Mit dir über den Wolken

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

"Flieg mit mir nach Hongkong!" Siena glaubt zu träumen, als der atemberaubend attraktive Millionär Nicholas Grenville sie spontan in seinen Privatjet einlädt. Fünf Jahre sind vergangen, seit er sie verließ. Doch als er jetzt vor ihr steht, sind sofort die Erinnerungen zurück - aufwühlende, erotische Bilder ihrer letzten Liebesnacht, die Siena versucht zu verdrängen. Nie wieder will sie sich von Nicholas das Herz brechen lassen! Doch während sie an seiner Seite den Luxus über den Wolken genießt, weiß sie bald nicht mehr, wie sie seiner Anziehungskraft widerstehen soll …


  • Erscheinungstag 21.01.2012
  • Bandnummer 2011
  • ISBN / Artikelnummer 9783864940231
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Lächelnd erhob Siena Blake ihr Glas, in dem ein exzellenter Champagner perlte. „Auf weitere dreißig Ehejahre, Mum und Dad. Mögen sie noch glücklicher sein als die vergangenen.“

Diane Blake schenkte ihrer Tochter ein liebevolles Lächeln. Sie wirkte ausgesprochen elegant in der ungewohnten Umgebung eines der vornehmsten Hotels Londons. „Darling, wenn die nächsten dreißig Jahre auch nur halb so perfekt sind wie unsere Zeit bisher, werden sie wundervoll sein.“

Mit einer Mischung aus Stolz und Liebe sah Sienas Vater seine Frau an. „Sie werden noch großartiger sein als die bisherigen“, sagte er zuversichtlich. „Und ein Grund dafür ist, dass wir unendlich viel Glück mit unseren Kindern haben. Deshalb trinke ich auf das Wohl unserer Zwillinge, Siena und Gemma, die unser Leben bereichert und erfüllt haben.“

Hugh nahm sein Glas. „Aber in unserem fortgeschrittenen Alter warten wir nun sehnsüchtig darauf, Großeltern zu werden“, fügte er verschmitzt hinzu.

Das Licht der Kerzen brach sich in dem fein geschliffenen Diamanten von Sienas Verlobungsring.

„Nun, ich schätze, Gemma hat noch keinerlei Absichten, Mutter zu werden.“ Selbst in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme wenig überzeugend. „Schließlich gibt es in ihrem Leben bisher nicht einmal einen Mann, den sie heiraten möchte. Und Adrian und mir solltet ihr besser auch noch ein paar Jahre Zeit lassen.“ Sie nippte an ihrem Champagner und versuchte, die nagenden Zweifel, die sie unweigerlich erfassten, zu ignorieren. „Das Einzige, was heute zählt, ist euer Hochzeitstag.“ Lächelnd stellte sie ihr Glas ab.

Mit einem Hauch von Wehmut sah ihre Mutter sie an. „Er wäre noch ein bisschen perfekter, wenn Gemma heute auch bei uns sein könnte.“ Dann lächelte sie. „Aber das ist nicht zu ändern. Und deine Ankunft gestern war eine wundervolle Überraschung. Nur schade, dass Adrian nicht mitkommen konnte.“

Siena schob die widerstreitenden Gefühle, die sie erneut erfassten, beiseite. „Er lässt euch ganz liebe Grüße ausrichten, aber er konnte sich nicht freinehmen.“

Verständnisvoll nickten ihre Eltern. Sie selbst hatten ein Geschäft aufgebaut, es zu einigem Wohlstand gebracht und dabei gemeinsam mit ihren Töchtern Zeiten harter Arbeit und Entbehrungen erlebt.

„Aber in ein paar Wochen seid ihr ja wieder daheim in Neuseeland, dann können wir gemeinsam mit Gemma, Adrian und all euren Freunden feiern“, fügte Siena hastig hinzu und erhob noch einmal ihr Glas. „Auf eine unvergessliche Kreuzfahrt. Kommt gesund wieder.“

Solange sie denken konnte, hatten ihre Eltern von dieser Schiffsreise geträumt, einem entspannten Urlaub in der Karibik und in Mittelamerika. Jahrelang hatten sie dafür gespart, und jetzt waren sie endlich zu dieser Reise aufgebrochen. Zunächst hatten sie sich Großbritannien angesehen, morgen wollten sie weiterfliegen, um ihr Kreuzfahrtschiff zu erreichen.

