Leidenschaftliche Liebesnacht in Alaska

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Ausgerechnet in Alaska bekommt Adeline ihren Traumjob! Dabei wollte die schöne Architektin diesen Bundesstaat meiden. Denn dort wohnt ihre Familie, die sie zu gern bevormundet – und die sie unbedingt mit Joe Breckenridge verheiraten will. Ja, er ist ein toller Typ, ein Milliardär, der wahrscheinlich der nächste Gouverneur wird. Aber Adeline will sich nicht verkuppeln lassen. Doch dann verbringt sie eine leidenschaftliche Nacht mit Joe. Und die hat Folgen! Soll sie aus Alaska fliehen oder das tun, was sie niemals machen wollte – Joe heiraten?


  • Erscheinungstag 13.09.2022
  • Bandnummer 2254
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509190
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Meine beste Freundin Katie Tambour, mit der ich den Abschluss an der Cal State gemacht hatte, stand in meiner schmalen Essecke auf einem Stuhl und fuhr mit einem Ortungsgerät für Balken an der safrangelben Wand entlang.

„Ich verstehe nicht, warum wir es unbedingt aufhängen müssen“, sagte ich, die Arme halb ausgestreckt, um sie notfalls auffangen zu können.

„Ich hab meins heute Morgen erst aufgehängt“, sagte sie. „Ich weiß, was ich tue.“

Mein frisch gedrucktes und gerahmtes Promotionszeugnis lag hinter ihr auf dem kleinen runden Küchentisch. Ich hatte nun ­offiziell einen Doktortitel: Adeline Emily Cambridge, Doktorin für Philosophie, Architektur und Stadtplanung.

„Du willst ja auch nicht umziehen“, merkte ich an. Katie war eine Stelle hier in Sacramento angeboten worden, als Teilzeit-Professorin für Physik und Astronomie an der Cal State.

„Du bist doch auch noch ein Weilchen hier“, sagte sie.

„Ja, vielleicht.“ Ich hatte es nicht eilig damit, Kalifornien zu verlassen. Die letzten neun Jahre über hatte ich die viele Sonne sehr genossen, ebenso wie den lockeren Lifestyle und die Freiheiten.

„Gefunden!“, rief Katie erfreut, die Fingerspitze auf einen Punkt an der Wand gelegt. Sie streckte die Hand nach hinten aus. „Gib mir mal den Hammer.“

„Ich soll eigentlich keine Löcher in die Wände schlagen.“

„Das wird doch nur ein winzig kleines Loch.“

„Ich will später meine Kaution zurückbekommen.“

„Ach, das eine Löchlein fällt doch später niemandem auf.“

„Na gut“, schnaubte ich übertrieben und hielt ihr den Hammer hin. „Dann los, zerstöre meine Wände.“

Sie lachte, gab mir das Ortungsgerät und nahm dafür den Hammer entgegen. „Du wirst dich bestimmt immer freuen, wenn du hochschaust und dein Diplom hier hängen siehst. Und unterschreib ab jetzt mit deinem Titel – ‚Dr. Cambridge‘, das klingt doch super. Ich werde ab jetzt auch erst mal alles mit ‚Dr. Tambour‘ unterschreiben.“

„Wenn du das tust, werden dich bald alle um medizinischen Rat bitten.“

Sie klopfte erst vorsichtig auf den Nagel, dann ein wenig fester. „Dann sage ich ihnen einfach, dass ich einen Abschluss in Physik habe, und erkläre ihnen die Planck-Konstante. Das sollte sie davon abhalten, weitere Fragen zu stellen.“

„Gut möglich.“

Sie drehte sich um und beugte sich vor, um den Rahmen vom Tisch zu nehmen. Sie hängte das Bild an die Wand und rückte es ein wenig hin und her, bis es einigermaßen gerade hing. Dann sprang sie vom Stuhl. „Perfekt.“

Wie lang würde dieses Bild wohl dort hängen, ehe ich meine Sachen packte, um umzuziehen? „Ich habe heute ein seltsames Job­angebot bekommen.“ Ich versuchte schon den Brief zu vergessen, seit er gekommen war. Aber es wäre wohl kaum zielführend, ihn einfach zu ignorieren.

