Mein Geliebter, mein Prinz

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Er ist ihr Held - ihr Retter aus höchster Not: Nico, ein blendend aussehender Italiener, hat Ella vor Schlimmem bewahrt. Doch sie empfindet nicht nur Dankbarkeit für den charmanten Mann und schwebt im siebten Himmel, als er sie voller Begehren küsst. Aber ihre süßen Tage der zärtlichen Leidenschaft enden jäh: Nico hat verschwiegen, wer er wirklich ist: ein Prinz, der schon bald in seinen Palast zurückkehren muss. Traurig reist Ella allein nach England zurück. War sie für Nico nur eine Gespielin auf Zeit?


  • Erscheinungstag 28.01.2007
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783862957682
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

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1. KAPITEL

Ein strahlendes Weiß hob sich gegen das endlose Saphirblau ab. Die Sonne blendete sie jedoch zu sehr, als dass Ella irgendetwas deutlich hätte erkennen können. Das grelle Licht tat weh, und sie schloss die Augen. Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet. Wie bei jemandem in der Wüste, der halluzinierte und eine Oase sah, hatte möglicherweise nur ihre Vorstellungskraft ein Bild auf die Wasseroberfläche gezaubert. Noch ein weiteres Lebenszeichen neben den Vögeln, die am Himmel kreisten, der so tiefblau war wie das Meer.

„Mark.“ Heiser brachte sie den ungewohnten Namen über die völlig ausgetrockneten Lippen. „Mark, bist du da?“ Ella dachte angestrengt nach, bis ihr einer der Frauennamen einfiel. „Helen?“

Niemand antwortete, was wohl nicht weiter erstaunlich war, weil das Wummern lauter Musik unter Deck ihre geflüsterten Worte übertönte. Ella stöhnte verzweifelt auf. Wie lange? Seit wann hatte sie nichts mehr getrunken? Sie wusste, dass sie nach unten gehen und sich eine Flasche Wasser holen sollte, aber die Beine waren ihr bleischwer geworden. Mühsam hob Ella die Hand und versuchte vergeblich, sich das Haar aus dem Gesicht zu schieben, dann ließ sie die Hand wieder sinken.

Sie würde sterben. Ella spürte, wie ihr die Kräfte schwanden. In den Ohren rauschte es, und ihr Herz schlug viel zu schnell. Ihre Haut fühlte sich glühend heiß an, sie brannte … brannte … brannte …

Unter Deck lockte die kühle, schattige Kabine. Und dennoch hatte Ella dem Verlangen, der Sonne zu entkommen, die ganze Zeit über instinktiv nicht nachgegeben. Dort unten herrschte Chaos, und es gab keine Fluchtmöglichkeit. Hier oben an Deck bestand zumindest die Chance, dass jemand sie sah.

Das schwarze Haar vom sanften Wind zerzaust, der kräftige Körper völlig entspannt, blickte Nico aufs Meer und kniff plötzlich die Augen zusammen, als am Horizont irgendetwas aufblitzte.

Ein Boot? Wo keins sein sollte? Hier im Naturschutzgebiet vor der Nordküste von Mardivino? Gangster, die illegal in das Steuerparadies einreisen wollten, das die Superreichen so eifersüchtig hüteten? Oder versuchten Paparazzi auf die Insel zu kommen? Nicos Miene verfinsterte sich. Wo, zum Teufel, blieb die Küstenwache, wenn man sie brauchte?

Gleichzeitig ließ Nicos Abenteuerlust seinen Puls rasen vor Begeisterung. Die mögliche Gefahr ignorierend, sie fast genießend, gab Nico Gas, und der Jetski raste in einer Gischtwolke auf das Boot zu.

Als er näher kam, sah er an Deck eine Gestalt liegen. Er hielt den Jetski längsseits und erkannte, dass es eine Frau war, die sich anscheinend sonnte. Rötlich braunes Haar. Schlank und geschmeidig, mit den straffen, üppigen Rundungen der Jugend. In genau zwei Sekunden schätzte er ab, ob es eine Falle und die Frau der Lockvogel war. Diese uralte Methode kannte Nico von früher.

Die Frau sonnte sich nicht. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Das erkannte er daran, wie zusammengekrümmt und reglos sie dalag.