Ein hektisches Treiben im Eingangsbereich weckte Sienas Aufmerksamkeit. Amüsiert beobachtete sie, wie der Geschäftsführer des Hotels, ein stattlicher, eher ruhiger Mann, schnellen Schrittes auf die neu ankommenden Gäste zutrat und sie begrüßte.

Unverkennbar wichtige Gäste, befand Siena. Sie selbst war von dem Hotelmanager kaum wahrgenommen worden, als sie sich mit ihren Eltern hier getroffen hatte.

Als sie einen Blick auf den Mann erhaschte, der gerade eingetreten war, stand ihr Herz einen Moment lang still. Mit einer abrupten Handbewegung stellte sie ihr Glas ab. „Habt ihr Nick eingeladen?“, fragte sie etwas zu barsch.

„Unseren Nick?“, gab Diane zurück.

Als sie die erstaunten Mienen ihrer Eltern sah, wusste Siena, dass sie sich irrte.

„Nicholas Grenville“, bestätigte sie dennoch. Sein Name erzeugte ein bitteres und beschämendes Gefühl.

Als sie den überraschten Blick ihrer Mutter auffing, zwang sie sich, ihre Gesichtszüge und ihre Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. Tatsächlich gelang es ihr, viel gelassener zu wirken, als sie sich fühlte. „Er ist gerade hereingekommen, in Begleitung einer atemberaubenden Dame.“

„Eine aschblonde? Groß, kühl, elegant und geschmackvoll gekleidet?“, erkundigte sich ihre Mutter, ohne sich umzuschauen.

„Die Beschreibung passt genau.“ Allerdings waren alle Frauen, für die Nick sich interessierte, blond, kühl, elegant und mondän.

Alle außer einer …

Energisch schob sie die Erinnerung beiseite. „Es ist so ungerecht, dass jeder in unserer Familie groß und elegant ist, nur ich bin klein.“

Auch Nick hätte sehr gut in ihre Familie gepasst. Unbewusst blickte sie sich suchend um und sah, wie er und seine Begleiterin in einen Raum geführt wurden, der mithilfe von üppigen Grünpflanzen von den anderen Gästen abgeschirmt war.

Zum Teufel mit solchen unliebsamen Zufällen! Glücklicherweise hatte er sie wenigstens nicht bemerkt.

„Seid ihr eigentlich sicher, dass die Krankenschwestern in der Geburtsklinik mich damals nicht vertauscht haben?“, fragte sie neckend.

Ihre Eltern lachten.

„Ganz sicher“, erwiderte Diane entschlossen. „Außerdem hast du verblüffende Ähnlichkeit mit der Großmutter deines Vaters. Wenn man den Familiengeschichten glauben darf, war sie ziemlich klein, sehr praktisch, vernünftig und geradeheraus. Außerdem hatte sie die gleichen dunklen Locken wie du und deine unglaublich blauen Augen.“

„Ich finde es schön, dass du Nick noch immer als Teil unserer Familie betrachtest“, mischte sich Hugh ein.

Leichthin zuckte Siena die Achseln. „Wir haben ihn schließlich einige Jahre lang jede Woche gesehen, als du dich um ihn gekümmert hast. Unzählige Urlaube haben wir zusammen verbracht, weil seine Mutter arbeiten musste. Gemma und ich haben für ihn geschwärmt. Und er war immer hinreißend zu uns, obwohl er ganz eindeutig kein Interesse an uns kleinen Mädchen hatte.“

Es gelang ihr, nicht noch einmal in seine Richtung zu sehen, doch sie konnte sich eine Frage nicht verkneifen. „Wer ist seine … die Frau an seiner Seite?“

Seine aktuelle Geliebte, dachte sie und fühlte einen plötzlichen Schmerz, den sie längst überwunden geglaubt hatte.

