One-Night-Stand mit Folgen

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Obwohl sich Daisy sehnlichst ein Kind wünscht, ist sie schockiert, als sie feststellt, dass sie schwanger ist. Nur eine heiße Nacht erlebte sie in Chance Fosters Armen - niemals wird sie diesem Playboy sagen, dass er Vater wird. Da Chance der Bruder ihrer besten Freundin ist, kann Daisy ihm gar nicht aus dem Weg gehen, bleibt aber kühl und abweisend. Seine Einladungen lehnt sie ab, bis er ihr ein äußerst verlockendes Angebot macht ...


  • Erscheinungstag 27.01.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733755195
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Daisy Redford gab Chance Foster erst mal ein paar ordentliche Ohrfeigen. Dann schlug sie ihm mit aller Kraft ihre Fäuste ins Gesicht, bis von ihm nichts mehr übrig blieb als ein zerquetschter Klumpen Ton.

„Das hast nun davon!“, sagte sie halblaut, allerdings eher zu sich selbst. Der Tonklumpen lag exakt auf der Mitte der Töpferscheibe und drehte sich im Kreis.

Weiß der Teufel, was sie dazu getrieben hatte, die kleine Männerbüste anzufertigen. Das verführerische Glitzern seiner Augen konnte sie zwar nicht einfangen, aber dennoch war es ihr in einer knappen Viertelstunde gelungen, eine beachtliche Ähnlichkeit mit seinem ausdrucksvollen Gesicht, seinem vollen Mund und seiner geraden Nase herzustellen.

Sie hatte ein spontanes Gefühl der Befriedigung verspürt, als sie dann mit unterdrückter Wut auf die Büste eingeschlagen hatte. Jetzt bezeugte nur noch ein Klumpen Ton ihren Triumph. Sachte drehte er sich auf der Töpferscheibe und wartete darauf, in einen Topf verwandelt zu werden.

Jede andere Frau hätte ihre Erfahrungen mit diesem Mann mühelos abschütteln können. Daisy Redford hatte es ihm auf der Töpferscheibe gegeben. Vielleicht konnte sie sich dadurch endlich von den Bildern der gemeinsam verbrachten Nacht befreien, die ihre Träume immer wieder heimsuchten. Dann wäre sie glücklich. Nein, überglücklich.

„Jetzt bleibt mir nur noch eines. Ich muss meinen Traummann finden, bevor meine Freundinnen mich wieder mit einem Verlierertyp verkuppeln wollen“, verkündete sie in ihrem leeren Atelier. „Oder bevor ich selbst wieder an eine solche Niete gerate.“

Es war zu komisch. Vor Monaten hatten Phoebe und Elise, ihre beiden besten Freundinnen, sich auf die Suche nach einem Mann für Daisy begeben. Sie sollte ein Kind bekommen, bevor die Endometriose, an der sie litt, sie unfruchtbar machen würde. Angeblich waren ihre Freundinnen nicht auf der Suche nach einem Mann für sich selbst gewesen. Merkwürdig, beide waren jetzt verlobt. Daisy nicht.

Irgendwann war sie mit einem Mann ausgegangen und musste schon nach dem ersten Abend feststellen, dass sie ihn abstoßend fand. „Was für ein scheußlicher Kerl“, erinnerte sie sich.

Oh. Sie führte Selbstgespräche. Zum Glück war Sean, ihr Assistent, montags nicht da. Montags hatte Daisy ihre Galerie geschlossen. Niemand konnte sie hören.

Und niemand spazierte montags durch die drei Ausstellungsräume und durch den Verkaufsraum ihrer Galerie. Niemand betrachtete das Portfolio der Fotografen und die anderen Kunstwerke, die verkauft werden sollten. Heute arbeitete sie in einem der beiden Lagerräume, die sie sich als Atelier eingerichtet hatte.