Schnell machte er den Jetski fest und sprang an Bord. Einen Moment lang ließ er wachsam den Blick über das Deck gleiten und horchte angespannt. Er hörte das Wummern von Discomusik, aber anscheinend war die Frau allein an Deck.

Mit wenigen Schritten hatte Nico sie erreicht. Er beugte sich über sie, drehte sie auf den Rücken und unterdrückte eine spontane Reaktion darauf, wie sich ihre herrlichen Brüste unter dem knappen jadegrünen Bikinioberteil hoben und senkten.

Sie war krank.

Abschätzend sah er sie an. Sie atmete schnell und flach, die Augen hielt sie geschlossen, und ihre Haut war stark gerötet. Nico legte der Fremden die Hand auf die Stirn. Glühend heiß. Fieber. Wahrscheinlich Sonnenstich. Er schüttelte die junge Frau.

Svegliti!“, befahl er, doch sie reagierte nicht. Also probierte er es auf Französisch: „Reveillez-vous!“ Und schließlich, lauter, auf Spanisch: „Despiértate!“

Durch den Traumnebel, der sie immer tiefer in die Bewusstlosigkeit zog, hörte Ella eine Stimme, die sie zurück an die Oberfläche drängte, zurück ans Licht. Aber das Licht tat ihren Augen weh, deshalb wollte sie da nicht hin.

„Wachen Sie auf!“

Ella öffnete die Augen. Ein Gesicht ragte über ihr, ein markantes, gut aussehendes Gesicht. Ein dunkelhaariger Engel. Sie musste tatsächlich träumen. Oder sie starb gerade.

„Oh nein!“, rief Nico und hob sie in die Arme. „Sie werden nicht wieder einschlafen! Hören Sie mich? Wachen Sie auf. Jetzt sofort. Ich verlange es!“

Die Stimme klang zu gebieterisch, als dass Ella sie hätte ignorieren können. Doch sie schaffte es nicht länger, Widerstand gegen das hohe Fieber zu leisten. „Gehen Sie weg“, murmelte sie und empfand nacktes Entsetzen, sobald der Mann sie wieder auf den Boden legte und genau das tat: Ihr vermeintlicher Retter ließ sie allein zurück. Sie stieß ein leises Wimmern aus.

Nico ging unter Deck, und der Krach traf ihn wie ein Schlag. Einen Moment lang stand er nur da und nahm die dekadente Szene in sich auf.

Er zählte fünf Leute, drei Männer und zwei Frauen, die alle sternhagelvoll waren. Eine der Frauen lag, oben ohne und schnarchend, auf dem Boden, während sich die andere wie eine schlechte Striptänzerin vor einem Betrunkenen drehte.

Nur einer der Männer bemerkte Nico. Er hob eine halb leere Flasche Scotch und nuschelte: „He! Wer sind Sie denn?“

Nico warf ihm einen wütenden Blick zu. „Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Sie sich widerrechtlich hier aufhalten?“, fragte er scharf.

„Nein, Kumpel, ich glaube, dass Sie das tun. Ich habe mich für diese Yacht dumm und dämlich gezahlt, und …“, er zeigte nach oben, „… das Meer ist für alle da.“

„Hier nicht. Sie befinden sich in einer Sperrzone.“ Nico machte auf dem Absatz kehrt, ging zurück an Deck und nahm das Handy, das er beim Jetskifahren stets an einer Kette um den Hals trug. Nico tippte eine Nummer ein, die nur sehr wenigen Leuten bekannt war und ihn direkt mit dem Polizeichef verband. „Pronto? Si. Nicolo.“ Schnell erklärte er auf Italienisch, was er entdeckt hatte.

Ein kurzes Schweigen folgte.

„Möchten Sie, dass wir sie festnehmen, Prinz Nicolo?“, fragte der Polizeichef ruhig.

„Ja. Warum nicht? Nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle bringen sie hoffentlich nie wieder sich und andere in Gefahr.“ Nico schaltete das Handy aus und blickte nachdenklich auf die junge Frau. Sie war nicht betrunken, sondern krank.

Er bückte sich und berührte sie an der Schulter. Die Frau schlug die Augen auf, die grün wie Frühlingsgras waren, und sah ihn verwirrt an.

Obwohl durch die gefährlich gestiegene Körpertemperatur desorientiert und der Bewusstlosigkeit nahe, erkannte Ella seine Kraft, sah einen Fels in der Brandung vor sich, einen sicheren Zufluchtsort und ihren einzigen Ausweg. „Lassen Sie mich nicht allein“, flüsterte sie.