„Seltsam? Inwiefern?“ Sie stieg noch einmal auf den Stuhl, um den Rahmen ein letztes Mal zu verrücken.

„Überraschend … besorgniserregend. Ich weiß nicht so recht, wie ich darauf reagieren soll.“ Ich trat an die Anrichte und nahm den elfenbeinfarbenen Briefbogen aus meinem Postkorb. Mittig oben prangte ein dreifarbiger Briefkopf auf dem Papier: Windward, Alaska.

Katie ließ sich in den Ledersessel neben der offenen Balkontür sinken und begann zu lesen. Ihr war genau anzusehen, wann sie den Inhalt voll aufgenommen hatte. „Ernsthaft?“ Sie sah zu mir auf, ihre Augen weit aufgerissen.

„Ich habe mich nicht auf die Stelle beworben“, sagte ich. „Ich versteh nicht mal, wie sie von mir erfahren konnten.“

„Du hast deine Doktorarbeit veröffentlicht, und die Abschlusszeremonie wurde live im Internet übertragen. Du bist wohl kaum eine verdeckte Stadtplanerin.“

Sie las sich die Projektbeschreibung durch: Ich sollte einen Gebäudekomplex für Kunst und Kultur entwerfen. Einen Ort, an dem die schönen Künste unterrichtet und Ausstellungen abgehalten werden konnten, und an dem es außerdem Einkaufs- und Freizeitangebote gab. Und das alles in der drittgrößten Stadt Alaskas.

Ich setzte mich aufs Sofa und nahm mir mein Weinglas vom Beistelltisch zwischen uns. Der Job wäre ein absoluter Traum, daran bestand kein Zweifel. Und ich machte mir auch nichts vor: Unter normalen Umständen hätte man ihn mir niemals angeboten, ehe ich nicht zehn Jahre Erfahrung gesammelt hatte. Aber eine Sache qualifizierte mich mehr als alle anderen Kandidaten: Ich stammte aus Alaska.

„Aber …“ Katie sah konsterniert zu mir auf. „Du sagtest doch …“

„Dass ich nie wieder nach Hause zurückkehren würde“, beendete ich ihren Satz. Und dieser Vorsatz galt immer noch. Ich hatte nicht vor, mich jemals auch nur in die Nähe von Alaska zu begeben.

„Dann wartest du also lieber weitere Angebote ab“, sagte sie und sah zu meinem Diplom. „Ich meine, jetzt hast du ja schon dekoriert und alles.“

Ich könnte noch weitere Angebote abwarten. Das sollte ich sogar. Das würde ich.

„Oder du könntest noch mal über den Job in Tucson nachdenken“, sagte Katie.

„Neue Wohngebiete planen?“ Bei dem Gedanken zog ich automatisch eine Grimasse.

„Die Bezahlung ist super. Und das Wetter dort ist echt gut.“

Ich lehnte den Kopf an die Sofalehne, schloss die Augen und schnarchte laut, um meine Einstellung dazu zu untermalen.

„Und Reno?“, fragte Katie. „Dann könntest du an den Wochenenden herkommen, um mich zu besuchen.“

Ich hob den Kopf. „Und in der Zwischenzeit darf ich mir überlegen, wie man Hotels und Kasinos ins Stadtkonzept integrieren könnte?“ Diesmal schüttelte ich mich. „Nein, danke.“

„Jetzt sag mir bloß nicht, du willst in die Florida Keys. Da unten gibt’s Schlangen und Alligatoren und lauter andere gruselige Kriechtiere. Ich fürchte, da kämst du nicht lebend wieder raus.“

„Na ja, in Alaska gibt es Bären.“

Katie setzte sich auf. „Dann denkst du also doch über Alaska nach?“

„Ich habe bloß gesagt, dass es dort Bären gibt. Klingt das so, als würde ich darüber nachdenken?“

