Pikanter Pakt und heiße Küsse

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Schluss mit brav! Natasha und James, ihr guter Freund aus dem Tennisclub, schließen einen pikanten Pakt: Sie wollen sich gegenseitig neu stylen. Sexy aussehen und heiß umschwärmt werden, so lautet das Ziel. Coole Outfits und selbstbewusstes Auftreten werden ein voller Erfolg! Bis der neue James, plötzlich ein toller Typ mit Dreitagebart, noch einen Schritt weiter geht: Nat soll ihm zeigen, wie abenteuerlich es Frauen im Bett wollen. Das kann er haben! Aber auf einmal wird für Nat aus ihrer Freundschaft plus gefährlich mehr …


  • Erscheinungstag 04.08.2020
  • Bandnummer 2144
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726294
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Im Grunde war ich nicht völlig allein.

Ich hatte Freunde bei der Arbeit. Na ja, es waren wohl eher Bekannte. Aber mit ein paar von ihnen tauschte ich zu Weihnachten Geschenke aus. Wir aßen zusammen zu Mittag. Manchmal gingen wir sogar abends irgendwo etwas trinken, ehe wir nach Hause gingen.

Mochten meine engsten Freundinnen Layla und Brooklyn auch Seattle verlassen haben – man erholte sich von solchen Schicksalsschlägen. Irgendwie erholte man sich von allem, was einem so zustieß. Das Leben ging weiter, es gab neue Erfahrungen, neue Freunde …

Und bei denen brauchte es sich noch nicht einmal um Menschen zu handeln.

Ich mochte Katzen. Besonders Katzenbabys. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass man junge Kätzchen immer paarweise halten sollte. Am besten war es, wenn sie aus demselben Wurf stammten. So konnten sie einander Gesellschaft leisten, wenn man unterwegs war.

Eine Bibliothekarin mit zwei Katzen. Perfekt.

Genauso hatte ich mir mein Leben vorgestellt.

Ich befand mich gerade im Harbor Tennis Club, mitten in Seattle, und las eine Textnachricht meiner Freundin Sophie Crush, der Vierten in unserem Bunde. Unten auf den Spielfeldern der Tennishalle waren mehrere Matches im Gange. Man hörte die üblichen Geräusche von aufschlagenden Bällen und den schabenden Schritten der Spieler; ab und zu rief jemand etwas. Hier oben in der Lounge hörte ich die Geräusche gedämpft durch die Glasscheibe. Vor mir auf dem polierten Holztisch stand eine Tasse Kräutertee, noch zu heiß zum Trinken.

Ich mochte Kräutertee. Er tat gut, und ich hatte nicht vor, keinen mehr zu trinken, nur um nicht dem Klischee zu entsprechen: Bücher, Katzen, Kräutertee.

Hier im Tennisklub hatte ich ebenfalls ein paar Bekannte. Wie hätte es auch anders sein können. Schließlich war ich hier schon Mitglied seit Teenagerzeiten. Mit den meisten meiner Altersgruppe hatte ich schon trainiert und gespielt.

Aber echte Freundinnen waren halt doch etwas anderes. Mit denen konnte man samstagnachmittags auf dem Sofa abhängen, dekadent Eiscreme löffeln und später ab vier Uhr Nachos dippen, wenn man endlich den Wein öffnen durfte. Und man konnte sich bei ihnen ausheulen, wenn es einem schlecht ging.

Zurzeit ging es mir definitiv schlecht.

Wahrscheinlich war das ganz normal. Ich gönnte Layla und Brooklyn ihr jeweiliges Happy End und freute mich, dass sie glücklich waren. Dumm war nur, dass ich selbst überhaupt nicht glücklich war.

Ich schaute auf mein Smartphone und las erneut die Nachricht von Sophie. Sie schrieb, dass ihr Lunch sich in die Länge zöge. Genauer gesagt, ihr Lunch mit dem neuen Typen. Das Emoji am Schluss des Textes verriet, dass der Typ eine heiße Nummer war.

Ich freute mich für sie. Klar. Aber für mich selbst freute es mich überhaupt nicht.

Jetzt saß ich hier in meinen Tennisshorts und mit meinem Schläger, und meine Verabredung mit Sophie war gerade geplatzt. Was sollte ich also mit diesem Samstagnachmittag anfangen? Ganz abgesehen davon, dass ich abends auch nichts vorhatte. Ich ertappte mich dabei, dass ich überlegte, ob das Tierheim wohl am Wochenende geöffnet hatte.

