Nie wieder allein im Paradies

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Im Schatten der Palmen träumt Rhia vom großen Glück mit Lukas Petrakides. Und dann macht ihr der attraktive Grieche tatsächlich einen Heiratsantrag! Doch Rhia zögert noch, denn der kühle Milliardär möchte nur eine Zweckehe …


  • Erscheinungstag 25.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717711
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Er stand im Schatten und beobachtete sie.

Hinter einer Palme verborgen, sah Lukas Petrakides, wie die junge Frau ihr Hotelzimmer verließ und auf den hellen Sandstrand zuging. Die dichten dunklen Locken wehten ihr ins Gesicht, und sie hatte die Arme um sich geschlungen. Wie verletzlich sie wirkte.

Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihm jemand über den Weg laufen würde, als er die Suite verlassen hatte – rastlos und voller Pläne für sein neues Luxusresort im französischen Languedoc.

Der Wind und die Wellen, die sich schimmernd am Ufer brachen, und über ihm der Himmel, an dem unzählige Sterne wie Diamanten glitzerten, beruhigten ihn ein wenig, und so hatte er sich die Schuhe ausgezogen und die Hosenbeine aufgerollt, um durch den puderfeinen Sand zu schlendern.

Dabei fand er sie.

Er wusste nicht, warum er sich zu ihr hingezogen fühlte. Sie war schlank, bewegte sich anmutig, eine begehrenswerte Schönheit.

Trotzdem spürte er den Kummer, der von ihr ausging.

Ihr Kopf war gesenkt, die Schultern nach vorn gezogen. So sah jemand aus, der Schmerzen hatte oder eine schwere Last trug.

Unwillkürlich verspürte er das Bedürfnis, zu ihr zu gehen und sie anzusprechen.

Lukas machte einen Schritt auf sie zu, hielt inne. Wenn man ihn hier entdeckte, würde es unangenehme Fragen geben, Komplikationen, die er sich nicht leisten konnte.

Er musste auf seinen Ruf achten. Wie immer. Also blieb er, wo er war, und verfolgte sie nur mit Blicken, als sie zum Ufersaum ging.

Die Wellen leckten an ihren nackten Füßen, während sie aufs Meer hinausschaute. Unerwartet warf sie einen besorgten Blick über die Schulter, hin zu der Glasschiebetür ihres Zimmers. Als warte dort jemand auf sie.

Ihr Freund? Ihr Mann?

Ein Geliebter?

Es geht dich nichts an.

Wäre er ein anderer, Lukas würde zu ihr gehen, Hallo sagen, ein Gespräch beginnen.

Kein Flirt, nein, nur eine Unterhaltung, Momente, die man miteinander teilte. Etwas Echtes, Warmes, Lebendiges.

Die Sehnsucht danach war kaum zu beherrschen. Er schüttelte den Kopf. Nein, ausgeschlossen, das käme nicht infrage.

Ein bitteres Lächeln umspielte seine Lippen, während er sie betrachtete. Sie ließ die Arme sinken und hob das Gesicht zum Himmel. Sanftes Mondlicht beschien ihre Züge, und der Wind presste das dünne Sommerkleid an ihren Körper. Sie war schmal, fast knabenhaft, und dennoch weckte der Anblick sein Verlangen.

Ein Verlangen, dem er nicht nachgeben würde. Als einziger Sohn seines Vaters, einziger Erbe des Petrakides-Vermögens, trug er zu viel Verantwortung, als dass er sie leichtfertig abschütteln könnte, um sich mal eben eine Affäre zu gönnen.

Und zu mehr als einer flüchtigen Beziehung wäre er niemals bereit.

Ein harter Ausdruck trat in seine grauen Augen. Lukas glaubte, einen Seufzer gehört zu haben, aber vielleicht war es auch der Wind gewesen. Wahrscheinlich hatte er es sich nur eingebildet.

Die junge Frau drehte abrupt den Kopf, und Lukas atmete scharf ein, wich zurück, tiefer in den Schatten. Hatte er ein Geräusch gemacht, und sie hatte es gehört?

Ihr Blick richtete sich auf die Schiebetür ihres Zimmers. Nein, sie hatte Lukas nicht gesehen. Irgendjemand dort drinnen hatte ihre Aufmerksamkeit erregt. Ein Mann?

Ihre Schultern sanken herab, und sie eilte mit leicht gesenktem Kopf wieder hinein.

Lukas rührte sich nicht, bis sie verschwunden war. Wieder fragte er sich, warum sie so traurig ausgesehen hatte.

