Mehr als eine gewagte Affäre?

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Marketingleiterin Ally Jones muss sich verhört haben. Oder hat der umwerfend gutaussehende Unternehmer Ross Bennett ihr gerade ein unmoralisches Angebot gemacht? Aber so leicht lässt sich Ally nicht verunsichern! Sie wird Mr Charming für ihre neue Modekampagne gewinnen - schließlich bekommt sie immer, was sie will. Warum nur stößt sie dann ausgerechnet bei diesem Mann an ihre Grenzen? Ally weiß, sie muss das Risiko eingehen und zum Schein auf den pikanten Deal eingehen. Dabei ahnt sie nicht, dass es bei diesem Spiel mit dem Feuer nur einen Gewinner geben kann …


  • Erscheinungstag 09.06.2015
  • Bandnummer 0012
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701765
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich habe ein verrücktes Leben. Ich gehe jeden Morgen zur Arbeit, und nachmittags schreibe ich und kümmere mich dabei um meine beiden stets sehr beschäftigten, geselligen Kinder. Wie für Millionen von Frauen überall auf der Welt gehört es auch für mich zum Alltag, mehrere Herausforderungen gleichzeitig anzunehmen und dabei zu versuchen, im Gleichgewicht zu bleiben zwischen meinem Job, meiner Schriftstellerei (die ich nebenbei mache) und den Aufgaben einer Mutter. Doch ich muss zugeben, dass ich während meiner Arbeit an diesem Roman oftmals alles andere stehen und liegen ließ, um weiterzuschreiben. Die Konsequenz war, dass ich mich nervös und gestresst fühlte.

Und so fand ich mich mehr als beabsichtigt in der Romanheldin Ally wieder. Man kann im Alltag nur allzu schnell das Gleichgewicht verlieren, wenn man sich zu sehr auf seine Arbeit (oder auch seine Kinder oder beides) konzentriert und darüber vergisst zu leben. Diese Problematik anhand von Ally zu zeigen hat mir in gewisser Hinsicht die Augen geöffnet, und als ich ihre Welt bunter werden ließ, wurde es auch meine.

Ross ist das genaue Gegenteil von Ally. Mit seiner Hilfe erkennt sie, dass Arbeit und Karriere im Großen und Ganzen eine untergeordnete Rolle spielen. Viel wichtiger sind Lebensfreude und Liebe. Jeden Tag.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und bei allem, was Sie tun.

Joss

xxx

PS: Mehr zu meinen Romanen erfahren Sie über Facebook: Joss Wood Author oder Twitter: @josswoodbooks oder auf www.josswoodbooks.com

Diese Geschichte ist zwei Menschen gewidmet, die viel zu früh von uns gegangen sind.

Robbie Adam, der sein Leben bei einem Tauchunfall vor der Küste Madagaskars verlor …

Gestern schien es mir beinahe, als hätte ich im Rauschen der Bäume von Norfolk dein Lachen gehört.

Und Jenny Heske – meiner Seelenschwester – die im Oktober 2013 im Norman-Carr-Gästehaus am Malawisee verstarb.

Ich glaube, keine andere Frau war je so wild, witzig, mutig und brillant wie du.

Unsere Kinder haben dich geliebt, ebenso wie Vaughan und ich.

Du wirst für uns immer die Frau vom See sein.

1. KAPITEL

„Wirst du langsam alt, Boss?“

Ross Bennett schlug den Basketball aus den Händen seiner Gegner und warf ihn von der Dreipunktlinie aus direkt in den Korb. Dann lächelte er erleichtert.

„Von wegen“, erklärte er herausfordernd, während er sich beide Hände auf die Oberschenkel stemmte, um durchatmen zu können.

„Dein Treffer war nur Glück“, war die schnelle Antwort seiner Angestellten. Ross schnaubte verächtlich.

Doch wahrscheinlich stimmte diese Aussage, denn der letzte Wurf war der einzige, der ihm in den vergangenen zehn Minuten gelungen war. Entweder wurden seine jungen Computerfreaks besser im Sport, oder er wurde tatsächlich langsam alt. Oder alt und langsam. Er hoffte, dass seine Jungs einfach besser wurden.