Diane tauschte einen heimlichen Blick mit ihrem Mann. „Portia Makepeace-Singleton. Nick hatte uns zum Dinner eingeladen, als wir in London ankamen. Sie erschien, als wir schon fast fertig waren. Er hatte sie nicht erwartet, wenn du mich fragst. Aber du kennst ja Nicholas – er lässt sich nicht in die Karten schauen.“

„Vermutlich ist sie seine neueste Eroberung“, entgegnete Siena und hoffte, ihre Stimme klang nur mäßig interessiert.

Ihre Mutter zuckte die Schultern. „Mag sein. Natürlich haben wir nicht gefragt.“

Siena sah von einem zum anderen. „Ihr mögt sie nicht“, stellte sie fest.

Verlegen suchte Diane nach einer unverfänglichen Antwort. „Haben sie uns gesehen?“, lenkte sie ab.

„Nein, sie sitzen getrennt von uns einfachen Gästen.“

Doch der Abend hatte gerade erst begonnen, es blieb also noch viel Zeit, in der er sie entdecken konnte – und Nick nahm seine Umgebung immer sehr aufmerksam wahr.

Sie würde sich den Abend keinesfalls von Nicks Anwesenheit verderben lassen, beschloss Siena. Fast trotzig erhob sie erneut ihr Glas. Doch als ihr Blick auf den funkelnden Diamanten ihres Ringes fiel, stellte sie es wortlos wieder ab.

Adrian war ein Schatz. Sie war sehr glücklich mit ihm und zählte die Tage bis zur Hochzeit im kommenden Jahr. Niemals würde er sie verletzen.

Im Gegensatz zu Nick …

Siena atmete tief durch. Dieser Mann hatte sie fast zerstört.

Mit sechzehn hatte sie es geschafft, sich den Schützling ihres Vaters endlich aus dem Kopf zu schlagen. Ihr Verstand hatte ihr von Anfang an gesagt, dass er nicht der Richtige für sie war. Während sie die Highschool beendete, hatte er schon längst seinen Mentor überflügelt, seine ersten Millionen verdient und sich in Übersee niedergelassen.

All die Jahre stand er mit Hugh in Kontakt, schrieb Karten zu Weihnachten und zu Geburtstagen und kam regelmäßig zu Besuch, wenn er in Neuseeland war.

Als Siena neunzehn war, kehrte er für einige Monate in seine alte Heimat zurück.

Und sehr schnell musste sie der Tatsache ins Gesicht sehen, dass sie sich etwas vorgemacht hatte. Ihre jugendliche Schwärmerei war keineswegs verblasst, sondern hatte sich in eine verzehrende Sehnsucht gewandelt. Mit aller Macht hatte sie dagegen angekämpft, bis er …

„Siena?“

Die besorgte Stimme ihrer Mutter holte sie unsanft in die Gegenwart zurück. Siena griff nach ihrem Glas und nahm einen großen Schluck Champagner.

„Entschuldige“, sagte sie automatisch, „ich habe geträumt. Dieser Luxus, all die glitzernde und glänzende Einrichtung, ist überwältigend. Ich frage mich, wie es wohl sein mag, so zu leben.“

Mit nachsichtiger Belustigung sah Hugh sie an. „Du würdest dich in kürzester Zeit langweilen. Aber du kannst ja Nick bei Gelegenheit fragen. Schließlich ist dies seine Welt geworden, seit er ständig in den Wirtschaftsmagazinen als einer der erfolgreichsten Unternehmer auftaucht.“

„Und dort wahlweise – abhängig von dem jeweiligen Journalisten – als Ausbeuter, Finanzgenie und arroganter, viel zu gut aussehender Millionär beschrieben wird“, ergänzte Siena und hoffte, ihre Eltern bemerkten nicht die Bitterkeit in ihrer Stimme.

„Jede der Bezeichnungen trifft zu“, erwiderte ihr Vater sachlich. Er erwähnte die bunten Klatschblätter nicht, die sich regelmäßig über Nicks wechselnde Beziehungen ausließen. Und wenn man den Illustrierten glauben durfte, waren es ziemlich viele.

