Pikante Entscheidung zwischen Herz und Krone

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"Heirate mich." Rachel hat sich wohl verhört! Doch dann erfährt die aufstrebende Wissenschaftlerin fassungslos, was hinter Mateos Antrag steckt: Ihr attraktiver Kollege, den sie schon lange heimlich liebt, ist Prinz des fernen Königreichs Kallyrien. Jetzt muss er den Thron besteigen und deshalb schnell heiraten. Mateo könnte unter den schönsten Frauen wählen. Aber er will Rachel, weil er sie respektiert. Und weil er sich geschworen hat, sich niemals zu verlieben und das bei ihr ausschließt. Soll sie Ja sagen - auch wenn sie dabei ihr Herz riskiert?


  • Erscheinungstag 20.04.2021
  • Bandnummer 2489
  • ISBN / Artikelnummer 9783733718688
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Es gibt keine Alternative, Mateo.“

Tiefe Furchen der Trauer zeichneten Königin Agathes elegante Gesichtszüge. Wie hatte es so weit kommen können? Sie hatte drei gesunde Söhne zur Welt gebracht: Kosmo und Leo, die Nummer eins und Nummer zwei in Kallyriens Thronfolge, und Mateo, den Nachzügler, der nie für ein Leben am Hof bestimmt gewesen war. Ausgerechnet er sollte nun den Thron besteigen und die Verantwortung für ein Land in Aufruhr übernehmen.

„Ich weiß, dass du das nie wolltest“, fügte sie leise hinzu.

Wortlos wandte sich Mateo vom Computer ab, auf dem er den überraschenden Videoanruf seiner Mutter entgegengenommen hatte. Er war in dem Wissen aufgewachsen, dass er am königlichen Hof und in der Geschichte Kallyriens keine große Rolle spielen würde. Sein ältester Bruder Kosmo war von Kindesbeinen an darauf vorbereitet worden, das Land einmal zu regieren. Er hatte Würdenträgern und Diplomaten die Hände geschüttelt, sobald er laufen konnte, und als er mit nur vierzehn Jahren zum Thronfolger ernannt wurde, nahm er diese Ehre als Selbstverständlichkeit hin.

Doch dann war Kosmo bei einem tragischen Segelunfall ums Leben gekommen. Dieser Schicksalsschlag hatte die königliche Familie bis ins Mark erschüttert. König Barak, der sein Land stets streng und doch gütig geführt hatte, wurde von der Trauer um seinen erstgeborenen Sohn dahingerafft. Je mehr seine imposante Erscheinung verkümmerte, desto mehr verlor Kallyriens Volk das Vertrauen in die Macht des Königs. Als Barak nur wenige Jahre nach Kosmo verstarb, hatte Mateos zweitältester Bruder den Thron bestiegen. Das war mittlerweile sechs Jahre her.

„Was ist mit Leo?“, fragte Mateo brüsk. „Hat er irgendeine Erklärung abgegeben?“

„Er … er kann es einfach nicht.“ Agathes sonst so sichere Stimme zitterte.

„Aber er ist der König!“ Fassungslos wirbelte Mateo herum.

„Nicht mehr“, erwiderte sie sanft. „Er hat letzte Nacht abgedankt.“

Tief in Mateos Innerem rangen die widersprüchlichsten Gefühle miteinander, bis sie in dem Knäuel nicht mehr zu unterscheiden waren. Wie hatte es so weit kommen können? Er erinnerte sich nur zu gut, wie begierig Leo nach der Chance gegriffen hatte, aus Kosmos Schatten zu treten. Der Glanz in seinen Augen, als sie ihren Vater zu Grabe trugen, war einfach widerwärtig gewesen! Noch am selben Abend hatte Mateo seinem Heimatland für immer den Rücken gekehrt. Und nun hatte sein Bruder angeblich alles hingeworfen? Wo war Leos Pflichtgefühl? Sein Sinn für Ehre?