Trotz der Tatsache, dass er auf dem firmeneigenen Basketballplatz gerade mächtig in die Mangel genommen wurde, war es ein guter Tag für Ross Bennett. Es könnte ein noch viel besserer Tag werden, wenn seine Designabteilung sich endlich mit vollem Einsatz dem Brainstorming für die post-apokalyptische Welt in dem Computerspiel widmen würde, das Ross’ Firma gerade entwarf. Diese fünf Jungs sollten sich eigentlich Gedanken darüber machen, wie man die Erde nach dem Weltuntergang zurückerobern konnte, wenn man eine Armee böser Zombies und Monster gegen sich hatte, statt ihren Chef in Sachen Basketball fertigzumachen.

„Hey, ich spiele genauso gut wie ihr, aber ich muss auch an meine Arbeit denken“, rief Ross, als die Jungs aufs Neue im Ballbesitz waren. „Wenn ihr die Zeit hier nicht ebenfalls nutzt, um ein paar Ideen für unsere zerstörte Welt zu entwickeln, dann müsst ihr eure Hintern zurück an den Schreibtisch schwingen.“

Er sah ein paar verlegene Blicke auf den Gesichtern seiner Angestellten, vernahm ein gemeinschaftliches „Tut uns leid, Boss“ und unterdrückte ein Lächeln. Er wusste, dass es ihnen nicht leidtat. Und er wusste auch, dass er die besten Mitarbeiter hatte, die es auf der Welt gab.

Ross fühlte, wie sein Mobiltelefon in der Tasche seiner Cargoshorts vibrierte. Er zog es heraus und drückte es an sein Ohr, während er seinen Jungs noch einmal die Worte Zombies und Monster zuflüsterte, ihnen jedoch zugleich mit einer Handgeste zu verstehen gab, dass sie einfach weiterspielen sollten. Dann nahm er den Anruf an. „Bennett.“

„Ross, ich bin es.“

Er atmete tief durch, als er die leise Stimme seiner Mutter hörte. „Hallo, Mum.“

„Hallo, Schatz.“

Dreiunddreißig Jahre alt und immer noch ihr Schatz. Mütter. „Alles in Ordnung?“

„Ich habe mich gefragt, wann du zurück nach Hause kommst … zurück nach London?“

„Stimmt etwas nicht? Ist was mit Dad?“ Da sein Vater vor ein paar Monaten einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte, ging Ross diese Frage zuerst durch den Kopf.

„Nein, es geht ihm gut. Er arbeitet wieder.“

Er arbeitet wieder. Dieser harmlose Satz gewann tiefe Bedeutung, wenn er mit dem Namen Jonas Bennett in Verbindung gebracht wurde. Ross überkam ein vertrautes Gefühl von Groll und Ärger.

„Ich habe nur gehofft, dass du vielleicht zu Hopes dreißigstem Geburtstag hier bist.“

Seine kleine Schwester wurde bald dreißig? Wie konnte das denn sein? „Daran habe ich gar nicht gedacht, Mum. Wie wollt ihr feiern?“

„Wir wollten mit der ganzen Familie essen gehen.“

Da Ross nicht länger Teil der Familie war, klang der Vorschlag seiner Mutter ein wenig zu optimistisch. Ross wandte sein Gesicht dem warmen Licht der Frühlingssonne zu und strich sich das halblange, sonnengebleichte Haar aus den Augen. „Mum, ich würde jederzeit gerne mit dir und Hope zu Abend essen. Das weißt du. Aber ich bin noch nicht bereit, wieder mit Dad an einem Tisch zu sitzen.“

„Wirst du je bereit dazu sein? Wann wird euer dämlicher Kalter Krieg endlich enden?“

Das hätte Ross ebenso gern gewusst wie seine Mutter. Doch es lag nicht an ihm.

„Ich hab keine Ahnung, Mum.“

„Ich hasse es, zwischen euch beiden zu vermitteln“, sagte Meg Bennett traurig.

Dann hör damit auf! Damit verletzt du dich nur selbst. Ross hätte die Worte nur zu gerne laut ausgesprochen.

„Kannst du dich nicht bei ihm entschuldigen, Ross? Du weißt doch, wie stur er ist. Entschuldige dich einfach, und er wird dir vergeben. Du wirst wieder ein Teil der Familie werden, er gibt dir deinen Posten bei Bennett Inc. und dein Treuhandvermögen zurück, und …“

Ich würde lieber Rattengift schlucken.