Daisy besaß eine Galerie im Zentrum von Phoenix, im Bundesstaat Arizona. Montags, wenn sie geschlossen hatte, verwandelte sich die Galeristin in die Künstlerin Daisy. Ihre Töpferarbeiten gelangten allerdings nie in ihre Ausstellung, und sie bot sie auch nie zum Verkauf an. Sie war fest davon überzeugt, dass sie nicht gut genug waren. Aber sie liebte die Töpferei und verschenkte ihre Arbeiten oft an ihre Freundinnen oder an ihre Mutter.

Vorsichtig erhöhte Daisy den Druck auf den feuchten Tonklumpen auf der Töpferscheibe und formte ihn zu einer Vase. Zwischen ihren geübten Fingern wuchsen die Seitenwände aus dem weichen Material empor. Das Werkstück ähnelte den anderen vierzig Zentimeter hohen Vasen, die sie bereits zum Trocknen auf einen leinenbedeckten Tisch gestellt hatte.

Der kleine Raum war ausgestattet mit der Töpferscheibe, einem Regal mit glasierten Werkstücken, mehreren Trockentischen und einem elektrischen Brennofen. Die Werkstatt war gut durchlüftet und hell ausgeleuchtet.

Plötzlich vernahm sie ein schwaches Klopfen. Es klang wie ein weit entferntes Hämmern. Vielleicht kam es von den Reparaturarbeiten an dem Verwaltungsgebäude, das nur ein paar Häuserblocks entfernt lag. Als sie die Drehscheibe anhielt, bemerkte Daisy, dass jemand an die Eingangstür der Galerie klopfte.

„Na großartig.“ Eilig wischte sie sich den Ton von den Händen.

Es blieb keine Zeit, die fleckigen Leinenschuhe und die schmutzigen Jeans zu wechseln. Normalerweise ignorierte sie die Besucher, die ihre Galerie montags besuchen wollten, aber sie erwartete eine Auslieferung von einem ihrer Künstler. Vielleicht hatte der Fahrer übersehen, dass er den Seiteneingang benutzen sollte.

Sie trat sich die Schuhe an der Fußmatte ab und eilte durch die Galerie. Daisy hatte sie „Native Art“ genannt, weil sie überwiegend Künstler aus Arizona ausstellte. Obwohl einige Töpferwaren und Webarbeiten von indianischer Kunst inspiriert waren, konzentrierte sie sich ansonsten auf zeitgenössische Malerei und Skulpturen.

Sie spähte durch die Glastür und entdeckte draußen einen Lieferwagen, der in zweiter Reihe auf der Straße parkte. Neben dem Wagen stand ein Mann, der die Uniform der örtlichen Zustellfirma trug.

Daisy blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn und schloss die Tür auf. „Sie müssen durch den Seiteneingang liefern.“

„Haben Sie sich die Straße mal angesehen?“, gab der Mann zurück. „Sie arbeiten dort an der Wasserversorgung. Ein LKW blockiert die Zufahrt. Und kein Fahrer weit und breit.“

„Er kommt bestimmt jeden Augenblick zurück.“ Daisy ließ ihren Blick nervös durch die geschäftige Straße schweifen, die von modischen Läden und Restaurants gesäumt war. Um die Mittagszeit schwärmten die Menschen wie hungrige Ameisen durch diese Gegend. Das Parken in der zweiten Reihe brachte der Zustellfirma mit Sicherheit einen Strafzettel ein, und Daisy konnte sich an zehn Fingern abzählen, wer ihn am Ende zu bezahlen hatte.

„Tut mir leid, aber ich kann hier nicht ewig warten“, erklärte der Mann. „Ich hab noch andere Touren zu fahren.“

„Na gut, beeilen wir uns“, meinte Daisy kurz entschlossen. Sie durfte nicht riskieren, dass der Mann ohne Auslieferung wieder abfuhr, und stieß die Tür sperrangelweit auf. Schließlich wollte sie am Samstag ihre neue Ausstellung eröffnen.