Siena wünschte sich sehnlichst, Nick wäre nicht hereingekommen.

Fünf Jahre waren vergangen, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte – und seither war sie erwachsen geworden. Das naive neunzehnjährige Mädchen von damals, das von einem Helden und der unsterblichen Liebe geträumt hatte, gab es schon lange nicht mehr.

Und deshalb war es albern, dass seine Gegenwart sie so aus der Fassung brachte.

Allerdings bemerkte sie, dass sie nicht die einzige Frau im Restaurant war, die ihn bemerkt hatte. Er sah gut aus, war groß und sportlich, und sein selbstbewusstes Auftreten verlieh ihm eine Ausstrahlung, der sich die meisten Frauen nicht entziehen konnten.

Eine sehr gefährliche Ausstrahlung.

Denk nicht darüber nach …

Seine Anwesenheit verstärkte ihre unerklärliche Unruhe noch, die sie seit Wochen erfasst hatte. Es schien ihr, als versinke die Welt – ihr Leben – in einem grauen Nebel.

Nun, vielleicht quälten sie einfach nur Zukunftsängste, immerhin hatte sie vor einer Woche einen wirklich guten Job aufgegeben.

Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, darüber nachzudenken. Sie straffte sich und verscheuchte die trüben Gedanken. Schließlich wollte sie diesen Abend mit ihren Eltern genießen.

Zu ihrer Erleichterung begann in diesem Moment die Band genau die Art von Musik zu spielen, die ihre Eltern liebten. Sie hatten sich auf einem Ball in der Highschool kennengelernt, und ihre gemeinsame Leidenschaft für das Tanzen war ein Grund gewesen, heute Abend in diesem Hotel zu feiern, das bekannt war für seinen Tanz nach dem Dinner.

Erwartungsvoll sah Siena ihre Eltern an. „Worauf wartet ihr? Auf die Tanzfläche mit euch.“

„Unsinn“, widersprach ihre Mutter energisch. „Wir lassen dich doch nicht allein.“

„Mum, natürlich tut ihr das. Ich bin vierundzwanzig! Es macht mir nichts aus, ein paar Minuten allein in einem Restaurant zu sitzen. Und außerdem möchte ich gern sehen, wie ihr an eurem dreißigsten Hochzeitstag tanzt.“

Nach kurzem Hin und Her standen ihre Eltern tatsächlich auf und gingen auf die Tanzfläche. Mit einem traurigen Lächeln sah Siena ihnen zu, wie sie sich gemeinsam voller Harmonie zur Musik bewegten. Sie wirkten so zufrieden. Gemma hatte das blonde Haar und die golden schimmernde Haut ihrer Eltern geerbt, ebenso wie die große, schlanke Statur. Ihre Schwester hatte die perfekte Figur eines Models.

Genau der Typ von Frau, den Nick bevorzugte …

Hör endlich auf! rief sie sich zur Ordnung. Sie musste nun einmal damit leben, dass ihr dunkles Haar sich altmodisch wellte und ihre Haut so hell war, dass sie sich ohne Sonnencreme nur wenige Minuten in der kräftigen Sonne Neuseelands aufhalten konnte.

Doch eines hatte auch sie von ihren Eltern geerbt: die Liebe zum Tanz. Als sie merkte, dass sie unbewusst im Takt mit dem Fuß wippte, musste sie über sich selbst lachen. Es hatte sich gelohnt, zwölftausend Meilen zu fliegen, um ihre Eltern zu überraschen. Auch wenn ihr Konto jetzt vollkommen leer war. Als sie gestern unverhofft an der Tür des Hotelzimmers geklopft und ihre Eltern ihr geöffnet hatten, musste Diane die Tränen zurückhalten, und ihr Vater hatte vor Rührung geschluckt.

Ganz in Gedanken, musterte Siena eine Frau, die so elegant gekleidet war, dass sie selbst in diesem luxuriösen Rahmen alle Blicke auf sich zog. Ihr Begleiter war ein berühmter und fast schon unverschämt gut aussehender Schauspieler.

