Paris - Stadt der Sehnsucht

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Als Damon Doukakis’ Blick sie trifft, fühlt Polly sich wie vom Blitz getroffen. Ihre Beine zittern, ihr Herz rast. Was hat der skrupellose Milliardär mit ihr vor? Wieso hat er die Werbeagentur ihres Vaters gekauft? Polly fürchtet schon um ihren Job. Aber statt entlassen zu werden, soll sie plötzlich mit Damon zusammenarbeiten - und ihn nach Paris begleiten! Polly ist verzweifelt. Mit Angst, sogar Wut, hat sie gerechnet, aber nicht mit dieser jähen wilden Sehnsucht, die sie gegen jede Vernunft in Damons Nähe verspürt. Wie kann sie ihm nur widerstehen?


  • Erscheinungstag 03.03.2012
  • Bandnummer 2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783864940293
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Er ist hier! Er ist angekommen, Polly! Damon Doukakis hat gerade das Gebäude betreten!“

Die aufgeregte Frauenstimme riss Polly Prince unsanft aus dem Tiefschlaf. Langsam hob sie den Kopf von ihren Armen. Grelles Sonnenlicht blendete sie, als sie die Augen öffnete. „Was? Wer?“, murmelte sie verschlafen. Sie stöhnte leise auf und rieb sich die Schläfen, um die bohrenden Kopfschmerzen zu vertreiben, die sie seit Tagen peinigten. „Ich muss eingeschlafen sein. Wieso hat mich denn keiner geweckt?“

„Weil du seit einer Woche nicht mehr geschlafen hast. Eine übermüdete Polly Prince ist ausgesprochen Furcht einflößend.“ Ihre Arbeitskollegin Debbie betrachtete sie mitfühlend. „Aber keine Panik, du hast nichts verpasst. Hier – zum Wachwerden!“ Sie stellte einen dampfenden Becher Kaffee und einen Teller mit einem Muffin neben Pollys Notebook auf den Tisch.

Polly rieb sich die brennenden Augen. „Wie spät ist es?“

„Acht Uhr.“

„Acht?“ Polly sprang so hastig auf, dass ihr Stuhl über den Boden rutschte. „In fünfzehn Minuten beginnt das Meeting! Hast du etwa gedacht, ich würde zu dem Treffen schlafwandeln?“ Mit zitternden Fingern speicherte sie das Dokument, an dem sie die ganze Nacht gearbeitet hatte.

Ihr Herz klopfte heftig, und die Angst, die in den letzten Tagen zu ihrem ständigen Begleiter geworden war, schnürte ihr die Kehle zu.

„Bleib ganz ruhig!“ Debbie rückte ihre Hornbrille zurecht und musterte sie besorgt. „Du darfst auf keinen Fall zeigen, dass du Angst hast, sonst hast du keine Chance. Sobald Männer wie Damon Doukakis bei ihrem Gegner Schwäche wittern, schlagen sie erbarmungslos zu.“

„Ich habe keine Angst!“ Die verzweifelte Lüge blieb Polly fast im Halse stecken.

Sie hatte Angst. Entsetzliche Angst sogar! Vor der Verantwortung und vor den Folgen, wenn sie versagen würde. Und ja, auch vor Damon Doukakis.

Nur ein absoluter Dummkopf würde sich nicht vor ihm fürchten. Dieser Mann hatte die Werbeagentur ihres Vaters aufgekauft, als würde es sich um ein neues Paar Schuhe handeln. Heute würde er verkünden, wie die Zukunft der Firma und der Belegschaft aussah.