Daisy stellte sich nur ungern mit ihren schmutzigen Klamotten auf die Straße. Das Anwaltsbüro von Chance Foster lag nur wenige Häuserblocks entfernt, und in den vergangenen zwei Monaten war sie ihm bereits ein paar Mal unfreiwillig über den Weg gelaufen. Andererseits kannte er ihre wirkliche Identität nicht. Und in ihrer tonverschmierten Kleidung würde er sie wohl kaum wieder erkennen.

„Vorsichtig!“, rief sie dem Lieferanten zu, der zusammen mit seinem Kollegen ein verhülltes Gemälde die Rampe hinuntermanövrierte. „Gehen Sie gerade durch, bis ganz nach hinten.“

Die Acrylarbeiten waren sehr schwer und unförmig. Und leider gingen die Lieferanten nicht besonders umsichtig mit den Kunstwerken um. Zwei Mal rettete Daisy im letzten Augenblick eine kunstvoll getöpferte Blumenschale vor den Männern, die durch ihre Galerie trampelten wie die sprichwörtlichen Elefanten im Porzellanladen.

Sie warf einen letzten Blick in das Innere des Lieferwagens und stellte erleichtert fest, dass er leer war. „Danke“, seufzte sie.

Die Männer winkten ihr zu und kletterten in die Fahrerkabine. Daisy wollte gerade zurück in die Galerie gehen, als sie einige Hauseingänge weiter eine Frau bemerkte, die das „Bistro Français“ verließ.

Honigblondes Haar wirbelte ihr ums Gesicht. Die Frau hatte ihre vollen Lippen zu einem Schmollmund verzogen. Mit glänzenden, weit aufgerissenen Augen schaute sie starr auf die Straße.

Hinter ihr trat ein Mann aus der Tür. Daisy ballte in ihren Hosentaschen die Hände zu Fäusten.

Chance Foster bewies guten Geschmack. Sein hellbraunes Haar war elegant geschnitten, der teure Anzug stand ihm ausgezeichnet. Doch seine dezente Erscheinung konnte weder den verführerisch knackigen Po noch sein ausgesprochen männliches Auftreten verbergen.

Jeder Zentimeter seines Körpers war ihr vertraut. Die aufmerksamen grauen Augen ebenso wie seine breiten Schultern und seine schmalen Hüften. Daisy hatte zwar beschlossen, Chance aus ihren Leben zu streichen, aber sie spürte ganz genau, dass sie ihn immer noch begehrte.

Sie verspürte einen schmerzhaften Stich in ihrem Herzen, als sie sah, wie Chance einen Arm um die Frau legte. Sie standen neben einem schnittigen Wagen. Chance hielt sie mehrere Minuten lang fest, bevor er ihr die Fahrertür öffnete.

Er achtete noch darauf, dass die blonde Schönheit im fließenden Verkehr sicher einstieg. Hoffentlich ist diese Blondine nicht so naiv zu glauben, dass Chance um sie besorgt ist, dachte Daisy. Zugegeben, Chance war ein angenehmer Begleiter, ein perfekter Gentleman und Charmeur. Aber er war auch der berüchtigtste Playboy in ganz Arizona.

Mit zwei großen Schritten war er wieder auf dem Bürgersteig und wartete, bis der Wagen losgefahren war. Als er sich umdrehte und in sein Büro zurückgehen wollte, hielt er plötzlich inne und starrte Daisy an.

Bitte, er darf mich nicht erkennen, flehte Daisy inständig. Wie sollte er auch? Die Tonspritzer klebten auf ihrer Nase und auf ihren Wangen und trockneten langsam fest. Dennoch blieb er wie angewurzelt stehen. Vielleicht erinnerte er sich dunkel an ihr unverwechselbar kastanienrotes Haar, das sie kinnlang geschnitten hatte.

„Uups.“ Daisy eilte in die Galerie und schloss die Tür hinter sich ab. Schnell hängte sie das Schild mit der Aufschrift Geschlossen an die Scheibe und flüchtete in den hinteren Raum.

Langsam verrannen die Minuten. Niemand klopfte. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht sein sollte.