Ihr flehender, verzweifelter Ton ließ Nico einen Moment lang bewegungslos verharren. Die Bitte war überflüssig, weil er seine Entscheidung schon getroffen hatte. „Ich habe nicht die Absicht, Sie hier zurückzulassen“, sagte er kurz angebunden und hob die Frau hoch, bevor sie protestieren konnte.

Nachdem sie ihm die Arme um den Nacken gelegt hatte, sackte sie auch schon in sich zusammen und sank schwer an Nicos Brust. Er umfasste sie fester und schaffte sie vorsichtig auf den Jetski. Die meisten Männer wären mit einer bewusstlosen Frau nur schwer fertig geworden. Nico hingegen liebte Herausforderungen – sie gehörten zu den wenigen Dingen im Leben, die ihn mit Energie erfüllten und in Hochstimmung versetzen konnten. Ein Lächeln umspielte seinen Mund, als er auf die Küste zuraste.

Ständig suchte er neuen Nervenkitzel, und er probierte immer alles aus, was Spannung und Aufregung versprach. Aber eine Frau in Not zu retten, das hatte Nico wirklich noch nie gemacht.

2. KAPITEL

Herrlich kühles Wasser benetzte ihre Wangen, und Ella seufzte leise. „Hm, das ist schön!“

„Trinken Sie das!“

Wieder die tiefe Stimme, die einfach nicht weggehen wollte. Die Stimme, die kein Nein als Antwort akzeptierte und Ella ärgerlich oft ins Bewusstsein drang. Eine herrische, fremde, aber auch unwiderstehliche Stimme.

Gehorsam ließ Ella sich die kühle Flüssigkeit aus der Tasse, die ihr angeboten wurde, in den Mund laufen. Nur trank Ella diesmal begieriger als zuvor, sodass ihr das Wasser übers Kinn lief und sie aus der Verwirrtheit aufschreckte, die sie umhüllte.

„Schon besser. Trinken Sie noch mehr, und dann machen Sie die Augen auf.“

Ella tat, was ihr gesagt wurde, nur brachte sie das noch mehr durcheinander. Weil vor ihr ein Mann stand, den sie nicht kannte.

Oder doch?

Blinzelnd betrachtete sie sein Gesicht, und etwas höchst Seltsames passierte mit ihrem ohnehin schon unregelmäßigen Herzschlag. Denn der Mann war … absolut sensationell.

Die scharf geschnittenen Gesichtszüge ließen ihn hart, eigensinnig und arrogant aussehen, aber der sinnliche Mund schwächte diesen Eindruck ab. Dunkle Augen wurden von dichten schwarzen Wimpern umrahmt; sein Haar war schwarz, wellig und ein bisschen zu lang. Er wirkte stark und mächtig, vertraut und dennoch fremd. Seine Haut war gebräunt und hatte einen goldenen Schimmer. Jetzt erkannte Ella das Gesicht wieder, in das sie, fiebernd und desorientiert, geblickt hatte. Dieser Mann hatte ihr gut zugeredet und sie gekühlt. Ein dunkler Engel. Ein Schutzengel.

Also hatte sie keineswegs geträumt. Gestorben war sie anscheinend auch nicht.

Noch immer verwirrt blinzelnd, sah sie sich um. Sie befand sich in einem sehr einfachen Raum, der nur einen kleinen Holztisch und zwei alte Sessel enthielt. Wände und Fußboden waren aus Holz, und Ella hörte Meeresrauschen. Ein kleines Fenster ließ nur wenig Licht herein, dadurch war es angenehm kühl im Raum. Sie lag auf einem niedrigen Bett unter einem kratzigen Ding, das ihr für ein Laken zu dick und für eine Wolldecke zu dünn erschien. Langsam ließ Ella die Hand unter das Tuch gleiten.

Sie trug ein übergroßes T-Shirt und nichts darunter!

Der letzte Rest ihrer Lethargie verschwand schlagartig. Die Tagesdecke umklammernd, setzte Ella sich auf und blickte den Mann starr an, der vor ihr aufragte, seine Miene verschlossen und wachsam. Wer war er, und warum befand sie sich hier?

„Würden Sie mir bitte mal erklären, was, zum Teufel, hier eigentlich vor sich geht?“, fragte sie atemlos.