Ross fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Seine Eltern glaubten offenbar beide, dass für ihren Sohn ein Erbe, ein Treuhandvermögen und das Ansehen in den „besten Kreisen“ ungemein wichtig waren. Doch Ross wollte nichts davon.

Er brauchte weder das Geld noch die Unterstützung seines Vaters. Alles, was er brauchte, war seine Freiheit. Jeden Tag.

Ross rieb sich mit der freien Hand über die schweißbedeckte Stirn. „Mum, ich will nicht mehr darüber diskutieren. Ich hab zu tun. Also …“

Ross hörte, wie seine Mutter sich verabschiedete. Nachdem sie aufgelegt hatte, drückte er sein Handy für einen Moment gegen seine Brust. Dann steckte er das Telefon zurück in die hintere Tasche seiner Shorts und blickte hinüber zum Tafelberg, den das Licht der Frühlingssonne an diesem Tag violett und grün schimmern ließ. Die Wolken, die oft wie ein Tischtuch über dem berühmten Wahrzeichen hingen, waren heute verschwunden. Was für ein umwerfender Anblick, dachte Ross. Er konnte den Tafelberg von seinem Bürofenster aus sehen und den atlantischen Ozean von jedem Fenster seines Hauses. Und das waren nur zwei der vielen Gründe, warum er Kapstadt so liebte.

Ein weiterer Grund war die Tatsache, dass London meilenweit entfernt war. Hier musste Ross sich nicht jeden Tag den Problemen stellen, die er mit seinem Vater hatte. Ihm gefiel die entspannte, künstlerisch geprägte Atmosphäre Kapstadts, und er hatte keinerlei Schwierigkeiten, motivierte Mitarbeiter zu finden. Denn jeder in seiner Branche war an einem zukunftsträchtigen Job in einer der schönsten Städte der Welt interessiert.

Zudem hatte ihm das Geld, das er gespart hatte, in Kapstadt die Etablierung seiner Firma ermöglicht. In London wäre es viel schwerer gewesen. Was der ausschlaggebende Grund war, warum er seiner Heimat vor ein paar Jahren für immer den Rücken gekehrt hatte.

Ross blickte in Richtung seines großen Bürogebäudes und fühlte einen Anflug von Stolz.

RBM gehörte ihm. Er hatte die Firma mit hartnäckigem Einsatz und Ausdauer zum Erfolg geführt. Und obwohl er es nie offen zugeben würde, hatte ihm das Blut, Schweiß und nicht selten völlige Erschöpfung abverlangt. Trotz der Tatsache, dass sein Vater ihm Scheitern auf ganzer Linie prophezeit hatte, war Ross’ Firma mittlerweile eines der angesehensten Spiel- und Animationsstudios weltweit. RBM produzierte die erfolgreichste Gamesoftware auf dem Markt, allen voran das Spiel Win!. Die hellsten und verrücktesten Köpfe der Spielebranche arbeiteten für Ross.

Und so konnte er sich einem weiteren Traum widmen: Crazy Collaborations, der Stiftung, die er ins Leben gerufen hatte, um Technologien für sauberes Trinkwasser, erneuerbare Energien und Sicherheit in seiner neuen Heimat zu entwickeln. Vielleicht konnte er so etwas von dem Glück zurückgeben, das ihm Südafrika gebracht hatte.

Denn hier war für ihn alles in Ordnung, auch ohne seine Familie. Und wie schon gesagt – es würde alles noch viel besser werden, wenn die Jungs auf dem Basketballplatz aufhören würden, Luftlöcher zu starren, um sich endlich ihrer Arbeit zu widmen.

Doch seine kleinen Computerfreaks standen mittlerweile wie angewurzelt auf dem Spielfeld. Ross sah sich um, um herauszufinden, was sie derart aus dem Konzept brachte. Dann stieß er einen leisen Pfiff der Bewunderung aus.

Wow – das war also der Grund, warum seinen Jungs der Mund offen stehen blieb. Er konnte es ihnen nicht vorwerfen.