Niemals hätte sie mit einem Mann ins Bett gehen sollen, den sie gerade erst kennen gelernt hatte. Im Grunde sah es Daisy auch gar nicht ähnlich. Sie war unehelich geboren, Tochter eines Mannes, der ihrer Mutter den Himmel auf Erden versprochen, aber die Hölle beschert hatte. Peinlich genau achtete sie deshalb darauf, sich nicht mit flüchtigen Bekanntschaften einzulassen.

Doch an jenem Abend, auf der Verlobungsparty von Elise, war es um sie geschehen. Der attraktive Unbekannte hatte ihre geheimsten Fantasien angesprochen. Als sie miteinander sprachen, fühlte sie sich federleicht und wie elektrisiert, als sie miteinander tanzten.

Als er sie auf einen Drink zu sich nach Hause einlud, freute sie sich zuerst darüber, dass sie ihre angenehme Unterhaltung fortsetzen konnten. Außerdem wollte sie auf jeden Fall verhindern, dass Elise oder Phoebe die zauberhafte Stimmung zerstörten, die zwischen ihnen in der Luft lag. Ihre Freundinnen übertrieben manchmal etwas, wenn es darum ging, Daisy an den Mann zu bringen.

Im Nachhinein wusste sie natürlich, dass es ausgesprochen dumm gewesen war, die gewohnte Vorsicht in den Wind zu schlagen. Wenn sie einen Mann kennen lernte, fragte sie sich normalerweise zuerst, ob er wohl ein guter Vater sein würde. Sie war bereits dreißig und wusste, dass sie aufgrund ihrer Krankheit schnell heiraten musste, wenn sie jemals Mutter werden wollte.

An jenem Abend hatte sie sich mit ihrem richtigen Namen vorgestellt. Deirdre. Sie fand das niveauvoller. Er hieß Charles. Sie konnte nicht ahnen, dass auch er unter seinem Spitznamen besser bekannt war.

Nachdem sie miteinander geschlafen hatten, sprachen sie noch eine Weile leise miteinander. Sie fragte ihn, woher er Elise kannte, und ihr blieb fast das Herz stehen, als sie seine Antwort hörte. „Ich bin ihr Bruder.“

Chance Foster war berühmt. Oder besser, berüchtigt. Wenn man Elise glauben durfte, dann hatte er bereits alle attraktiven Frauen in Phoenix verführt. Für jede Gelegenheit eine andere Frau, so sagte man ihm nach.

Entsetzt hatte Daisy festgestellt, mit wem sie die Nacht verbracht hatte. Sie hätte sich ohrfeigen können für ihre Dummheit. Bis zu jenem Moment hatte sie allen Ernstes geglaubt, dass ein tiefes Einverständnis zwischen ihnen herrschte. Jetzt wusste sie, dass Chance die Frauen mit dieser Masche um den Finger wickelte.

Sie hatte gewartet, bis er eingeschlafen war, dann ein Taxi gerufen und Hals über Kopf die Flucht ergriffen. Und jetzt versteckte sie sich in ihrer Werkstatt vor ihm, obwohl der Mann in den vergangenen zwei Monaten gewiss nicht einen einzigen Gedanken an sie verschwendet hatte.

Daisy ärgerte sich über sich selbst und griff nach einem Draht, um die fertige Vase von der Drehscheibe zu lösen. Sorgsam setzte sie das Stück zum Trocknen auf den Tisch.

Wer mochte die Blondine in dem Bistro gewesen sein? fragte sie sich. Der schnittige Wagen, die Kleider und ihre Aufmachung ließen darauf schließen, dass sie sehr reich sein musste. Oder vielleicht hoch verschuldet und trotzdem glücklich?

Daisy nahm ein paar Tonklumpen vom Tisch auf und formte sie unwillkürlich zu einem weiblichen Kopf. Dann klebte sie die kleine Skulptur an die Seite eines halb getrockneten Tongefäßes. Die Skulptur karikierte die Gesichtszüge der blonden Frau. Ihr Blick wirkte hungrig und verführerisch.