Dabei war mir klar, dass es eine Kurzschlusshandlung gewesen wäre. Sicher, ich mochte Katzen. Was ich aber nicht mochte, war das, was die Anschaffung bedeutet hätte. Als würde ich aufgeben und mich mit meinem grauen Dasein abfinden. Nichts erlebt, niemanden geliebt, nichts mehr zu erwarten. Und dann so weiter bis zur Rente? Ab in die Urne?

Wow.

Ich musste über mich selbst lachen. Vom geplatzten Tennismatch zum Lebensende in weniger als dreißig Minuten. Vielleicht sollte ich lieber Tequila trinken statt Tee.

Eines der Spiele endete. Zwei Männer gingen zum Netz, gaben sich die Hand und verließen den Platz.

Ich sah, dass einer von ihnen James Gillen war, Laylas älterer Bruder. Ehrlich gesagt, war er der Einzige hier im Klub, der noch schlimmer dran war als ich.

Das baute mich trotzdem nicht auf. Schließlich war ich ein Mensch, der zu Mitgefühl fähig war.

James war die Jugendliebe meiner wunderschönen, von allen umschwärmten Freundin Brooklyn. Und bis zum vergangenen Juli waren die beiden verlobt und glücklich gewesen. Ein Jahr lang hatten sie ihre Hochzeit geplant. Ein Riesending. Superromantisch. Und dann hatte Brooklyn vor dem Altar kehrtgemacht. In Anwesenheit von fünfhundert Gästen und einem Reporter der Lokalzeitung.

Ich machte Brooklyn keinen Vorwurf. Jedenfalls nicht mehr als nötig. Denn ihr frischgebackener Ehemann, Colton Kendrick, war ein extrem guter Fang: attraktiv, erfolgreich, charmant.

Es hatte mich nicht besonders überrascht, dass sich zwei Männer gleichzeitig um Brooklyn bemühten. Sie hatte einfach das gewisse Etwas.

Ich wünschte, ich hätte wenigstens einen Bruchteil davon.

Probehalber nutzte ich die Scheibe der Besucherlounge als Spiegel und versuchte ein Lächeln, wie Brooklyn es draufhatte. Mit Schwung wollte ich so wie sie mein Haar zurückwerfen. Doch es war zu einem Pferdeschwanz gebunden, und der Versuch misslang.

Also lachte ich wie üblich über mich selbst, trank einen Schluck lauwarmen Tee und wünschte, es wäre tatsächlich Tequila.

Von Bibliothekarinnen wurde nicht erwartet, dass sie das gewisse Etwas besaßen. Sie hatten praktisch veranlagt und zuverlässig zu sein. Grundsätzlich waren das ja keine schlechten Eigenschaften. Nur wo blieb die Anziehungskraft, wo war der Sex-Appeal?

Ich nahm meine Sportbrille ab und tauschte sie gegen meine Alltagsbrille ein. Sobald sie auf meiner Nase saß, konnte ich das Paar erkennen, das gerade die Lounge betreten hatte. Meine Laune sank auf den Nullpunkt.

Denn da war Henry Reginald Paulson III., am Arm seine hübsche, quirlige Freundin.

Sie war groß, extrem schlank und blond, hatte blendend weiße Zähne und klimperte ständig mit ihren Bambi-Wimpern. Soweit ich mich erinnern konnte, hieß sie Kaylee oder Candi oder so ähnlich. Noch nie hatte ich sie Tennis spielen gesehen, aber Henry legte offenbar keinen Wert auf sportliche Fähigkeiten seiner Gespielinnen.

Der Familie Paulson gehörte der Harbor Tennis Club mehr oder weniger. Jedenfalls veranstalteten sie hier Wohltätigkeitsbälle und saßen im Vorstand. Ihre Mitgliedschaft im Klub reichte drei oder vier Generationen zurück. Henry war der Kronprinz.

Außerdem war er mein Ex. Im Mai hatte er mich kalt lächelnd entsorgt. Am fünfundzwanzigsten Mai, um genau zu sein. An diesem Tag hatte ich in der Northridge Library meinen fünften Jahrestag gefeiert. Danach standen mir eine Woche Extraurlaub zu sowie ein besserer Parkplatz, näher am Bibliotheksgebäude. Ich hatte mich gefreut, aber noch mehr hatte ich mich darauf gefreut, den Abend mit Henry zu verbringen.