„Ist ja nicht so, als würden die Bären einfach so durch die Stadt spazieren.“

„In Windward schon.“ Vor Grizzlybären musste man sich in ganz Alaska vorsehen. „Weißt du noch, wie sie dir in der Grundschule beigebracht haben, nicht mit Fremden mitzugehen? Tja, uns haben sie beigebracht, nicht mit Bären mitzugehen.“

Katie nahm einen großen Schluck aus ihrem Weinglas, leerte es und stand auf. „Dann sind dir Schlangen also lieber?“

„Nein. Vor Schlangen habe ich eine riesige Angst. Und Alligatoren sind dafür bekannt, dass sie manchmal Menschen fressen. Bären wollen bloß, dass man sie in Ruhe lässt. Großer Unterschied.“

„Da werden die Kasinos gleich viel ansprechender, oder?“

„Ich habe keine Lust, irgendwelche protzigen Kasinos zu entwerfen.“

Sie füllte sich in der Küche Wein nach und hielt mir dann die Flasche hin.

„Gern.“ Ich hob mein Glas. „So oder so muss ich mich bei allen zurückmelden.“

Ich könnte die Angebote allesamt ablehnen und noch einen Monat in Kalifornien bleiben, in der Hoffnung auf etwas Besseres. Geld war kein Problem. Aber ich wollte endlich loslegen. Jetzt, wo ich meine Doktorarbeit verteidigt und offiziell meinen Abschluss gemacht hatte, wollte ich endlich mit dem Rest meines Lebens beginnen.

„Meiner Erfahrung nach ist Alkohol immer sehr hilfreich, wenn man wichtige Entscheidungen treffen muss“, witzelte Katie und kam mit der Flasche zu mir. „Das schärft den Verstand, bringt die Synapsen so richtig auf Touren.“

Ich hob mein Glas, damit sie mir einschenken konnte. „Auf schnell schaltende Synapsen.“

„Cheers.“ Katie setzte sich wieder.

„Reno ist raus“, sagte ich, auch wenn es mir wirklich gefallen hätte, weiterhin in Katies Nähe zu wohnen.

„Wenn du dich für die Keys entscheidest, handelst du dir damit bloß ständige Albträume ein. Und mir auch, weil ich mir dann dauernd Sorgen um dich machen würde.“

„Aber wenn ich in Tucson Suburbs entwerfen muss, gehe ich schon nach ein paar Wochen die Wände hoch.“

Nachdenklich nippte Katie an ihrem Glas. „Dir ist schon klar, was da gerade passiert ist, oder?“

Ich hatte sämtliche Alternativen ausgeschlossen. Beherzt trank ich einen Schluck Wein.

„Klingt ganz so, als würdest du nach Alaska ziehen.“

„Mein äußerst erfolgreicher Vater lebt in Alaska. Genau wie mein ebenso erfolgreicher Onkel.“ Beim Gedanken an meine Kindheit in der Cambridge-Villa stöhnte ich auf. „All diese erdrückenden Erwartungen sind in Alaska.“

„Na ja … Wie weit ist es denn von Windward nach Anchorage?“

„Nicht weit genug.“

„Aber es gibt keine direkte Verbindung, oder?“

„Meine Brüder haben beide Firmenjets.“

„Woher sollten sie denn erfahren, dass du überhaupt dort bist? Lassen sie dich etwa beschatten? Haben sie dir einen Chip implantiert, anhand dessen sie jederzeit deinen Standort abfragen können?“

„Mein Onkel Braxton wird eine Erschütterung der Macht spüren.“

Katie lachte.

„Du lachst“, sagte ich sarkastisch, meine Miene blieb düster.

„Ja, weil du witzig bist.“

„Onkel Braxton hat ein unheimliches Gespür dafür, was wo los ist.“

„Kann dein Onkel Braxton etwa hellsehen?“

Ich schwenkte mein Glas. „Mein Onkel Braxton ist ein Intrigant. Genau wie mein Vater. Sie haben mich schon vor Jahren ins Auge gefasst. Anscheinend halten sie mich für einen potenziellen Gewinn für die Familiendynastie.“

„Du bist doch erst siebenundzwanzig.“

„Ich weiß.“

„Sie können dich zu nichts zwingen, was du nicht willst.“

„Das weiß ich ebenfalls.“

Ich konnte immer noch Nein sagen. Das hatte ich in der Vergangenheit bereits getan. Aber das änderte nichts an den Schuldgefühlen. Die würden mich zwingend überkommen, wenn ich ein Angebot ausschlug, das zum Wohle der Familie wäre. Ich beugte mich vor und nahm den Brief vom Tisch, um den vierten Abschnitt erneut zu lesen.

