Mehr als ein aufregendes Spiel?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Erleben Sie die glanzvolle 7-teilige Familiensaga: Nach dem plötzlichen Tod des Familienoberhaupts herrscht Aufruhr in der Familie Lassiter. Die Erben müssen sich gegen Lügen und Intrigen wehren - und für ihre große Liebe kämpfen!

Evan McCains erregend sinnliche Küsse zerreißen Angelica Lassiter fast das Herz. Zu gern würde sie in seinen starken Armen dahinschmelzen! Allerdings ist ihre leidenschaftliche Romanze für ihn nur ein kühl kalkuliertes Schauspiel für die Öffentlichkeit - oder?


  • Erscheinungstag 28.11.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769611
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es gab Tage, an denen Evan McCain sich wünschte, er hätte die Familie Lassiter niemals kennengelernt. Heute war einer davon. Wegen J. D. Lassiter sah er sich nämlich gezwungen, im Alter von vierunddreißig Jahren beruflich noch einmal ganz von vorne anzufangen.

Er öffnete die Tür zu seinem leeren Bürogebäude in Santa Monica. Eigentlich wäre es sinnvoll gewesen, das Haus zu verkaufen, als er vor zwei Jahren nach Pasadena umgezogen war. Aber es lag nur einen Block vom Strand entfernt und war ein solider Anlagewert. Und so, wie sich die Dinge entwickelt hatten, war er froh, dass es sich noch in seinem Besitz befand.

Er hatte keineswegs die Absicht, etwas von dem Geld anzurühren, das J. D. ihm hinterlassen hatte. Sein Erbteil erschien Evan wie eine äußerst fragwürdige „Belohnung“ für seine unfreiwillige Beteiligung an J. D. Lassiters Plan, seine Tochter Angelica auf die Probe zu stellen. Sie hatte den Test letztendlich dadurch bestanden, dass sie eine angemessene Balance zwischen Arbeit und Privatleben halten konnte und loyal zu ihrer Familie stand. Als Folge davon hatte sie Evans Platz an der Führungsspitze von Lassiter Media eingenommen. Die romantische Beziehung zwischen ihnen war jedoch gescheitert. Angelica hatte die Verlobung gelöst und Evans Anstellung in dem großen Medienunternehmen beendet.

Er stellte seinen Koffer im Empfangsbereich ab, schaltete das Licht ein und ging zum Tresen, um das Telefon zu überprüfen. Er hörte ein Freizeichen und hakte im Stillen zwei Punkte auf seiner To-do-Liste ab: Er hatte Strom und war dank des Telefons mit der Außenwelt verbunden. Das war immerhin ein Anfang.

Die Jalousie an der gläsernen Eingangstür klapperte leise, als jemand hereinkam.

„Wer hoch steigt, kann auch tief fallen. Sehr tief, wie man hier sehen kann.“ Es war die Stimme seines langjährigen Freundes Deke Leamon.

Evan drehte sich um und blinzelte in das gleißende Sonnenlicht, das durch die geöffnete Tür in den Raum drang. „Was machst du denn hier an der Westküste?“, fragte er überrascht.

Deke grinste und stellte seine rote Reisetasche auf den Bürostuhl neben Evans Koffer. Er trug verwaschene Jeans, ein ausgeleiertes T-Shirt und Turnschuhe, die schon bessere Tage gesehen hatten. „Wir haben es schon einmal gemacht. Wir können es wieder schaffen.“

Evan trat einen Schritt vor, um seinem ehemaligen Zimmergenossen aus Collegezeiten die Hand zu schütteln. „Was genau können wir wieder schaffen? Im Ernst, warum hast du nicht angerufen? Und woher wusstest du, dass ich hier bin?“

„Ich habe einfach gut geraten“, antwortete Deke. „Ich dachte mir, in Pasadena gibt es bestimmt zu viele schmerzliche Erinnerungen für dich. Es schien mir logisch, dass du hierher geflohen bist. Ich nehme an, du wirst eine Weile in der oberen Etage wohnen?“

„Wieder gut geraten.“

Das Apartment über den Geschäftsräumen war klein, aber eine Zeit lang würde es schon gehen. Evan brauchte dringend einen Tapetenwechsel. Santa Monica war der geeignete Ort dafür. Obwohl nicht weit von Los Angeles entfernt, hatte die Stadt einen ganz eigenen Charakter.

