Nur wenn du mich wirklich liebst …

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Seit Brianna auf einer Party in New York in Marco Diricis dunkle Augen geblickt hat, steht ihre Welt Kopf. Bereits nach der ersten Nacht mit dem heißblütigen italienischen Tycoon trägt sie sein Kind unter dem Herzen. Prompt macht er ihr einen Antrag, den sie verliebt annimmt. Doch kaum folgt sie Marco in seine Heimat, spricht plötzlich einiges dafür, dass er ihre Gefühle nicht erwidert. Verletzt muss sie sich fragen: Hat er sie nur aus Pflichtgefühl geheiratet? Denn auf die magischen drei Worte wartet sie bislang vergeblich …


  • Erscheinungstag 03.07.2018
  • Bandnummer 142018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733710262
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sie hätte wissen müssen, dass er kommen würde.

Beim Anblick der dunkelhaarigen stattlichen Erscheinung an ihrer Hintertür seufzte Brianna. Marco Dirici hatte wirklich ein Händchen dafür, ebenso unerwartet wie unwillkommen in ihrem Leben aufzutauchen.

Noch einmal spähte sie durch das Seitenfenster und blinzelte krampfhaft, in der Hoffnung, sich vielleicht doch getäuscht zu haben. Aber es half nichts. Seine tiefe Stimme hatte ihn längst verraten. Es war definitiv Marco, in Fleisch und Blut.

Brianna schaute an sich hinab und stöhnte angesichts ihres verblichenen, ausgeleierten T-Shirts. Ein schneller Blick in den Spiegel zeigte ihr ein blasses, abgekämpftes Gesicht mit dunklen Rändern unter den Augen.

Na, großartig! Sechs lange Monate war es her, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte, und nun überfiel er sie unangemeldet am frühen Morgen. Andererseits – was kümmerte es sie, was Marco von ihr dachte?

Er wirkte wie immer makellos und überwältigend. Die teure Lederjacke war nachtschwarz wie seine Augen. Das ungebärdige dunkle Haar fiel ihm malerisch in die Stirn und ließ ihn so verwegen erscheinen, wie sie ihn in Erinnerung hatte.

Wie lange genau war es eigentlich her, dass sie diese eine vorwitzige Locke ein ums andere Mal zur Seite gestrichen hatte, nur um sie gleich darauf wieder zurück in die markante Stirn fallen zu lassen?

„Brianna, was soll das? Ich weiß, dass du da bist.“

Da war sie wieder, diese sonore Stimme mit dem sexy italienischen Akzent, der sie bis in ihre Träume verfolgte.

Cara, mach die Tür auf …“, drängte Marco. „Ich will nicht klingeln müssen. Enzo schläft doch bestimmt noch.“

Bei der Erwähnung ihres Sohnes vergaß Brianna ihr Aussehen und alle schmerzlichen Erinnerungen. Sie hätte es wissen müssen! Nicht sie, sondern ihr zweijähriger Sohn Lorenzo war der Grund, weshalb Marco so nachdrücklich Einlass begehrte.

Wie betäubt öffnete sie die Tür und trat zur Seite, um ihren Mann einzulassen.

„Warum dauert das so lange?“ Ohne sie eines Blickes zu würdigen, marschierte er an ihr vorbei.

Sie war erst gegen Morgen eingeschlafen, nachdem ihr Sohn sie mit seiner vehementen Weigerung, in den Kindergarten zu gehen, die halbe Nacht auf Trab gehalten hatte.

„Ich dachte schon, die alte Dame von gegenüber geht mit ihrem Besen auf mich los, weil sie mich für einen Einbrecher hält.“

Bist du das denn nicht? Brianna schluckte und senkte den Blick, doch dann gab sie sich einen Ruck.

„Was willst du?“, fragte sie brüsk.

„Was glaubst du denn? Ich habe mit nonna gesprochen.“

Natürlich! Sie hätte es wissen müssen und ihren Mann besser direkt anrufen sollen. Aber in ihrer Verzweiflung hatte sie auf den Rat von jemandem gehofft, der Enzo aufrichtig liebte und sich um ihn sorgte.

„Du solltest nicht hier sein.“

„Ich hatte es satt, darauf zu warten, dass du endlich zur Besinnung kommst. Und ich vermisse meinen Sohn. Was hast du denn von mir erwartet?“

Vielleicht, dass du auch mich vermisst? Wie naiv konnte man eigentlich sein?