Doch das festliche Dinner, für das ich mein bestes blaues Kleid angezogen hatte, endete noch vor dem Horsd’œuvre in einem Desaster. Allein und heulend fuhr ich im Taxi nach Hause.

Henry wollte, dass wir Freunde bleiben, lobte meine guten Eigenschaften, sagte, er bewunderte mich und hoffte, dass ich eines Tages den Richtigen finden würde.

Keine Bemerkung fiel über mein nichtssagendes braunes Haar, meine Brille, meine schlichten Klamotten oder meine durchschnittliche Körpergröße. Doch da er mich durch eine Frau ersetzt hatte, die das genaue Gegenteil von mir war, konnte ich meine eigenen Schlüsse ziehen.

Jetzt hatte Henry mich erspäht. Er lächelte mir zu und winkte, als ob wir Freunde wären. Dabei hatten wir seit der Trennung kein Wort mehr miteinander gewechselt.

Ich wünschte, ich würde nicht allein hier sitzen.

Ich wünschte, ich wäre auf dem Tennisplatz und würde mit Sophie ein Match spielen.

Ich wünschte, ich wäre irgendjemand oder irgendwo …

„Hi, Nat.“

Ich schaute auf und erblickte James, der an meinen Tisch getreten war.

Danke, James.

Hoffentlich blieb er ein paar Minuten stehen und unterhielt sich mit mir. Dann würde ich mich nicht so miserabel fühlen, während Henry und Kaylee sich zu ihren lauten, lustigen Freunden am großen Tisch in der Mitte des Raumes gesellten.

„Hi, James“, sagte ich.

„Wartest du auf jemanden?“, fragte er und schaute sich um.

Ich wedelte mit meinem Smartphone. „Sophie hat mir gerade abgesagt. Jetzt muss ich unsere Tennisstunde stornieren.“

„Geht es ihr nicht gut?“

„Doch, es geht ihr prima. Es ist nur etwas dazwischengekommen.“ Etwas Besseres als ich.

„Darf ich mich zu dir setzen?“

„Klar.“ Es war ja genug Platz an meinem Vierertisch. Ich hätte ihn dafür küssen mögen.

„Ich verdurste“, erklärte er und winkte dem Kellner zu. Dann fiel sein Blick auf meine Teetasse. „Möchtest du etwas anderes trinken?“

Der Kellner erschien umgehend.

„Ich hätte gern ein Bier“, sagte James. „Vom Fass. Sie haben doch bestimmt eins aus einer hiesigen Brauerei.“ Dann schaute er mich fragend an.

„Hört sich gut an“, meinte ich. „Für mich auch eins.“ Es war noch nicht vier Uhr, aber an so einem Tag wie heute war das egal.

Er ließ sich auf einen Stuhl fallen.

„Hattest du ein gutes Match?“, wollte ich wissen.

„Caleb ist ein guter Spieler. Es war verdammt anstrengend.“

Offensichtlich hatte James kurz geduscht. Sein Haar war noch feucht, und er trug eine schwarze Hose, dazu ein weißes Hemd mit aufgerollten Ärmeln.

Er sah gut aus, war groß und durchtrainiert. Zwar besaß er weder Henrys Extravaganz, noch stand er gern im Mittelpunkt, aber er hatte Sportsgeist und wurde allgemein respektiert.

Leider musste er nun den ganzen Klatsch und Tratsch aushalten, weil Brooklyn ihn vor dem Altar von St. Fidelis hatte stehen lassen. Man redete darüber, dass er in bessere Kreise hatte einheiraten wollen und dass Brooklyn ein passenderes Angebot gewählt hatte.

Wahrscheinlich sagte man ähnliche Dinge über mich. Meine Beziehung zu Henry hatte nur wenige Monate gedauert. Wahrscheinlich lästerten die Leute, ich sei bloß ein kurzes Abenteuer gewesen, ein Almosen für die graue Maus.

Ob es jemals aufhören würde, wehzutun? Ich fühlte mich so erniedrigt.

Ich konnte nur hoffen, dass James nicht das ganze Ausmaß der Klatschgeschichten über ihn und Brooklyn kannte.

„Nachher fahre ich eine Runde Fahrrad, weil mein Tennismatch ausgefallen ist“, verkündete ich. Ich war kein Fitnessfreak, aber Bewegung musste sein.