„Alles wird gut, Polly. Du schaffst das schon“, murmelte Debbie beruhigend. „Ich meine, wir alle hängen natürlich von dir ab. Aber lass dich bloß nicht davon nervös machen, dass du das Schicksal von mehr als hundert Leuten in der Hand hast.“

„Danke! Jetzt geht es mir sofort viel besser.“ Polly lächelte schief. Sie zog ihr Mobiltelefon aus der Tasche, scrollte durch ihre E-Mails und seufzte. „Ich habe kaum zwei Stunden geschlafen, aber in der Zeit sind über hundert Mails angekommen. Kannst du mir einen späteren Flug nach Paris buchen? Gérard Bonnel möchte unser Meeting morgen auf den Abend verschieben.“

„Du fliegst nicht. Die Bahn ist billiger. Ich habe dir eine Fahrkarte für den Morgenzug von St. Pancras gekauft. Wenn das Meeting erst am Abend stattfindet, hast du ein paar Stunden Zeit, dir Paris anzuschauen.“ Debbie beugte sich über den Tisch und brach sich ein großes Stück von Pollys Muffin ab. „Sieh dir den Eiffelturm an! Oder verführe einen aufregenden Franzosen am Ufer der Seine! Oh là, là!“ Sie schnalzte mit der Zunge und sah Polly vielsagend an.

Polly schaute nicht von der E-Mail auf, die sie gerade schrieb. „Öffentlicher Sex ist eine Straftat, selbst in Frankreich.“

„Nicht annähernd so ein Verbrechen wie dein nicht existierendes Liebesleben“, entgegnete Debbie. „Wann warst du das letzte Mal mit einem Mann verabredet?“

„Ich brauche keinen Mann in meinem Leben. Auch ohne habe ich schon genug Probleme!“ Polly schickte die Mail ab.

„Im Leben geht es nicht nur um Arbeit!“, widersprach Debbie. „Selbst wenn du dir das offenbar nicht vorstellen kannst!“

„So! Die restlichen Mails müssen bis nach dem Meeting warten.“ Polly schaltete ihr Handy aus und schaute nervös auf die Uhr. „Verflixt! Was soll ich zuerst tun? Ich wollte die Präsentation noch einmal durchgehen. Aber meine Haare sehen bestimmt furchtbar aus.“

Debbie holte ein Glätteisen aus Pollys Schreibtisch und stöpselte es in die Steckdose. „Halt still. Ich kümmere mich um deine Haare.“

„Ich muss mich auch noch schminken.“

„Dazu ist keine Zeit mehr! Aber bei deinen blonden Locken und den blauen Augen brauchst du auch kein Make-up. Keine Sorge, du siehst großartig aus!“ Debbie zog das Glätteisen durch Pollys Haare. „Mit deiner Figur kannst du diese pinkfarbene Strumpfhose wirklich tragen!“ Etwas wehmütig betrachtete sie im Fenster ihre eigenen üppigen Rundungen.

Polly hielt den Kopf still, doch ihre Hände drehten ruhelos das Mobiltelefon. „Ich kann einfach nicht glauben, dass mein Vater immer noch nicht angerufen hat. Es geht um das Überleben seiner Firma, aber er lässt sich nicht blicken. Dabei habe ich ihm mindestens hundert Nachrichten auf Band gesprochen.“

„Du weißt doch, dass er sein Handy nie einschaltet. So …“ Debbie zog den Stecker des Glätteisens heraus. „Fertig!“

Polly drehte ihre langen Haare zusammen und steckte sie achtlos im Nacken zu einem lockeren Knoten auf. „Ich weiß.“ Sie seufzte. „Darum habe ich gestern Abend sogar ein paar Londoner Hotels angerufen und nach einem Mann mittleren Alters in Begleitung einer jungen Frau gefragt.“

Debbie räusperte sich. „Das muss wirklich peinlich gewesen sein.“

„Mit Peinlichkeiten bin ich aufgewachsen.“ Polly zog ihre Schuhe unter dem Schreibtisch hervor. „Damon Doukakis wird uns in der Luft zerreißen, wenn Dad nicht auftaucht.“

„Dafür sind alle anderen hier. Doukakis wird ausnahmslos fleißige Angestellte bei der Arbeit vorfinden. Jeder bemüht sich heute besonders, einen guten Eindruck zu machen.“

Polly schüttelte langsam den Kopf. „Dazu ist es zu spät. Damon Doukakis hat mit Sicherheit schon entschieden, was er mit uns vorhat.“ Sie versuchte, ihre Panik in den Griff zu bekommen, als sie daran dachte, dass er mit ihrer Werbeagentur tun und lassen konnte, was er wollte. Wie hatte ihr Vater es nur so weit kommen lassen können?