„Ich verstehe das nicht“, presste Mateo zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Das kommt wirklich sehr plötzlich.“

„Nicht unbedingt.“ Agathes Stimme blieb sanft. „Dein Bruder hatte von Anfang an Schwierigkeiten, seiner Rolle als König gerecht zu werden.“

„Was für Schwierigkeiten?“

Agathes seufzte. „Die Wirklichkeit barg mehr Herausforderungen, als er sich hatte träumen lassen.“

„So ist das eben.“ Mateo hatte keine Ahnung, wovon sein Bruder geträumt und was die Wirklichkeit für ihn in petto gehabt haben mochte. Er wollte nichts damit zu tun haben! Er war gegangen, und bis zu diesem Telefonat schien ihn auch niemand vermisst zu haben. Trotzdem hatte er dem flehentlichen Blick seiner Mutter nichts entgegenzusetzen. „Erzähl mir, was passiert ist, Mitera.“

Resigniert zuckte Agathe mit den schmalen Schultern und breitete ihre elegant manikürten Finger aus.

„Dein Bruder hat sich die Dinge zu sehr zu Herzen genommen.“

Mateo schnaubte verächtlich. Leo war achtunddreißig Jahre alt. Mittlerweile sollte er seine kindischen Empfindlichkeiten abgelegt haben! Hatte er immer noch nicht gelernt, seinen Mann zu stehen?

„Eine Weile hat er sich tapfer geschlagen“, fuhr Agathe fort, „doch als der Aufstand im Norden begann und die Wirtschaftsbeziehungen neu verhandelt werden mussten, brach er zusammen.“ Sie seufzte tief. „Ich hätte es kommen sehen müssen. Er war so einem Druck nie gewachsen.“

Derzeit hielt Leo sich in einer exklusiven Schweizer Privatklinik auf, während Kallyrien ohne Führung in eine politische und wirtschaftliche Krise zu schlittern drohte. Als letzter lebender Nachkomme der Karavitis-Dynastie sollte Mateo eigentlich umgehend den Thron besteigen, um sein Land vor einer Katastrophe zu bewahren.

Doch Mateo hatte nie König sein wollen.

Er hatte sein Heimatland verlassen und war seitdem nicht einmal zu Besuch dort gewesen. Er hatte sich ein neues Leben fern seiner Verpflichtungen am königlichen Hof Kallyriens aufgebaut. Um seine Herkunft zu vertuschen, hatte er alle Sicherheiten und Privilegien aufgegeben. Unter falschem Namen erforschte er als Chemiker an der renommierten Universität von Cambridge die Auswirkungen des Klimawandels. Gerade jetzt stand er mit seiner Kollegin Rachel Lewis vor dem größten Durchbruch seiner Karriere. Das alles konnte er doch nicht einfach aufgeben!

„Mateo“, bat Agathe, „ich weiß, was für ein großes Opfer ich von dir verlange.“

Konnte er sein ganzes Leben aufgeben, um König eines Landes zu werden, von dem die meisten Menschen noch nicht einmal gehört hatten? Ein Land, das, wenn er seine Mutter richtig verstand, kurz vor einem Bürgerkrieg stand?

Mateo nickte knapp. Kallyrien war immer noch seine Heimat, und er war immer noch König Baraks Sohn. Er musste seine Pflicht tun.

„Ich nehme den nächsten Flug.“

„Danke, Mateo.“ Die Erleichterung stand Agathe ins Gesicht geschrieben. „Wir müssen rasch handeln“, mahnte sie. „Wir müssen das Land stabilisieren und den Fortbestand der Karavitis-Dynastie sichern.“

Mateos blaugrüne Augen verengten sich zu Schlitzen. „Wie meinst du das?“

„Leos unerwarteter Abgang hat zu einiger Unruhe geführt.“

„Meinst du die Aufständischen im Norden?“

Sorgenvoll runzelte Agathe die Stirn. „Ja. Unter Leos Regentschaft konnten sie zahlreiche Anhänger rekrutieren und ihren Einflussbereich beträchtlich erweitern. Solange der Thron leer ist, bleibt ungewiss, was sie tun werden.“

Nichts lag Mateos Leben in England ferner als der Gedanke an einen möglichen Krieg. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Heute Abend hätte er bei einem Wohltätigkeitsdinner sprechen sollen, später mit einigen Kollegen auf ein paar Drinks ins Pub gehen wollen. Wie lächerlich diese Pläne nun wirkten! Plötzlich musste er ein Land regieren, einen Krieg verhindern und, falls ihm das nicht gelang, einen Krieg gewinnen.

„Ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um Kallyrien vor einem Bürgerkrieg zu bewahren.“ Sein bestimmter Ton überspielte hoffentlich seine tiefe Unsicherheit. Mateo kannte seine Pflicht, also würde er einen Weg finden, sie zu erfüllen.

„Das weiß ich“, versicherte Agathe. „Aber es geht um mehr, Mateo.“

Mateo runzelte die Stirn. Was konnte diese Serie von Hiobsbotschaften noch toppen?

„Die Krone muss in Familienhand bleiben“, erklärte Agathe. „Es darf kein Zweifel aufkommen, dass unsere Dynastie fortbesteht, komme, was wolle.“

„Ja, Mutter. Ich kehre noch heute Abend nach Kallyrien zurück.“ Mateo bemühte sich, nicht allzu verärgert zu klingen. Seine Mutter sah so müde und besorgt aus; er wollte ihr nicht noch mehr aufbürden.

„Mateo, du musst heiraten“, erwiderte Agathe geradeheraus, „und zwar so schnell wie möglich. Ich habe schon eine Liste geeigneter Frauen zusammengestellt.“

„Heiraten?“ Mateos Kinnlade fiel herunter. „Leo hat doch auch nie geheiratet.“

Die englische Klatschpresse hatte von Leos zahlreichen Affären berichtet, doch von einer Verlobung oder gar Hochzeit war nie die Rede gewesen.

„Das waren andere Zeiten“, gab Agathe matt zurück. „Du bist der Letzte in unserer Reihe.“

Eine Liste geeigneter Frauen.

Instinktiv missfiel Mateo dieser Gedanke. Er hielt grundsätzlich nicht viel von der Ehe. Aber eine Frau zu heiraten, die er nicht kannte und die ihm nichts bedeutete? Das kam auf keinen Fall in Frage!

„Eine Liste?“, fragte er schneidend. „Wer steht drauf? Aus reiner Neugierde.“

„Die Auswahl war nicht groß. Als Königin wird deine zukünftige Frau eine wichtige Rolle in unserem Land spielen. Sie muss klug und selbstsicher auftreten, darüber hinaus sollte sie natürlich eine gute Abstammung und erstklassige Bildung vorweisen können …“

„Also brauchen sich die neureichen Schönheiten der internationalen Schickeria gar nicht erst Hoffnungen zu machen?“

Ein Glück! Ihm wurde übel bei dem Gedanken, irgendeine hübsche, aber geistlose Aufsteigerin zu heiraten, die es nur auf Geld und Prestige abgesehen hatte. Aber welche Frau würde sich schon darauf einlassen, einen Mann zu heiraten, dem sie nie begegnet war? Keine, so vermutete Mateo, mit der er sein Leben gern teilen wollte.

„Nein, natürlich nicht.“ Unter Agathes durchdringendem Blick fühlte sich Mateo wie ein gescholtenes Kind. „Du brauchst eine Frau, die dich unterstützt. Eine Frau, die eines Tages Königin sein kann.“

So wie Agathe selbst. Mateo kannte keine Frau, die je in Haltung, Eleganz oder Anmut mit seiner Mutter mithalten könnte. Er schlug die Augen nieder.

„Also, wer steht zur Auswahl?“

„Vanessa de Cruz. Eine spanische Adelige, die ihr eigenes Modelabel gegründet hat.“

Er lachte freudlos. „Warum sollte sie das aufgeben, um mich zu heiraten?“

„Weil du eine gute Partie bist, Mateo“, gab Agathe mit dem Anflug eines Lächelns zurück.