Katie meldete sich zu Wort, ehe ich damit fertig war. „Ich könnte ja als dein Wingman … Wingperson fungieren.“ Sie summte nachdenklich. „Das klingt irgendwie nicht richtig.“

„Meine Wingperson wobei? Gehen wir etwa aus?“

„Ich könnte dich nach Alaska begleiten.“

Verdutzt sah ich sie an und suchte nach einer lustigen Erwiderung. Das sollte doch bestimmt nur ein Witz sein. Oder?

„Ich meine es ernst“, sagte sie. „Die Kurse fangen erst im September wieder an. Und die Vorbereitungen dafür kann ich überall treffen.“

„Dann willst du also zwischen mir und meiner Familie vermitteln?“

„Oder ich verteidige dich vor den Bären. Denk an die Bären.“

„Nichts für ungut, Katie. Ich hätte dich wirklich gern bei mir, wohin es mich auch verschlägt. Du bist die beste Freundin, die ich je hatte, aber es würde nicht helfen. Mein Dad und mein Onkel sind beide die reinste Naturgewalt.“

„Das bin ich auch. Oder hast du meinen Doktortitel in Astronomie etwa schon wieder vergessen? Der hängt bei mir an der Wand. Und ich sag dir eins: Keine Naturgewalt ist stärker als die Kraft eines schwarzen Lochs.“ Sie stach mit dem Finger in die Luft, um ihre Worte zu unterstreichen. „Ich habe diese Dinger studiert. Ich weiß alles, was die Menschheit je über sie herausgefunden hat: über Gravitationskollaps, die Aufnahme interstellaren Gases und aktive galaktische Kerne.“

„Sie saugen einfach allem die Energie aus, das ihnen nahe kommt, oder?“

Angesichts dieser stark vereinfachten Zusammenfassung verzog sie das Gesicht. „Auf einer astronomischen Ebene, ja … an sich schon.“

„Dann hast du meinen Dad, Xavier, und Onkel Braxton perfekt beschrieben.“

Verwirrt schaute Katie mich an. „Ich weiß nicht, was du meinst. Also, fliegen wir jetzt nach Alaska oder nicht?“

Die Luft war warm und sauber, als wir nachmittags aus dem Flugzeug stiegen und auf die Landebahn des Flughafens in Windward, Alaska traten.

„Riechst du das?“, fragte Katie erstaunt.

„Was denn?“ Ich roch nur die Flugzeugabgase, aber sonst nichts Besonderes.

„Nichts! Die Luft ist absolut rein, wie kleine Champagnerbläschen. Meine Lungen können es kaum fassen.“

„Champagnerbläschen bestehen aus Karbondioxid. Und du behauptest, Wissenschaftlerin zu sein?“

Katie hakte sich bei mir unter. „Du hast mir nicht gesagt, dass es in Alaska so gut riecht.“

„Hier oben gibt es nun mal keine großen Fabriken.“ Ich tat es Katie nach und atmete tief ein. „Im Westen liegt ein riesiger Ozean und im Osten Nordkanada – da gibt’s auch kaum Industrieemissionen. Bleiben nur die drei Nationalparks im Norden, und dafür gilt dasselbe.“

Wir traten in das Terminal. Seit meinem letzten Besuch war renoviert worden, aber die Halle war wesentlich kleiner als die in Anchorage.