Mittelbraunes Haar mit goldenen Strähnen, das zu einem strengen Pferdeschwanz zusammengebunden war. Eine sexy Nerdbrille, ein knielanger schwarzer Rock, der wunderbar schwingende Hüften umspielte und die atemberaubendsten Beine, die Ross je gesehen hatte. Diese Beine endeten in einem Paar roter High Heels, die irgendwie zu den Füßen der Trägerin zu gehören schienen. Und dann waren da noch die Knöpfe einer klassischen weißen Bluse, die gerade so weit geöffnet waren, dass der Ansatz eines Spitzen-BHs hervorschimmerte.

Alles in allem wirkte die Frau, die auf sein Bürogebäude zulief, wie die strebsame, jedoch höllisch heiße Bibliothekarin aus jener Teenagerfantasie, in der unwissende Schüler zwischen Bücherregalen etwas lernten, was sie im Leben wirklich gebrauchen konnten.

Obwohl seine sportliche Aktivität auf dem Basketballplatz seit einigen Minuten vorbei war, wurde Ross heiß, und zögerlich musste er sich eingestehen, dass er diesen Teenagertraum wohl niemals hinter sich gelassen hatte.

Der Körper dieser Frau haute ihn regelrecht von den Socken, doch noch mehr tat es ihr Gesicht. Hohe Wangenknochen, ein Mund, der wie geschaffen zum Küssen schien, und eine kleine gerade Nase, die die junge Frau, während sie sich suchend auf seinem Firmengelände umblickte, jedoch so hoch trug, dass sie in naher Zukunft wegen Höhenkrankheit behandelt werden musste.

Der Verkehrslärm der Stadt schien zu verschwinden, als die Frau in den roten High Heels auf Ross zukam. Bereits aus ein paar Metern Abstand konnte er ihr Parfum riechen: ein leichter Duft, der ihn an Zitrusfrüchte erinnerte, an Sonnenschein und Licht. Und die Augen hinter ihrer strengen Brille – waren die echt? Oder nur ein Traum?

Wen störte das schon?

Sie waren so unglaublich blau und wirkten wider Erwarten überhaupt nicht hochmütig. Eher verloren und verängstigt. Bei näherem Hinsehen erkannte Ross dunkle Ringe darunter. Die heiße Bibliothekarin sah aus, als ob sie mal wieder ein paar Nächte durchschlafen müsste.

„Ross Bennett?“

Er nickte kurz. „Wer will das wissen?“

„Alyssa … Ally … Jones. Es ist schwer, Sie zu erreichen, Mister Bennett.“

Großer Gott: Mister Bennett? Dieser Name klang alt und spießig. Nach seinem Vater. Für Ross hatten die Worte der jungen Frau augenblicklich einen bitteren Beigeschmack.

„Ich habe Ihnen unzählige E-Mails und Nachrichten hinterlassen, und Sie haben mich nicht zurückgerufen. Haben Sie keinen persönlichen Assistenten?“

Ross runzelte die Stirn. „Wer sind Sie?“

„Ich arbeite für Bellechier.“

Ach ja – diese teure Modefirma, die ihren Sitz in der Schweiz hatte. Ross erinnerte sich an die vielen Nachrichten, die jeweils die Bitte um ein Treffen enthalten hatten. Irgendwie wollten diese Leute mit ihm über eine Werbekampagne sprechen, für die er Pate stehen sollte. Er war nicht daran interessiert. Bekanntere und bessere Marken waren mit ähnlichen Gesuchen an ihn herangetreten, und er hatte jedes davon abgelehnt. Doch er musste zugeben, dass es ganz amüsant war zu erleben, wie die egozentrischen Manager dieser Firmen um seine Aufmerksamkeit buhlten.

Ross sah, wie Alyssa … Ally … Jones ihn mit ihren tiefblauen Augen musterte. Sein rotes T-Shirt, seine kurzen Cargohosen und die abgenutzten Turnschuhe. Nur um ihre Reaktion zu sehen, griff er in seine linke Hosentasche und zog ein Bandana heraus, das er sich lässig um den Kopf band, um das verschwitzte Haar aus seiner Stirn zu halten.

Ihrer kerzengeraden Haltung nach zu urteilen, hätte Miss Zimperlich ihn wohl lieber mit kurzen Haaren und einem Seitenscheitel gesehen. Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und begutachtete Ross, als befände sie sich auf einer Safari.