„Außerdem bin ich davon ausgegangen, dass du vor Selbstmitleid zerfließt“, fuhr Deke fort. „Also fand ich, dass es keine schlechte Idee wäre, einfach mal vorbeizuschauen und dir in den Hintern zu treten.“

„Ich zerfließe keineswegs vor Selbstmitleid.“ Das Leben war nun mal keine Pralinenschachtel. Klagen und Jammern änderte nichts daran. Es war besser, die Dinge so zu nehmen, wie sie kamen. Das war eine harte Lektion, die Evan schon vor langer Zeit gelernt hatte. An seinem siebzehnten Geburtstag, um genau zu sein. Da hatte er erfahren müssen, was ein Mensch alles aushalten kann. „Und du schaust niemals irgendwo mal einfach so vorbei“, fügte er hinzu.

Sein Freund gehörte zu der nachdenklichen Sorte. Er tat niemals etwas nur aus einer Laune heraus. Jetzt setzte er sich in einen der Besuchersessel, streckte die Beine aus und schlug die Füße übereinander.

„Na schön, ich bin tatsächlich mit einer bestimmten Absicht hergekommen.“ Deke ließ den Blick durch den leeren Raum schweifen. „Ich dachte, ich könnte dir vielleicht behilflich sein.“

Evan lehnte sich an den Tresen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wobei genau?“

„Was immer nötig ist. Also, wie sieht dein Plan aus? Was passiert als Erstes?“

„Das Telefon funktioniert.“ Evan bemerkte, dass er das Mobilteil immer noch in der Hand hielt, und platzierte es auf der Station.

„Immerhin. Hast du schon irgendwelche Kundenkontakte? Und wie steht es mit einer Website?“

Evan durchschaute seinen Freund und wusste genau, was er vorhatte. Das rührte und amüsierte ihn gleichermaßen. „Du musst wirklich nicht hierbleiben.“

„Aber ich möchte es gern. Ich habe Colby die Verantwortung für Tiger Tech übertragen und ihm gesagt, dass ich ungefähr in einem Monat wieder zurück bin.“

Colby Payne war ein ebenso genialer wie engagierter junger Mann, der seit zwei Jahren als Dekes Stellvertreter in dessen Firma fungierte.

„Das ist doch lächerlich.“ Evan wollte keinesfalls zulassen, dass Deke ihm ein solches Opfer brachte. „Ich brauche dein Mitleid nicht. Selbst wenn ich wollte, dass du mir hilfst – was ich nicht tue –, hast du eine eigene Firma, die du am Laufen halten musst.“

In Dekes Technologieunternehmen wurden die unterschiedlichsten Prototypen entwickelt. Von computergesteuerten Drehmaschinen bis hin zu 3-D-Druckern verfügte er über alles, was innovativen Firmengründern half, ihre Ideen in kommerzielle Produkte umzusetzen. Mit seiner pfiffigen Geschäftsidee hatte Deke bereits dazu beigetragen, Dutzende von Firmen erfolgreich zu etablieren.

Deke zuckte mit den Schultern. „Mir war langweilig. Und ich habe seit zwei Jahren keinen Urlaub genommen.“

„Flieg nach Paris oder Hawaii.“

Deke grinste. „Auf Hawaii kriege ich einen Inselkoller.“

„Und was ist mit den tollen Stränden, den Wellen und den hübschen Bikinimädchen?“

„Hier in Santa Monica gibt es auch hübsche Bikinimädchen.“

„Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, Deke.“

Natürlich war es ein schwerer Schlag gewesen, als seine ehemalige Verlobte aufgrund von J. D. Lassiters Testamentsnachtrag die Führung des Medienkonzerns übernahm und er fristlos gekündigt wurde. Aber er war bereits auf dem besten Weg, sich von dieser persönlichen Katastrophe zu erholen.