Die Glastür schloss sich mit einem leisen Klick. Lukas unterdrückte das wehmütige Gefühl, das ihn zu packen drohte, und kehrte in seine Räume zurück.

1. KAPITEL

Rhiannon Davies, von allen nur Rhia genannt, blickte prüfend in den Spiegel, ehe sie sich der Kinderfrau zuwandte.

„Also … es dauert nicht lange. In spätestens zwei Stunden bin ich wieder hier.“ Unsicher betrachtete sie die Kleine, die auf dem Fußboden saß und am Schlüsselbund kaute, während sie Rhia mit großen dunklen Augen ansah. „Sie wird bald müde sein und schlafen wollen.“

Die stämmige Französin nickte nur und bückte sich, um Annabel hochzunehmen. Dabei hielt sie sie mit einer Selbstverständlichkeit sicher in den Armen, die Rhia sich noch nicht erworben hatte.

„Ich glaube nicht, dass sie weinen wird.“ Wieder war ein knappes Nicken die einzige Antwort.

Seit zwei Wochen befand Annabel sich in Rhias Obhut, und das Mädchen hatte so gut wie nie geschrien. Dabei war ihre Welt auf den Kopf gestellt worden, nachdem sie sich an ein neues Zuhause und eine neue Mutter gewöhnen musste. Und doch hatte Annabel die Veränderungen still über sich ergehen lassen. Rhia vermutete, dass das arme Würmchen unter Schock stand.

Deshalb bist du ja hier, sagte sie sich fest und ignorierte den Stich, den ihr der Gedanke versetzte.

Sie war nach Frankreich gereist, in dieses elegante Resort, zu Lukas Petrakides, um Annabel Halt und ein echtes Zuhause zu geben. Und die Liebe, die sie verdiente.

Das Kind schob die winzige Faust in den Mund, und Rhia erinnerte sich wieder an den Moment, als sie Annabel zum ersten Mal gesehen hatte.

Vorher hatte sie nie mit Babys zu tun gehabt. Bis eine blasse und aufgeregte Leanne ihr Annabel in die Arme gedrückt hatte. Nimm sie.

Instinktiv hatte sie sie an sich gepresst, um sie nicht fallen zu lassen. Wahrscheinlich zu fest, denn Annabel war aufgewacht und fing aus Leibeskräften an zu brüllen.

„Bis nachher, mein Schatz.“ Zögernd strich Rhia über die seidige Kinderwange. Annabel zuckte nicht mal mit der Wimper.

Besser so, dachte sie, dann fällt es uns nicht so schwer, wenn wir uns wieder trennen müssen.

Trotzdem musste sie plötzlich gegen Gefühle ankämpfen, die ihr die Kehle zuschnürten. Rhia nahm sich zusammen. Sie war entschlossen, Annabel eine Zukunft zu sichern, in der sie Geborgenheit erfahren und glücklich sein würde.

Koste es, was es wolle.

Wieder prüfte sie ihr Spiegelbild. Dunkle Locken, ein blasses Gesicht, von dem sich die Sommersprossen deutlich abhoben, ein schlichter aquamarinblauer Rock, passendes ärmelloses Top. Bescheiden, nichts Auffälliges.

Mit einem unterdrückten Seufzer verließ sie das Zimmer.

Helles Sonnenlicht empfing sie, und vom Meer her wehte eine frische Brise. Das neueste Petra Resort, errichtet inmitten unberührter Natur des Languedoc im Süden Frankreichs, präsentierte sich gepflegt und elegant. Rhia war abends angekommen, sodass sie erst jetzt die bauchigen Terrakottakübel mit blühender Bougainvillea und rankendem Wein, die klaren, mediterranen Farben bewundern konnte.

Es hatte sie ein halbes Monatsgehalt gekostet, am Eröffnungswochenende das billigste Zimmer zu mieten, und wenn nicht ein anderer Gast seine Buchung in letzter Minute storniert hätte, hätte sie gar nichts bekommen.

Rhia holte tief Luft und hoffte inständig, dass sie ihre Reise nicht umsonst gemacht hatte. Für Annabel.

Sie schloss kurz die Augen. Die ganze Geschichte war verrückt, schlicht und einfach verrückt.

Nicht einmal vierzehn Tage war es her, dass Leanne wie ein Wirbelsturm wieder in ihr Leben gefegt kam, um genauso schnell wieder zu verschwinden und heillose Verwirrung zurückzulassen – und Annabel und den Namen ihres Vaters.