„Woher sollte sie das wissen? Sie kennt mich nicht mal!“, wandte er ein. „Aber meinetwegen. Wer noch?“

„Eine französische Diplomatin… die Tochter eines türkischen CEO… In der heutigen Zeit brauchst du eine Frau an deiner Seite, die auf eigenen Beinen steht, keine Prinzessin, die nur darauf wartet, von dir ins Rampenlicht geführt zu werden.“ Seine Mutter nannte weitere Namen, von denen Mateo einige entfernt bekannt vorkamen. Kennenlernen wollte er keine dieser Kandidatinnen, und heiraten wollte er sie schon gar nicht. Ein derart kaltes Arrangement verursachte ihm Übelkeit.

„Denk einfach darüber nach“, wiederholte Agathe sanft. „Wir können ausführlicher darüber sprechen, wenn du hier bist.“

Mateo nickte und beendete den Videoanruf. Sein Blick fiel auf die Daten, die er gerade für einen Vortrag aufbereitet hatte. Wütend zerknüllte er seine Notizen. Dieses Leben war für immer vorbei.

„Es ist etwas passiert.“

Rachel Lewis sah von ihrem Mikroskop auf. Glücklicherweise verschlug ihr Mateo Karras’ fantastisches Aussehen schon längst nicht mehr den Atem. Doch die Wissenschaftlerin in ihr konnte nicht umhin, die perfekte Symmetrie seiner Gesichtszüge zu bemerken. Auch das unwahrscheinlich tiefe Blau seiner Augen, die Geradlinigkeit seiner Nase und der markante Schwung seines Kinns beeindruckten sie noch immer, ganz zu schweigen von seinem glänzenden pechschwarzen Haar und seiner hochgewachsenen Statur, die ihm die Aura eines Märchenprinzen verliehen. Nur seine übliche Arbeitskleidung, zerknitterte Cordhosen und ein ebenso ungebügeltes Hemd, passte nicht zu diesem Bild. Und gerade heute wirkte Mateo vielleicht einen Deut unordentlicher als gewöhnlich.

„Wie bitte?“ Rachel blickte ihren Kollegen prüfend an. Sein angespannter Ton war ihr nicht entgangen. Keine Spur von der fröhlichen Lässigkeit, mit der Mateo sonst zur Arbeit erschien. „Was ist passiert?“

„Ich …“ Mateo schüttelte den Kopf. „Ich muss verreisen. Ich werde ein paar Tage Urlaub nehmen.“

„Urlaub?“ Rachel starrte ihn entgeistert an. Sie standen so knapp vor dem größten Durchbruch ihrer Karriere! In all den Jahren, die sie zusammengearbeitet hatten, hatte Mateo nie auch nur einen einzigen Tag Urlaub genommen. Wieso gerade jetzt? Hatte er vergessen, wie viel auf dem Spiel stand? Sie musste sich wohl verhört haben!

„Ich kann dir das jetzt nicht erklären“, fuhr Mateo fort. „Ein Notfall in der Familie. Ich weiß nicht, wie lange ich weg sein werde.“

„Aber …“ Rachels Überraschung schlug in Entsetzen um, und einen Moment lang drängte sich auch ein anderes, heftigeres Gefühl in den Vordergrund. Ein Gefühl, das sie in ihrem tiefsten Inneren verschlossen halten und dem sie gerade jetzt lieber nicht die Bühne überlassen wollte. Es war ja nicht so, dass sie mehr für Mateo empfand als unter Kollegen üblich. Es war nur so, dass sie schon so lange Laborpartner waren, dass es wirklich komisch sein würde, ihn in dieser wichtigen Phase nicht an ihrer Seite zu wissen.

Über die Jahre hatten sie einander kennen und schätzen gelernt. In den endlosen Stunden, die sie über irgendwelchen Versuchsreihen und Daten gebrütet hatten, bei unzähligen Drinks im Pub unten am Fluss samt leidenschaftlicher Diskussionen über radioaktive Isotope oder organische Verbindungen. Sie waren einfach auf einer Wellenlänge.

Nur über Privates hatten sie nie gesprochen. Rachel hatte kein Privatleben, wie sie sich mit einem Anflug von Wehmut eingestehen musste. Es gab keinen Mann in ihrem Leben, denn der Richtige war einfach noch nicht aufgetaucht, und mittlerweile hatte sie ihr Single-Dasein akzeptiert.