„Ich denke …“, er beobachtete sie aufmerksam, wie ein Jäger seine Beute fest im Blick behält, „… das sollte ich Sie fragen.“

Ihr Herz hämmerte. Er sprach Englisch mit einem leichten Akzent, seine Stimme klang sanft und sonor. Und anklagend. Wenn hier irgendwelche Beschuldigungen zu erheben waren, dann war doch wohl sie diejenige … Ella tastete unter der Tagesdecke ihren Körper ab, wie um zu überprüfen, ob alles heil war.

„Keine Sorge“, sagte Nico spöttisch. „Ihre Tugend ist unversehrt. Oder zumindest so unversehrt, wie sie war, als Sie hier angekommen sind.“ Nur der Himmel weiß, was ihr mit den Betrunkenen auf der Yacht vielleicht noch bevorgestanden hätte, überlegte Nico.

Ella versuchte, ihr störrisches Gedächtnis in Schwung zu bringen, hatte jedoch das seltsame Gefühl, dass ihr Hirn in Watte gehüllt war. Eine innere Stimme sagte Ella, dass sie dem Mann dankbar sein sollte. Allerdings war Dankbarkeit nicht das, was sie im Moment empfand: Seine geheimnisvolle, faszinierende Männlichkeit machte Ella plötzlich furchtbar schüchtern. „Was ist passiert?“

„Sie sind krank gewesen“, erklärte er, während seine Augen vor Argwohn funkelten.

Erneut blickte sich Ella im Raum um. Nichts daran war steril. In einem Krankenhaus lag sie jedenfalls nicht. Sie entdeckte Sand auf den Dielen, und in einer Ecke lag ein Kälteschutzanzug, wie ihn Taucher benutzten. Allmählich verflüchtigte sich Ellas Benommenheit. „Wo bin ich?“

„Ah! Endlich! Bei Ihnen dauert es ja ziemlich lange, bis Sie die traditionelle Frage stellen.“ Nico zog spöttisch die Augenbrauen hoch und sah Ella durchdringend an.

„Ich frage jetzt.“

So eine Antwort war er nicht gewohnt. „Sie wissen es nicht?“

„Wenn ich es wüsste, würde ich ja wohl nicht fragen.“

Es sei denn, sie hat einen ganz besonderen Plan, dachte Nico. Das konnte er erst herausfinden, wenn sie sich völlig erholt hatte. Wenn sie nicht mehr …

Hastig wandte er den Blick von ihren festen Brüsten ab, die sich unter dem T-Shirt abzeichneten und eine Versuchung darstellten, die sogar einen tugendhaften und asketischen Mann überfordert hätte – Nico war weder das eine noch das andere.

Stundenlang hatte sie sich im Fieberwahn hin und her geworfen und geschrien. Mit einem nassen Waschlappen hatte Nico sie abgerieben, ihr Wasser zu trinken gegeben und bis zur Morgendämmerung bei ihr gewacht.

Dass jemand auf ihn angewiesen war, stellte eine völlig neue Erfahrung für ihn dar. Die Hilflosigkeit der unbekannten jungen Frau weckte eine Fürsorglichkeit in ihm, wie er es noch nie vorher erlebt hatte. Bis …

Irgendwann schrie sie plötzlich wieder auf. Und gerade als er tröstliche Worte murmelte und ihr das Haar aus dem Gesicht streichen wollte, setzte sie sich ruckartig auf, sodass die Tagesdecke hinunterrutschte. Sein T-Shirt, das er der unbekannten Schönen übergezogen hatte, verbarg und enthüllte gleichzeitig. Die andeutungsweise darunter sichtbaren herrlichen Brüste boten einen unglaublich hinreißenden Anblick. Nico versuchte wegzurücken. Aber sie hob die Arme und klammerte sich mit der Kraft eines Menschen in Todesangst an ihn. Und dann war sie so nah. Oh … so … nah.

Als sie sich noch fester an ihn schmiegte, war Nico sofort erregt. Die Nerven zum Zerreißen gespannt, sah er ihr in die Augen, diese faszinierenden grünen Augen, aber der Blick der Fremden schien leer zu sein. Wen oder was auch immer sie sah, ihn nahm sie überhaupt nicht wahr.

„Legen Sie sich hin!“, hatte er scharf befohlen, und sie hatte unbewusst geschmollt.