Aus dem nächsten Tonklumpen formte sie eine weitere kleine Skulptur von Chance. Ein verhaltenes Lächeln und ein begehrender Blick bestimmten sein Gesicht. Zufrieden betrachtete sie ihre Arbeit, bis ihr auffiel, dass sie ihren Werkstücken damit eine ganz individuelle Handschrift verleihen konnte.

Daisy war plötzlich aufgeregt. Ihre Keramik- und Töpferarbeiten galten zwar als handwerklich perfekt, aber bisher fehlte ihnen die persönliche Note, die so genannte künstlerische Aura. Doch diese Idee war viel versprechend. Natürlich schufen andere Künstler bereits Gefäße mit Gesichtern, aber sie würde ihre Arbeit in eine ganz neue Richtung lenken können.

Komisch, dass ausgerechnet Chance Foster sie auf diese Idee gebracht hatte!

Den Rest des Nachmittags experimentierte Daisy mit den Karikaturen aus Ton. Am späten Nachmittag schmerzten ihre Arme vom vielen Tonkneten. Ihre Aufregung wegen des im letzten Augenblick verhinderten Zusammenstoßes mit Chance Foster war verflogen. Sie machte gerade das Atelier sauber, als das Telefon klingelte.

„Native Art“, meldete sie sich.

„Hi, hier ist Elise“, hörte sie die Stimme ihrer Freundin.

Wie konnte eine so liebevolle Freundin nur einen so herzlosen Bruder haben? „Was gibt’s?“

„Ich habe endlich meine Farben gefunden! Altrosa und Blassgelb!“

Daisy begriff nicht auf Anhieb, was ihre Freundin meinte. „Ach, für die Hochzeit!“ Elise und James, ihr Verlobter, wollten im September heiraten. In drei Monaten. „Klingt großartig.“

„Du weißt, was das für dich und Phoebe bedeutet“, sagte Elise. „Jetzt können wir die Kleider für die Brautjungfern aussuchen.“

„Großartig.“ Die beiden Freundinnen würden Elise auf dem Weg zum Altar begleiten.

„Wie wär’s, wenn wir nach der Arbeit schwimmen gehen?“, fragte Elise. „Vielleicht um halb sechs? Wir können alles besprechen und uns dabei erfrischen.“

Obwohl es erst Juni war, waren die Temperaturen bereits bei über dreißig Grad. „Hört sich gut an.“

„Dann bis gleich.“

Sie trafen sich in der Mesa Blue Wohnanlage, in der jede der drei Frauen eine Eigentumswohnung besaß. Der blau gekachelte Pool war von Farnen und einigen imposanten Palmen umsäumt. Während der Sommermonate bot der schattige Platz einen idealen Treffpunkt.

Daisy konnte es kaum erwarten, ihre Freundinnen wieder zu sehen. Sie zog den Plastiküberzug locker über die Gefäße, damit sie nicht zu schnell austrockneten und zerbrachen. Dann eilte sie nach Hause.

Chance Foster hätte schwören können, dass er die Rothaarige in den verschmierten Klamotten dort vor der Galerie irgendwie kannte. Aber als er wie beiläufig vorüberschlenderte, war sie verschwunden.

Unschlüssig wie ein Teenager stand er auf dem Fußweg und überlegte, ob er anklopfen sollte. Aber was sollte er sagen? Dass er vor zwei Monaten eine wundervolle Nacht mit einer geheimnisvollen Frau verbracht hatte und jetzt nach ihr suchte?

Er konnte nicht begreifen, wie diese großartige Frau auf der Verlobungsparty von Elise auftauchen konnte, ohne dass Elise oder Phoebe sie kannten. Beide hatten rundheraus abgestritten, dass ihnen jemals eine Frau mit dem Namen „Deirdre“ über den Weg gelaufen war.

Dann entschied er sich, seine Jagd auf die geheimnisvolle Unbekannte abzubrechen, und eilte zurück in sein Büro. Trotzdem ging ihm die Angelegenheit nicht aus dem Kopf.