„Wo fährst du lang?“, erkundigte sich James.

„Am Seeufer des Cadman“, antwortete ich. „Mein Apartment liegt in der Nähe der Green Gardens.“

„Da bin ich auch schon entlanggefahren. Im Herbst ist es da sehr schön.“

Der Kellner kam und brachte das Bier.

„Wären Sie so freundlich, die Tennisstunde von Ms. Remington zu stornieren?“, fragte James, während der Kellner Bierdeckel unter die Krüge schob.

„Selbstverständlich, Sir.“

Ich dankte beiden mit einem Lächeln und griff nach meinem Bier. „Ich vermute, danach bin ich nicht mehr in der Lage, sehr weit zu fahren“, bemerkte ich grinsend.

James lächelte und hob seinen Krug.

Ich stieß mit ihm an, doch im selben Moment fiel mein Blick auf Henry, der seinen Arm um Kaylee gelegt hatte, während er eine lustige Geschichte zum Besten gab.

„Was ist los?“, wollte James wissen, als er meinen Gesichtsausdruck sah.

„Nichts“, erwiderte ich rasch.

Doch er schaute über die Schulter und entdeckte Henry. „Ach, Paulson. Das muss unangenehm sein für dich.“

„Stimmt.“

James sah mich aus dunkelblauen Augen mitfühlend an.

Ich wollte aber kein Mitleid. Und ich wollte nicht, dass er dachte, ich suhlte mich in meinem Elend, auch wenn es den Tatsachen entsprach. Denn mein Problem war ja nicht nur die Trennung von Henry. Mein ganzes Leben schien mir überholungsbedürftig.

„Verglichen mit dem, was du durchmachen musstest, ist es nichts.“ Im gleichen Moment erkannte ich, wie taktlos und unsensibel das gewesen war. „Ich meine … ich wollte nicht … es tut mir leid.“

„Mir ist es lieber, du sprichst es offen aus, anstatt es nur zu denken oder hinter meinem Rücken zu flüstern, wie die anderen hier.“ Er schaute sich um. „Und du hast recht. Verglichen mit der Art, wie ich abserviert wurde, hast du es noch gut getroffen.“

Zu gern hätte ich widersprochen, aber er sagte schlicht die Wahrheit. „Wie geht es dir damit?“, fragte ich leise.

„Grauenvoll“, antwortete er. „Ständig finde ich noch Sachen von ihr in meinem Apartment. Was soll ich mit dem Zeug machen? Ihr schicken? Es aufheben? Es verbrennen?“

„Verbrennen.“ Das kam ganz spontan. „Halt, das hätte ich nicht sagen sollen.“

James lachte. „Ich mag deine Direktheit.“

Brooklyn war eine meiner besten Freundinnen. Aber sie hatte sich mies benommen. Ich hatte kein Problem damit, dass James wütend auf sie war. Bestimmt würde es ihm guttun, das Zeug, das sie übrig gelassen hatte, zu verbrennen.

„Dann erklär mir doch mal, wie Männer eigentlich ticken“, forderte ich James auf. Irgendwie waren aus dem einen Bier zwei geworden.

„Das kann niemand.“

„Sind sie grundsätzlich oberflächlich?“

„Wahrscheinlich.“

„Ich meine, schau dir doch diese Candi da drüben an.“

„Heißt sie nicht Callie?“

„Oder Kaylee?“

„Sollen wir rübergehen und fragen?“

„Nein!“

James musste lachen, weil ich so panisch klang. Dabei war es gar keine echte Panik. Ich wollte mich einfach nicht dafür interessieren, mit wem Henry nun ging.

Ich beugte mich vor und flüsterte: „Ist das wirklich der Typ Frau, auf den alle Männer stehen?“

„Vermutlich viele.“

„Viele oder die meisten?“

„Hm, wohl sehr viele.“

Ich seufzte. Als hätte ich es nicht längst gewusst.

„Aber Frauen sind auch nicht besser“, bemerkte James.

„Wir fliegen bei Männern nicht auf Äußerlichkeiten“, widersprach ich.