Neue Zweifel stiegen in ihr auf. Was sollte sie tun, wenn Lukas sich weigerte, mit ihr zu sprechen? Schlimmer noch, wenn er die Vaterschaft abstritt, die Verantwortung von vornherein ablehnte? Mit ihrem Versuch, ihn telefonisch auf ihre Ankunft vorzubereiten, war sie kläglich gescheitert.

Wir werden Mr. Petrakides ausrichten, dass Sie angerufen haben.

Klar. Die hochmütige Stimme am anderen Ende der Leitung hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, nach ihrer Telefonnummer zu fragen.

Schließlich las sie in der Zeitung, dass in Frankreich von Lukas Petrakides ein weiteres Petra Resort eröffnet werden würde. Das war die Chance, dass Annabel ihren Vater kennenlernte. Ihre Familie.

Jedes Kind brauchte seine Eltern. Echte Eltern, keine Fremden, die es nur aus einer Verpflichtung heraus versorgten.

Daran glaubte sie fest. Annabel sollte eine Familie haben. Welche Rolle sie selbst im Leben des Babys spielen würde, wusste sie nicht. Falls überhaupt. Der Gedanke hatte sie anfangs erschreckt, aber Rhia hatte sich im Griff.

Sie wusste, was es bedeutete, Opfer zu bringen.

Auf der Suche nach der Lounge, wo der Empfang für die Gäste der Ferienanlage stattfinden sollte, durchschritt sie einen Flur nach dem anderen.

Wann immer ein Petra Resort in Betrieb genommen wurde, und mittlerweile waren es sechs, wie sie herausgefunden hatte, ließ Lukas Petrakides, Generaldirektor und Sohn des Unternehmensgründers, es sich nicht nehmen, die ersten Gäste persönlich zu begrüßen.

Seine Fans, dachte Rhia. Sie hatte ein bisschen recherchiert und sich ein Bild von ihm gemacht. Lukas Petrakides galt als zurückhaltender Mann, der nicht nur in den griechischen Medien bewundert wurde. Man bezeichnete ihn als ausgesprochen attraktiv und höflich, lobte seine ausgesuchten Manieren und sagte ihm ein beeindruckendes Charisma nach.

Sie lächelte. Sicher war all das ein bisschen übertrieben, ausgeschmückt von Journalisten, die es mit einer Persönlichkeit zu tun hatten, die weder Schlagzeilen produzierte noch die Gerüchteküche anheizte. Im Gegensatz zu anderen südländischen Tycoons erschien er in der Öffentlichkeit nie mit einem internationalen Model oder Filmsternchen am Arm. Fotos von ihm existierten so gut wie gar nicht. Er ging nicht auf Partys, er trank nicht, und er tanzte nicht.

Anscheinend tat er nichts außer arbeiten.

Bei dem Ruf erschien es Rhia mehr als seltsam, dass dieser Mann, zumindest ein einziges Mal, seine Grundsätze über den Haufen geworfen und mit einer Frau das Wochenende verbracht hatte.

Mit Leanne.

Es war nicht um Liebe gegangen, nur um Sex.

Und das Ergebnis schlief in Rhias Hotelzimmer.

Sie holte bebend Luft, versuchte, sich Mut zu machen. Bisher hatte sie sich keinen Plan zurechtgelegt, sondern nur das Wesentliche in Angriff genommen: zwei Nächte im Petra Resort buchen, am Empfang teilnehmen, Lukas Petrakides ansprechen.

Und dann …?

Ihre Fantasie ging mit ihr durch, ihr Herz klopfte.

Er würde sie begehren, sich in sie verlieben, sie mit zu sich nach Hause nehmen, ihr sein Herz schenken. Zusammen mit Annabel wären sie eine Familie, glücklich, voller Liebe füreinander, perfekt. Ein Happy End.

Was für ein Märchen! So funktionierte das Leben nicht, das hatte Rhia am eigenen Leib erfahren.

Aber vielleicht für Annabel?

Lukas schien ein verantwortungsvoller Mann zu sein, und sie hoffte inständig, dass er seine Tochter mit offenen Armen aufnehmen würde.

Rhia gelangte an eine Doppeltür, vor der zwei athletisch gebaute Hünen in dunklen Anzügen standen. Mit ausdrucksloser Miene ließ sich der eine ihre Zimmernummer nennen und studierte die Liste, die er in der Hand hielt.

