Wenn die Verhandlungen reibungslos verlaufen, werde ich meinen Aufenthalt hier um einige Tage verlängern, bevor ich nach New York zurückkehre.

Ein Teil von mir will Ari alles erzählen, bevor ich abreise. Ihm sagen, dass ich nicht gelogen habe. Doch er ist das Risiko nicht wert. Egal, wie attraktiv ich ihn finde, meine Gefühle werden mit der Zeit verblassen. Loyalität und Liebe – die Dinge, die ich mit Liam teile und hoffentlich irgendwann auch wieder mit Aislinn – sind wichtiger.

Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Fünf Stunden bis zu meinem Treffen mit Ari. Er hat mich am Flughafen überrumpelt. Aber wenn ich heute Nachmittag sein Büro betrete, werde ich bereit sein. Bereit, die Herausforderung der Verhandlungen zwischen Hellas Global Shipping und AuraGeothermal anzugehen.

Und bereit, die Tür zu meinen Gefühlen für Ari Valdasson endgültig zu schließen.

2. KAPITEL

Ari

Ich blicke über den Alten Hafen. In der Ferne ragen die schneebedeckten Gipfel der Esjas auf. Ein Anblick, der mir so vertraut ist wie mein eigener Name. Er löst etwas von der Anspannung in meinem Nacken – verursacht durch eine Frau, die ich in meiner Vergangenheit hätte lassen sollen. Eine Frau, die den Versuch vereitelt hat, meine letzte verbliebene Blutsverwandtschaft zu retten. Eine Frau, deren Erinnerung mich verfolgt, seit ich im Hotel aufwachte und sie verschwunden war.

Diana einzustellen war das Beste für AuraGeothermal. Als die Verhandlungen mit Hellas zum Stillstand kamen, wandte ich mich an meine Kontakte. Alle empfahlen Dianas Firma. Und ihre Firma empfahl Diana. Sie bestätigten alles, womit Liam während unseres Abendessens vor drei Monaten prahlte.

Die Hintergrund-Überprüfung hatte nichts Auffälliges ergeben. Diana North war eine angesehene Fachfrau mit einer steilen Karriere und einer Wohnung in New York. Abgesehen von einem Freund während des Studiums hatte sie seit dem College keine festen Beziehungen. Es gab keine Hinweise auf eine Partnerschaft.

Auch nicht mit meinem Halbbruder Liam.

Trauer durchbricht meine Abwehr und schnürt mir den Magen zu, bevor ich sie wieder unter Kontrolle bringe. Vier Jahre hatte ich nach meinem Bruder gesucht. Der Mistkerl von meinem Vater hatte behauptet, Liam wäre mit meiner Mutter bei der Geburt gestorben.

Als ich ihn endlich gefunden hatte, erlaubte ich mir einen vorsichtigen Hoffnungsschimmer. Der in der Sekunde im Keim erstickt wurde, als Liam das Restaurant in New York betrat, Diana an seinem Arm, sein Ring an ihrem Finger.

Ich schiebe meine Hände in die Taschen und balle sie zu Fäusten. Mein Bruder hat die zweite Hälfte seiner Kindheit in wechselnden Pflegefamilien verbringen müssen. In den ersten zehn Jahren hatte er liebevolle Adoptiveltern und ein angenehmes Leben, doch das wurde ihm durch einen abgelenkten Autofahrer entrissen. Der Unfalltod seiner Adoptiveltern ließ Liam allein und mittellos zurück, während ich im Luxus lebte, die Welt bereiste und Zugang zur besten Bildung hatte. Ich habe mir meinen Platz bei AuraGeothermal erarbeitet, aber Geld hat mir den Weg geebnet. Liam hingegen hat sich jeden Erfolg aus dem Nichts erkämpft.

Diese Kämpfe hätten ihm erspart bleiben müssen. Wir hätten einander ebenbürtig sein sollen. Stattdessen hatte ich alles und er nichts.

Trotzdem saß ich ihm am Abend unseres ersten Treffens gegenüber und begehrte die Frau, der er einen Antrag gemacht hatte – nur Stunden, nachdem sie aus meinem Hotelzimmer geschlichen war. Ihre Verlobung mag aufgelöst sein, aber das Schuldgefühl bleibt. Ich wollte es ihm sagen. So oft habe ich das Telefon in die Hand genommen, aber ich konnte es nicht. Konnte sein Glück nicht zerstören, um mein Gewissen zu erleichtern.

Ich weiß nicht, wen ich mehr verachte: Diana, weil sie gelogen hat und zwischen meinen Bruder und mich getreten ist – oder mich selbst, weil ich sie immer noch will.

Sie in der Flughafenlobby zu sehen, hat mir einen unerwartet tiefen Stich versetzt. Ein Blick in ihre bernsteinfarbenen Augen hat gereicht, um mich zurück ins Museum zu katapultieren. Zu diesem Spätsommer-Nachmittag und meinem ersten Anblick dieser atemberaubenden Frau vor einem Gemälde von Balletttänzerinnen. Anders als andere Besucher, die für Fotos posierten oder die Kunst flüchtig betrachteten, stand sie wenige Schritte entfernt. In ihrem Gesicht zeichnete sich tiefe Trauer ab.

Eine Trauer, die ich bis in meine Knochen spürte.

Und dann drehte sie sich um und schenkte mir ein langsames, scheues Lächeln, das wie ein Blitz durch mich hindurchschoss. Es war nicht nur Hitze, obwohl davon reichlich vorhanden war. Da war noch etwas anderes unter dem Verlangen. Etwas Tieferes. Die Verbindung zu jemandem, der Verlust erfahren und überlebt hat.