Plötzlich kribbelte die Haut zwischen ihren Schulterblättern. Sie zwang sich, weiter auf die Tanzfläche zu blicken, statt sich umzudrehen, doch sie konnte sich nicht gegen eine dunkle Vorahnung wehren.

„Vor fünf Jahren hättest du dich ganz sicher umgedreht, um zu sehen, wer hinter dir steht“, hörte sie eine tiefe Männerstimme hinter sich.

Nick.

Die Stimme löste eine Verwirrung und eine Sehnsucht in ihr aus, die sie noch niemals erlebt hatte. Niemals? Doch, sie kannte diese Reaktion. Aber sie hatte geglaubt, sie überwunden zu haben.

Sein plötzliches Auftauchen hatte sie völlig aus der Fassung gebracht. Doch sie widerstand dem Impuls, sofort herumzuschwingen. „Fünf Jahre sind eine lange Zeit, Nick.“

Erst dann erhob sie sich, wandte sich um und schaute in sein schmales, markantes Gesicht. Er hatte die Augenbrauen hochgezogen, eine etwas höher als die andere, und sie blickte direkt in seine dunkelgrünen Augen. Sie hatten die gleiche glänzende, in vielen Schattierungen schimmernde Farbe wie pounamu, der Jadestein, den die alten Maori und die modernen Neuseeländer gleichermaßen liebten.

Wunderschöne Augen, hatte sie als Jugendliche gedacht. Augen, denen nichts entging, wie sie wusste – insbesondere, wenn er die Lider mit den langen, dunklen Wimpern halb geschlossen hatte. Früher hatte sein Blick sie bis ins Innerste getroffen. Und sie spürte, dass sie noch immer dieselbe Anspannung ergriff wie damals.

„Auch wenn du dich nicht umdrehst, merkst du noch immer, wenn jemand sich von hinten anschleicht“, stellte Nick fest.

„Manchmal“, schränkte sie ein und konnte sich nicht dagegen wehren, dass ein Schauer über ihren Rücken zog. Ehe sie es verhindern konnte, waren sofort die Erinnerungen zurück, aufwühlende, erotische Bilder. Vor fünf Jahren hatte sie ein paar kurze Wochen in einer Traumwelt gelebt, nur um zu erleben, dass in Sekundenschnelle alles in sich zusammenstürzte und ihre Hoffnungen unter sich begrub. Seither hatte sie es immer vermieden, ihm zu begegnen.

„Setz dich doch, Nick, wenn du vor mir stehst, fühle ich mich wie ein kleiner Hobbit vor einem riesigen Elb.“ Die Worte sprudelten förmlich aus ihrem Mund.

Nicholas Grenville stach in jeder Hinsicht hervor. Sein maßgeschneiderter Anzug umspielte seine breiten Schultern und die langen Beine perfekt. Das weiße Hemd unterstrich die Bräune seiner Haut, das dunkle Haar und diese unglaublich grünen Augen. Doch was ihn von all den anderen erfolgreichen Männern abhob, die hier heute Abend saßen, war seine völlig selbstverständliche Autorität.

Lässig setzte er sich auf den Platz ihres Vaters. „Was machst du in London? Deine Eltern haben gar nicht erzählt, dass du kommst.“

„Sie wussten es nicht“, erklärte Siena, während sie noch immer um Fassung rang. „Ich habe sie einfach überrascht.“

„Machst du Urlaub hier?“

„Nein“, sagte sie kühn. „Ich habe meinen Job gekündigt.“

Wieder hob er die Brauen. Endlich einmal war es ihr gelungen, ihn zu überraschen, stellte sie zufrieden fest.

„Warum denn bloß? Ich habe immer geglaubt, du seist glücklich damit, eine Gärtnerei zu leiten.“

Vermutlich hatten ihre Eltern ihm erzählt, was sie beruflich machte, und er hatte es abgespeichert wie jede Information, die ihm irgendwann nützlich sein könnte.