„Name?“

„Rhiannon Davies.“

Der Mann nickte, und sie durfte eintreten. Beim Anblick der Gäste sank ihr das Herz in die Zehenspitzen. Sie passte nicht hierher. Dies war eine Party für die Reichen und Berühmten, Menschen, die es gewöhnt waren, im Licht der Öffentlichkeit zu stehen.

Suchend sah sie sich um, fing dabei neugierige, sogar verächtliche Blicke auf und spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg. Sie fühlte sich nackt, als einige der elegant gekleideten Frauen in schicken High Heels sie musterten. Schön, ihre Sachen waren von der Stange und hatten nicht viel gekostet, aber sie war nicht so aufreizend gekleidet wie manche hier, die ziemlich viel Haut zeigten.

Rhia hob das Kinn. Sollten sie denken, was sie wollten, für sie war nur wichtig, mit Lukas Petrakides zu sprechen.

Um ihm von Annabel zu erzählen.

Sie machte ein paar Schritte, suchte wieder nach ihm. Und dann entdeckte sie ihn.

Als Erstes fragte sie sich verwundert, warum sie ihn nicht sofort gesehen hatte. Groß und stattlich, in einem maßgeschneiderten grauen Anzug, der seine breiten Schultern betonte, stand er an der Bar, in der Hand ein Rotweinglas. Rhia fiel auf, dass er den Wein kaum angerührt hatte.

Sie beobachtete, wie er höflich lächelte, hörte ihn leise lachen. Trotzdem durchzuckte sie ein seltsamer Gedanke.

Er ist unglücklich. Einsam.

Unbewusst schüttelte sie kaum merklich den Kopf. Lächerlich. Prominente Männer und Frauen suchten seine Aufmerksamkeit, hingen buchstäblich an seinen sinnlichen Lippen.

Fast hätte sie aufgelacht. Ja, Lukas Petrakides war genauso attraktiv, wie die Medien ihn beschrieben. Rhia hatte erwartet, dass der gut aussehende Mann sie verwirren würde, hätte aber nie damit gerechnet, sich zu ihm hingezogen zu fühlen.

Sie straffte die Schultern und bahnte sich ihren Weg durch die Menge. Parfümduft stieg ihr in die Nase, schwere, fast betäubende Essenzen, die eine unsichtbare Mauer bildeten zusätzlich zu der körperlichen, die sie von ihrem Ziel trennte. Lukas Petrakides war von Frauen umgeben, die alle seine Aufmerksamkeit suchten.

Daran hatte sie nicht gedacht. Ratlos biss sie sich auf die Unterlippe, überlegte, wie sie zu ihm durchdringen, mehr noch, ihn diskret zu einer Unterhaltung unter vier Augen bewegen sollte.

Unschlüssig machte sie einen Schritt vorwärts. Da drehte er sich um. Sah sie, blickte ihr in die Augen, und ein seltsames Gefühl durchzuckte sie heiß, so als ob sie sich kennen würden. Das war unmöglich. Nahezu albern.

Doch sie konnte sich nicht losreißen von diesem Blick, den grauen Augen, die sie an einen silbrig schimmernden Fluss an einem dunklen Regentag erinnerten. Ihr Mund wurde trocken, Worte, Gedanken entglitten ihr, lösten sich auf. Noch während sie ihn anstarrte, lächelte der Mann. Eine Andeutung nur, ein leichtes Heben der Mundwinkel, aber es genügte, um ihren Puls zu beschleunigen.

Lukas Petrakides zog die Augenbraue hoch und deutete mit knapper Geste auf den Platz neben ihm, ohne auf die vollbusige Französin zu seiner Rechten zu achten, die immer noch auf ihn einredete.

Ihr Herz zitterte, und noch ein Gefühl breitete sich in ihr aus. Lustvoll, prickelnd, sodass sie weiche Knie bekam.

Verlangen.

Ein Lächeln hatte genügt, ein Hauch von Zärtlichkeit nur, und schon war sie wie verzaubert. Gebannt. Gefangen.

Als würde er sie mit einem unsichtbaren Band zu sich heranziehen, ging sie auf ihn zu. Als hätte sie ihr Leben lang darauf gewartet.

Er beobachtete sie, ein Lächeln auf den sinnlichen Lippen, sein Blick intensiv.

Rhia stolperte, kurz bevor sie bei ihm war. Griff haltsuchend nach dem Tresen, ihre dunklen Locken ergossen sich auf weißen Marmor. Das Stimmengemurmel um sie herum, das sie die ganze Zeit ausgeblendet hatte, wurde lauter, klang eifersüchtig, höhnisch. Scham trieb ihr die Röte ins Gesicht.

