Unwiderstehliches Begehren

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Smart, elegant und unwiderstehlich selbstbewusst! Als Layla auf der Suche nach ihrer besten Freundin in einem Luxushotel in Las Vegas dem verboten attraktiven Max Kendrick begegnet, glaubt sie zu träumen. So muss sich Liebe auf den ersten Blick anfühlen - daran hat sie keinen Zweifel! In seiner glamourösen Penthouse-Suite verwöhnt Max sie mit prickelnden Küssen und gibt ihr das Gefühl, für ihn die aufregendste Frau der Welt zu sein. Doch am nächsten Morgen erlebt Layla eine böse Überraschung …


  • Erscheinungstag 12.05.2020
  • Bandnummer 2133
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726188
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Dürfte ich mir eine Schwester aussuchen, würde ich Brooklyn wählen.

Sie bringt mich zum Lachen.

Und noch besser: Sie bringt mich zum Nachdenken. Wenn es in der Vergangenheit schlecht lief – und das tat es oft –, dann legte sie sich zu mir auf mein blaues Sofa und hörte mir stundenlang zu. Sie wusste immer, was half: Anfangs war es meist Eiscreme, später manchmal auch Tequila.

Sie war intelligent. Schon in der Grundschule hatte sie immer nur die besten Noten gehabt. Ich dagegen war eher eine Zweier-Schülerin. Aber ich konnte gut zuhören. Und ich konnte Brooklyns langes blondes Haar zu einem französischen Zopf flechten.

Seit unserer Kindheit verbrachten wir die Sommer am Strand von Lake Washington. Zuerst hatten es uns die Schaukeln und der Kletterwald angetan. Später schwammen wir zu dem kleinen Ponton im Schwimmerbereich, sprangen von dort aus ins Wasser und ließen uns nach dem Baden auf unseren Handtüchern von der Sonne trocknen. Als Teenager hingen wir gern an der Snackbar herum, flirteten mit den Jungen und brachten sie dazu, uns Milchshakes zu spendieren.

Ich hatte keine Gelegenheit, mir eine Schwester auszusuchen, aber Brooklyn sollte dennoch ein Teil meiner Familie werden.

In zwei Wochen würde sie meinen großen Bruder James heiraten.

„Ich kann die Golden Gate Bridge sehen“, verkündete Sophie Crush vom Beifahrersitz des Taxis aus.

Ich saß auf dem Rücksitz, eingequetscht zwischen Brooklyn und Nat Remington. Das hatte man davon, wenn man unbedingt einen Hybrid-Wagen haben wollte!

„Glaubt ihr, dass wir von unseren Zimmern aus einen schönen Ausblick haben?“, überlegte Nat laut.

„Ich hätte gern einen Ausblick auf den Whirlpool.“ Brooklyn seufzte. „Ich meine, aus dem Whirlpool heraus.“

„Dein Wort in Gottes Ohr!“, pflichtete ich ihr bei.

Ich freute mich auf eine Hot-Stone-Massage. Einmal hatte ich dieses Vergnügen bisher gehabt und hätte es nur zu gern wiederholt.

„Ich möchte eine Pediküre“, sagte Sophie.

„Und ich eine Gesichtsmaske.“ Das kam von Nat.

„Ich will in die Sauna.“ Das war Brooklyns nächster Wunsch.

„Ich spüre schon, wie sich meine Muskeln entspannen“, meinte ich seufzend.

Ein Besuch in der Sauna war eine gute Idee. Eine Gesichtsmaske auch. Schließlich war ich Trauzeugin und wollte so gut wie möglich aussehen.

Im Gegensatz zu anderen Bräuten – egoistischeren Bräuten, die selbst am besten aussehen wollten – hatte Brooklyn wunderschöne Kleider für ihre Brautjungfern ausgesucht. Sie waren knielang, schulterfrei und hatten eng anliegende Oberteile aus azurblauem Chiffon, der zum Saum hin heller wurde.

Der Ton meines rotbraunen Haars war immer schwierig zu kombinieren, aber in diesem Fall passte er. Für eine Singlefrau von sechsundzwanzig Jahren war eine Hochzeit eine gute Gelegenheit, neue Männer kennenzulernen.

Diesmal war ich jedoch im Nachteil, weil die Hälfte der Gäste meine eigenen Verwandten waren. Brooklyns Freunde und Verwandte hatte ich im Laufe der Jahre auch schon alle kennengelernt. Aber vielleicht gab es ja noch den einen oder anderen bisher unentdeckten entfernten sexy Cousin im passenden Alter. Eine Frau sollte keine Chance ungenutzt lassen.

Das Taxi hielt vor einer Glastür inmitten einer riesigen Fensterfront, die einen Blick in die Lobby gewährte. An einer Marmorsäule war in goldenen Buchstaben der Name des Hotels angebracht: The Archway Hotel and Spa.

Drei Männer in stahlgrauen kurzärmligen Uniformjacken rissen gleichzeitig die Wagentüren auf.

„Willkommen im Archway“, sagte einer von ihnen zu Brooklyn. Kurz verweilte sein Blick bei ihren blauen Augen, bevor er sich mir zuwandte.