„Weißt du nicht mehr, wie viel Spaß wir damals hatten?“, fragte Deke. „Lex, du und ich in dieser winzigen Studentenbude in Venice Beach. Wir haben uns Sorgen wegen unserer Studiendarlehen gemacht, während wir versucht haben, ein Geschäft aufzubauen.“

„Wir hatten vor allem deshalb Spaß, weil wir Anfang zwanzig waren“, sagte Evan trocken.

„Wir werden wieder Spaß haben.“

„Aber wir sind damals kläglich gescheitert“, wandte Evan ein.

Anstatt gemeinsam reich zu werden, waren sie am Ende getrennte Wege gegangen. Deke in die Technologieentwicklung, Evan ins Management und Lex Baldwin in die Hotelbranche. Er hatte in einer internationalen Luxushotelkette schnell Karriere gemacht.

„Ja, aber wir sind inzwischen um einiges klüger geworden.“

Evan konnte ein freudloses Lachen nicht unterdrücken. „Ich denke doch, ich bin der lebende Beweis für das Gegenteil.“

„Na schön, ich bin klüger geworden.“

„Ich will es diesmal ganz allein versuchen“, sagte Evan.

Er hatte sehr gern für J. D. Lassiter gearbeitet. Der Mann war ein Genie gewesen. Wie sich allerdings herausgestellt hatte, leider auch ein manipulativer, skrupelloser Intrigant. Die Familie stand für J. D. immer an erster Stelle. Und da Evan nicht zur Familie gehörte, wurde er zum Kollateralschaden, als J. D. die Loyalität seiner Tochter auf die Probe stellte.

Evan machte ihm jedoch keinen Vorwurf daraus. J. D. hatte recht daran getan, seine Familie zu beschützen. Wenn Evan eine Familie hätte, ginge er für sie durchs Feuer. Er hatte aber keine Geschwister, und seine Eltern waren an seinem siebzehnten Geburtstag durch einen Autounfall ums Leben gekommen.

Mit Angelica hatte er Kinder haben wollen. Er wünschte sich eine große Familie. So groß, dass kein Familienmitglied jemals allein sein musste. Aber dazu würde es ganz offensichtlich jetzt nicht mehr kommen.

„Ich stehe voll und ganz hinter dir“, sagte Deke ernst, während er die angespannten Gesichtszüge seines Freundes studierte.

„Ich brauche niemanden, der hinter mir steht.“

„Jeder braucht so einen Menschen.“

„Ich dachte einmal, das wäre Angie.“ Kaum waren diese Worte heraus, bedauerte Evan sie auch schon.

„Aber sie ist es nicht.“

„Ich weiß.“

Angie schien für eine Weile Evans Traumfrau zu sein. Aber beim ersten Anzeichen von Ärger hatte sie sich aus dem Staub gemacht. Sie hatte ihm und allen anderen den Rücken gekehrt, sich isoliert und geweigert, irgendjemandem ihr Vertrauen zu schenken.

„Immerhin hast du es vor der Hochzeit herausgefunden. Das ist besser als danach.“

„Du hast recht“, stimmte Evan zu, weil er eine Diskussion über dieses Thema vermeiden wollte.

Insgeheim fragte er sich jedoch immer wieder, was geschehen wäre, wenn J. D. erst nach der Hochzeit gestorben wäre. Hätte Angie ihm als ihrem Ehemann vielleicht mehr Vertrauen entgegengebracht?

„Sie ist nicht mehr Teil deines Lebens, Evan.“

„Das weiß ich. Es ist vorbei. Ich kriege das auf die Reihe. Deswegen bin ich hier in Santa Monica.“

Möglicherweise würde er eines Tages eine andere Frau finden. Allerdings konnte er sich das im Moment nur schwer vorstellen. Wenn Angie nicht die richtige Frau für ihn war, wer dann?