Geschieht dir recht, schimpfte sie stumm. Es geht um Annabel, nicht um dich.

Sie wandte sich Lukas zu und entdeckte, dass er sie amüsiert betrachtete.

„Ça va?“, fragte er, und sie versuchte, ein Lächeln zustande zu bringen.

„Hm … ça va bien“, kramte sie ihr Schulfranzösisch zusammen.

„Sie sind Engländerin.“

„Waliserin, um genau zu sein“, erklärte sie. „Ich hatte in der Schule Französisch, aber das ist lange her.“

Sein Lächeln vertiefte sich, und sie entdeckte ein Grübchen an seiner Wange.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“ Wieder sah er sie an, und sie verlor sich fast in diesem Blick, der sie in Wärme hüllte, ihren Verstand lähmte, bis sie nur noch fühlte.

„Ein Glas Weißwein, bitte“, sagte sie in die Stille hinein.

„Kommt sofort.“ Sekunden später stand es vor ihr. Dankbar nahm sie einen Schluck, spürte, wie er kühl ihre Kehle hinabrann. Dann stellte sie das Glas ab und wandte sich Lukas zu.

Der blickte sie erwartungsvoll an. Und nicht nur das. Sein Blick war der eines Mannes, der eine Frau begehrte.

Wieder wurde ihr heiß. Gleichzeitig hatte sie Angst.

Sie strich mit der Zungenspitze über ihre trockenen Lippen, suchte nach Worten.

„Sind Sie allein hier?“ Die Frage klang höflich, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Als er den Blick über ihre Figur gleiten ließ, verdunkelten sie sich. Rhia stellte sich vor, wie es wäre, wenn seine schlanken Hände so über ihre Haut strichen, und wieder sammelte sich Hitze in ihrer Mitte, strahlte in den ganzen Körper aus.

Lukas Petrakides flirtete mit ihr. Nein, mehr als das, er wollte sie.

Unmöglich. Was hatte eine Frau wie sie ihm zu bieten? Sie war ein Niemand, hatte nichts.

Bis auf eins: Sie hatte sein Baby.

Das holte sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie war wegen Annabel hier, nur wegen der Kleinen.

„Ja, ich bin allein“, antwortete sie heiser.

„Wirklich?“ Er schien überrascht, ließ den Blick kurz über die Gästeschar streifen, ehe er wieder zu ihr zurückkehrte. „Ganz allein im Urlaub?“, fügte er hinzu, und Rhia wurde wieder rot.

Sie nickte. „Obwohl …“ Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, ihr Anliegen vorzutragen, Annabel zu erwähnen.

Warum zögerte sie?

„Obwohl …?“, wiederholte er. Die üppige Französin verschwand mit missbilligender Miene. Alle anderen rundherum starrten Rhia an.

„Nichts.“ Feigling.

„Ach so.“ Er schwieg. Rhia wartete verlegen, noch immer überwältigt und nicht in der Lage, etwas Vernünftiges zu sagen.

Weil in ihrem Kopf ganz viele unvernünftige Gedanken herumgeisterten.

Sie wollte nicht, dass Lukas ging.

Sie wollte ihn.

Lächerlich, und doch konnte sie an nichts anderes denken.

Lukas Petrakides verzog den Mund zu einem kurzen Lächeln, trank einen Schluck Wein. Einen Moment lang wirkte er unsicher, doch dann verhärtete sich sein Blick. Sein Gesicht wurde ausdruckslos. „Es war nett, mit Ihnen zu reden“, sagte er kühl, und Rhia wusste, dass sie entlassen war.

Kurz las sie Bedauern in seinen Augen, oder bildete sie sich das nur ein? Gleich darauf war der seltsame Ausdruck wieder verschwunden, machte einer höflichen Gleichgültigkeit Platz.

Falls sie etwas miteinander verbunden hatte, ein besonderer Moment, was auch immer, es war vorbei. Verpasst.

Wie ihre Chance, über Annabel zu sprechen.

„Warten Sie.“ Er hatte sich bereits abgewandt, und sie berührte ihn am Ärmel. „Ich muss Ihnen etwas sagen.“

Er drehte sich um, hoffnungsvoll, wie es ihr schien. Sie holte tief Luft.

„Es gibt da etwas, das Sie wissen müssen.“

Sein Blick wurde kühl. „Und das wäre?“

Ein unbehagliches Gefühl beschlich sie. Wenn sie ihn nur dazu bringen könnte, ihr zuzuhören, dann würde alles gut.