Er hatte ein freundliches Lächeln. Überhaupt war er süß, aber mein Interesse hielt sich in Grenzen. Nicht, dass ich etwas gegen Hotelbedienstete gehabt hätte. Wahrscheinlich machte er den Job nur, um sein Studium zu finanzieren. Oder aber er lebte gern in der Nähe des Strandes und schätzte flexible Arbeitszeiten.

Er reichte mir seine Hand. Sie war kräftig, leicht schwielig und unverkennbar gebräunt. Vielleicht war er ein Surfer.

Ich bin kein Snob, was Berufe angeht. Selbst bin ich Mathematiklehrerin an einer Highschool, und das ist nun wirklich kein prestigeträchtiger Job. Ich bin offen für Menschen aus allen Bereichen.

Er hatte schöne braune Augen, ein kräftiges Kinn und ein strahlendes Lächeln.

Ich verließ den Wagen, und er trat einen Schritt zurück.

„Wir kümmern uns um das Gepäck“, versicherte er mir und ließ seinen Blick dabei etwas länger als nötig auf mir verweilen.

Ich brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er auf ein Trinkgeld wartete.

Fast hätte ich laut über mich selbst gelacht. Er flirtete nicht mit mir – zumindest nicht in romantischer Absicht. Vermutlich verhielt er sich gegenüber jedem ankommenden Gast des Hotels so. Wahrscheinlich finanzierte er damit sein neues Surfbrett.

Ich kramte in meiner Tasche nach einem Fünfdollarschein und reichte ihn dem Mann. Dabei rief ich mir in Erinnerung, dass dies ein reines Verwöhnwochenende sein sollte, bei dem Geld keine Rolle spielte. Die perfekte Schwägerin bekam man schließlich nur ein Mal im Leben.

Zwei Pagen brachten unser Gepäck in die Lobby, und wir folgten ihnen.

„Wir könnten uns männliche Stripper ansehen“, schlug Nat vor.

Leicht angewidert verzog Brooklyn das Gesicht. „Kein Bedarf.“

Ich lächelte, denn ich wusste, dass Nat nur Spaß gemacht hatte. Wäre der Vorschlag von Sophie gekommen, hätte ich ihn schon ernster genommen.

„Sei nicht zu voreilig“, mischte Sophie sich prompt ein. „Was glaubst du, was James und die anderen gerade machen?“

„Du glaubst, sie sehen sich männliche Stripper an?“, fragte Brooklyn verblüfft, während wir uns an einer Fontäne vorbei zur Rezeption begaben.

„Nein, aber vielleicht Stripperinnen.“

Es gab keine Schlange. Drei Empfangsdamen schienen nur auf uns gewartet zu haben. Nett.

Brooklyn warf sich ihre Tasche über die Schulter. „Die Männer gönnen sich sicher einen Baseball-Abend.“

„Hinterher vielleicht“, beharrte Sophie.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass James zu einer Strip-Show ging – dafür war er einfach nicht der Typ –, aber Brooklyn hatte plötzlich einen ganz merkwürdigen Gesichtsausdruck, so als hielte sie es tatsächlich für möglich.

„Möchten Sie einchecken?“, erkundigte sich eine der jungen Rezeptionistinnen.

„Wir haben reserviert.“ Nat zog eine Kopie der Bestätigung aus ihrer Tasche.

Ich blieb mit Brooklyn etwas zurück und fragte sie leise: „Du machst dir doch keine Sorgen wegen James, oder?“

Brooklyn zuckte nur die Schultern und trat an die Rezeption. „Brauchen Sie meine Kreditkarte?“

„Nur zum Check-in“, sagte die Frau. „Wenn Sie das Hotel verlassen, kann jeder die Kosten für sich übernehmen, falls Sie es möchten.“

Ich trat zu Brooklyn und raunte ihr zu: „Ganz bestimmt sieht er sich keine Stripperin an.“ Ich verstand nicht, wie sie James so etwas zutrauen konnte.

Mein Bruder hatte einen Master in Wirtschaftswissenschaften und arbeitete bei einer der großen Beratungsfirmen in Seattle. Er sprach nur in ganzen Sätzen und wachte über seine Auftritte in den sozialen Netzwerken, als ginge es um die Zugangscodes für Nuklearwaffen. Niemals würde er sich in einem Striplokal sehen lassen. Das Risiko, dass jemand ihn dort sah und ein Foto von ihm online stellte, wäre ihm viel zu groß. Natürlich hatte er nichts gegen nackte Frauen, aber Tänzerinnen mussten ihn nicht interessieren, weil Brooklyn mit Abstand die schönste Frau weit und breit war.

Sie arbeitete als Einkäuferin für eine Modekette in Seattle, aber sie hätte auch ein Filmstar oder ein Supermodel sein können. Sollte James sich für eine andere Frau interessieren, konnte er nur eine schlechtere Wahl treffen.

„Was ist los?“, fragte ich sie.

Lächelnd sah sie mich an. „Was soll denn los sein?“

Es war etwas in ihrem Blick. Ich konnte es nicht benennen.