Für Damon Doukakis ging es einzig und allein um Rache, davon war Polly fest überzeugt. Seine heutige Entscheidung über die Zukunft der Firma war seine Art, ihrem Vater eine Nachricht zu senden. Doch leider würde sein Zorn nicht nur ihren Vater ruinieren, sondern auch all seine Angestellten, die keinerlei Schuld an der Situation trugen.

Sie war der einzige Mensch, der vielleicht noch etwas retten konnte. Der Gedanke an die Last ihrer Verantwortung schnürte ihr die Kehle zu. Im tiefsten Inneren wusste sie, dass sie machtlos war. Dennoch konnte sie nicht einfach tatenlos zusehen. Sie musste für die Belegschaft kämpfen.

Debbie stopfte sich den Rest des Muffins in den Mund. „Du kannst nur versuchen, dich mit Damon Doukakis zu verständigen“, erklärte sie kauend. „Ich habe irgendwo gelesen, dass er einen Zwanzigstundentag hat. Damit habt ihr wenigstens etwas gemeinsam.“

Nach drei schlaflosen Nächten schaffte Polly es nur mit Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen. „Also, ich habe alle Zahlen beisammen. Sind die Vorstandsmitglieder schon da?“

„Sie sind gemeinsam mit Damon Doukakis angekommen. Seit sie Doukakis ihre Anteile verkauft haben, gehen sie uns aus dem Weg.“ Debbie verzog missbilligend die Mundwinkel. „Ich kann einfach nicht begreifen, was jemand wie Damon Doukakis mit unserer kleinen Werbeagentur will! Dieser Mann ist nicht nur Milliardär, sondern einer der mächtigsten Großindustriellen dieser Zeit. Wieso hat er es ausgerechnet auf unsere unbedeutende Firma abgesehen?“

Sie warf Polly einen raschen Blick zu. „Versteh mich nicht falsch! Ich liebe es, hier zu arbeiten, aber wir entsprechen doch nicht dem Stil eines Damon Doukakis, oder?“

Bei dem Gedanken, wie hart sie für diesen Betrieb gearbeitet hatte, schloss Polly für einen Moment die Augen. „Nein, Debbie, du hast recht, wir entsprechen nicht seinem Stil“, erwiderte sie heiser.

„Also was soll das Ganze dann?“, rief Debbie aufgebracht. „Doukakis hat den Direktoren ein Vermögen für ihre Geschäftsanteile gezahlt. Weit mehr, als sie wert waren. Ist das hier ein Spaß für ihn? Will er sich mit unserer Agentur seine Langeweile vertreiben?“

Polly biss sich auf die Lippen. Sie wusste genau, warum Damon Doukakis ausgerechnet ihre Firma gekauft hatte. Diese Wahrheit konnte sie allerdings niemandem anvertrauen.

Sie dachte an das Telefonat vor einigen Tagen zurück, in dem sie Doukakis Stillschweigen geschworen hatte. Doch sie bewahrte das Geheimnis nicht nur seinetwegen – auch sie selbst könnte es nicht ertragen, wenn die Wahrheit bekannt würde.

„Nicht einer aus dem Vorstand hat sich geweigert zu verkaufen! Sonst sähe heute vielleicht alles ganz anders aus.“ Polly atmete einige Male tief ein und aus, bis ihr Herzschlag sich wieder beruhigt hatte. „Ich weiß nicht, wie oft ich Erster-Klasse-Tickets für sie gebucht oder wie viele sündhaft teure Geschäftsessen ich bezahlt habe, nur um dann von ihnen zu hören, unser Betrieb würde nicht genug abwerfen. Sie sind wie Moskitos, die unser Blut in ihre fetten Körper saugen …“

„Polly!“, rief Debbie aus und schüttelte sich. „Diese Vorstellung ist absolut ekelhaft!“