„Doch, selbstverständlich“, erwiderte er. „Nur Macht und Status bedeuten euch noch mehr.“

Dagegen konnte ich nicht allzu viel einwenden. Trotzdem beharrte ich: „Wir legen aber auch Wert auf echte Gefühle und einen Sinn für Humor.“

„Sinn für Humor definiert jeder anders.“

„Mag sein. Jedenfalls kann ich da drüben keinen erkennen.“

James stellte seinen Bierkrug ab. „Siehst du? Frauen sind wie Männer. Wir beurteilen Menschen alle nach Äußerlichkeiten. Wahrscheinlich, weil es bei einer ersten Begegnung am einfachsten ist.“

„Ich wünschte, ich sähe so aus wie die da drüben.“ Sofort bereute ich, was ich gesagt hatte. James war schließlich keine beste Freundin, und das hier war kein Mädelgespräch auf dem Sofa.

Als er mich aufmerksam musterte, wäre ich am liebsten in den Boden versunken.

„Warum sagst du so etwas?“, fragte er.

„Weil es wahr ist. Du musst das doch am besten wissen, denn du warst all die Jahre mit Brooklyn zusammen.“ Jeder, der sich in Brooklyn verliebte, kannte die Faszination wahrer Schönheit.

„Wieso denkst du, dass du nicht attraktiv bist?“

Ich starrte ihn verblüfft an. „Hallo“, entgegnete ich und zeigte mit dem Finger auf mein Gesicht. „Das hier ist die graue Maus schlechthin.“

„Hm, du bist nicht unbedingt ein Covermodel“, gab er zu.

„Danke sehr.“ Ich schluckte seinen Kommentar herunter. Zwar hatte ich nicht erwartet, dass James mich für attraktiv hielt, aber seine Ehrlichkeit schmerzte.

„Aber du bist sehr hübsch“, fügte er hinzu.

Ich schüttelte den Kopf. „Oh, nein, hinter deine erste Aussage kannst du jetzt nicht mehr zurück.“

„Ich finde, dein Grundpotenzial ist äußerst vielversprechend.“

„Schweig still, mein pochend‘ Herz“, deklamierte ich.

Er grinste.

Es half, sich über die eigenen Unzulänglichkeiten lustig zu machen. Was war so schlimm daran, nichts Besonderes zu sein? Es gab Millionen Leute, die ganz normal aussahen und glücklich und zufrieden damit lebten. Wirklich schöne Menschen gab es sowieso nur selten.

„Hast du den Typen gesehen, den Brooklyn geheiratet hat?“, erkundigte sich James.

Klar hatte ich ihn gesehen, obwohl ich nicht bei Brooklyns Hochzeit mit Colton Kendrick gewesen war. Dafür auf Laylas Hochzeit mit Coltons Zwillingsbruder Max. Beide, Colton und Max, waren reich, attraktiv und ganze Kerle. Zudem schienen sie auch noch richtig nett zu sein.

Ich nickte.

„Dann weißt du ja, wie ich mich dabei fühle“, sagte James.

„Ich finde, dein Grundpotenzial ist auch äußerst vielversprechend“, erwiderte ich mit seinen eigenen Worten.

James lächelte. „Wollen wir weiter hier sitzen und uns in unserem Schmerz suhlen?“

„Ganz im Gegenteil.“

„Und was möchtest du stattdessen tun?“

„Ich hätte Lust gehabt, Tennis zu spielen.“

„Ich meine nicht jetzt, sondern ganz allgemein“, erklärte er.

„Ich habe darüber nachgedacht, mir eine Katze anzuschaffen.“

„Meinst du das ernst?“

„Nein. Wahrscheinlich nicht.“

„Ein Haustier ist eine große Verantwortung.“

„Magst du keine Katzen?“

James überlegte einen Moment. „Ich glaube, ich hätte lieber einen Hund. Aber zuerst brauche ich ein Haus.“

Ich wusste, dass Brooklyn und er sich nach der Hochzeit ein Haus kaufen wollten, und entschied, das Thema nicht zu berühren.

„Ein Hund braucht einen Garten“, bemerkte ich daher nur.

„Vielleicht kaufe ich ein Haus“, sagte er ohne große Begeisterung.

Ich wünschte, ich könnte mir ein Haus leisten. Es würde noch Jahre dauern, bis ich genügend Geld gespart hatte, um mir auch nur eine Eigentumswohnung leisten zu können. Bis dahin musste ich in meiner Dachgeschosswohnung hausen. „Eigentum ist eine gute Zukunftsinvestition.“

James war Finanzfachmann. Zwar hatte ich keine genaue Vorstellung davon, was für einen Job er machte, aber ich ging davon aus, dass jemand, der Wirtschaftswissenschaften studiert hatte, wusste, wie man investiert.