Marco machte sich nichts aus ihr. Das hatte er nie wirklich getan. Und sie stand wie ein alberner, liebeskranker Teenager vor ihm und schmachtete ihn an.

Wenn überhaupt möglich, war er noch attraktiver als in ihrer Erinnerung. Die dunklen Augen, in deren Tiefen sie sich in der Vergangenheit so oft verloren hatte, das herrische Kinn, die herben, sinnlichen Lippen …

Sie durfte sich nicht noch einmal verlieren, nicht an diesen Mann!

„Niemand erwartet, dass du irgendetwas tust.“ Brianna griff nach dem Babyfon und stellte es an, nur um überhaupt etwas zu tun. „Außer dass du meine Wünsche respektierst und Enzo und mir die Zeit lässt, die wir brauchen.“

„Inzwischen sind sechs Monate vergangen.“

„Nichts hat sich geändert, Marco. Deine Reise war umsonst.“

Du willst die Scheidung, cara, nicht ich. Und von meinem Sohn lasse ich mich schon gar nicht trennen.“

„Du weißt genau, dass ich so etwas nie tun würde.“

Erneut dieses harte Auflachen, das ihr ins Herz schnitt. „Und deshalb verschleppst du ihn ans andere Ende der Welt?“

Brianna atmete tief durch. Sie musste jetzt stark sein und hart bleiben. „Als ich ging, habe ich dir versprochen, eine faire Vereinbarung zu treffen, was die Besuchsregelung betrifft. Aber bis es so weit ist, kannst du nicht einfach unangekündigt hier auftauchen. Entweder ihr seht euch an vereinbarten Terminen oder gar nicht.“

In der nächsten Sekunde stand er vor ihr, so dicht, dass sein Atem ihr Gesicht streifte. „Erst wirfst du mir gnädig Brotkrumen zu, die ich klaglos schlucken soll, dann willst du sie mir auch noch einzeln zuteilen? Vergiss es!“

„Versuch nicht, mich einzuschüchtern, Marco. In diesem Punkt bleibe ich hart. Ich brauche einen klaren Schnitt.“

Als er nach ihrer Hand griff, zuckte sie zurück, doch er hielt ihre Finger fest umfangen – nicht schmerzhaft, sondern überraschend sanft. „Noch einmal, Brianna: Ich lasse mich nicht von meinem Sohn fernhalten.“

In dieser Sekunde schwand jeder Funke Hoffnung, er könnte sich im Verlauf der letzten Monate geändert haben. „Das hatte ich auch nie vor“, rechtfertigte sie sich rau. „Schade, dass du so uneinsichtig bist und es nicht verstehen willst.“

Marco seufzte und ließ ihre Hand los. „Im letzten Punkt hast du recht. Ich verstehe tatsächlich nicht, warum du es vorziehst, für andere in New York zu kochen, anstatt in Italien als Ehefrau und Mutter unseres Sohnes an meiner Seite zu leben.“

„Ich hatte keine Wahl.“

„Bildest du dir ein.“

War das Schmerz oder Anklage, was sie in seiner Stimme hörte? Wahrscheinlich keines von beidem. „Du irrst dich. So unglücklich, wie ich war, konnte ich Enzo keine gute Mutter sein.“

„Und das hier …“ Beziehungsvoll schaute er sich in ihrem engen Flur um. „Das macht dich glücklich?“

Was sollte sie darauf antworten? Brianna verschränkte die Arme vor der Brust. Nichts lief so, wie sie es erwartet hatte. Am meisten quälte sie, dass ihr Sohn sich hier noch überhaupt nicht eingewöhnt hatte, in keiner Hinsicht.

Doch die letzten Monate in Italien waren ihr von Tag zu Tag unerträglicher erschienen. Die Beziehung zwischen Marco und ihr hatte sich zunehmend abgekühlt, bis sie am Ende nicht einmal mehr vorgegeben hatten, ein Ehepaar zu sein. Sie lebten unter demselben Dach, aber das war es dann auch schon.

Das kam dabei heraus, wenn man versuchte, aus Vernunftgründen Familie zu spielen. Sie hätte es besser wissen müssen. Womit sie allerdings nicht gerechnet hatte, war, wie heftig sie ihren Mann vermisste.