„Sie sind ekelhaft.“ Polly zwang ihre Gedanken zurück zu dem bevorstehenden Meeting. Hatte sie irgendetwas vergessen? „Wenn ich die Präsentation selbst halten würde, wäre ich nicht halb so aufgeregt.“

„Du solltest sie auch halten!“

„Keine Chance. Michael Anderson fühlt sich von mir zu sehr bedroht. Er will auch unter der neuen Leitung seine Position als stellvertretender Firmenchef behalten. Am liebsten würde er verhindern, dass ich den Mund aufmache. Er hat wohl Angst, ich könnte erwähnen, wer hier die ganze Arbeit erledigt. Außerdem bin ich offiziell nur Dads Assistentin. Mein Job ist es, im Hintergrund dafür zu sorgen, dass alles reibungslos läuft.“

Hätte ich wenigstens formale Qualifikationen! dachte sie bitter. Alles, was sie wusste, hatte sie durch Zusehen und Zuhören gelernt, zudem besaß sie ein ausgezeichnetes Gespür für die Werbebranche. Doch Polly war sich bewusst, dass dies den meisten Arbeitgebern nicht reichen würde. Wie sehr sie sich wünschte, sie könnte einen Universitätsabschluss vorweisen!

„Doukakis besitzt bereits eine überaus erfolgreiche Werbeagentur. Er braucht nicht noch eine, und vor allem braucht er unsere Leute nicht“, murmelte sie resigniert.

Debbie steckte eine Haarsträhne fest, die aus Pollys Knoten gerutscht war. „Es ist zu früh, um aufzugeben. Nimm es einfach als Kompliment, dass Doukakis unbedingt die Agentur deines Vaters haben will. Wer weiß, was er mit uns vorhat? Vielleicht machen wir uns ganz umsonst Sorgen. Wieso sollte er einen Betrieb aufkaufen, nur um ihn dann zu ruinieren?“

Damit er die Kontrolle hat, dachte Polly, aber sie sprach es nicht aus. Während ihr Vater sich amüsierte und das Leben eines jugendlichen Playboys führte, wurde seine Firma von einem gnadenlosen Feind vernichtet. Wieso konnte er jetzt nicht an ihrer Seite sein, anstatt ihr diesen aussichtslosen Kampf ganz allein zu überlassen?

Debbie schien ihr die Gedanken vom Gesicht abzulesen. Tröstend klopfte sie Polly auf die Schulter. „Du bist Damon Doukakis noch nie begegnet. Vielleicht ist er ja sogar ganz nett!“

Polly spürte, wie sich ihre Wangen röteten. Sie hatte Doukakis bereits einmal getroffen, und zwar im Büro des Schuldirektors, an dem Tag, an dem sie zusammen mit einer Mitschülerin von ihrer exklusiven Privatschule gewiesen worden war. Unglücklicherweise war das andere Mädchen Doukakis’ Schwester gewesen. Doch Polly hatte seinen ganzen Zorn zu spüren bekommen.

Allein der Gedanke an jenen Tag ließ sie noch heute zittern. Nein, sie hatte nicht den geringsten Zweifel daran, was Doukakis ihr gleich mitteilen würde.

„Mit wem ist dein Vater eigentlich zurzeit zusammen?“, fragte Debbie und riss Polly aus ihren Grübeleien. „Immer noch mit der schönen Spanierin, die er in seinem Salsakurs kennenge-lernt hat?“

„Nein, das heißt … ich weiß es nicht.“ Polly wandte sich bei der Lüge ab. „Was denkt er sich nur dabei, ausgerechnet jetzt unterzutauchen? In ein paar Minuten ist alles ruiniert, wofür Dad sein ganzes Leben gearbeitet hat, und er …“

„… ist in irgendeinem Hotel und hat wilden Sex mit einer Frau, die vermutlich nicht einmal halb so alt ist wie er.“

Polly hob die Hand, um Debbie am Weiterreden zu hindern. „Nicht, bitte! Darüber möchte ich nun wirklich nicht nachdenken!“ Erst recht nicht, wenn es dabei ausgerechnet um diese Frau geht, ergänzte sie im Stillen.