Unwillkürlich fühlte er sich wie ein seltenes Tier, das wegen seiner Außergewöhnlichkeit angestarrt wurde. Wäre das Interesse des Modepüppchens vor ihm sexueller Art gewesen, hätte Ross sich nicht unbedingt daran gestört. Doch ihre intelligenten Augen hatten den kühlen Blick einer … egozentrischen Managerin angenommen.

„Kürzeres Haar würde Ihnen besser stehen“, sagte sie nach einer langen Pause. „Doch die langen Haare passen zu dem rebellischen Image, das man Ihnen nachsagt. Ich bin jedoch froh, dass Sie sich Ihren Spitzbart abrasiert haben.“

Ross sah sich um. Nur so konnte er sichergehen, dass Alyssa Jones mit ihm sprach. Das rebellische Image? Ernsthaft? Ganz sicher machten sein langes Haar oder seine Tätowierung auf dem rechten Unterarm ihn nicht zu einem Rebellen. Vielleicht wäre das in den 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts zutreffend gewesen. Aber heute?

Und das, was Miss Zimperlich einen Spitzbart genannt hatte … er hatte sich bereits vor über einem Jahr davon getrennt. Dieses Gespräch war dabei, eine seltsame Wendung anzunehmen.

„Äh …“

Ross hörte einen seiner Mitarbeiter prustend auflachen, und ohne seinen Blick von der Frau zu lösen, die vor ihm stand, befahl er seinen Jungs, endlich zurück an ihre Schreibtische zu gehen. Während die Schritte und Stimmen der kleinen Technikgenies verstummten, beobachtete Ross, wie Alyssa Jones sich mit Daumen und Zeigefinger nervös über die Unterlippe strich. Es machte keinen Sinn, dass er sich wünschte, es wären seine eigenen Finger. Oder noch besser: seine Lippen … Was war nur los mit ihm?

Wurde es immer heißer hier draußen?

„Vielleicht könnten Sie …“, murmelte Alyssa.

Es gab viele Dinge, die Ross auf der Stelle gekonnt hätte. Er musste echt aufpassen, dass diese dämliche Situation nicht peinlich wurde. Denn sicher war nichts, woran er gerade dachte, der Grund, warum Alyssa ihn aufgesucht hatte.

Leicht erschrocken darüber, wie sehr ihn die Gesellschaft des zimperlichen Modepüppchens erregte, rieb Ross mit beiden Händen über seine hämmernden Schläfen. „Sprechen Sie immer in Rätseln?“, fragte er schließlich.

Alyssa warf ihm ein schnelles Lächeln zu, das weiße, ebenmäßige Zähne enthüllte und zwei leichte Grübchen auf ihren Wangen erscheinen ließ.

Gott, er hatte Grübchen schon immer geliebt …

„Es war keine Absicht. Würden Sie sich ein paar Minuten mit mir unterhalten? Oder einen Termin mit mir vereinbaren, falls es Ihnen jetzt nicht passt?“

Okay. Sie war atemberaubend und unbeirrbar. Wie ärgerlich …

„Wissen Sie, ich möchte nicht unhöflich sein, aber …“ Er würde unhöflich werden, wenn das der einzige Ausweg war. „Werten Sie die Tatsache, dass ich auf keine Ihrer sechzig E-Mails und keinen Ihrer zehntausend Anrufe reagiert habe, nicht als dezenten Hinweis darauf, dass ich an Ihrer Anfrage nicht interessiert bin?“

„Ich bin es nicht gewohnt, dass man mich ignoriert.“

Das stimmte ganz sicher. Eigentlich wusste Ross instinktiv, dass man diese Frau überhaupt nicht ignorieren konnte. Und so stand er – ein Mann, der niemals der Herde folgte oder irgendetwas tat, was er nicht tun wollte – einfach hier in der Sonne und konnte seine Füße nicht vom Boden lösen. Obwohl er wusste, wie gefährlich es war, wenn unbändige Kraft auf ein unbewegliches Objekt traf.

„Wie sind Sie überhaupt an meine private Handynummer und Mailadresse gekommen?“, fragte er, um etwas Zeit zu gewinnen und zumindest ansatzweise seine Selbstkontrolle zurückzuerlangen.

Alyssa zuckte mit ihren schmalen Schultern. „Ich kenne ein paar Leute, die ein paar Leute kennen“, erwiderte sie auf mysteriöse Weise.