Katie wirbelte im Kreis herum. „Es ist genauso, wie ich es mir vorgestellt habe.“

„Du hast dir vorher ja auch Fotos angesehen.“

„Schon, aber man weiß erst, wie sich ein Ort anfühlt, wenn man ihn selbst betritt. Und hier fühlt es sich genauso an wie ich dachte.“

In beide Richtungen gingen Menschen an uns vorbei, die meisten von ihnen in Arbeits- oder Wanderkleidung. Windward rühmte sich damit, wie unabhängig und bescheiden es doch war. Eigenschaften, die auf die meisten Leute aus Alaska zutrafen.

Auf dem Weg zur Gepäckausgabe – nur ein Laufband, da mussten wir nicht lang suchen – fiel mir ein Bild an der Wand auf. Kein Wunder, denn es war absolut riesig. Eindeutig eine Widmung, womöglich als Dank für die Renovierungen. Kongressabgeordneter Joe Breckenridge lächelte wissend auf mich hinab, und prompt überkam mich ein Gefühl der Beklemmung. Ich sagte mir, dass es nur ein Foto war. Der echte Joe Breckenridge war weit weg, am anderen Ende des Kontinents in D. C. Dort verbrachte er die meiste Zeit, den Rest in Anchorage und Fairbanks, wo der Großteil seiner Wähler lebte. Trotzdem konnte ich das Gefühl nicht abschütteln, dass die Wände näherkamen.

„Das ging ja schnell“, sagte Katie, als sie ihren kleinen Koffer entdeckte. „Deiner ist auch hier“, rief sie über ihre Schulter hinweg.

Genau wie die restlichen Passagiere aus Windward schlenderte ich durch die Halle. Wir hatten es schließlich nicht eilig.

„Wie kommen wir zum Hotel?“, fragte Katie, unsere Taschen zu unseren Füßen.

„Zum Redrock gibt’s einen Shuttle.“ Ich zeigte zum Ausgang, der nur wenige Schritte entfernt war. Und tatsächlich: Kaum öffneten sich die Glastüren, tauchte auch schon der Shuttle zum Redrock Hotel am Bordstein auf.

Der Fahrer kam auf uns zu, in einfache schwarze Jeans und einem goldenen Hemd mit dem Hotel-Logo gekleidet. „Adeline?“, fragte er.

„Man kennt dich hier?“, flüsterte Katie mir aufgeregt ins Ohr.

„Das bin ich“, sagte ich zu dem Fahrer. Katie flüsterte ich zu: „Mein Name steht auf der Reservierungsliste.“

„Hallo, ich bin Jackson. Willkommen in Windward.“ Er schüttelte uns die Hände, ehe er uns die Koffer abnahm. „Wollen Sie die Rucksäcke mit in den Bus nehmen?“

„Ja.“ Mein Portemonnaie und mein Handy waren darin.

„Na dann steigen Sie schon mal ein.“ Er brachte die Koffer zum hinteren Ende des Shuttles.

„Das ist ja genial“, sagte Katie auf dem Weg zur Tür. „Wir mussten gar nicht warten.“

„Du bist gerade echt leicht zu begeistern, oder?“

„Hey, in L.A. wären wir in der Zeit noch nicht mal aus dem Flugzeug gestiegen.“

Wir setzten uns in den Bus.

„Klein bedeutet auch schnell“, sagte ich. „Manchmal zumindest. Manchmal bedeutet abgelegen auch automatisch langsam. Und oft bedeutet die Tatsache, dass es ‚keinen Grund zur Eile‘ gibt, dass es ewig dauert.“

Katie lachte. „Bisher gefällt’s mir.“

„Du bist ja auch erst fünf Minuten hier.“

Der Fahrer stieg ein und schloss die Türen.

„Und schon sind wir auf dem Weg zum Hotel. Das nenne ich mal Service.“ Sie sah aus dem Fenster. „Ich liebe die Berge. Sieh dir nur all die Bäume an.“

„Das ist der Küstenregenwald.“ Ich kam mir vor wie eine Touristenführerin, aber das machte mir nichts aus.

„Und oben auf den Bergen liegt sogar Schnee!“

Die Frau vor uns drehte sich leicht zu uns um, offenbar amüsiert über Katies Reaktion.