„Es war nicht nur eine Gärtnerei, sondern eine große Baumschule.“

„Hat es dir Spaß gemacht?“

„Sehr sogar.“

Nick lehnte sich zurück und musterte sie. Sie hatte sich verändert in den vergangenen fünf Jahren. Das schmal geschnittene blaue Kleid brachte ihre Figur gut zur Geltung, ein perfektes Make-up betonte ihre blauen Augen und die seidige, fast durchscheinend wirkende Haut. Doch noch immer gelang es ihr anscheinend nicht, ihre wilde Lockenpracht zu zähmen, und in ihren Augen erkannte er den herausfordernden Ausdruck, der ihn an frühere Zeiten erinnerte. Energisch unterdrückte er ein aufkeimendes Verlangen. „Warum hast du gekündigt?“

Zunächst zögerte sie, dann hob sie fast trotzig den Kopf.

„Die Baumschule wurde verkauft, und dummerweise bildete sich der neue Eigentümer ein, ich stünde ihm für mehr zur Verfügung als nur für die Arbeit.“

Eine ungezügelte Wut erfasste ihn. „Und, hatte er recht?“, wollte er wissen.

Mit zusammengepressten Lippen drehte sie ihren Verlobungsring hin und her. „Ich war nicht interessiert. Aber das machte die Situation auf Dauer unerträglich. Deshalb bin ich gegangen.“

Nick hatte nicht damit gerechnet, dass sie verlobt war. Seine Wut wandelte sich in ein Gefühl, das er nicht kannte oder das er zumindest nicht zulassen wollte. Er sollte sich freuen – natürlich freute er sich –, dass sie verliebt war. Vermutlich in einen Mann, der ihrer wert war, dem sie vertrauen konnte. Anders als er, dem sie ihre Unschuld geschenkt und der sie dann verlassen hatte.

Der Ring und seine Bedeutung hätten seine Schuldgefühle lindern sollen.

Doch es funktionierte nicht.

„Ich hoffe, du hast dir eine Abfindung zahlen lassen“, erwiderte er mit eiserner Selbstbeherrschung.

„Selbstverständlich.“ Schadenfroh strahlte sie ihn an. „Und dann habe ich die Summe einer Organisation für missbrauchte Frauen gespendet. In seinem Namen. Sie waren unglaublich dankbar, und ich bin sicher, dass sie ihn von nun an regelmäßig um weitere Spenden bitten werden.“

Nick lachte lauthals. „Diese Art der Rache ist typisch für dich. Ich vermute, du hattest einen Vertrag?“

„Einen Vertrag, den ich gekündigt habe.“

„Nun, dein Boss kann froh sein, dass du ihn nicht vor dem Arbeitsgericht verklagt hast“, meinte Nick mitleidslos. „Was sagt dein Verlobter dazu?“

Mit großen Augen sah sie ihn an. Adrian war wütend gewesen, doch er hatte ihre Vorgehensweise akzeptiert. „Für ihn war es okay, was ich gemacht habe.“ Sie hoffte, ihre Stimme klinge selbstbewusster, als ihr zumute war.

Fast unmerklich verengten sich Nicks Augen. „Ein bisschen wenig für einen Mann, dessen Freundin so beleidigt wurde, nicht wahr?“

Für ihn wäre es zweifellos zu wenig gewesen. Selbst als Jugendlicher hatte er sich immer als Beschützer der Mädchen gesehen.

Aber Adrian war nicht wie Nick. Adrian würde ihr nachts im Bett niemals das Gefühl geben, sie sei die einzige Frau auf der Welt, nur um sie am nächsten Morgen ohne eine Erklärung zu verlassen.

Nie würde Adrian ihr Herz brechen.

„Nicht jeder hat deinen Killerinstinkt“, sagte sie mit einem mühsamen Lächeln. „Adrian weiß, dass ich mit meinen Problemen selbst fertigwerde.“

Nick lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ seinen Blick einen Moment auf ihrem Ringfinger ruhen. Nur mit Mühe konnte Siena dem Impuls widerstehen, ihre Hand unter dem Tisch zu verstecken.

„Du hast dich also aus einer Lage befreit, in die du niemals hättest geraten dürfen, und hast jetzt nur noch deinen letzten Arbeitslohn? Und dann bist du ins nächste Flugzeug gestiegen, um deine Eltern zu besuchen?“, erkundigte sich Nick hartnäckig.