Mateo war ein oder zwei Mal mit einer Frau zu den Institutsfeiern erschienen, aber das schien nie etwas Ernstes gewesen zu sein. Zumindest hatte er nie von einer Partnerin erzählt, und Rachel hatte nicht zu aufdringlich fragen wollen.

Selbstverständlich hatte sie auch nie zu hoffen gewagt, dass zwischen ihr und Mateo mehr entstehen könnte als eine kollegiale Freundschaft. Sie waren zu verschieden, und Rachel war pragmatisch genug, um den Unterschied zwischen einem guten Freund und einem Liebhaber zu kennen.

Alles war gut gewesen, wie es war. Ihre zwanglosen Gespräche waren unterhaltsam, ihre gemeinsame Forschung lieferte wichtige Ergebnisse, und so war Rachel glücklich und zufrieden damit gewesen, tagtäglich neben Mateo im Labor zu stehen.

Warum warf er nun alles so überstürzt hin? Nach all den Jahren war er ihr zumindest eine Erklärung dafür schuldig.

„Was ist passiert?“

„Es ist wirklich schwer zu erklären.“ Müde fuhr Mateo sich mit der Hand übers Gesicht. Wo war sein jungenhafter Charme geblieben, sein trockener Humor oder das lebhafte Glitzern seiner tiefblauen Augen? „Ich kann dir nur sagen, dass ich mich um einen Notfall in meiner Familie kümmern muss.“

Eine Familie, die er in all den Jahren nie erwähnt hatte?

„Hoffentlich geht es allen gut?“ Rachel stocherte im Dunkeln. Sie hatte nicht einmal eine Ahnung, wer oder wie viele „alle“ waren.

„Ja, danke. Ich …“ Pure Verzweiflung flackerte in Mateos Gesicht auf, und Rachel verspürte den verrückten Wunsch, ihn zu umarmen. Dabei hatte es zwischen ihnen noch nie mehr als die zufällige Berührung ihrer Schultern gegeben, wenn sie sich gemeinsam über ein Mikroskop beugten, oder ein High Five, wenn ein Experiment gelungen war. Umarmt hatten sie sich nie, und bis zu diesem Moment war es Rachel nicht einmal in den Sinn gekommen. „Ich weiß noch nicht, wann ich zurückkomme.“

Rachel schluckte. „Das klingt sehr ernst.“

„Das ist es.“

„Aber du kommst doch zurück?“ Rachel konnte sich nicht vorstellen, ihren Laborpartner nie wiederzusehen. „Wir sind doch ein Team, Mateo!“

Einen Augenblick lang verdunkelte ein Schatten seinen Blick, dann verhärteten sich seine Gesichtszüge.

„Natürlich. Das sind wir.“

„Kann ich dir denn irgendwie helfen?“ Rachel hatte ihr ganzes Leben damit verbracht, für andere da zu sein. Warum nicht auch jetzt?

Doch Mateo schüttelte den Kopf.

„Nein. Du … du warst wunderbar, Rachel. Eine wunderbare Kollegin. Ich hätte mir keine bessere wünschen können.“

Sie schnitt eine Grimasse. „Das klingt, als würdest du sterben.“

„So fühlt es sich an.“

„Mateo …“

„Nein, keine Sorge, ich neige wohl ein wenig zum Melodramatischen.“ Er zwang sich zu einem schiefen Lächeln.

Warmes Mitgefühl breitete sich in Rachels Herz aus. Wie gern hätte sie ihn jetzt getröstet! Zum Glück konnte sie mit solchen unpassenden Gefühlsausbrüchen umgehen. Sie hatte sich oft genug am Riemen gerissen. Es hatte ja keinen Sinn, zu träumen.

Mateos gequältes Lächeln verschwand so schnell, wie es gekommen war.

„Es ist auch für mich ein Schock. Irgendwann werde ich es dir erklären.“ Unvermittelt trat er einen Schritt auf Rachel zu und hauchte einen Kuss auf ihre Wange.