„Ich werde dich gelegentlich daran erinnern“, sagte Deke und stand auf. „Also los, wir sorgen erst einmal dafür, dass der Laden wieder läuft. Deine Leistungen bei Lassiter Media werden deine zukünftigen Kunden schwer beeindrucken. Das ist doch schon mal was.“

„Sie werden bestimmt beeindruckt sein“, sagte Evan nachdenklich. Von seinen Leistungen vermutlich ebenso wie von der Tatsache, dass seine Karriere so schnell zu Ende gegangen war.

Angelica Lassiter brauchte einen neuen Anfang in ihrem Leben. Wenn es einen Knopf dafür gäbe, würde sie ihn auf der Stelle drücken.

Fünf lange Monate hatte sie mit ihrer Familie wegen des letzten Willens ihres verstorbenen Vaters im Streit gelegen. Nur, um schließlich zu entdecken, dass J. D. einen komplizierten Plan ersonnen hatte, um sie auf die Probe zu stellen: Sie sollte beweisen, dass sie eine vernünftige Balance zwischen Arbeit und Leben halten konnte. Obwohl es zuerst so schien, als würde er Evan damit betrauen, hatte er ihr letztendlich genau das gegeben, wonach sie sich so verzweifelt sehnte, nämlich die Leitung von Lassiter Media. Sie war jedoch nicht gerade stolz auf die Art und Weise, wie sie darum gekämpft hatte. Und auch nicht darauf, wie sie Evan behandelt hatte.

Es war schon schlimm genug, dass sie ihn zurückgestoßen hatte, während sie um ihr Erbe kämpfte. Aber sie hatte ihn auch beschuldigt, sie belogen, betrogen und Intrigen gesponnen zu haben, um ihr Erbe zu stehlen. Sie hatte sich in jeder Beziehung gründlich getäuscht, und jetzt war es zu spät, auch nur ein Wort davon zurückzunehmen.

Ihre Assistentin erschien in der Tür des leeren Konferenzraumes. „Miss Lassiter?“

Angelica drehte sich an ihrem Platz am Fenster um, von wo aus sie die City von Los Angeles betrachtet hatte. „Ja, Becky?“

„Die Innenarchitekten sind da.“

Angelica straffte die Schultern und nickte ihrer Assistentin zu. „Danke, Becky. Bitten Sie sie herein.“

Angelica hatte die Absicht, die oberste Etage des Bürohochhauses renovieren zu lassen und den Konferenzraum als Arbeitszimmer zu nutzen. Sie war sich bewusst, wie viel Gerede ihre Entscheidung in der Firma erzeugt hatte. Ihr blieb jedoch keine andere Wahl.

Wenn der Übergang der Macht weniger spektakulär vonstattengegangen wäre, hätte sie einfach in das Büro ihres Vaters ziehen können. Aber da in dem ursprünglichen Testament Evan als Geschäftsführer vorgesehen war, in der Neufassung aber sie, hatte es viel Unruhe und böses Blut gegeben. Jetzt war sie gezwungen, dem Unternehmen ihren ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Daher hatte sie beschlossen, den Konferenzraum als Büro zu nutzen und das Arbeitszimmer ihres Vaters als Konferenzraum.

„Hallo, Angelica.“ Suzanne Smith betrat den Raum, gefolgt von ihrem Partner Boswell Cruz. „Es ist schön, Sie wiederzusehen.“

Suzannes Miene und Tonfall waren von professioneller Verbindlichkeit. Den neugierigen Ausdruck in ihren Augen konnte sie allerdings nicht ganz unterdrücken. In den vergangenen Monaten waren die Schwierigkeiten der Familie Lassiter ein ständiges Thema in den Medien gewesen. Angelica konnte der Innenarchitektin keinen Vorwurf daraus machen, dass sie sich fragte, was als Nächstes passieren würde.

„Danke, dass Sie so kurzfristig gekommen sind“, sagte Angelica und schüttelte Suzanne und dann ihrem Partner die Hand. „Hallo, Boswell.“

„Es freut mich, Sie wiederzusehen“, gab er zurück.

„Wie können wir Ihnen helfen?“, erkundigte sich Suzanne.