Marco ließ sie nicht aus den Augen und schüttelte den Kopf. „Verrate mir doch, was dich glücklich machen würde, cara“, bat er rau.

Kann er etwa Gedanken lesen? Hoffentlich nicht!

Sie schaute auf und errötete, weil er den Blick auf ihre bebende Unterlippe richtete. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie wieder seinem Killercharme erliegen. Instinktiv trat Brianna einen Schritt zurück, doch Marco folgte ihr.

„Erinnerst du dich wenigstens noch daran, wie glücklich du am Anfang warst?“

Was für eine Frage! Als könnte sie das je vergessen. Sobald sie die Augen schloss, meinte sie, den ersten leidenschaftlichen Kuss auf ihren Lippen zu spüren, nur wenige Stunden nach ihrer ersten Begegnung. In der anschließenden Nacht und der folgenden Woche hatte Brianna sich selbst nicht wiedererkannt.

Ein leiser, klagender Laut aus dem Babyfon brachte sie abrupt in die Wirklichkeit zurück. „Jetzt hast du ihn geweckt“, sagte sie vorwurfsvoll. „Eine gute Stunde vor seiner gewohnten Zeit.“

Marco seufzte und zog sich von ihr zurück.

Wirkte er enttäuscht? Nein, garantiert bildete sie sich das nur ein.

„Ich würde gern meinen Sohn sehen.“

Brianna wartete, bis sich ihr fliegender Puls beruhigte, dann wandte sie sich um und lief die Treppe hinauf.

Marco schaute ihr hinterher und fluchte lautlos.

Nach sechs endlosen Monaten, in denen er seine Frau nicht einmal zu Gesicht bekommen hatte, führte er sich auf wie ein hormongesteuerter Teenager! Wie vor drei Jahren, nach dem ersten Blick in ihre smaragdgrünen Augen, die immer noch so geheimnisvoll schimmerten und unversehens aufblitzten wie damals. Und dann diese weichen Lippen, wie geschaffen für Küsse voller Leidenschaft und Hingabe. Die heißen Dessous, die seinen sehnsüchtigen Fantasien kaum Raum ließen …

Brianna war hinreißend, exquisit, atemberaubend. Und für eine Weile hatte sie ihm gehört, aber nie ganz.

Was hatte diese Frau an sich, das ihn immer wieder dazu brachte, die Kontrolle zu verlieren? Das Letzte, was er gewollt hatte, als er sich zu dieser Reise entschloss, war, sich in der Vergangenheit zu verlieren und sich nach dem Moment zurückzusehnen, als sie sich das erste Mal begegnet waren.

Wieder fluchte Marco und rieb sich über die Stirn.

Er durfte nicht zulassen, dass diese magische Anziehung, die er von der ersten Sekunde an gespürt hatte, seine Mission komplizierte. Es war eine rein physische Angelegenheit. Nichts, was er nicht schon zigmal zuvor erlebt hatte.

Fest stand: Er wollte mehr von Brianna, als sie bereit war, ihm zu geben. Ebenso fest stand, dass er es noch nie nötig gehabt hatte, eine Frau um etwas zu bitten. Und ganz sicher würde er damit nicht ausgerechnet bei seiner Fast-Exfrau anfangen – nur um das Unvermeidliche hinauszuzögern.

Es gab zwei rein pragmatische Gründe, die ihn hergetrieben hatten. Er wollte Brianna persönlich mitteilen, dass sie die Scheidung haben konnte, und eine faire Sorgerechtsregelung treffen. Sein Sohn war jetzt alles, was für ihn zählte. Dass Brianna für immer bleiben würde, hatte er nie wirklich erwartet. Frauen kamen und Frauen gingen. Aber La familia …

Marco atmete tief durch. Dafür lohnte es sich, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen.

Stirnrunzelnd sah er sich in dem Haus um, das Brianna gemietet hatte. Die Küche war eher praktisch als stylisch eingerichtet, mit einem runden Tisch in der Mitte. Im angrenzenden Wohnzimmer gab es eine gemütliche Sitzecke mit einem Erkerfenster, das zur Straße hinausging. Das Haus war klein, aber behaglich. Allerdings nicht zu vergleichen mit dem pompösen Herrenhaus, in dem Brianna als seine Frau gelebt hatte. Doch offenkundig bevorzugte sie dieses mehr als bescheidene Domizil.