Ich wende mich vom Fenster ab und gehe mit schnellen Schritten zu meinem Schreibtisch. Keine weiteren Gedanken an jene Nacht! Unser Treffen am Flughafen war der erste Test. Hätte sie versucht zu flirten, hätte ich sie mit dem erstbesten Flug zurück nach New York geschickt. Aber sie hat mit Bravour bestanden.

Das ist das Beste für AuraGeothermal. Es ist auch gut für mich. Eine Chance, die Kontrolle zurückzugewinnen und mir selbst und Diana zu beweisen, dass das zwischen uns nichts als primitive Lust war.

Sobald das erledigt ist, werde ich auf Liam zugehen. Mich erklären und entschuldigen und hoffentlich eine Beziehung zur einzigen Familie aufbauen, die mir geblieben ist.

Meine Gegensprechanlage summt.

„Miss North ist hier.“

„Schicken Sie sie herein.“ Ich gehe zurück zum Fenster, den Rücken zur Tür gerichtet.

„Hallo, Mr. Valdasson.“

Ich wappne mich gegen den Klang ihrer Stimme. Warm und voll, mit dieser feinen Rauchigkeit, die mich schon bei unserem ersten Gespräch fesselte. Langsam drehe ich mich zu ihr um. Sie trägt jetzt cremefarbene Hosen, eine mintfarbene Jacke und eine dunkelgrüne Seidenbluse. Ihr dichtes dunkles Haar ist im Nacken zu einem lockeren Knoten zusammengefasst.

In jeder Hinsicht eine Fachfrau, während sie mein Büro betritt.

Diesen Moment mitgezählt, habe ich Diana viermal persönlich gesehen. Dennoch kenne ich die Form ihres Gesichts. Das leicht gerundete Kinn, die Linie ihres Kiefers. Ich kenne den Schwung ihrer vollen Lippen, die ich küsste, als sie sich mir entgegenwölbte. Ich kenne ihren Körper, wie ich den keiner anderen Frau je gekannt habe. Und ich hasse uns beide dafür.

„Ich treffe Georgios Xenakis und sein Team morgen Vormittag“, sage ich.

„Dann sollten wir besser an die Arbeit gehen.“ Sie deutet auf einen runden Tisch auf der anderen Seite meines Büros. „Darf ich?“

Auf mein Nicken hin durchquert sie selbstsicher mein Büro. Sie zieht einen Laptop und ein Notizbuch aus ihrer Aktentasche, bevor sie Platz nimmt, dann blickt sie mit einem höflichen Gesichtsausdruck zu mir auf.

„Erzählen Sie mir von Ihrem Projekt.“

Ich setze mich ihr gegenüber. „AuraGeothermal ist führend in der geothermischen Energieproduktion. Wir liefern einen wesentlichen Teil der Energie für die Stromerzeugung unseres Landes.“

Ihre Lippen formen ein leichtes Lächeln. „Etwas, worauf man stolz sein kann.“

Ein Teil meiner Anspannung löst sich. Wenn sie erkennt, was dieses Unternehmen für Island bedeutet, was es für die Mitarbeiter bedeutet, die AuraGeothermal Jahre ihres Lebens geschenkt haben, dann kann das hier vielleicht gerettet werden.

„So ist es. Die Nachfrage nach grünen Energielösungen wächst. Wir haben die Chance, diesem Bedarf zu begegnen und in andere Wege zu investieren.“

„Potenziell viel Gewinn.“

Meine Finger verkrampfen sich auf der Armlehne meines Stuhls. „Verbunden mit langfristiger Nachhaltigkeit für AuraGeothermal, mehr Arbeitsplätzen und wirtschaftlichen Vorteilen für mein Land.“

Diana notiert sich etwas. „Und Teil dieses Plans ist die Erzeugung von grünem Wasserstoff, die Umwandlung in Ammoniak für den Transport durch Hellas Shipping zum Hafen von Piräus in Griechenland, und dann die Rückumwandlung in Wasserstoff vor der Verteilung in ganz Europa.“ 

„Ja.“

Sie blättert einige Seiten zurück. „Aber die Verhandlungen sind ins Stocken geraten. Sie haben Xenakis hierher eingeladen als letzten Versuch, den Deal zu retten – einschließlich einer Einladung zur jährlichen Umweltgala Ihres Unternehmens.“

„Ja.“

Es war ein Vorschlag einer meiner Führungskräfte und keine schlechte Idee. Ich würde sogar sagen, es war eine gute – wenn Xenakis die Art Mensch wäre, der sich davon beeindrucken ließe, wie viel ein Unternehmen in seine Gemeinschaft investiert. Aber angesichts der Tatsache, dass sich die meisten unserer Gespräche um Gewinnmargen und Ausgaben drehen, denke ich, dass ihn die Auswirkungen von AuraGeothermal auf die Umwelt einen Dreck interessieren.

„Sie glauben, dass Xenakis mit seinen Forderungen unvernünftig ist.“

„Nein.“

Verwirrung trübt ihren Blick. „Oh?“

„Ich weiß, dass er unvernünftig ist.“

„Ar …“, sie hält inne, „Mr. Valdasson, ich habe alles durchgelesen. Auch wenn Mr. Xenakis eine andere Art der Kommunikation hat – die Versandzeiten zu verwalten und an der Preisgestaltung beteiligt zu sein, das sind vernünftige Forderungen.“

Ich unterdrücke eine beißende Erwiderung, die nicht nur Xenakis beleidigt hätte, sondern auch Dianas Fähigkeit, ihren von mir hochbezahlten Job zu machen. Aber ich werde mich nicht von Wut leiten lassen. Ich muss Emotionen nicht nachgeben. Nicht, wenn die Fakten klar sind.

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