Überrascht schnappte Rachel nach Luft. Ihre Sinne wurden schier überflutet, als der Zitrusduft seines Rasierwassers sie umfing, seine weichen Lippen sich auf ihre Haut pressten, die rauen Bartstoppeln über ihre Wange strichen. Eine ihrer Hände hob sich ohne ihr Zutun. Sie wollte, sie musste Mateo berühren.

Zum Glück hatte ihr Hirn nicht ganz aufgehört zu arbeiten. Mitten in der Luft hielt sie in der Bewegung inne. Schlaff ließ Rachel die Hand fallen.

„Pass auf dich auf.“ Traurig lächelnd trat Mateo einen Schritt zurück.

Rachels Wangen brannten, ihre Gedanken wirbelten wie ein Hurrikan durch ihren Kopf. Ein letztes Mal trafen sich ihre Blicke, bevor er ihr zum Abschied zunickte, sich abwandte und das Labor verließ. Als sie die Eingangstür ins Schloss fallen hörte, wusste Rachel, dass er endgültig gegangen war.

2. KAPITEL

Die Insel Kallyrien war ein weithin unbekanntes Kleinod im Mittelmeer. Traumhaft weiße Sandstrände säumten die Küsten, im klaren türkis glitzernden Wasser tummelten sich exotische Fische zwischen farbenfrohen Korallen. Weiter im Landesinneren leuchteten prächtige Blumen vor weiß getünchten Häusern, während sich der königliche Palast inmitten des üppigen Grüns malerisch angelegter Gärten erhob. Mateos Heimat war ein Paradies, wie es im Buche stand.

Doch der Schein trog. Die Lage im Land war noch schlimmer, als Mateo befürchtet hatte. Die unzähligen Gespräche, die er seit seiner Ankunft mit den führenden Köpfen aus Politik und Wirtschaft geführt hatte, legten nur eine Schlussfolgerung nahe: Leo hatte das Land geradewegs ins Verderben manövriert. Seine willkürlichen und unüberlegten Beschlüsse hatten die Stimmung im Volk angeheizt, und sein Wankelmut hatte internationale Staatschefs und ausländische Investoren vor den Kopf gestoßen.

Erschöpft stützte Mateo das Gesicht in die Hände. Warum hatte er nicht früher erfahren, was in seinem Heimatland vor sich ging? Er wusste nicht, ob er wütend oder traurig sein sollte. Aber vor allen Dingen fühlte er sich schuldig. Er hätte nie fortgehen dürfen!

Seufzend hob er den Blick. In der Holztäfelung des königlichen Arbeitszimmers hing selbst nach Jahren noch ein feiner Geruch nach den Zigarren, die sein Vater so gern geraucht hatte. Mateo suchte vergeblich nach Spuren der sechsjährigen Amtszeit seines Bruders Leo, der allem Anschein nach mehr Zeit auf seiner Jacht in Monte Carlo verbracht hatte als hier.

Mateos Blick fiel auf die ominöse Liste geeigneter Bräute, die seine Mutter in ihrer sorgfältigen Handschrift zusammengestellt hatte, und er verzog widerwillig den Mund. Er hatte Kallyrien immer für ein fortschrittliches und aufgeklärtes Land gehalten. Waren die Zeiten nicht längst vorbei, als ein König eine arrangierte Ehe eingehen musste?

„Ihr werdet ein Leben lang Zeit haben, euch kennenzulernen“, hatte seine Mutter ihm versichert. Das vorsichtige Lächeln, das bei diesen Worten über ihre Lippen gehuscht war, konnte ihre Anspannung kaum verbergen. „Auch in einer arrangierten Ehe kann man glücklich werden.“

Sie musste es wissen. Ihre eigene Hochzeit mit König Barak war von langer Hand geplant gewesen. Mateo bewunderte seinen Vater für seine klare Linie als König, und er liebte seine Mutter über alles. Doch die Beziehung der beiden wollte er sich auf keinen Fall zum Vorbild nehmen.

„Das weiß ich, Mutter“, lenkte er lächelnd ein, während er sich müde mit den Fingern durchs Haar fuhr.