Nicht, dass Marco das überraschte. Als er vor drei Jahren so unerwartet in ihr Leben geplatzt war, hatte Brianna gerade einen neuen Job angetreten und arbeitete hart daran, sich in der New Yorker Kochszene einen Namen zu machen. Doch ehe sie recht wussten, wie ihnen geschah, waren sie ein unverheiratetes Paar, das ein Kind erwartete. Nach dem ersten Schockmoment hatte er Brianna gebeten, ihn zu heiraten und mit ihm nach Italien zu kommen. Anfangs schien es, als könnte ihr Spontanplan funktionieren. Doch schon bald war klar, dass die eingeschlagene Straße eine sehr steinige war. Und wie es inzwischen aussah, eine Sackgasse.

Zum einen durchlebte Brianna eine schwierige Schwangerschaft. Damit geriet die körperliche Leidenschaft, das bis dahin wichtigste Bindeglied zwischen ihnen, in den Hintergrund. Dazu kam die rasante Expansion von Dirici Foods, die mit jeder Menge Hindernissen und unerwartet auftauchenden Problemen verbunden war, die ihn immer öfter und länger von zu Hause fernhielten.

Trotzdem hatte er gehofft, dass sich Brianna mit der Zeit in ihr neues Leben einfinden und es vielleicht sogar genießen könnte, egal, wie holprig ihr Start gewesen war. Aber das war nicht passiert.

Er hatte zu viel als selbstverständlich vorausgesetzt.

Marco spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Es war an der Zeit, dem emotionalen Tauziehen ein Ende zu bereiten.

Das Buch mit den harten Pappseiten verfehlte Briannas Kopf nur um wenige Zentimeter, ehe es gegen die Wand prallte und schließlich auf dem Boden landete.

„Ich will, ich will!“

„Enzo, du darfst Mama nicht …“ Sie schaffte es gerade noch, sich zu ducken, ehe der Teddy dem Kinderbuch folgte. Wortlos hob sie ihren kreischenden Sohn aus seinem Bettchen und presste ihn an sich, wobei sie beruhigende Laute vor sich hin murmelte. Enzo roch nach Kindershampoo und Babypuder.

Selbst in Stressmomenten wie diesem konnte sie sich nicht dem überwältigenden Gefühl von Zärtlichkeit entziehen, das sie jedes Mal ergriff, wenn sie seinen kleinen warmen Körper an ihrem spürte. Obwohl sie noch keinen Nachwuchs geplant hatte, war Brianna unendlich dankbar, Enzo zu haben. Vor allem nach all den Ängsten und Sorgen während der problematischen Schwangerschaft. Jeden Tag hatte sie darum gebangt, ob ihr Baby gesund zur Welt kommen würde.

„Neeein!“, kreischte Enzo ihr ins Ohr.

„Schhhh, wir gehen gleich nach unten in die Küche“, beschwichtigte Brianna ihn. „Erst muss ich dir noch etwas sagen.“ Sie setzte ihren Sohn auf dem Boden ab.

Augenblicklich rannte er in Richtung Treppe davon, und Brianna beeilte sich hinterherzukommen. Enzo war noch zu klein, um die steilen Stufen zu meistern, allerdings hielt ihn das nicht davon ab, das entriegelte Schutzgitter vehement aufzustoßen.

Sweetheart, warte!“

„Ich, ich, ich!“

„Schon gut. Gib mir deine Hand, dann helfe ich dir. Unten ist jemand, der dich sehen will.“

Sobald sie das Erdgeschoss erreicht hatten, rannte der Kleine kreischend in die Küche. Als er seinen Vater sah, stoppte er abrupt.

„Ciao, figliolo.“

Brianna registrierte Marcos missbilligenden Blick in ihre Richtung, bevor er seinen Sohn auf den Arm nahm.

Das Babyfon! Ihr Mann hatte den kleinen Disput zwischen Enzo und ihr mit angehört. Jetzt gluckste ihr Sohn zufrieden und krallte seine Finger in Marcos Kragen.

„Hast du Papa vermisst?“, fragte der rau und rieb seine Wange an der des Jungen.

Brianna spürte einen heftigen Stich in der Brust. Dabei gab es keinen Grund, sich schuldig zu fühlen. Sie hätte unmöglich noch länger in einer Ehe ausharren können, die nur aus Verlegenheit oder Not heraus entstanden war. Wenn man eine Schwangerschaft überhaupt als Notfall bezeichnen konnte.