„Ich möchte gern ein neues Büro einrichten. Für mich. Genau hier.“

Suzanne wartete einen Moment, aber Angelica fügte nichts weiter hinzu.

„Gut“, sagte Suzanne schließlich und ließ den Blick über die holzvertäfelten Wände und die großen Panoramafenster schweifen. „Mir hat dieser Raum schon immer gefallen.“

„Hier habe ich sehr viel Licht. Besonders vormittags“, wiederholte Angelica den Vorwand, den sie sich für die Veränderung ausgedacht hatte.

„Licht ist immer gut.“

„Und das Büro meines Vaters liegt näher am Empfangsbereich. Deshalb eignet es sich besser als Konferenzzimmer.“ Dies war eine weitere plausible Ausrede für ihre Entscheidung, die nichts mit den wahren Gründen zu tun hatte.

Boswell hatte einen Tablet-Computer in der Hand und machte sich bereits Notizen.

„Gibt es etwas Bestimmtes, das Sie aus dem Büro Ihres Vaters behalten möchten?“, fragte Suzanne. „Möbel oder Kunstgegenstände?“

„Nein“, antwortete Angelica knapp.

Suzanne schürzte bei dieser Antwort kurz die Lippen und verriet damit ihre Überraschung.

„Vielleicht das historische Gemälde der Big Blue Ranch“, fügte Angelica unschlüssig hinzu. „Es kann in dem neuen Konferenzraum hängen.“

Das Gemälde der Familienranch in Wyoming hatte über zehn Jahre lang das Arbeitszimmer ihres Vaters geschmückt. Es wegzunehmen, würde noch mehr Gerede hervorrufen als Angelicas Entscheidung, ans andere Ende der dreißigsten Etage zu ziehen.

Außerdem wollte sie ihre Wurzeln nicht verleugnen. Entgegen der Spekulationen in der Presse hatte sie ihrem Vater verziehen. Oder zumindest würde sie ihm verzeihen, wenn sie die ganze Geschichte erst verdaut hatte.

„Das ist alles?“, fragte Suzanne. Ihr Ton war neutral, dennoch konnte sie ihr Erstaunen nicht ganz verbergen. Im Büro von J. D. Lassiter befanden sich einige sehr wertvolle Antiquitäten.

„Alles andere lagern wir ein“, antwortete Angelica entschieden.

„In Ordnung. Haben Sie schon eine Vorstellung, wie Ihr Büro aussehen soll?“

„Viel natürliches Licht. Und Pflanzen. Nicht ultramodern, kein Chrom oder Ähnliches. Und ich möchte kein reines Weiß. Lieber Pastelltöne und erdige Farben.“ Angelica legte eine Pause ein. „Verstehen Sie, was ich meine?“

„Aber natürlich. Das klingt doch schon sehr gut“, versicherte Suzanne. „Damit können wir etwas anfangen. Sie haben hier sehr viel Platz. Bestimmt möchten Sie einen Arbeitsbereich und einen Konferenzbereich mit einem langen Tisch. Wie sieht es mit einer Bar und einem Bad aus?“

„Nur, wenn das diskret und unauffällig möglich ist. Der Raum soll wie ein Büro aussehen und nicht wie das Loft eines Playboys.“

„Oh, nein“, meinte Suzanne entsetzt. „Dafür werde ich schon sorgen.“

„Es wäre schön, wenn ich meinen Besuchern Erfrischungen anbieten könnte.“

„Wird erledigt. Und auf sehr diskrete Art, das verspreche ich Ihnen.“

Wieder erschien Becky an der Tür. „Es tut mir leid, Sie stören zu müssen, Miss Lassiter. Aber Sie haben um drei Uhr einen Termin. Die Dame ist bereits eingetroffen.“

„Dann verschwinden wir jetzt“, sagte Suzanne. „Genügt es Ihnen, wenn wir Ende der Woche die ersten Entwürfe vorlegen?“

„Ja, absolut“, antwortete Angelica.

Sie hätte die Entwürfe lieber schon in zehn Minuten gehabt. Aber Geduld war eine der Tugenden, an denen sie gerade arbeitete. Geduld, Selbstbeherrschung und eine ausgeglichene Balance zwischen Arbeit und Privatleben.