„Wenn du nach Liebe suchst“, hob Agathe vorsichtig an, „lass dir gesagt sein, Mateo …“

Liebe suche ich mit Sicherheit nicht.“ Er betonte das Wort abfällig. „Ich habe mich einmal verliebt, das war genug.“

„Sprichst du von Cressida?“

Mateo schwieg. Wen sollte er sonst meinen?

„Das ist lange her, Mateo.“

„Natürlich.“ Sein Tonfall klang schärfer, als er beabsichtigt hatte. Aber er wollte nicht über diese Sache sprechen! Beim bloßen Gedanken an Cressida spürte er die Trauer und Schuld wie Messerstiche tief in seinem Herzen. Er durfte nicht zulassen, dass ihn diese schmerzhafte Erinnerung übermannte.

Agathe betrachtete ihren Sohn eindringlich. „Angesichts deiner Abneigung gegen die Liebe könnte man meinen, eine arrangierte Ehe käme dir eher gelegen.“

Mateo musste sich eingestehen, dass sie recht hatte. Trotzdem missfiel ihm der Gedanke instinktiv. Nie im Leben hatte er damit gerechnet, zum König gekrönt zu werden. Nun sollte er auch noch eine Frau heiraten, die ihn nur wollte, weil er König war. Das passte einfach nicht zusammen. Aber war es nicht auch kindisch und gefühlsduselig, wenn er sich weigerte seine Pflicht zu tun? Mateo straffte die Schultern und griff entschlossen nach der Liste.

„Na gut. Ich sehe sie mir an.“

Stundenlang recherchierte Mateo online über die verschiedenen Kandidatinnen, doch er kam keinen Schritt weiter. Zwischenzeitlich hatte man ihn informiert, dass vier der Frauen bereits ihr Interesse an einer Heirat bekundet hatten. Ohne ihn auch nur ein Mal getroffen zu haben, ohne je ein Wort mit ihm gewechselt zu haben! Offensichtlich genügte ihnen, dass sie als zukünftige Königin über Reichtum, Macht und Privilegien verfügen würden.

Warum störte ihn das so sehr? Mateo kam einfach nicht dahinter. Eigentlich konnte es ihm egal sein, wen er heiratete, und doch konnte er sich nicht damit abfinden.

Da klingelte sein Telefon. Unwillkürlich stieg Freude in ihm auf. Es war Rachel!

„Ja?“

„Mateo?“ Sie klang unsicher.

„Ich bin dran.“

„Du klangst kurz ganz anders.“ Sie lachte kurz auf. „Wie jemand … keine Ahnung, irgendwie so würdevoll.“

Mateos Lippen kräuselten sich. Wie hatte sie das herausgehört?

„Wie geht es dir?“, erkundigte sich Rachel weiter. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Ich dachte, ich rufe mal an.“

„Sorgen?“, gab Mateo knapp zurück. „Warum?“

„Wegen dieses Notfalls in deiner Familie. Weil du so plötzlich aufbrechen musstest.“

„Das braucht dich nicht zu kümmern.“ Zu spät bemerkte Mateo, wie unhöflich er klang. So hatte er sonst nie mit seiner Kollegin gesprochen. Nein – mit seiner ehemaligen Kollegin. Das Leben in Cambridge gehörte der Vergangenheit an! Bei diesem Gedanken fühlte Mateo sich haltlos und zutiefst verunsichert.

Rachel. All die Jahre war sie ihm nicht nur eine Kollegin, sondern auch eine gute Freundin gewesen. Seine beste Freundin, um genau zu sein, auch wenn sie nur wenig über sein Leben wusste und er noch weniger über ihres. Sie hatten hervorragend zusammengearbeitet und einander perfekt ergänzt. Dass sie über ihr Privatleben sprechen könnten, war ihm nie in den Sinn gekommen.

„Es tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Es ist alles in Ordnung.“

„Heißt das, du kommst bald zurück?“

Der hoffnungsvolle Unterton in Rachels Stimme versetzte ihm einen Stich. Noch hatte er selbst nicht wahrhaben wollen, dass seinem überstürzt eingereichten Urlaubsantrag eine Kündigung folgen musste. Mit einem tiefen Atemzug wappnete Mateo sich für das, was er nun zum ersten Mal aussprechen musste.