Ross fragte sich, ob er jemals eine unverschlüsselte Antwort aus ihr herausbekommen würde. Und weil er sich bei dem höchst gefährlichen Gedanken ertappte, dass er alle Rätsel dieser wunderschönen Frau nur allzu gerne lösen würde, entgegnete er schnell und unverblümt: „Ich muss zurück in mein Büro. Sie finden den Weg hinaus sicher allein. Ich wünsche Ihnen einen guten Rückweg in Ihr Büro!“

„Ich fliege nicht zurück nach Genf, bevor Sie sich mein Angebot angehört haben.“

„Das habe ich aber nicht vor. Ihr Modelabel ist altmodisch, spießig und versnobt. Alles, was meine Firma nicht ist und niemals sein soll.“

„Entschuldigen Sie bitte?“ Jetzt hatte Madame auch noch die Kühnheit, beleidigt auszusehen. Ihr schmaler, in den roten High Heels circa 1,75 Meter großer Körper zitterte vor Entrüstung.

„Bellechier ist eines der marktführenden Modelabels der Welt. Ich trage Bellechier!“

Ross gähnte demonstrativ.

„Unsere Mode ist elegant“, protestierte Alyssa.

„Ihre Mode ist langweilig“, entgegnete Ross, der dieser Unterhaltung jetzt unbedingt ein Ende setzen wollte. Okay, die roten High Heels seiner hübschen Gesprächspartnerin waren nicht langweilig, doch der Rest ihrer Kleidung schon. Was Alyssas Schönheit jedoch keinerlei Abbruch tat. Vor Wut funkelten nun ihre tiefblauen Augen, und ein Anflug von Röte überzog ihre hohen Wangenknochen. Verdammt, sie war echt heiß.

„Sie hätten doch gar nichts davon, wenn ich für eine Ihrer Werbekampagnen Pate stünde! Unsere Firmen haben nichts gemeinsam.“

„Natürlich haben sie das! Sonst wäre ich ganz sicher nicht um die halbe Welt gereist, um mit Ihnen zu sprechen.“

Ross tippte sich an die Stirn. „Rauchen Sie Crack?“

„Hey! Ich bin nicht diejenige hier, die so verrückte Dinge tut, wie …“, sie warf einen verstohlenen Blick auf ihre Armbanduhr, „… an einem Mittwoch um Viertel nach zwölf Basketball zu spielen. Und das bei dieser Hitze! Sie sind wahnsinnig!“

„Wobei Sie es natürlich als den wahnsinnigsten Aspekt betrachten, dass ich Basketball spiele, während rechtschaffende Menschen arbeiten!“

Ross hätte nicht gedacht, dass es Alyssa gelingen würde, ihre Nase noch ein wenig höher zu tragen. Doch sie schaffte es.

„Es ist mir egal, wie Sie Ihre Zeit verbringen oder ob Sie an einem Hitzschlag sterben. Ich möchte nur mit Ihnen über meine Werbekampagne reden.“

Alyssa blickte in Richtung des Tafelbergs, und Ross spürte, dass sie versuchte, ihr kühles Managerauftreten zurückzuerlangen. Als sie ihn noch einmal ansah, war ihr Gesicht jeglichen Ausdrucks beraubt. Nur ihre Augen funkelten noch immer.

„Ich habe mir den Verlauf dieser Besprechung ein wenig anders vorgestellt. Normalerweise streite ich mich nicht mit jemandem, den ich als das neue Gesicht für eine Kampagne anwerben möchte. Zumindest nicht in den ersten fünf Minuten.“

„Wie nett von Ihnen“, kommentierte Ross sarkastisch. Diese „Besprechung“ war vorbei. Er vergrub beide Hände in seinen Hosentaschen, um das wütende Zittern seiner Finger zu verbergen. „Lassen Sie es gut sein, Miss Jones. Wenn ich daran interessiert wäre, das Gesicht irgendeiner Kampagne zu werden, würde ich mir ganz sicher kein Modelabel aussuchen. Also bitte ich Sie noch einmal höflich, mich in Ruhe zu lassen.“

Ally biss sich auf die Unterlippe. „Mein Bruder Luc hat sich wohl geirrt, als er sagte, Sie wären ein netter Mensch. Er lässt Sie übrigens herzlich grüßen.“

Luc? Kannte er einen Luc? Er erinnerte sich an einen jungen Franzosen namens Luc, den er auf der Geburtstagsparty eines alten Schulfreundes getroffen hatte. Und auf dessen Hochzeit.