„Das ist ein Gletscher“, sagte ich. „Die Berge sind über dreitausend Fuß hoch.“

„Dann schmilzt der also nie.“

„Genau.“

Katie lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, während der Bus den Evergreen Drive entlang der Küste hinunter fuhr. „Ein richtiges Abenteuer!“

„Eher eine Zeitreise.“ Unwillkürlich dachte ich wieder zurück an das Bild von Joe Breckenridge im Terminal. Das letzte Mal hatte ich ihn in Anchorage gesehen, bei einem Familientreffen. Er hatte mich mit seinen braunen Augen so warm angesehen, so suchend, als versuchte er, mich zu durchschauen, ohne mich zu verschrecken. Doch er konnte mich nicht enträtseln – und ich hatte absolut kein Interesse an ihm. Ich war auf der Hut gewesen, weil ich wusste, was Sache war: Er wollte nicht herausfinden, ob ich klug oder witzig war, oder ob wir die gleichen Ansichten teilten. Er wollte bloß wissen, ob ich genauso war wie mein Dad und mein Onkel. Ob er mich für seine Sache ins Boot holen konnte, weil ich ebenfalls im Interesse des Familienunternehmens handelte, und damit auch im Interesse seiner politischen Karriere.

Mein Vater Xavier und sein Bruder Braxton waren gut mit Joes Vater befreundet, und hatten Joes Kandidatur daher von Anfang an unterstützt. Sie priesen ihn gegenüber all ihren Kontakten an, seien sie nun geschäftlicher oder privater Natur, und sicherten ihm damit den Sieg. Nach der Wahl hatte er sie dann zum Dank dabei unterstützt, Staatsgelder für ein Seekabel zu sammeln. So wollten sie die Firma, Kodiak Communications, an den europäischen Datentransfer anschließen.

Anschließend hatten sie dann mich ins Auge gefasst: Joe brauchte eine alaskische Braut aus einer angesehenen Familie – und die Cambridges brauchten die Verbindung zu einem aufsteigenden Politiker. Das Arrangement wäre für alle Beteiligten von Vorteil gewesen. Zu schade also, dass die Braut nicht mitgespielt hatte.

„Deine Familie ist am anderen Ufer des Golfs von Alaska“, beruhigte mich Katie.

„Kodiak Communications hat auch eine Anlage in Windward.“

„Kommen deine Brüder denn je dorthin?“

„Nein, fast nie. Und die Kodiak-Büros liegen außerhalb der Stadt.“

„Na siehst du“, sagte sie, als sei das damit geklärt.

Es sollte eigentlich möglich sein, meine Anwesenheit in der Stadt zu verheimlichen. Andernfalls hätte ich den Job auf keinen Fall in Erwägung gezogen. Ich hatte schon morgen früh das Bewerbungsgespräch.

Der Shuttle-Bus hielt vor dem Eingang des Redrock Hotels, wir stiegen aus und gaben dem Fahrer Trinkgeld, während ein Page unsere Taschen nahm.

An der Rezeption angekommen, empfing uns eine Frau namens Shannon. „Möchten Sie einchecken?“

„Ja“, sagte ich. „Mein Name ist Adeline …“ Mein Blick blieb an einem Fernsehbildschirm in der Lobby hängen: Darauf war Joe in Holzfällerhemd und Stetson zu sehen. Nicht schon wieder! Allmählich überkam mich das Gefühl, von ihm verfolgt zu werden.

„Ma’am?“, fragte Shannon.

„Cambridge“, antwortete Katie an meiner Stelle.

„Sie haben drei Nächte bei uns gebucht.“ Shannons Stimme klang plötzlich unheimlich weit weg.

Ich konnte bloß weiter Joe Breckenridge auf dem Fernseher anstarren. Er ging zusammen mit Gouverneur Harland über ein Feld. Zu ihren Füßen wurde in gelben Lettern eine Nachricht eingeblendet: ‚Meet and Greet, heute Abend. Kongressabgeordneter Breckenridge besucht Bürgerversammlung in Windward‘.

„Das ist doch wohl ein Witz“, murmelte ich.

„Ist das nicht korrekt?“

Katie stieß mich mit dem Ellbogen an.