Warum nicht ausnutzen, was so schön angeboten wird?, das hätten sicher manche Männer gedacht. Nico war anders. Selbst wenn es ihn nicht schon gelangweilt hätte, dass sich ihm Frauen immer willig hingegeben hatten. Niemals wäre es für ihn infrage gekommen, eine Frau zu lieben, die nicht wusste, was sie tat. So etwas konnte Nico einfach nicht tolerieren.

Jetzt blickte er sie an und erkannte, dass der fiebrige Glanz aus ihren Augen verschwunden war. Insgeheim triumphierte er darüber, denn er hatte sie betreut, und nun war sie wieder gesund. „Haben Sie Hunger?“

Die Frage lenkte Ella von ihrer außergewöhnlichen Lage ab und veranlasste sie, sich stattdessen auf die Bedürfnisse ihres Körpers zu konzentrieren. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie fast umkam vor Hunger! „Ja“, erwiderte sie überrascht.

„Dann müssen Sie etwas essen.“

Als könnte er es kaum erwarten, Abstand zwischen sie beide zu bringen, entfernte er sich von ihr. „Nein! Bleiben Sie hier!“

Nico verharrte und machte ein verwirrtes Gesicht. Wie viele Jahre waren vergangen, seit ihm jemand einen dermaßen unhöflichen kurzen Befehl gegeben hatte? „Was ist?“

„Wie lange bin ich schon hier?“

„Nur einen Tag.“

Nur einen Tag! Ella strengte sich wieder an, einen klaren Kopf zu bekommen, und Erinnerungsfetzen kehrten zurück. Eine Yacht. Ein Yachtausflug mit Leuten, die, wie sich herausstellte, nicht das Geringste über Navigation, Seerecht oder Sicherheit auf See wussten. Die sich irgendwann sinnlos betranken. Ein Mann, der Ella eingeladen hatte und offensichtlich die Meinung vertrat, dass eine Frau für ein Luxuswochenende den „üblichen Preis“ bezahlen sollte.

Ella runzelte die Stirn. Wie war noch gleich sein Name gewesen? Mark! Ja, genau. „Wo ist Mark? Was ist mit ihm passiert?“

Dachte sie an den Typ, als sie sich an ihn geschmiegt hatte? Nico presste die Lippen zusammen. Oder war es für sie ganz normal, freigebig mit ihrem Körper zu sein? „Eigentlich …“, Nico sah auf seine Armbanduhr, „… müsste er in Kürze aus dem Gefängnis entlassen werden.“

„Gefängnis? Wieso das denn?“

„Weil ich die Polizei darüber verständigt habe, dass sie unbefugt in unsere Hoheitsgewässer eingedrungen sind“, erwiderte er kühl.

„Sie haben ihn verhaften lassen?“

„Nicht ihn“, verbesserte Nico. „Sie. Alle.“

Ella musste erst einmal schlucken. Wo war sie eigentlich? Und wer war dieser Mann? „Ist das nicht ziemlich übertrieben?“

„Ach ja? Die Rechtsverletzung einmal beiseite gelassen – finden Sie es akzeptabel, betrunken eine PS-starke Motoryacht zu führen und nicht nur sich selbst, sondern auch andere in Lebensgefahr zu bringen? Und das schließt Sie ein! Was, glauben Sie, wäre passiert, wenn ich nicht an Bord gekommen wäre?“

Die sachlich völlig korrekten Vorwürfe ließen ein Gefühl von Schuld und Verletzlichkeit in Ella aufsteigen. „Hören Sie, ich bin Ihnen wirklich dankbar für alles, was Sie getan haben“, sagte sie mit zitternder Stimme, „aber würden Sie mir bitte erklären, was hier vor sich geht? Ich verstehe nicht …“

Mit einer herrischen Handbewegung brachte er sie zum Schweigen. „Keine Fragen mehr. Nicht jetzt. Später können Sie mich fragen, was immer Sie wollen. Zuerst müssen Sie etwas essen. Sie waren krank, sind noch geschwächt und haben Hunger. Antworten bekommen Sie nach dem Essen.“

Ella wollte protestieren. Doch sie unterließ es, weil sie einsah, dass sie dazu nicht in der Lage wäre. Und selbst wenn Ella sich in einer besseren Position befunden hätte, ihr fehlte schlicht die Kraft. Er hatte recht. Sie fühlte sich noch ganz schwach.