„Nein. Ich fürchte nicht. Ich werde kündigen, Rachel.“ Er hörte, wie sie am anderen Ende der Leitung erschrocken einatmete, und zuckte zusammen. Sicher würde Rachel ohne ihn zurechtkommen. Sie hatten zwar eng zusammengearbeitet, waren vielleicht sogar Freunde gewesen, aber er war ersetzbar. Bald würde jemand anderes seine Aufgaben im Labor übernehmen, möglicherweise sogar Rachel nach einer Beförderung. Sie waren nichts weiter als Kollegen gewesen!

„Warum?“, fragte sie leise. „Was ist passiert, Mateo? Bitte, lass mich nicht im Dunkeln.“

Er zögerte. „Ich muss unser … Familienunternehmen weiterführen. Mein Bruder ist spontan zurückgetreten.“

„Euer Familienunternehmen?“

Die Wahrheit klang so lächerlich wie direkt aus einem schlechten Film. Mehr noch: Sie stellte sein ganzes bisheriges Leben als Lüge bloß. Nein, er war noch nicht bereit, sich Rachel ganz anzuvertrauen. Bald würden auch die britischen Zeitungen vom Machtwechsel in Kallyrien berichten. Dann würde sie alles erfahren. Sicher würden die Gerüchte für eine Weile auch die akademischen Kreise beschäftigen, in denen man ihn gekannt hatte.

„Ich kann nicht glauben, dass du nicht zurückkommst. Kann ich denn wirklich nichts für dich tun?“

„Nein. Danke. Tut mir leid.“ In seinen Worten lag etwas Endgültiges. „Leb wohl, Rachel.“

Ungläubig starrte Rachel auf das Handy in ihrer Hand. Hatte Mateo gerade einfach aufgelegt? Und dabei tat er gerade so, als ginge er zu seiner Hinrichtung!

Natürlich waren sie nie besonders eng miteinander befreundet gewesen, und doch schmerzte es, dass er so mir nichts dir nichts alle Brücken abbrechen konnte. Vermutlich würde er sie bald vergessen haben und in seinem neuen Leben keinen Augenblick an sie zurückdenken.

Mateo war kein Kind von Traurigkeit. So viel war Rachel vom ersten Moment an klar gewesen. Die Gerüchte waren ihm vorausgeeilt, und die wenigen Studentinnen in Rachels Team gaben jedes Mal vor, in Ohnmacht zu fallen, sobald sein Name nur erwähnt wurde.

Auch auf Rachel hatte Mateos überwältigende Ausstrahlung ihre Wirkung entfaltet. Ihr Atem stockte, sobald er nur das Labor betrat, und sie schaffte es kaum, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Obwohl natürlich von vornherein klar gewesen war, dass sie nicht zusammenpassten. Sie war eine ganz normale Frau, vielleicht ein bisschen zu nerdig, wahrscheinlich ein bisschen zu rundlich, definitiv ohne jeden Sinn für Mode.

Mateo hingegen sah geradezu märchenhaft gut aus. Seine funkelnden blaugrünen Augen sprühten nur so vor Charme. Seine unkomplizierte Art und sein trockener Humor nahmen alle für ihn ein. Manch einer im Team wunderte sich, warum er stets unverbindlich blieb, andere hielten ihn für einen Snob. Im Stillen hatte Rachel immer etwas anderes hinter dieser Fassade vermutet. So etwas wie Einsamkeit.

Vor allem hatte Mateo stets nach seinen eigenen Regeln gespielt. Er gab sich zwar charmant und weltoffen und war ein leidenschaftlicher und brillanter Wissenschaftler, doch von sich selbst gab er nichts. Wie Rachel schien er zu wissen, dass es besser war, allein zu bleiben. Es war einfach weniger schmerzhaft.

„Rachel, bist du’s?“ Die zittrige Stimme ihrer Mutter riss Rachel aus ihren Gedanken. Rasch ließ sie das Handy in ihre Tasche gleiten und zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter sich Sorgen machte. Aber das tat sie ohnehin nie.

Autor

Kate Hewitt

Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...

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Kate Hewitt

Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...

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