„Du hast die Situation genau erfasst“, erwiderte sie lässig.

Mit einem spöttischen Lächeln sah er sie an. „Du bist noch immer das eigenwillige, unbeirrbare Kind von früher. Und du hast ein großes Herz. Was willst du machen, wenn du wieder zu Hause bist?“

„Ich werde mir einen neuen Job suchen, was sonst?“

„Wieder in einer Baumschule?“

„Ich habe mein Leben im Griff, das kannst du mir glauben“, entgegnete sie kühl. „Jeder meiner Arbeitgeber hat mir ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt, selbst der Schuft, der mich angemacht hat. Und in den vergangenen Jahren habe ich viel über Gartenbau gelernt.“

Er nickte. „Deine Mutter hat mir erzählt, dass du ihren Garten komplett umgestaltet hast. Er sieht wundervoll aus, du hast Talent.“

„Schöne Gärten anzulegen ist in Neuseeland groß in Mode. Und Auckland hat das perfekte Klima, nahezu alles wächst dort“, sagte sie leichthin und versuchte zu verbergen, wie sehr sein Kompliment sie freute. „Ich bin sicher, dass ich einen neuen Job finde – einen besseren als zuvor.“

„Das gleiche selbstbewusste kleine Mädchen“, wiederholte er, und in seiner Stimme schwang ein Hauch von Ironie mit. „Klein, rechthaberisch und anstrengend hartnäckig.“

Die Beschreibung verletzte sie. „Erinnere mich bei Gelegenheit daran, dass ich mir auch von dir ein Referenzschreiben geben lasse. Das könnte mir helfen“, entgegnete sie mit dem freundlichsten Lächeln, zu dem sie fähig war.

„Jederzeit“, bot er lakonisch an. „Nun, nachdem du deinen Job gekündigt und deine Abfindung gespendet hast, statt sie zur Bank zu bringen, hast du dich also entschlossen, nach England zu kommen.“

„Mum und Dad feiern ihren dreißigsten Hochzeitstag“, erklärte Siena.

Erstaunt sah er sie an. „Das haben sie gar nicht erwähnt, als wir uns zum Dinner getroffen haben.“

„Du weißt doch, wie sie sind.“

Seine hochmütige Miene wurde ein wenig sanfter. „Stimmt. Sie wollen nie im Mittelpunkt stehen.“

„Eigentlich wollten wir eine kleine Party für sie in Neuseeland organisieren, ehe sie zu ihrer Kreuzfahrt aufbrachen. Doch dann machte das Reisebüro ihnen das Angebot, für einen kleinen Aufschlag auch noch ein paar Tage in Großbritannien zu verbringen. Ursprünglich wollten sie ablehnen, doch nachdem Gemma zu einer Modewoche nach Australien musste und die Party sowieso nicht stattfinden konnte, habe ich sie überredet, das Angebot anzunehmen. Und dann habe ich beschlossen, sie hier zu überraschen.“

Wieder nickte er. „Und was sagt dein Verlobter dazu?“

„Adrian?“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu. Als sie in seine klaren grünen Augen schaute, durchfuhr sie ein unerklärlicher Schauer. „Er fand die Idee großartig“, antwortete sie hastig.

„Ein sehr großzügiger Mann.“ Sein Tonfall war arrogant.

„Adrian stammt aus einer großen Familie. Er hat Verständnis für familiäre Belange“, gab Siena unbeirrt zurück.

Zu spät fiel ihr ein, dass Nicks Eltern sich getrennt hatten, als er noch ein Kind war. Verärgert über sich selbst, errötete sie. Seit er in ihrer Nähe war, konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Doch er lächelte nur. „Ich habe natürlich kein Verständnis dafür.“

„Das habe ich damit nicht sagen wollen. Entschuldige, das war nicht sehr nett von mir.“

„Aber du hast ja recht“, gab er unumwunden zu. Erneut betrachtete er ihren Ring. „Wann werdet ihr heiraten?“

„Es gibt noch kein festes Datum. Aber wir planen die Hochzeit für nächstes Frühjahr.“

Erstaunt sah er sie an. „Das ist noch lange hin. Lebt ihr zusammen?“

„Nein.“ Sie spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. Ganz bewusst trieb er sie in die Enge. Das war seine Art, sich für ihre verletzende Äußerung zu revanchieren, wusste sie.