„Luc? Ein großer, dunkelhaariger Typ, der auf kurvige Blondinen steht?“

Alyssa nickte. „Genau der. Luc Bellechier Smith – Vorstandsvorsitzender von Bellechier, mein Chef und Pflegebruder.“

Ross hatte Luc instinktiv gemocht – seinen Sinn für Humor, seine Leidenschaft für das Leben. Er konnte sich nur schwer vorstellen, wie dieser fröhliche junge Mann zu einer Schwester kam, die offenbar einen Besenstiel in ihrem süßen Hintern stecken hatte.

„Welche Position haben Sie in der Firma Ihres Bruders?“

„Ich bin Managerin für Marketing und PR.“

„Und es war Lucs Idee, an mich heranzutreten?“, fragte Ross verblüfft. Er hätte seinen französischen Partykumpel für klüger gehalten.

„Ja. Sehen Sie: Unsere Firmen haben zumindest gemeinsam, dass Luc an ihren beständigen Erfolg glaubt“, erklärte sie beinahe vorwurfsvoll. „Bellechier bringt eine neue Modelinie auf den Markt und … würden Sie mir einfach fünf Minuten geben, um Ihnen unser Vorhaben zu erklären? Vielleicht …“ Ally blickte auf das Gebäude hinter Ross. „Vielleicht drinnen, wo es ein wenig kühler ist?“

„Sie können es mir hier erklären.“ Er fand diese Frau einfach zu attraktiv, um sich der Gefahr auszusetzen, allein mit ihr in einem geschlossenen Raum zu sein. Was stimmte heute nicht mit ihm? Er wusste, wie man mit Frauen umging und wie man(n) seine Reaktion auf sie kontrollieren konnte. Normalerweise brachten Frauen ihn nicht mit einem einzigen Blick aus dem Gleichgewicht.

„Ein Besprechungszimmer wäre besser“, hörte er Alyssa sagen.

Warnend kniff Ross die Augen zusammen.

Lucs Schwester blickte zu Boden. „Okay. Also besprechen wir uns hier. Auch wenn ich Ihretwegen einen Sonnenbrand und Sommersprossen bekommen werde.“

Ross musterte ihr Gesicht noch einmal und erkannte eine winzige Spur frecher Sommersprossen unter ihrem Make-up. Auf ihrer Nase, auf ihren Wangen …

„Bellechier produziert eine ganz neue Kollektion.“ Alyssas erster Satz wurde von einem durchdringenden Pfeifen unterbrochen, das von einem Balkon im zweiten Stockwerk von RBM ertönte.

Ross entschuldigte sich kurz und lief dann in Richtung des Gebäudes. Eli, sein Freund und Stellvertreter stand auf dem Balkon und umklammerte nervös das Geländer.

„Was ist denn, Eli?“

„Die Firma Jac-Tech hat einen Programmfehler in der App gefunden, die wir ihnen zum Testen geschickt haben. Sie sind nicht besonders glücklich. Du musst einige Wogen glätten und das ziemlich schnell“, erklärte Eli und winkte Ross zu sich.

Neben den Computerspielen designte RBM mittlerweile auch lukrative Apps für Smartphones. Sie waren der neueste Pfeiler, auf den seine Firma sich stützen konnte.

„Gerade um diese Fehler zu entdecken, ist eine Testversion doch da!“ Ross schüttelte den Kopf. „Wer macht sich deshalb denn gleich in die Hosen? Die Hardwareentwickler von Jac-Tech oder ihre Manager?“

„Die Manager“, antwortete Eli. „Wer sonst?“

Autor

Joss Wood
<p>Schon mit acht Jahren schrieb Joss Wood ihr erstes Buch und hat danach eigentlich nie mehr damit aufgehört. Der Leidenschaft, die sie verspürt, wenn sie ihre Geschichten schwarz auf weiß entstehen lässt, kommt nur ihre Liebe zum Lesen gleich. Und ihre Freude an Reisen, auf denen sie, mit dem Rucksack...
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