„Daran solltest du dich inzwischen nun wirklich gewöhnt haben. Ist deinem Vater eigentlich klar, dass er dir mit seinem ausschweifenden Liebesleben vermutlich für alle Zukunft die Lust auf eine Beziehung verdorben hat?“

„Für dieses Thema habe ich jetzt keine Zeit!“ Polly verdrängte die Gedanken an ihren Vater. Sie schlüpfte in ihre hochhackigen Stiefel und zog den Reißverschluss zu. „Hast du Kaffee und Gebäck für das Meeting vorbereitet?“

„Selbstverständlich! Steht alles schon auf dem Tisch.“

Polly sah auf die Uhr. Sofort klopfte ihr Herz wieder schneller. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich vor etwas so sehr gefürchtet wie vor diesem Meeting. Sie machte sich keine Illusionen über ihre eigene Zukunft in der Agentur, aber die Angestellten waren wie ihre eigene Familie, und sie würde mit aller Kraft für ihre Jobs kämpfen.

Sie atmete noch einmal tief durch, um sich Mut zu machen, dann wandte sie sich zur Tür. In diesem Moment klingelte das Telefon auf ihrem Schreibtisch, und sie hob ab. „Polly Prince!“

„Hier ist Michael Anderson. Würden Sie bitte in den Besprechungsraum kommen?“

An seinem schleppenden Tonfall erkannte Polly, dass der Stellvertreter ihres Vaters trotz der frühen Stunde bereits getrunken hatte. Wut stieg in ihr auf. Seit mindestens zehn Jahren hatte Michael keine kreative Idee mehr beigesteuert, sondern nur mit vollen Händen das Geld der Agentur ausgegeben.

„Ich bin schon unterwegs.“ Wütend knallte sie den Hörer auf die Gabel und griff nach ihrem Notebook.

„Viel Glück!“

Polly stand auf. Debbie zog beeindruckt die Luft ein und sah zu ihr auf. „Mit diesen Stiefeln bist du wirklich imponierend groß.“

„Darum habe ich sie angezogen.“ Bei ihrer letzten Begegnung mit Damon Doukakis hatte sie sich winzig klein neben ihm gefühlt. In jeder Beziehung. Doch heute würde sie ihm auf Augenhöhe gegenüberstehen!

2. KAPITEL

Jedes Gespräch verstummte abrupt, als Polly eintrat. Männer in dunklen Anzügen saßen vor Kaffeetassen und Aktenordnern an dem großen Tisch. Keiner von ihnen sah ihr in die Augen.

Sie zwang sich, ruhig weiterzugehen. Jeder dieser Männer war nach dem Verkauf seiner Firmenanteile ein Multimillionär. Polly verabscheute sie alle von ganzem Herzen. Ohne zu zögern, hatten sie nicht nur ihren Vater, sondern auch die gesamte Belegschaft verraten.

Vor Aufregung hatte sie im ersten Augenblick nicht auf den Mann geachtet, der am Kopfende des Tisches thronte. Wie ein siegreicher Feldherr hatte er den Platz ihres Vaters eingenommen. Obwohl er Polly schweigend und vollkommen reglos entgegensah, konnte sie seine männliche Aggression fast körperlich spüren.

Zu ihrem großen Ärger musste sie zugeben, dass Doukakis nicht nur über einen herausragenden Intellekt und außergewöhnlichen Geschäftssinn verfügte – er war auch noch umwerfend attraktiv.

Sein Gesicht war stolz und markant, der Mund wirkte zugleich spöttisch und sinnlich. Doch auch wenn er unglaublich gut aussah, bemerkte Polly ein kaltes, hartes Glitzern in den ebenholzschwarzen Augen. Sein maßgeschneiderter Anzug betonte die breiten Schultern und den muskulösen Oberkörper, und das blütenweiße Hemd ließ seine gebräunte Haut noch dunkler erscheinen. Selbst der Knoten der Seidenkrawatte saß perfekt.