Plötzlich sah Nick an ihr vorbei und erhob sich, ohne eine Gefühlsregung zu erkennen zu geben.

Siena hatte erwartet, ihre Eltern seien von der Tanzfläche zurück. Stattdessen sah sie sich einer fremden Frau gegenüber.

Seiner Geliebten.

2. KAPITEL

Mit einem feindseligen Gefühl betrachtete Siena die langbeinige Blondine. Empfand sie Eifersucht? Nein, korrigierte sie sich hastig. Eher Neid, gab sie mutlos zu.

„Nicholas“, sagte die Fremde mit verhaltener Stimme. „Ich habe nicht lange gebraucht.“

„Portia, das ist Siena Blake“, stellte er sie unbekümmert vor.

Mit einem kurzen, kaum merklichen Kennerblick musterte die Blonde Sienas blaues Seidenkleid und hatte es in Sekundenschnelle als uninteressante Massenware entlarvt. Trotzig und entschlossen reckte Siena das Kinn.

„Du hast Sienas Eltern vor ein paar Tagen beim Dinner kennengelernt“, fuhr Nick fort.

„Ach ja, ich erinnere mich. Deine Bekannten aus Neuseeland“, erwiderte Portia höflich. Ohne zu verbergen, dass auch Sienas Eltern sie wenig interessierten, senkte sie den Blick und sah Siena an. Sie hatte eine perfekt geformte aristokratische Nase, fiel Siena auf.

„Sie und Ihre Schwester sind also …“ Einen Moment lang zwinkerte sie, dann lachte sie kurz auf und schenkte dem Mann an ihrer Seite einen Blick unter halb gesenkten Lidern. „Wenn ich mich recht erinnere, nannte Nick Sie ‚fast so etwas wie meine Schwestern‘. Das stimmt doch, nicht wahr, Darling?“

„Als ich jung war, habe ich es so empfunden, ja“, gab Nick zu.

Am liebsten hätte Siena ihm einen finsteren Blick zugeworfen, doch sie hielt sich zurück. Sein Tonfall war freundlich, und doch klang eine Schärfe darin mit, die sie nicht kannte.

„Allerdings ist es schon eine Weile her, seit ich an Siena und Gemma als meine Schwestern gedacht habe“, fügte er hinzu.

„Und ich bin mir ziemlich sicher, sie sehen dich längst schon nicht mehr als Bruder.“ Portia hatte ihre Stimme ein wenig gesenkt und lächelte ihn charmant an.

Es war kein besitzergreifendes Lächeln, und es war auch nicht ausgesprochen verführerisch. Und doch raubte es Siena die Fassung.

Was geschieht hier mit mir? fragte sie sich bestürzt.

Dabei konnte sie Nicks Freundin nicht einmal die Schuld geben. Sie schaute auf. Nick war einen Kopf größer als die Blondine, sein schwarzes Haar glänzte im Licht der Kronleuchter. Er strahlte jene kühle, überlegene Sicherheit aus, die Siena untrennbar mit ihm verband. Stets wirkte Nick, als könne er die ganze Welt erobern.

Und genau das hatte er auch getan – nach seinen eigenen Regeln.

„Siena und ihre Schwester haben in mir immer den Wichtigtuer gesehen“, räumte er ein und sah Siena nun direkt an.

Autor

Robyn Donald
<p>Die Neuseeländerin Robyn Donald ist überzeugt, dass Schreiben und Gärtnern viel gemeinsam haben: Beide Tätigkeiten sind mit Fantasie, Gefühlen, Visionen, viel Arbeit und Rückenschmerzen verbunden - und machen, wenn sie erfolgreich abgeschlossen sind, sehr glücklich. Schon als Kind erzählte Robyn ihren vier jüngeren Schwestern und ihrem Bruder sehr gern haarsträubende...
Mehr erfahren