Natürlich war es schmerzhaft gewesen, Enzo aus Italien wegzubringen und von seinem Vater zu trennen. Nicht zu vergessen die liebende Urgroßmutter, die ihn geradezu angehimmelt hatte.

Sie selbst war in Italien zur leblosen Hülle ihrer selbst mutiert. Kein Zustand, in dem man einem Kind die Liebe und Aufmerksamkeit schenken konnte, auf die es Anspruch hatte. Ganz davon abgesehen, dass sie diese Aufgabe praktisch allein bewältigen musste, da sie ihren Ehemann kaum zu Gesicht bekam, weil er von seiner Arbeit aufgefressen wurde.

„Er trinkt seinen Kakao gern drüben am Fenster, während ich das Frühstück zubereite“, sagte sie und reichte Enzo eine Kindertasse mit zwei Henkeln.

Marco seufzte und setzte seinen Sohn ab. Augenblicklich rannte der Kleine zu einem niedrigen Korbstuhl im Erker.

„Glaubst du, er erinnert sich an mich?“

Überrascht wandte Brianna sich ihrem Mann zu. „Aber natürlich tut er das.“

Marco blieb skeptisch. Sein brennender Blick traf sie wie ein Fausthieb in den Magen. „Wie schön, dass wenigstens einer von uns beiden sicher ist.“

Brianna tat ihr Bestes, um die Spannung zwischen ihnen zu ignorieren. Ohne ihn anzusehen, lavierte sie sich an Marco vorbei, nahm das Brot vom Tresen, steckte zwei Scheiben in den Toaster und starrte das Gerät an, bis das erlösende Klick ertönte. Die ganze Zeit über spürte sie Marcos Blick in ihrem Rücken.

„Ich muss gleich ins Restaurant“, informierte sie ihn, ohne aufzuschauen. „Du wirst dich also selbst …“ Sie brach ab, da er ihr den Weg zum Kühlschrank versperrte.

„Ich bleibe hier bei meinem Sohn.“

„Das geht nicht.“ Brianna bedeutete ihm, Platz zu machen.

„Warum?“, wollte Marco wissen, während er einen Schritt zur Seite trat.

Sie nahm die Butter aus dem Kühlschrank und richtete sich auf. „Enzos Nanny plant jeden Tag exakt durch.“

Ihr Mann zuckte lässig mit den Schultern. „Gib ihr heute frei.“

„Dafür ist es zu spät, sie ist längst unterwegs.“

„Dann sagst du es ihr, wenn sie hier eintrifft.“

„Dass sie umsonst hergekommen ist? Und einen Tag Verdienstausfall hat?“

Marco stöhnte und wandte den Blick gen Decke. Keine Frage, sein Geduldsfaden war zum Zerreißen gespannt. „Keine Sorge, das regele ich. Sie bekommt den Verdienst von zwei Tagen … ach, was soll’s! Von einer Woche.“

Das war typisch Marco. „Du glaubst tatsächlich, alles mit Geld regeln zu können, oder?“

„Mir fallen nur wenige Dinge ein, wo es nicht funktioniert.“

Brianna presste die Lippen zusammen und schob das Kinn vor. „Nun, dies ist mein Zuhause, und ich sage dazu Nein.“

In dem Moment klingelte es.

„Ding-Dong!“, kreischte Enzo und startete durch.

Brianna fing ihn geistesgegenwärtig auf, bevor er samt Kissen auf dem Boden landete. Während er in ein Protestgeheul ausbrach und sich in ihren Armen wand wie ein Aal, klingelte es wieder. Und wieder.

„Ich komme!“, rief Brianna, setzte ihren Sohn sanft ab und seufzte leise, weil er sich trotzig auf den Boden fallen ließ.

Marco verfolgte die Szene mit gerunzelter Stirn.

Brianna knirschte mit den Zähnen, während sie ihren Mann lautlos verwünschte, und öffnete die Tür. „Hallo, Mrs. Schelling. Da sind Sie ja …“

Eine Frau mittleren Alters trat ein, grunzte bezeichnend angesichts des herrschenden Theaters und wandte sich direkt an ihre Arbeitgeberin. „Ich bin nur aus einem einzigen Grund hier und auch gleich wieder weg.“

Ihr entschiedener Ton ließ alle Alarmglocken in Briannas Hinterkopf schrillen. Nicht ausgerechnet heute! flehte sie innerlich. „Oh, warum besprechen wir beide …“

„Da gibt es nichts zu besprechen. Ich kündige.“

Nur mit Mühe behielt Brianna ihr Lächeln auf den Lippen, während sie einen Arm um die Schultern der rundlichen Frau legte und versuchte, sie von Marco weg in Richtung Küche zu dirigieren.