„Die Zinsen sind derzeit extrem günstig“, stimmte er zu.

„Aber?“

„Es ist schwierig, eine Immobilie zu suchen, wenn du gar nicht weißt, wie deine Zukunft eigentlich aussehen soll.“

Seine Bemerkung klang überaus traurig. Während ich noch nach einer passenden Antwort suchte, klingelte mein Telefon.

„Geh ruhig ran“, sagte James, nahm sein Bier und lehnte sich zurück.

„Es ist Sophie.“ Ich war neugierig, wie ihr Date verlaufen war, aber hier in der Lounge, in Gegenwart von James, konnte ich wohl kaum mit ihr reden. Ich wischte über das Display, um das Gespräch anzunehmen. „Ich sage ihr, dass ich sie zurückrufe“, erklärte ich James.

„Möchtest du allein sein?“ Er machte Anstalten, aufzustehen.

„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Alles gut. Hallo, Sophie“, begrüßte ich die Freundin am anderen Ende der Leitung.

„Bryce hat einen Freund“, platzte Sophie heraus.

„Hm, das ist nett. Sag mal, können wir später tele…“

Sophie war nicht zu stoppen. „Der wäre was für dich. Er will dich kennenlernen. Wie wäre es mit einem Doppeldate? Heute Abend? Ginge das?“

Unwillkürlich traf sich mein Blick mit dem von James.

„Nat?“, insistierte Sophie. „Bist du noch dran?“

„Ja, ich bin hier.“

Warum zögerte ich? Schließlich hatte ich an diesem Samstagabend nichts vor. Und natürlich wollte ich jemanden kennenlernen. Jeder weibliche Single wollte neue Bekanntschaften machen.

Es schien, dass es zwischen Sophie und Bryce gefunkt hatte. Sophie war wählerisch. Wenn Bryce ein super Typ war, dann konnte es doch sein, dass sein Freund ebenso toll war. Wer hätte da Nein sagen können?

„Um wie viel Uhr?“, fragte ich.

„Um sieben. Wir holen dich ab. Kommst du runter? Ich meine … du weißt schon …“

Sophie war kein Fan meiner schlichten Dachwohnung. Sie lag mir die ganze Zeit in den Ohren, ich sollte mir mal neue Möbel kaufen. Aber ich mochte es genau so, wie es war. Praktisch, gemütlich, meins. Wenn der neue Typ allerdings eher so dachte wie Sophie, war es vielleicht wirklich besser, ihn nicht gleich reinzulassen.

„Gern“, erwiderte ich daher. „Um sieben bin ich unten.“

„Perfekt.“ Sie hörte sich begeistert an, und wir beendeten das Gespräch.

Als ich mich bei James entschuldigen wollte, winkte er ab. „Mädelsabend?“

„Eher ein Doppeldate.“

Er beugte sich interessiert vor. „Ein Blind Date?“

„Ja.“ Ich trank einen Schluck Bier. „Mein letztes Date ist schon eine ganze Weile her.“

„Scheint, als ob die mageren Zeiten vorbei wären.“

Das hörte sich an, als sei ich am Verhungern. Dabei wollte ich doch einfach nur das Desaster mit Henry vergessen. War ich hungrig nach Abenteuer? Oder nach mehr? „So könnte man es nennen“, bemerkte ich.

Er hob seinen Bierkrug. „Gratuliere.“

Ich stieß mit ihm an und musste mal wieder über mich lachen. Gerade hatte ich mich noch über meine Einsamkeit beklagt. Jetzt hatte ich ein Date. Zeit, sich zu freuen. Ich freute mich.

„So ist es schon besser“, sagte James. „Lächle und sei fröhlich.“

2. KAPITEL

Da ich Sophie nicht gefragt hatte, wo das Dinner stattfinden würde, entschied ich mich für ein moderates Outfit. Eine graue Hose, dazu eine einfarbige, locker sitzende Bluse mit asymmetrischem Schnitt und Leopardenmuster. Mein dichtes Haar, das schnell wuchs und zurzeit ein bisschen zu lang war, flocht ich zu einem lockeren Zopf. Einige kürzere Strähnen, die sich nicht flechten ließen, umrahmten mein Gesicht. Ich mochte das, weil es nicht so streng aussah.