Vielleicht war sie verheiratet und betrog ihren Ehemann. Oder sie scheute sich so sehr vor ernsthaften Bindungen, dass sie in Panik geriet, wenn ihr ein Mann gefiel.

Als Anwalt für Familienrecht wusste Chance nur zu gut, wie viele Dinge in einer Beziehung falsch laufen konnten. Meistens bewies einer der Partner zu wenig Charakter, um auch dann treu zu bleiben, wenn die Ehe in Schwierigkeiten geriet.

Wie gern würde er Deirdre wieder sehen. Zumindest könnte er dann herausbekommen, warum sie ihn einfach im Stich gelassen hatte. Dann würde er sich nicht mehr einbilden müssen, sie unverhofft auf der Straße erspäht zu haben. Das war ihm heute nämlich nicht zum ersten Mal passiert.

Im Büro fragte sich Chance, ob seine Schwester und ihr Verlobter seinem Rat gefolgt waren und endlich eine voreheliche Partnerschaftsberatung in Anspruch genommen hatten. Schließlich waren sie beide beruflich sehr erfolgreich. Elise war Professorin für Französisch, und James war ein äußerst wohlhabender Geschäftsmann. Ausgerechnet solche Leute wollten nicht wahrhaben, dass sie sich auf die Ehe vorbereiten mussten.

Er beschloss, sie nach der Arbeit in ihrer Wohnung aufzusuchen. Und als großer Bruder würde er sich das Recht herausnehmen, Elise in dieser Sache ein wenig auf den Zahn zu fühlen.

„Niemals ziehe ich ein gelbes Kleid an!“, protestierte Phoebe. Sie saß am Rand des Pools und planschte mit den Beinen im Wasser. „Bei meinen blonden Haaren. Das steht mir nicht. Und Rosa passt absolut nicht zu Daisys Teint! Sie hat schließlich dunkelrote Haare. Das wäre eine grausame Kombination.“

„Ich dachte gerade an die Blumen“, gab Elise zu. „Ein Bouquet aus gelben und roten Rosen wäre einfach wundervoll.“

„Komm schon, Daisy!“ Phoebe stieß ihr freundschaftlich in die Seite. „Lass mich nicht im Stich. Gelb würde dir auch nicht gerade gut stehen.“

Daisy räkelte sich in der Sonne und unterdrückte ein Gähnen. Zugegeben, im Moment interessierte sie sich nicht besonders für das Hochzeitsarrangement ihrer Freundin, aber schließlich war Phoebe Kosmetikerin. Außerdem studierte sie Biochemie, um eines Tages ihr eigenes Kosmetiklabor zu gründen. Sie besaß ein untrügliches Gefühl dafür, welche Farbe einer Frau am besten stand.

Daisys Geschmack dagegen war reichlich ausgefallen. Ihr Badeanzug beispielsweise war von Jeanine Redford, ihrer Mutter, entworfen worden. Sie arbeitete als Schneiderin und Designerin im nahe gelegenen Tempe. Ein schwarzer Streifen verlief diagonal über dem smaragdgrünen Stretchstoff. Aufregende rechteckige Ausschnitte in Taillenhöhe betonten das geometrische Design.

„Wir sollten meine Mutter fragen“, schlug Daisy vor. „Sie würde ein unvergessliches Hochzeitskleid entwerfen.“

Elise grinste. „Ich bewundere die Entwürfe deiner Mutter wirklich. Vielen Dank für das Angebot, aber bei meiner Hochzeit kann ich gern auf etwas so Verrücktes verzichten.“

Phoebe erhob sich. „Ich will jetzt schwimmen und nicht streiten“, erklärte sie. „Wer als Erste am anderen Ende ist, bestimmt die Farben, okay?“

Damit tauchte sie in das Becken. Das Wasser wirkte so einladend, dass Daisy ebenfalls hineinsprang und mit ihrer Freundin um die Wette schwamm.