„Mit so etwas macht man keine Witze, Mrs. Schelling“, rügte sie in scherzhaftem Ton.

Die Nanny machte sich stocksteif und war nicht vom Fleck zu bewegen. „Das ist kein Scherz, Miss Brianna. Ich bin nicht bereit, mich noch länger von diesem … von Ihrem Sohn tyrannisieren zu lassen.“ Anklagend starrte sie Enzo an, der seine Tasse kurz absetzte, um seiner Nanny ein breites Grinsen zu schenken.

„Ich verstehe nicht …“, murmelte Brianna schwach und ließ ihren Arm sinken.

„Wie gesagt, ich kündige fristlos und möchte meinen restlichen Lohn gleich mitnehmen.“

„Aber …“

„Das Leben ist zu kurz, um es sich auf diese Weise vermiesen zu lassen, und ich habe meine beste Zeit bereits hinter mir. Also?“

Brianna wagte nicht, Marco anzusehen. Keine Frage, was er in diesem Moment dachte: Erst enttäuscht sie als Ehefrau, und jetzt versagt sie auch noch als alleinerziehende Mutter. Anstatt Unabhängigkeit und Souveränität zu demonstrieren, erlebte er sie so unfähig, wie sie sich in ihrer Vernunftehe gefühlt hatte.

Dabei war alles, wonach sie sich von jeher gesehnt hatte, ein stabiles Zuhause. Wurzeln, die einem das Gefühl gaben, irgendwo dazuzugehören.

„Ich habe es mir wahrlich nicht leicht gemacht und die ganze Nacht wachgelegen“, verteidigte sich Mrs. Schelling mit schwankender Stimme. „Aber Ihr Sohn hat mich geschafft. Er ist einfach nicht zu bändigen. Nicht von mir, und ehrlich gesagt kann ich mir niemanden vorstellen, der …“

Was noch kam, hörte Brianna nicht mehr, da sie verzweifelt versuchte, ihre Schutzmauern aufrechtzuerhalten, die zusammenzustürzen drohten. „Enzo ist doch erst zwei“, gab sie zu bedenken. „Er weiß es nicht besser.“

„Egal, ich werde sein unsägliches Betragen nicht länger hinnehmen“, erklärte die Nanny entschieden. „Nicht für alles Geld der Welt.“

Dass Enzo wie ein Derwisch im Kreis lief und dabei den Kakao aus seiner Kindertasse auf dem Boden verteilte, half in dieser Situation auch nicht gerade.

„Ich sag Ihnen was …“, platzte Brianna mit dem Mut der Verzweiflung hervor. „Wir beide besprechen alles noch einmal in Ruhe bei einer schönen Tasse Kaffee.“ Sie wies mit dem Kinn auf ihren stummen Ehemann. „Er wollte ohnehin gerade gehen.“

Mrs. Schelling wandte sich Marco zu und musterte ihn kritisch. Ihr leises Schnauben ließ vermuten, dass er nicht ihre Billigung fand. „Ich hatte nicht erwartet, auch noch mit Ihrem … Herrenbesuch konfrontiert zu werden“, schnappte sie mit bezeichnendem Blick auf das kurze T-Shirt ihrer Arbeitgeberin.

Dieser unerwartete Angriff ließ Brianna förmlich nach Luft schnappen, worauf Enzo, der nie eine besondere Sympathie für seine aufgezwungene Nanny verspürt hatte, Mrs. Schelling kurz entschlossen die harte Plastiktasse gegens Schienenbein donnerte.

„Autsch! Du unverschämter … Sehen Sie jetzt, was ich meine?“, giftete die Nanny. „Zum Glück gibt es jede Menge nette Kinder, die glücklich sind, wenn man sich um sie kümmert! Während dieser …“

„Ich entschuldige mich für jedwede Tortur, die mein Sohn Ihnen hat angedeihen lassen“, unterbrach Marco sie mit stählerner Stimme.