Alles an ihm war makellos, ganz im Gegensatz zu den fülligen Vorstandsmitgliedern. Polly zweifelte nicht daran, dass er seinen Körper mit derselben eisernen Disziplin und Gnadenlosigkeit trainierte, die er auch bei seinen Geschäften zeigte.

Andere Frauen fanden Damon Doukakis offenbar unwiderstehlich, das wusste Polly aus den Artikeln, die ständig in Zeitungen und Magazinen über ihn auftauchten. Schon auf den ersten Blick strahlte er männliche Kraft, Macht und Reichtum aus. Neben ihm wirkten die übrigen Männer im Raum wie Lämmer neben einem Löwen.

Kein Wunder, dachte sie, immerhin war er der Chef der Doukakis Mediengruppe, eines der erfolgreichsten Unternehmen Europas, das selbst in Zeiten der wirtschaftlichen Depression immer mächtiger wurde.

Sieh ihm in die Augen, Polly! ermahnte sie sich. Unter keinen Umständen durfte sie ihm zeigen, dass sie Angst vor ihm hatte!

Langsam hob sie den Kopf. Als ihre Blicke sich trafen, fühlte sie sich, als würde sie von einem Stromstoß erfasst. Hastig wandte sie die Augen ab. Ihre Beine zitterten, ihr Herz raste wild.

Polly hatte erwartet, dass sie Angst spüren würde, vielleicht auch Wut, aber niemals hätte sie mit dieser jähen wilden Begierde gerechnet. Hoffentlich hatte Damon Doukakis nicht bemerkt, was in ihr vorgegangen war! Während sie sich bemühte, ihren schnellen Atem unter Kontrolle zu bekommen, schaltete sie ihr Notebook ein.

„Meine Herren“, begann sie. Für einen Moment zögerte sie. „Und Mr Doukakis.“ Sie wunderte sich, wie ruhig und gelassen ihre Stimme klang.

Damon Doukakis’ Lächeln erreichte seine Augen nicht. Polly ertappte sich dabei, wie ihr Blick unwiderstehlich von seinen Lippen angezogen wurde. Für einen Moment dachte sie an die Geschichten über seine zahlreichen Affären. Anscheinend war er in seinen Beziehungen genauso kalt und skrupellos wie im Geschäft.

Wahrscheinlich tut er deshalb alles, um seine Schwester zu beschützen, dachte Polly. Er wusste, wie die Männer waren! Doch auch Polly kannte die Männer nur allzu gut. Damons starke sexuelle Anziehungskraft würde ihre Meinung über ihn ganz bestimmt nicht ändern.

Wieder trafen sich ihre Blicke, und Polly vergaß, was sie gerade hatte sagen wollen. Als sie das Funkeln in seinen Augen sah, wurde ihr klar, dass er ganz genau wusste, welche Wirkung er auf sie hatte.

„Miss Prince?“

Seine kühle, ironische Stimme riss sie aus ihrer Erstarrung.

„Wie Sie ja bereits wissen, ist Miss Prince die Tochter des Geschäftsführers“, erklärte Michael Anderson. Offenbar bemerkte er die Spannung zwischen Polly und Damon Doukakis nicht. „Ihr Vater hat ihr den Job in der Agentur gegeben.“

Polly zuckte bei seiner abfälligen Bemerkung zusammen und versuchte, ihren Ärger zu verbergen. Sie spürte, wie ihr Kampfgeist zurückkam. So leicht würde sie nicht aufgeben!

„Ich habe eine Präsentation über unsere Geschäftsstrategien vorbereitet“, erklärte sie mit neuer Entschlossenheit. „Sie werden sehen, dass wir in diesem Jahr bereits sechs neue Kunden und …“

„Danke, Polly, das ist nicht nötig“, fiel Michael Anderson ihr ins Wort. „Wir alle hier verstehen Sie, aber Ihr Vater ist nicht mehr der Firmenchef. Nicht einmal heute beehrt er uns mit seiner Anwesenheit.“ Anderson warf einen raschen Blick zu Damon Doukakis, der ruhig in seinem Stuhl saß. Seine ungerührte Miene verriet nicht, was er dachte.