Andererseits konnte niemand von ihr erwarten, dass sie einfach liegen blieb, während ihr der gut aussehende überlegene Fremde sagte, was sie tun durfte und was nicht. Und welche Alternative könnte sie wählen? Aufstehen, obwohl sie sich in seinem T-Shirt seltsam nackt vorkam?

Nico erkannte die Verwundbarkeit in ihrem Blick, die Ella daran hinderte, Einwände zu erheben. Nur musste Nico sich diesmal zwingen, darauf zu reagieren. Vorher war es leicht gewesen. Solange sie ihn im Fieber um etwas bat, hatte er sie so sanft anfassen können, wie er es mit einem Kind getan hätte. Jetzt, da sie wach war, ging das nicht mehr so ohne Weiteres. Weil er vor sich die bildschöne Frau sah und kein Kind.

Ohne sich bewusst dazu zu entscheiden, baute Nico wieder die gewohnten emotionalen Schranken auf, mit denen er sich ständig umgab.

„Möchten Sie sich vielleicht waschen?“

„Ja, bitte.“ Ella bemerkte, dass seine Stimme kühl geworden war.

Er zeigte auf einen Vorhang auf der anderen Seite des schmucklosen Raums. „Dahinter finden Sie ein einfaches Bad.“ Von einem Wandregal zog Nico ein frisches T-Shirt und warf es auf die Bettcouch. „Sie sollten das hier nehmen. Ihre ganzen Sachen sind noch auf dem Boot, und Ihr Bikini hängt draußen. Ich habe ihn gewaschen“, erklärte er und nahm mit Belustigung ihr kaum verhohlenes Entsetzen wahr. Hatte die schöne Fremde Angst, er würde erwarten, dass sie sich vor ihm umzog? Dann erinnerte sie sich offensichtlich nicht daran, wie das T-Shirt hochgerutscht war, während sie sich hin und her geworfen hatte. Wie er es als perfekter Gentleman wieder heruntergezerrt hatte. „Sie brauchen keine Hemmungen zu haben – ich bin draußen.“

Keine Hemmungen! Ella beobachtete, wie er hinausging. Dabei erhaschte sie durch eine zweite, genau gegenüberliegende offene Tür einen flüchtigen Blick auf ein strahlendes Blau und hörte das Rauschen der Wellen.

Anscheinend befand sie sich in irgendeiner Strandhütte. Aber wo genau?

Wie gebannt die geschlossene Tür betrachtend, dachte Ella einen Moment lang daran, hinter ihm herzulaufen und einige Antworten zu verlangen. Nur fühlte sie sich zu schwach, um irgendwohin zu laufen. Außerdem fühlte sich ihre Haut klebrig und sandig an. Sicherlich würde sie viel selbstbewusster und energischer Erklärungen fordern, nachdem sie sich gewaschen und das saubere T-Shirt übergestreift hatte.

Noch nie war Ella die Aussicht zu duschen so verlockend erschienen – der Anblick, der Ella hinter dem Vorhang erwartete, war allerdings nicht gerade vertrauenerweckend. Das „Badezimmer“ verfügte über ein kleines Steinwaschbecken, eine Toilette und eine altertümlich aussehende Dusche. Das Wasser strömte nicht, es tröpfelte, war jedoch immerhin halbwegs warm. Seife und Shampoo stachen in diesem spartanischen Rahmen als erstaunlich luxuriöse Marken hervor.

Einfach mochte die Ausstattung sein, trotzdem hatte Ella eine Dusche noch nie so genossen oder zu schätzen gewusst. Nachdem sie sich all das Salz von der Haut und aus den Haaren gewaschen hatte, rubbelte Ella sich kräftig trocken und schlüpfte in das saubere T-Shirt, das zum Glück – weil sein Besitzer so groß war – die Oberschenkel zumindest teilweise bedeckte. Nicht, dass sie sich anständig angezogen fühlte, aber es war besser als nichts.

Er stand in dem vorderen Raum an einem kleinen Holztisch und füllte irgendein ihr unbekanntes Gericht auf zwei Teller. Es roch so gut, dass ihr leerer Magen vor Hunger zu schmerzen begann. Die Tür stand noch immer offen, und Ella entdeckte, warum das Rauschen der Wellen derart laut war: Ihr bot sich die schönste Aussicht aufs Meer, die sie jemals gesehen hatte.

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