Vor seinem plötzlichen Tod hatte ihr Vater sie oft ermahnt, dass sie viel zu viel arbeitete und kein nennenswertes Privatleben führte. Dadurch, dass er ihr durch sein Testament zeitweise die Leitung der Firma entzog, zwang er sie, ihre Haltung zu überdenken.

Sie hatte bereits Fortschritte gemacht und sich selbst das Versprechen gegeben, seinem Anliegen eine faire Chance einzuräumen. Sie dachte sogar daran, sich ein Hobby zuzulegen und Sport zu treiben. Vielleicht Yoga. Leute, die Yoga machten, wirkten meist sehr entspannt.

„Wir melden uns“, sagte Suzanne, als sie mit Boswell im Schlepptau den Raum verließ.

Nachdem die Tür sich hinter den beiden geschlossen hatte, nahm Angelica sich einen Moment Zeit, um sich innerlich auf die nächste Begegnung vorzubereiten. Es handelte sich um ihre enge Freundin Kayla Prince. Kayla war verlobt mit Matt Hollis, der als Buchhalter bei Lassiter Media beschäftigt und daher über die Streitigkeiten in der Familie Lassiter gut informiert war.

Angelica wusste, dass viele der Angestellten sich Sorgen gemacht hatten, sie würde die Firma unnötigen Risiken aussetzen, als sie Kontakt zu dem Spekulanten Jack Reed aufgenommen und außerdem versucht hatte, das Testament anzufechten. Reed war dafür bekannt, dass er Mehrheitsbeteiligungen an Firmen erwarb, um sie dann gewinnbringend weiterzuverkaufen, oder, falls sie nicht profitabel waren, zu zerschlagen.

Während sie in den vergangenen Monaten völlig darauf konzentriert war, ihre Position bei Lassiter Media wiederzuerlangen, hatte sie weder Kayla noch andere Freunde gesehen. Sie konnte also nur ahnen, was Kayla von Matt über den Konflikt gehört haben mochte.

Deshalb war sie auf alles gefasst, als die Tür sich öffnete. Aber Kayla sorgte für eine angenehme Überraschung, indem sie auf Angelica zueilte und sie in eine freundschaftliche Umarmung zog.

„Ich bin so froh, dass es vorbei ist“, sagte Kayla. Sie trat einen Schritt zurück und musterte ihre Freundin aufmerksam. „Geht es dir jetzt wieder besser? Du hast es wirklich verdient, dass die Geschichte so ausgegangen ist, weißt du? Und du wirst ganz bestimmt eine hervorragende Geschäftsführerin abgeben.“

Angelica brauchte einen Moment, um auf die unerwartete Herzlichkeit zu reagieren. Eine warme Welle der Erleichterung durchströmte sie. Sie nahm Kayla ihrerseits in die Arme. „Du hast mir sehr gefehlt“, gestand sie.

„Und wessen Schuld ist das?“, fragte Kayla und lachte leise.

„Meine. Es ist alles meine Schuld.“

Kayla löste sich von ihr und strich ihr besänftigend über die Arme. „Hör auf damit. Das reicht. Ich will so etwas nie wieder von dir hören.“

Angelica wollte zu einem Protest ansetzen, aber da entdeckte sie Tiffany Baines an der Tür. „Tiff!“

Tiffany breitete die Arme aus, und Angelica eilte zu ihr, um ihre andere Freundin an sich zu drücken.