„Es ist meine Hochzeit, also bestimme ich!“, rief Elise und glitt unter Wasser. Schnell war sie an Daisy vorbei. Mit ein paar kräftigen Zügen hatte sie Phoebe eingeholt und erreichte als Erste das andere Ende des Beckens. „Altrosa“, keuchte sie. „Altrosa und … irgendwas.“

Phoebe tauchte auf und schnappte nach Luft. „Vergiss dein Rosa. Wie wäre es mit Grün?“, fragte sie. „Grün und Gold.“

„Violett und Weiß?“, schlug Daisy vor, als sie den Beckenrand erreichte.

„Passt irgendwie besser zu Krönungsfeierlichkeiten“, entgegnete Elise. „Es ist mir egal, wie reich James ist. Niemand soll glauben, dass ich mich plötzlich in eine Prinzessin verwandle.“

Ein lautes Miauen ließ sie herumfahren. Auf der Terrasse von Apartment 1B versammelte sich eine Horde Katzen, als eine Frau von ungefähr fünfzig Jahren mit unnatürlich rot gefärbten Haaren die Futternäpfe auffüllte. Es war Frannie Fitzgerald. Meistens trug sie Kleider in auffallend grellen Farben und hatte sich die Haare hoch toupiert.

„Blassrosa könnte passen“, schlug Phoebe vor und wandte ihren Blick wieder ab.

„Vielleicht Weiß?“, meinte Daisy. „Nein, zu langweilig. Wie wäre es mit drei Farben? Blassrosa mit Schwarz und Weiß?“

„Schwarz? Zu einer Hochzeit?“, stöhnte Elise.

„Lass uns einfach ein paar Kleider anprobieren, dann sehen wir schon, was uns steht“, meinte Phoebe. „Daisy und ich sollten uns ein Kleid kaufen, das wir auch nach deiner Hochzeit noch tragen können.“

„Und wenn dir Giftgrün gut stehen sollte?“, murmelte ihre Freundin. „Oh, guckt mal, mein großer Bruder. Lass uns hören, was er dazu meint.“

Zu ihrem Entsetzen musste Daisy feststellen, dass ihr der „große Bruder“ nur allzu gut bekannt war. Chance steuerte direkt auf den Pool zu. Verzweifelt sah sie sich nach einem Versteck um. Dann holte sie tief Luft und tauchte einfach unter.

2. KAPITEL

Chance lächelte unwillkürlich, als er sah, wie seine Schwester und ihre beiden Freundinnen sich im Pool herumlümmelten. Er hatte eine Schwäche für Frauen und genoss ihre Gesellschaft sehr. Das traf sich gut, denn immerhin hatte Chance sieben Schwestern.

Kaum betrat er die begrünte Poolanlage, als er eine merkwürdig aussehende Frau auf der Terrasse bemerkte, die von einer Horde Katzen umgeben war. Sie beobachtete ihn argwöhnisch. Chance rief sich ihren Namen ins Gedächtnis. Natürlich, es war Frannie.

„Vorsicht mit den Frauen dort am Pool“, warnte sie ihn. „Zwei von ihnen sind verlobt und die dritte ist irgendwie … seltsam.“

„Seltsam?“, wiederholte Chance irritiert. Insgeheim musste er zugeben, dass Elises Freundin Daisy einen merkwürdigen Eindruck auf ihn machte. Frannie hatte ihn nur wenige Sekunden abgelenkt, und als er sich wieder der Szenerie am Pool zuwandte, war Daisy wie von Zauberhand verschwunden.

„Sie ist Künstlerin“, erklärte die Frau wissend. „Obwohl man sie hier draußen nie malen sieht. Seltsam, wenn Sie mich fragen. Passen Sie gut auf sich auf, wenn ich Ihnen raten darf.“

„Danke.“ Diese Frannie ist wirklich ein Unikum, dachte Chance und setzte seinen Weg zum Pool fort. Vergeblich fragte er sich, wie Daisy wohl so schnell hatte verschwinden können. „Wo ist deine andere Freundin?“, rief er Elise zu.