Schnell wandte ich mich wieder dem Gespräch zu.

„Sie reisen doch am dreiundzwanzigsten wieder ab, oder?“, fragte Shannon.

„Ja, das stimmt.“ Ich zog das Portemonnaie aus der Tasche und reichte ihr meine Kreditkarte.

„Was ist los?“, fragte Katie mich leise.

„Gibt es hier im Hotel auch einen Friseur?“, fragte ich Shannon.

„Ja, allerdings.“ Sie reichte mir eine Visitenkarte. „Geradeaus durch die Lobby und vorbei an den Fahrstühlen.“ Lächelnd zog Shannon meine Kreditkarte durch das Lesegerät. „Er hat von neun bis achtzehn Uhr geöffnet.“

„Willst du dich etwa für das Interview herausputzen?“, fragte Katie.

„Ich denke ernsthaft darüber nach.“

„Geht es dabei um ein Bewerbungsgespräch?“, fragte Shannon.

„Ja“, antwortete Katie.

„Dann wünsche ich Ihnen viel Glück.“ Shannon gab mir meine Kreditkarte zurück. „Ich hoffe, Sie bleiben noch lange in Windward.“

Ich war mir noch nicht so sicher, ob ich das wollte. Das Projekt klang wirklich spannend, aber die damit verbundenen Risiken wurden mir mit jeder Sekunde schmerzlicher bewusst. Ich hätte es wirklich nicht ertragen können, irgendwann Joe über den Weg zu laufen oder von einem Kodiak-Angestellten erkannt zu werden.

„Du siehst aus wie ein ganz anderer Mensch.“ Katie musterte mich über den Tisch hinweg. Wir saßen im rustikalen Steelhead-Restaurant, das direkt an die Lobby des Redrock anschloss. Wir hatten uns Lachs-Zitronensalate bestellt, gepaart mit einem kalifornischen Chardonnay.

Ich war noch nicht ganz überzeugt von meiner neuen Frisur. Aber ich fand sie auch nicht schrecklich. Zum ersten Mal in meinem Leben war mein Haar nicht mehr kastanienbraun, sondern blond.

„Sehr gewagt“, sagte Katie und lehnte sich zur Seite.

Ich drehte den Kopf, damit sie mehr sehen konnte, und schob eine Hand in die kurzen Strähnen an meinem Hinterkopf. Der freche Kurzhaarschnitt war hinten leicht stachelig, während vorn ein Pony meine Stirn bedeckte.

„Ich kann sie ja einfach wieder wachsen lassen“, sagte ich unsicher.

„Das könnte ein wenig dauern. Und was soll die Brille? Willst du damit verhindern, dass man dich für die klischeehafte dumme Blondine hält?“

Die Brille war bloß ein weiterer Weg, mein Aussehen zu verändern. „Du bist blond.“

„Ja, und manchmal denke ich wirklich, ich sollte mir die Haare besser braun färben, damit die Leute mich ernst nehmen.“

„Das tun sie doch längst.“ Katie war ein wahres Genie. Und das wussten alle an der Cal State. Deswegen war ihr auch gleich nach ihrem Abschluss eine Professur angeboten worden.

„An der Cal State schon.“ Sie lachte verbittert. „Aber die Brille steht dir echt.“

Ich rückte die Brille auf meiner Nase zurecht. Es würde ein Weilchen dauern, bis ich mich daran gewöhnt hatte, sie den ganzen Tag zu tragen.

„Ist auf jeden Fall eine gute Verkleidung“, sagte Katie, während der Kellner uns den Wein brachte.

„Meinst du wirklich?“ Ich setzte mich in Pose.

„Ich erkenne dich kaum wieder.“ Sie nippte an ihrem Wein, und ich tat es ihr gleich.

„Adeline?“, ertönte eine tiefe männliche Stimme.

Prompt lief mir ein Schauer über den Rücken; ich wusste sofort, wer es war.

„Du bist ja in Windward“, sagte Joe überflüssigerweise, während drei Männer in Anzügen, die offenbar mit ihm hier waren, sich zu uns gesellten.