„Ich denke, darüber reden wir besser unter vier Augen.“

Rhia hatte leise gesprochen, aber als einige der Umstehenden nach Luft schnappten, war ihr klar, dass dieses Gespräch innerhalb der nächsten Minuten in aller Munde sein würde.

„So?“

Anscheinend hatte sie wieder das Falsche gesagt. Was sollte sie tun? Sie kannte sich in diesen Kreisen nicht aus, hatte keine Ahnung, wie man solch ein heikles Thema anschnitt. Dabei wollte sie ihm doch nur von seiner Tochter erzählen!

„Ja … es ist sehr wichtig, das versichere ich Ihnen. Sie müssen wissen, dass …“ Verlegen unterbrach sie sich. Instinktiv nahm sie eine Spannung wahr, die sich jeden Moment entladen konnte wie ein Sommergewitter. Wenig ermutigend.

„Das kann ich mir kaum vorstellen, Miss …?“

„Davies – Rhia Davies. Und bitte, glauben Sie mir, es ist von Bedeutung. Ich brauche nur einen Moment …“

„Ich fürchte, ich habe keine Zeit.“

„Nein, nein, warten Sie bitte …“ Sie streckte die Hand aus. „Sie verstehen mich nicht. Es betrifft jemand anders. Wir haben eine gemeinsame Freundin.“ Rhia wurde das Gefühl nicht los, dass ihr gesamter Auftritt erbärmlich war. Warum hatte sie sich nicht besser vorbereitet?

„Ich glaube nicht, dass wir uns jemals begegnet sind“, sagte er nach kurzem Schweigen. „Und ich bezweifle, dass wir gemeinsame Freunde haben.“

Der Hinweis war deutlich. Sie kamen aus verschiedenen Welten. Er war Reichtum, Privilegien und Macht gewohnt – und Lichtjahre entfernt von ihrem bescheidenen Leben in einem Waliser Vorort.

Er hatte Macht und Einfluss, sie nichts.

Doch, sie hatte Annabel. Der Gedanke machte ihr Mut.

„Nein, wir sind uns noch nicht begegnet.“ Sie hielt seinem Blick stand. „Aber es gibt jemanden, den wir beide kennen, jemanden, der mir … und Ihnen wichtig ist.“

Unwillkommene Bilder von Leanne und Lukas tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Beide nackt auf zerwühlten Laken, suchende Lippen, Hände, die streichelten, liebkosten, Seufzer, Flüstern, kehlige Laute. Der Mann vor ihr und ihre Freundin hatten einander begehrt, sich geliebt – und ein Kind gezeugt.

Sie schüttelte den Kopf, wollte nicht darüber nachdenken. Leanne hatte ihr keine Einzelheiten genannt, und sie hatte sie auch nicht wissen wollen. Ein Wochenende der Leidenschaft, war alles, was sie sagte, ehe sie Rhia den Namen des Vaters nannte.

Pass du für mich auf sie auf. Lass sie nicht im Stich.

Schenk ihr Liebe.

Genau darum ging es. Deshalb war sie hier. Annabel brauchte Liebe, echte Liebe. Die Liebe ihres Vaters.

„Jemand, der uns beiden wichtig ist?“

Sie nickte. „Ja. Wenn wir uns kurz allein unterhalten könnten, erkläre ich es Ihnen. Es wird sich für Sie … lohnen.“

„Tatsächlich?“ Alarmiert beobachtete sie, wie er ihr über die Schulter sah, mit jemandem Blickkontakt aufnahm. Gleich würde etwas passieren, und es würde ihr gar nicht gefallen, das spürte sie.

Lukas Petrakides nickte kurz und wandte sich ihr wieder zu. Mit eisigem Blick.

Sie unterdrückte ein Erschauern.

„Ich versuche nur, höflich zu sein“, begann sie, „und ich bitte Sie um ein paar Minuten Ihrer Zeit …“

„Und ich weise Sie höflich darauf hin“, unterbrach er sie, „dass Sie fünf Sekunden haben, ehe mein Sicherheitsdienst Sie aus diesem Raum und vom Gelände des Resorts begleitet.“

Schockiert starrte sie ihn an, traute ihren Ohren nicht.

„Sie machen einen Fehler“, hörte sie sich mit zitternder Stimme sagen.

„Der Ansicht bin ich nicht.“

Autor

Kate Hewitt
<p>Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...
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