„Ihr Sohn?“

„Sehr richtig. Wie passend, dass wir Ihre Hilfe tatsächlich nicht länger benötigen, Mrs. …“

„Sch…Schelling“, stammelte Enzos Nanny schwach.

„Mrs. Schelling also.“ Marco zog seine Geldbörse hervor, nahm einen Stapel Scheine heraus und hob fragend die dunklen Brauen. „Was schulden wir Ihnen?“

Ohne zu zögern, schloss sich ihre pummelige Hand um das stattliche Geldbündel. „Ich bin wirklich der Meinung, dass ich es verdiene“, stieß sie trotzig hervor und warf Enzo einen vernichtenden Blick zu. „Quasi als Schmerzensgeld.“ Und damit stolzierte sie erhobenen Hauptes hinaus.

Kraftlos drückte Brianna die Tür hinter ihr zu. Was jetzt? Marcos Seufzer war deutlich hörbar.

„Wage es nicht, ein Wort zu sagen!“, warnte sie ihn. „Ich habe nie behauptet, dass der Umzug nach New York völlig ohne Folgen für Enzo geblieben ist, und bereits zugegeben, dass er einige Probleme …“

„Und was ist mit dem Herrenbesuch, den sie erwähnt hat?“

„Gar nichts. Sie hat einfach falsche Schlüsse gezogen.“ Brianna ärgerte sich, dass sie trotzdem rot wurde. „Auf jeden Fall muss ich mich jetzt schnell anziehen.“

„Dann bist du also damit einverstanden, dass ich mich heute um unseren Sohn kümmere?“

„Wenn du immer noch darauf bestehst …“

„Unbedingt, aber eines möchte ich dich noch fragen.“

Hatte sie es nicht gewusst? Das dicke Ende kam immer gleich hinterher, sobald man ein Problem für gelöst hielt. „Und?“

„Was hättest du getan, wenn ich nicht zufällig aufgekreuzt wäre?“

Da war sie wieder, die ständige Anklage in seiner Stimme. „Ich habe natürlich einen zweiten Babysitter in petto.“

„Und wie lange hätten die notwendigen Arrangements gedauert?“

Dieser miese … Aber ins Schwarze getroffen hatte Marco mit seinem Einwand dennoch. Enzos Eskapaden hatten bereits in der Vergangenheit oft genug zu dramatischen Verspätungen geführt, worüber Küchenchef Ansigne fast die Geduld mit ihr verloren hätte.

„Wirst du dich nun um ihn kümmern oder nicht?“

„Keine Frage. Und du hörst auf, so zu tun, als gäbe es eine Alternative.“

Brianna biss die Zähne zusammen. Den Köder würde sie nicht schlucken. „Ich geh rasch nach oben, um zu duschen und mich umzuziehen.“ Als ihr Sohn sich bei dieser Ankündigung plötzlich auf sie stürzte und ihre Beine umklammerte, strich sie zärtlich über seinen dunklen Schopf. „Enzo, du wirst den Tag mit Papa verbringen. Ist das okay?“

Der Kleine lächelte engelgleich zu ihr hoch und schüttelte energisch den Kopf.

Augenblicklich war Marco zur Stelle. „Was soll das? Ich denke, er erinnert sich daran, wer ich bin.“

Brianna seufzte. „Er schüttelt den Kopf, wenn er ja meint“, gestand sie mit einem Anflug von Verlegenheit. „Wenn er sein Gesicht mit dem Arm bedeckt, bedeutet es nein.“

Marco schmunzelte kurz, dann verdüsterte sich seine Miene. „Es ist so verdammt lange her, dass ich nicht mal mit seinen kleinen Macken vertraut bin.“

Jetzt folgt ein weiterer Angriff! dachte Brianna. Stattdessen jedoch strich Marco nur zärtlich über die runde Wange seines Sohnes und begann, leise auf Italienisch mit ihm zu sprechen.

Seltsam, ich habe ganz vergessen, wie sanft er sein kann.

Autor

Nina Singh

Nina Singh lebt mit ihrem Mann, ihren Kindern und einem sehr temperamentvollen Yorkshire am Rande Bostons, Massachusetts. Nach Jahren in der Unternehmenswelt hat sie sich schließlich entschieden, dem Rat von Freunden und Familie zu folgen, und „dieses Schreiben doch mal zu probieren“. Es war die beste Entscheidung ihres Lebens. Wenn...

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