Ich trug ein wenig mehr Make-up auf als gewöhnlich, aber es war wie immer frustrierend, wenn die sorgfältig getuschten Wimpern hinter der Brille ihre Wirkung verloren. Goldene Ohrringe, die Layla mir zu meinem letzten Geburtstag geschenkt hatte, und ein paar schwarze Stiefel mit halbhohem Absatz rundeten die Sache ab.

Als ich die Wohnung verließ, nahm ich noch einen Pulli mit, denn im September wusste man nie, wie sich das Wetter entwickelte. Meine Handtasche war ein bewährtes braunes Leder-Accessoire, das alles enthielt, was man so brauchte. Oder was ich glaubte, zu brauchen. Schon oft hatte ich mir vorgenommen, Dinge auszusortieren, aber es kam nie dazu. Denn man wusste ja nie …

Die Tasche enthielt meine Geldbörse, meine Schlüssel, eine Sonnenbrille, einen Kamm, Handcreme, Taschentücher, Feuchttücher, Haargummis, falls es mal windig wurde, genügend lose Münzen, um im Notfall ein Taxi bezahlen zu können, ohne mein Portemonnaie zücken zu müssen, Kreditkarten, mein Smartphone, einen USB-Stick, weil man nie wissen konnte, ob man unterwegs von irgendwo Daten runterladen musste, und natürlich auch ein Pfefferspray, weil … man konnte ja nicht wissen, was sonst noch passierte.

Sophie wartete schon vor dem Hauseingang, und als ich sie sah, wurde mir klar, dass ich falsch gekleidet war. Aber das dachte ich eigentlich immer, wenn ich Sophie begegnete.

Sie trug ein schwarzes Minikleid mit tiefem Ausschnitt und schwingendem Rock. Darüber eine ausgeblichene Jeansjacke, verziert mit ein paar Glitzersteinen am Kragen und auf den Schultern. Dazu passten ihre Halskette und ihre Ohrringe. In der Hand hielt sie eine schicke Clutch, und ihre Füße steckten in schwarzen Sandaletten mit Plateausohle. Ihr hellbraunes Haar mit den blonden Strähnchen war von einer hinreißenden Fülle. Ihre dunkelbraunen Augen strahlten, und ihre vollen Lippen glänzten einladend.

„Hi, Nat“, sagte sie. „Du siehst unglaublich toll aus.“

Das fand ich überhaupt nicht. Aber es war ja ursprünglich auch nicht der Plan gewesen, unglaublich toll auszusehen. Jetzt ärgerte ich mich.

„Du siehst fantastisch aus“, erwiderte ich.

Sie hakte sich bei mir unter. „Bryce ist genial. Er hat eine Limousine mit Fahrer gemietet, statt ein Taxi zu nehmen. Schick, was?“

„Total schick“, antwortete ich. „Wo gehen wir eigentlich hin?“

„Ins Russo’s unten am See.“

„Das ist ja nett.“ Russo’s war ein angesagter Italiener. „Haben wir denn reserviert?“ An einem Samstagabend waren alle Restaurants voll.

„Mach dir darüber keine Gedanken. Dafür ist Bryce zuständig.“

„Das heißt, du hast keine Ahnung, ob er reserviert hat?“ Ich wollte nicht nerven, aber ich wäre gern sicher gewesen.

„Wir haben ein Date, Nat. Überlass die Planung einfach den Jungs.“

„Na gut“, lenkte ich ein.

Zwei Männer standen neben einer schwarzen Limousine, die am Straßenrand geparkt war.

„Dies ist Bryce“, stellte Sophie den größeren der beiden Männer vor.

Bryce war mindestens eins neunzig, breitschultrig, mit dichtem, rabenschwarzem Haar. Er sah gut aus, hatte braune Augen und ein nettes Lächeln. Zu seiner Sportjacke trug er ein weißes Hemd.

„Bryce ist Chefkoch im Blue Fern“, erläuterte Sophie.

„Ich wusste gar nicht, dass ihr Kollegen seid“, bemerkte ich überrascht. Sophie war Restaurantmanagerin in dem Luxusrestaurant. Bisher hatte ich gedacht, Bryce wäre dort Gast gewesen, und sie hätten sich auf diese Weise kennengelernt.

„Das habe ich dir doch bestimmt erzählt“, entgegnete Sophie.

Das hatte sie nicht. Aber ich wollte keinen Stress und hielt den Mund. „Schön, Sie kennenzulernen“, sagte ich zu Bryce und gab ihm die Hand.