Elise deutete auf das Wasser. „Sie taucht.“ Ihre Stimme klang nicht eine Spur beunruhigt. Bestimmt erlaubt sie sich nur einen Scherz, dachte Chance. „Wir brauchen deinen Rat“, fügte Elise hinzu.

„Du findest doch auch, dass Gelb einer blonden Frau überhaupt nicht steht, stimmt’s?“, fragte Phoebe. „Und Altrosa passt einfach nicht im Geringsten zu … dem da.“ Phoebe zeigte auf den rotbraunen Haarschopf, der auf der Wasseroberfläche schwamm. Ganz offensichtlich gehörte er zu Daisys Kopf.

„Ich plädiere auf Vertagung der Befragung“, erwiderte Chance. „Findest du nicht auch, dass sie schon recht lange unter Wasser ist?“

„Sie ist eine ganz ausgezeichnete Schwimmerin“, gab Elise zurück. „Na ja, sie paddelt ganz gut.“

„Sie schwimmt nicht, sie lässt sich treiben“, korrigierte Chance. Einen Moment lang dachte er darüber nach, ob er vielleicht in voller Bekleidung in den Pool springen und die Frau retten sollte. Ihre Lungen mussten jeden Augenblick zerbersten. Aber er wollte die Situation nicht unnötig dramatisieren.

„Es geht ihr gut“, beschwichtigte Elise. „Ihre Hände bewegen sich unter Wasser. Wenn sie bewusstlos wäre, könnte sie ihren Körper nicht in dieser Position halten.“

Chance kniete sich an den Rand des Pools. Der kastanienrote Haarschopf tauchte auf, ging aber sofort wieder unter. Offensichtlich blieb die Frau freiwillig unter Wasser, aber warum benahm sie sich so merkwürdig?

Phoebe stemmte sich aus dem Wasser, kniete neben Chance nieder und schaute besorgt nach Daisy. „Nimmt sie Medikamente?“, fragte Chance.

„Bestimmt nimmt sie Hormonpillen. Frauenkram“, sagte Phoebe und wurde unwillkürlich rot. „Vielleicht hätte ich dir das nicht verraten sollen. Es ist mir so ‚rausgerutscht“, entschuldigte sie sich.

„Hormone machen niemanden verrückt. Glaube ich jedenfalls.“ Chance hielt die Spannung nicht mehr aus. Er tauchte die Hand in den Pool und versuchte, nach Daisys Schulter zu greifen. Der Ärmel seines Jacketts war sofort vollkommen durchnässt.

Ihre Schultern fühlen sich schmal an, stellte er verwirrt fest. Ein leichter Schauder fuhr ihm durch den Körper, als er ihre nackte Haut berührte.

Schließlich zog er sie nach oben. Sie schoss an die Wasseroberfläche und schnappte keuchend nach Luft. Das nasse Haar klebte an ihren Wangen. Einen Augenblick lang glaubte er, dass er sich diese Ähnlichkeit nur einbildete.

Aber sie war es. Deirdre!

Daisy? dachte er verwirrt. Deirdre war Daisy? Aber warum, um alles in der Welt, war die Freundin seiner Schwester vor ihm davongelaufen?

Daisy hatte keineswegs so lange unter Wasser bleiben wollen. Sie war froh, als er sie endlich nach oben zog. Und sie fühlte sich gedemütigt, weil sie entdeckt worden war. Hätte sie nicht so stark husten müssen, wäre sie auf der Stelle ins Haus gelaufen, bevor ihr jemand irgendwelche Fragen stellen konnte.

Chance hielt sie mit seinen starken Armen fest. Sie lehnte sich in die Ecke des Pools und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Nebenbei bemerkte sie, dass die Ärmel seines Jacketts vollkommen durchnässt waren. Nicht zu sprechen von der Uhr an seinem Handgelenk, die sehr teuer gewesen sein musste.

Autor

Jacqueline Diamond
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