Sofort bereute ich den neuen Haarschnitt. „Hallo, Joe.“

Heute trug er einen Anzug statt eines Cowboy-Outfits. Er sah kurz fragend zu Katie, höflich wie immer; schließlich könnte sie eine potenzielle Wählerin sein.

„Dr. Katie Tambour, das ist Kongressabgeordneter Joe Breckenridge.“

Katie grinste, als ich ihren Titel nannte. Sie nickte ihm zu. „Kongressabgeordneter.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Katie. Leben Sie hier in Alaska?“

„Nein, in Kalifornien“, erwiderte Katie. „Adeline und ich haben zusammen studiert.“

Joe wandte sich wieder an mich. „Machst du hier Urlaub?“

Ich antwortete vage. „Wir verbringen ein paar Nächte hier im Hotel.“

„Und dann geht es weiter nach Anchorage?“

„Nein, diesmal reise ich nur mit meiner guten Freundin Katie.“ Die Antwort schien ihn nicht zufriedenzustellen, doch ich hütete mich, noch etwas hinzuzufügen. Er schaute kurz zu seinen Begleitern; sie hatten sich mittlerweile an einen Tisch gesetzt. „Lass dich von uns nicht weiter aufhalten“, sagte ich.

Er runzelte kurz und beinah unmerklich die Stirn. „Ihr seid beide herzlich zu der Bürgerversammlung im Rathaus morgen eingeladen“, sagte er. Geschmeidig zog er eine Visitenkarte aus der Brusttasche und legte sie auf den Tisch. „Meldet euch gern, falls ich sonst noch etwas für euch tun kann.“

Katie nahm die Karte. „Danke.“

Mit einem Nicken ging er davon.

Katie beugte sich vor, kaum dass er außer Hörweite war. „Kongressabgeordneter? Nicht schlecht, Herr Specht. Wieso hast du mir nie erzählt, dass du so gute Kontakte in Alaska hast?“

Ich stöhnte frustriert.

Sie blinzelte. „Was?“

„Das ist er.“

„Wer?“

„Der Kerl.“

„Welcher Kerl?“ Katie hob die Augenbrauen und sah zu seinem Tisch hinüber.

„Lass das“, sagte ich schnippisch.

„Was denn?“ Schnell wandte sie sich wieder zu mir um.

„Ich hab dir doch erzählt, dass mein Dad mich mit einem Typen aus Alaska verkuppeln wollte.“

„Ach ja?“

„Ja! Weißt du noch, als wir im Park waren, in diesem Café am Fluss? Nachdem du mit Andrew Schluss gemacht hattest?“

„Na ja, Andrew war auch einfach ein Schuss in den Ofen.“

„Ich weiß. Und an dem Tag haben wir uns über männliche Lokalgewächse unterhalten.“

„Aber du hast doch gesagt …“ Sie dachte kurz nach. „Dann hatte dein Dad also einen ganz bestimmten Kerl im Sinn?“

Ich nickte.

Erneut wanderte ihr Blick zu Joe.

„Lass das …“

„Er sitzt mit dem Rücken zu uns. Dein Dad hat dir einen Kongressabgeordneten ausgesucht?“

Ich zog eine Grimasse. Warum hatte das Schicksal Joe bloß ausgerechnet jetzt in diese Stadt befördert?

„Wow“, sagte Katie. „Dein Dad hat ja hehre Ziele.“

„Kommt ganz auf die Perspektive an.“

„Aha?“

„Er ist Politiker!“ Ich hatte eine sehr gefestigte Meinung über die Moral und Beweggründe von Politikern, und Joe hatte mich nie vom Gegenteil überzeugt.

„Er ist groß, gut aussehend und erfolgreich“, konterte Katie. „Und er wirkte eben sehr freundlich.“

„Auf wessen Seite stehst du eigentlich?“

„Auf deiner. Immer nur auf deiner. Ich verstehe nur nicht, was dir an dem Kerl nicht gefällt.“

„Wie wäre es damit: Er ist einen Deal eingegangen, mich zu heiraten.“

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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