Michael Anderson räusperte sich und strich nervös über sein schütteres blondes Haar. „Wir werden den Angestellten nachher mitteilen, dass wir uns von ihnen trennen müssen.“

Der Boden unter Pollys Füßen schien plötzlich zu schwanken. „Was? Heißt das, alle sollen entlassen werden?“ Ihre eigene Stimme hörte sich rau und fremd an. „Ohne jede Diskussion? Aber … es ist Ihr Job, die Leute zu schützen. Sie müssen Mr Doukakis klarmachen, warum wir sie brauchen!“

„Tatsache ist, dass wir sie nicht brauchen, Polly.“

„Das stimmt nicht! Die neuen Kunden haben wir als Team gewonnen. Wir sind ein gutes Team!“, rief sie verzweifelt aus.

Michael Anderson klopfte nervös mit seinem Stift auf den Tisch. „Lassen Sie einfach das Notebook hier, Polly. Dann kann jemand von Mr Doukakis’ Leuten sich die Präsentation später anschauen.“

Alle Blicke waren auf sie gerichtet. Jeder wartete nur darauf, dass sie den Raum verließ.

Polly beugte sich vor und stützte sich auf den Tisch. Sie sah Michael Anderson fest an. „Nein, es ist noch nicht vorbei! Sie müssen diese Präsentation halten!“

„Polly …“

„Nein! Sie haben eine Verantwortung für die Angestellten! Diese Menschen haben viele Jahre hart für Sie gearbeitet und Ihnen damit Ihr Luxusleben finanziert. Sie können sie jetzt nicht einfach im Stich lassen! Wenn Sie schon sonst nichts für sie tun, halten Sie wenigstens meine Präsentation!“

Einer der anderen Männer schob seinen Stuhl zurück. „Polly, es hat keinen Sinn mehr.“

„Da draußen sitzen hundert Angestellte und bangen um ihre Existenz! Sie wissen nicht, ob sie in Zukunft noch ihre Familie ernähren und ihre Miete zahlen können. Ist wirklich niemand hier am Tisch bereit, auch nur ein Wort für sie einzulegen?“, rief Polly aus. Sie sah die Männer der Reihe nach an. Die meisten wandten die Augen ab. „Erst scheffeln Sie mit Ihrem Verrat Millionen, und dann lassen Sie unsere Leute im Stich! Was für erbärmliche Feiglinge Sie alle sind!“

„Das reicht!“ Michael Anderson sprang auf. Sein teigiges Gesicht war wutverzerrt. „Wenn Sie nicht die Tochter vom Chef wären, hätte ich Sie schon lange gefeuert! Schon allein für Ihren Kleidungsstil!“

„Wie jemand sich kleidet, hat nichts mit der Arbeitsleistung zu tun, Mr Anderson“, fiel Polly ihm ins Wort. „Ich brauche keinen maßgeschneiderten Anzug, der verbirgt, wie üppig mein Bauch von all den teuren Geschäftsessen geworden ist.“

Michael Anderson lief so rot an, als würde ihn jeden Moment der Schlag treffen. „Ich weiß, dass Sie eine harte Zeit hinter sich haben, Polly.“ Mit offensichtlicher Anstrengung rang er sich ein schiefes Lächeln ab. „Darum bin ich bereit, über Ihr Verhalten heute hinwegzusehen. Ich gebe Ihnen einen väterlichen Rat: Nehmen Sie Ihre Abfindung, machen Sie einen schönen langen Urlaub und denken Sie über Ihre Zukunft nach. Sie sind doch ein hübsches Mädchen, Polly“, setzte er mit einem anzüglichen Blick auf ihre zierliche und doch wohlgerundete Figur hinzu.

„Wenn Sie sich ein bisschen Mühe geben, können Sie bestimmt in einer anderen Firma einen Job als Sekretärin bekommen. Ich wünsche Ihnen jedenfalls für die Zukunft alles Gute.“

Die übrigen Männer am Tisch nickten beifällig, offensichtlich zufrieden damit, wie Michael Anderson die Situation gerettet hatte.