„Ach, Angie“, seufzte Tiffany. „Es ist so schön, dich wiederzusehen. Und noch dazu in diesem Gebäude.“

Angelica trat einen Schritt zurück. „Ich habe viel zu tun und etliche Entscheidungen zu treffen.“

„Du wirst alles großartig machen“, sagte Tiffany voller Überzeugung. „Niemand kann die Firma besser führen als du. Das dumme Testament hat dich in eine unmögliche Lage gebracht.“

„Ich hätte besser damit umgehen müssen.“

„Wie solltest du wissen, dass es nur ein Test ist? Und wenn es nun gar keiner gewesen wäre? Wenn dein Vater den Verstand verloren und Evan das Familienunternehmen überlassen hätte? Du hattest vollkommen recht, dagegen anzukämpfen.“

„Ich fürchte, du bist der einzige Mensch auf der Welt, der so denkt.“

„Das bezweifle ich. Aber es spielt keine Rolle. Jetzt ist nur wichtig, dass du unglaublich erfolgreich sein wirst.“ Verschwörerisch lächelnd wandte Tiffany sich an Kayla. „Nun mach schon, sag es ihr.“

„Wir haben einen Termin festgelegt“, sagte Kayla. „Für die Hochzeit.“

„Das sind ja wunderbare Neuigkeiten. Wann? Wo?“

„Ende September“, antwortete Kayla lächelnd. „Das ist kurzfristig, ich weiß. Aber das Emerald Wave hatte eine Stornierung, und wir mussten die Chance nutzen. Also feiern wir in Malibu mit Blick auf den Ozean, wie meine Mutter es sich immer erträumt hat. Die Trauungszeremonie wird direkt auf den Klippen stattfinden. Einfach spektakulär.“

„Das hört sich nach einer perfekten Hochzeit an“, sagte Angelica und ignorierte den Anflug von stechendem Neid, den die Worte ihrer Freundin in ihr auslösten.

Es war zu spät für ihre eigene Märchenhochzeit mit Evan. Das war die bittere Wahrheit. Sie verdrängte diesen Gedanken und versuchte, sich gänzlich unbefangen für ihre Freundin zu freuen.

„Jetzt, da die Hochzeit in absehbare Nähe rückt, kann ich es kaum abwarten“, sagte Kayla.

„Das ist nur natürlich.“

„Ich möchte gern, dass du meine Trauzeugin bist.“

Jeglicher Neid verschwand, und Angelica wurde ganz warm ums Herz. Sie war ebenso überrascht wie gerührt. „Sehr gern. Nach allem, was passiert ist …“ Sie hielt inne, um sich zu sammeln. Ihre Gefühle drohten sie zu überwältigen. „Es ist so lieb von dir, mich zu bitten.“

„Ach, Quatsch. Du bist meine beste Freundin. Das warst du schon immer, und daran wird sich auch nichts ändern.“

„Ich werde eine Brautjungfer sein“, mischte Tiffany sich ein. „Das wird eine tolle Party.“

„Bestimmt“, sagte Angelica. „Genau das, was ich jetzt brauche.“

Sie würde ihrem Vater verzeihen. Und sie empfand das aufrichtige Bedürfnis, seine Wünsche zu erfüllen. Eine ausschweifende Hochzeitsfeier schien bestens dazu geeignet, die gewünschte Balance zwischen Job und Privatleben herzustellen.

„Es gibt nur ein Problem“, meinte Kayla und machte ein finsteres Gesicht.

„Und das wäre?“

„Matt wird Evan bitten, sein Trauzeuge zu sein.“

Angelica sank das Herz. Evan und sie als Trauzeugen, herausgeputzt wie die Pfauen, auf einer Traumhochzeit mit Spitzen, Blumen und Champagner? In der Gewissheit, dass sie beide niemals heiraten würden? Wie sollte sie das ertragen?

„Angelica?“, fragte Kayla besorgt.

„Alles in Ordnung“, erwiderte Angelica. Stolz stellte sie fest, dass ihre Stimme fast normal klang. „Ich schaffe das schon. Mach dir keine Sorgen. Ich werde die beste Trauzeugin aller Zeiten sein.“

Angelicas Zufluchtsort war der Rosengarten bei der Villa ihrer Familie in Beverly Hills. Vor fünf Jahren hatte sie dort einen offenen Pavillon bauen lassen, um die Schönheit und den betörenden Duft an diesem friedvollen Ort ungestört genießen zu können. Am Ende eines langen, arbeitsreichen Tages, der mit ungezählten Konferenzen, Telefonaten und wichtigen Entscheidungen gefüllt war, pflegte sie sich auf einen der bequemen Gartenstühle zu setzen und ein Glas Wein zu trinken. So auch heute.