Sein Händedruck war weich. „Sophie redet oft von Ihnen, aber anscheinend nicht umgekehrt“, sagte er.

Ob er beleidigt war, konnte ich nicht genau erkennen, aber ich erwiderte überhöflich: „Unsere Jobs sind so verschieden. Wir sprechen meistens nicht über unsere Arbeit.“

„Netter Versuch“, konterte Bryce, der meine Strategie offenbar durchschaut hatte.

Ich schwieg.

„Und hier haben wir Ethan“, sagte Sophie und wies auf den zweiten Mann. Sie schien nicht mitbekommen zu haben, dass sie Bryce leicht verärgert hatte, oder sie machte sich nichts daraus.

Ethan war ein Stück kleiner als Bryce, aber immer noch einen Kopf größer als ich. Sein Haar war rotblond, sein Gesicht rund, seine Augen blassblau.

„Schön, Sie kennenzulernen, Ethan“, sagte ich und lächelte, so strahlend ich konnte, denn schließlich war er mein Date. Eine Frau konnte ja nie wissen, wann ihr die große Liebe begegnete. Ich versuchte, mir Ethan als meine große Liebe vorzustellen. Es klappte nicht, aber der Abend hatte ja gerade erst begonnen.

„Hi, Nat.“ Sein Händedruck war fest und warm und er lächelte, ohne mir in die Augen zu schauen. Seltsam. Wieso schien er auf meine Augenbrauen zu starren?

Sofort fragte ich mich, ob ich vergessen hatte, sie in Form zu zupfen. Waren sie buschig? Hatten sich die blonden Härchen zwischen den Brauen wieder eingeschlichen? Wie peinlich …

„Arbeiten Sie auch im Blue Fern?“, fragte ich ihn.

„Ethan ist IT-Ingenieur“, erklärte Sophie. „Er hat eine eigene Firma.“

„Beeindruckend“, erwiderte ich. In unserer Gruppe war Layla die mit dem meisten Grips. In Naturwissenschaft und Technik kannte ich mich nicht aus.

„Wir sind Spezialisten für Automatisierung“, sagte Ethan.

„Er ist ein Genie“, fügte Sophie hinzu.

Das Kompliment schmeichelte Ethan offensichtlich, denn er gönnte Sophie ein warmes Lächeln. „Unser Team verwirklicht innovative Ideen. Bryce und Sophie haben dazu beigetragen.“

Ich verstand nicht, worum es ging und schaute fragend zu Sophie.

„Wir revolutionieren die Herstellung von Nahrungsmitteln mithilfe von intelligenter Technologie“, erklärte Sophie mit einem Grinsen.

Die Art, wie sie das sagte, wirkte, als machte sie einen Witz, auch wenn ich nicht ganz kapierte, warum das lustig sein sollte. Sofort stellte ich mir einen Roboter vor, der Salat wäscht. Darüber musste ich lächeln. „Das heißt, ihr macht aus dem Blue Fern so was wie die ‚Jetsons‘? Alle tragen Rucksäcke mit Raketenantrieb, und die Kellner sind Roboter?“

Peinliches Schweigen trat ein.

„Machen Sie sich über Sophie lustig?“, wollte Ethan wissen.

„Nein. Natürlich nicht. Ich meinte nur …“

„Wir leben in einer Welt, die sich rasant verändert“, erklärte Sophie. Sie war sichtlich enttäuscht von meiner Reaktion. „Da muss man mithalten können.“

Ich fühlte mich mies.

„Lasst uns gehen“, sagte Ethan. Sein Gesichtsausdruck verriet, dass der erste Eindruck, den er von mir gewonnen hatte, nicht besonders gut war.

Und ich dachte darüber nach, weshalb mir Sophie bisher nichts von ihren hochtrabenden Plänen erzählt hatte. Schließlich war ich ihre beste Freundin.

Ethan nahm auf dem Beifahrersitz Platz, während Sophie auf der Rückbank in der Mitte saß. Bryce stieg direkt nach ihr ein. Daher musste ich auf die andere Seite gehen. Ich fühlte mich unbehaglich und nervös.

„Bryan und Ethan sind zusammen auf die Highschool gegangen“, erläuterte Sophie, während ich mich anschnallte.

„Waren Sie immer schon befreundet?“, erkundigte ich mich, froh, ein Gesprächsthema zu haben.

„Freunde? Nein“, antwortete Bryce.

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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