Nur Damon Doukakis stimmte nicht in das allgemeine Lächeln ein.

Doch Polly dachte nicht einmal daran, friedlich den Raum zu verlassen. „Behalten Sie Ihre sexistischen Ratschläge für sich!“, fauchte sie. „Wie können Sie es wagen, so mit mir zu reden! Sie wissen genau, wer hier die ganze Arbeit geleistet hat. Jedenfalls niemand aus Ihrer Runde.“

„Was glauben Sie, wer Sie sind?“ Michael Anderson trat drohend einen Schritt auf sie zu.

Polly wich nicht zurück. „Jemand, dem die Zukunft der Agentur und der Menschen, die hier arbeiten, am Herzen liegt. Wenn Sie auch nur einen einzigen Angestellten entlassen, ohne über eine andere Lösung zumindest nachzudenken, dann werde ich …“

Polly brach ab. Was werde ich? dachte sie zitternd. Was konnte sie schon tun? Wie hatte sie nur so die Beherrschung verlieren können? Sie hatte alle, die an sie geglaubt hatten, im Stich gelassen. Anstatt etwas zu retten, hatte sie alles nur noch schlimmer gemacht.

„Gut“, sagte sie leise. „Ich gehe. Ich verlasse auf der Stelle die Firma und verzichte auf jede Abfindung. Aber bitte lassen Sie Ihren Ärger über mich nicht an der Belegschaft aus. Bitte überdenken Sie die Kündigungen noch einmal in Ruhe.“ Sie klappte das Notebook zu und wandte sich zur Tür.

„Ich möchte die Präsentation sehen. Schicken Sie mir die Datei auf mein Handy.“ Damon Doukakis’ Stimme war hart, seine Miene ungerührt. „Ich will alles sehen, was Sie vorbereitet haben.“

Unter seinem durchdringenden Blick erstarrte Polly. Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas zu sagen.

„Sie ist nur eine überschätzte Sekretärin, Damon“, schaltete sich Michael Anderson ein. „Wirklich, Sie sollten nicht …“

Damon Doukakis sah ihn nicht einmal an, seine dunklen Augen ruhten noch immer auf Polly. „Sie können der gesamten Belegschaft mitteilen, dass sie drei Monate Zeit haben, ihr Können zu zeigen. Wer mich beeindruckt, behält seinen Job. Gute Leute lasse ich niemals gehen. Mittelmäßigkeit reicht allerdings nicht aus. Ich leite schließlich kein Wohltätigkeitsinstitut. Dennoch gibt es heute einige fristlose Kündigungen. Der gesamte Vorstand ist hiermit entlassen.“

Aufgeregtes Gemurmel erfüllte den Raum. Als Polly begriff, was Damon Doukakis gerade gesagt hatte, wurde ihr vor Erleichterung schwindlig. Rasch griff sie nach der Tischkante, um sich festzuhalten.

„Das können Sie nicht tun!“ Michael Anderson zerrte an seinem Krawattenknoten, als würde er ersticken. „Wir sind der Motor der Agentur!“

„Hätte mein Wagen so einen Motor, würde ich ihn verschrotten“, erklärte Damon Doukakis ungerührt. „Sie alle haben mir gezeigt, wie Sie zu der Firma stehen, als Sie mir ohne zu zögern Ihre Anteile verkauft haben. Ich arbeite nicht mit Leuten, die ich kaufen kann.“

Polly hätte am liebsten getanzt und gejubelt, aber Damon Doukakis war noch nicht fertig.

„Die gesamte Agentur wird in mein Bürohaus hier in London verlegt. Ich habe dort bereits eine Etage vorbereiten lassen.“

Polly verging die Freude. „Aber … wir arbeiten hier schon ewig und …“

„‚Ewig‘ interessiert mich nicht, Miss Prince“, entgegnete Damon Doukakis kühl. „Alles, worauf Sie im Geschäftsleben hoffen können, ist ‚jetzt‘. Mein Stellvertreter Carlos wird sich um alles Weitere kümmern.“

Autor

Sarah Morgan

Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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