Als sie Schritte auf dem mit Steinen gepflasterten Pfad zum Haus hörte, nahm sie an, es handelte sich um einen Küchenangestellten, der sich erkundigen wollte, wann sie das Abendessen einzunehmen wünschte.

„Hallo, Angelica“, ertönte eine unverwechselbare männliche Stimme, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Sie umklammerte ihr Glas und drehte den Kopf, um sich zu vergewissern, dass sie sich diese Stimme nicht nur eingebildet hatte.

Das hatte sie nicht. Evan stand mitten in ihrem Rosengarten. Er trug ein graues Hemd und verwaschene blaue Jeans. Das dichte hellbraune Haar war ein wenig länger als früher. Sein unrasiertes Gesicht wirkte angespannt, seine braunen Augen wachsam.

„Evan?“, fragte sie fassungslos. Erinnerungen an die Zeiten, die sie gemeinsam hier draußen verbracht hatten, wurden in ihr wach. Wie oft hatten sie sich in diesem Pavillon geliebt, eine kühle Brise auf schweißfeuchter Haut, den Duft von Rosen in der Nase und den Geschmack von Rotwein auf den Lippen.

Schnell setzte sie das Glas auf dem Gartentisch ab.

Zögernd machte Evan ein paar Schritte nach vorn und blieb an der kurzen Treppe zum Pavillon stehen. „Ich hoffe, du bist bereit, deinen Trauzeugenhut aufzusetzen.“

Alarmiert richtete sie sich auf. „Warum? Braucht Kayla irgendetwas? Gibt es Probleme?“

„Allerdings. Sonst wäre ich wohl kaum hier aufgekreuzt.“

Seine herablassenden Worte versetzten ihr einen Stich. Er wollte weder hier sein, noch etwas mit ihr zu tun haben. Das konnte sie sogar verstehen. Sie ging ihm ebenfalls aus dem Weg, wenn auch aus anderen Gründen.

Seit der Trennung waren sie sich gezwungenermaßen verschiedentlich begegnet. Damals hatte sie ihren Zorn als Schutzschild benutzt. Aber jetzt war sie nicht mehr zornig, nur noch verlegen, traurig und voller Schuldgefühle.

„Hast du gehört, dass Matt und Kayla in Schottland aufgehalten wurden?“

Sie beschloss, sich möglichst unbefangen zu geben. Schließlich konnte Evan nicht ihre Gedanken lesen.

„Ja“, antwortete sie. „Matt hat gestern im Büro angerufen. Er hat ein paar zusätzliche Urlaubstage genommen.“

Matt und Kayla waren nach Edinburgh geflogen, um sich eine bedeutende Kunstsammlung für Kaylas Galerie zu sichern. Soweit Angelica verstanden hatte, musste der Vorsitzende des Kirchenrates persönlich zustimmen, damit einige der Stücke das Land verlassen durften. Also waren Matt und Kayla gezwungen, zu dessen Ferienort im Norden des Landes zu reisen, um mit ihm zu sprechen.

„Ich habe den ganzen Tag versucht, die beiden anzurufen“, fuhr Evan fort. „Aber die Gegend dort ist vermutlich nur spärlich mit Sendemasten bestückt. Ich bin nicht durchgekommen. Dann sagte ich mir, dass die beiden von Schottland aus ohnehin nur herzlich wenig ausrichten können. Sie würden sich nur Sorgen machen. Wir müssen es hier an Ort und Stelle für sie in Ordnung bringen.“

„Was in Ordnung bringen?“, fragte sie besorgt. „Was ist los, Evan?“

Er stellte einen Fuß auf die unterste Stufe, schien aber nicht gewillt, ganz hinaufzugehen. „Im Emerald Wave hat es gebrannt.“

„Oh, nein. Wie schlimm ist es?“

„Schlimm genug. Die halbe Küche ist zerstört. Zum Glück wurde niemand verletzt.“

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Das Erbe der Lassiters