„Hat James irgendwas getan?“, fragte ich.

„Nein.“

„Bist du sauer auf ihn?“

„Nein.“

„Was ist es dann?“

„Nichts“, versicherte Brooklyn. „James ist perfekt. Und ich buche jetzt einen Termin im Spa.“ Sie griff nach einem Prospekt, der auf der Rezeption auslag.

„Ich kann Ihnen gern dabei helfen“, versicherte die junge Frau ihr, nachdem sie Nat die Kreditkarte zurückgegeben hatte.

„Vielleicht etwas mit Aromatherapie“, sagte Brooklyn.

Ihre Lässigkeit überzeugte mich nicht hundertprozentig, aber bei dem Gedanken an wohltuende heiße Steine, die langsam in meinen eingeölten Rücken gedrückt wurden, beschloss ich, dass alles andere warten konnte.

Nach der Massage, geduscht und umgezogen, entdeckte ich Sophie an der Bar in der Lounge. Im Hintergrund spielte ein Jazz-Trio, auf den kleinen Glastischen flackerten Kerzen. Die Sessel waren mit weißem Leder bezogen, und hinter der Bar zierte ein großes Glasmosaik die Wand.

Ich trug High Heels zu meinem silberfarbenen Cocktailkleid. Es tat gut, sich auf den Barhocker neben Sophie zu setzen und die Füße auszuruhen.

„Was trinkst du?“, fragte ich sie.

„Wodka Martini.“

Der Barkeeper näherte sich – auch so ein optischer Leckerbissen. „Darf ich Ihnen etwas bringen?“

Er lächelte freundlich und flirtete eindeutig mit mir. Er war attraktiv, vielleicht so um die dreißig und hatte intelligent dreinblickende graue Augen.

Natürlich hatte ich nichts gegen Barkeeper, schon gar nicht, wenn man sie bei ihrer Arbeit kennenlernte. Sie flirteten mit allen – so wie die jungen Männer am Eingang. Jede Arbeitsschicht war nur so erfolgreich wie die Höhe der Trinkgelder.

„Das Gleiche bitte.“ Ich deutete auf Sophies Glas.

Ich lächelte ihn an, hielt den Augenkontakt aber bewusst kurz, weil ich keine Lust hatte, mich den ganzen Abend über mit ihm zu unterhalten. Schließlich war ich mit meinen Freundinnen hier.

Auf der anderen Seite der Lounge entdeckte ich ein ausgesprochen attraktives Profil, das mich prompt ablenkte.

Der Mann war eindeutig weder ein Barkeeper noch sonst ein Mitarbeiter des Hotels. Und definitiv kein Lehrer, das war auch klar.

Sein perfekt geschnittener Anzug ließ einen perfekt gebauten Körper erahnen. Seine Frisur schien gewollt zerzaust – es war der Look, für den man ein Vermögen bezahlte: Er wirkte so, als wäre der Mann gerade erst aufgestanden und noch nicht dazu gekommen, sein Haar in Ordnung zu bringen.

Auch wenn der Look mich amüsierte, gefiel er mir.

Der Mann drehte den Kopf, und ich sah ihn von vorn. Mit seinem markanten Kinn und den leuchtend blauen Augen hätte er jedes Cover einer Modezeitschrift zieren können.

Er ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte, lächelte aber nicht. Ich spürte, wie ich rot wurde.

Dann war der Moment vorüber. Der Mann wandte sich ab und ging davon, als hätte es unseren Blickkontakt nie gegeben. Und vielleicht hatte er ja auch tatsächlich keinerlei Bedeutung. Vielleicht hatte der Typ mich überhaupt nicht angeschaut. Vielleicht lag es einfach an mir – in letzter Zeit brachte der Anblick eines attraktiven Mannes mich schnell durcheinander.

Im vergangenen Monat hatte ich einen Artikel gelesen, in dem es hieß, siebenundsechzig Prozent aller Frauen träfen ihren Ehemann, bevor sie das College abgeschlossen hatten. Also gehörte ich zum verbleibenden Bodensatz der übrigen dreiunddreißig Prozent.

Wenn man dann noch die einundzwanzig Prozent Frauen bedachte, die überhaupt nicht heirateten, waren meine Aussichten wirklich nicht rosig. Mir blieb gerade noch eine zwölfprozentige Chance, den Mann fürs Leben zu finden!

An die fünfzigprozentige Scheidungsrate durfte ich gar nicht erst denken, das war zu entmutigend.

„Erde an Layla!“ Sophie riss mich aus meinen düsteren Gedanken.

Dies sollte ein Mädels-Wochenende werden – kein Anlass, Trübsal zu blasen.

„Ist Brooklyn schon nach unten gekommen?“, wollte ich wissen und zwang mich, mich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

Brooklyn und ich teilten uns ein Zimmer. Sophie und Nat hatten ihr Zimmer eine Etage über uns. Wir hatten den legendären Ausblick auf die Brücke, während ihr Fenster auf das gegenüberliegende Gebäude ging. Zwar hatten wir angeboten, die Zimmer zu tauschen, aber der Ausblick schien im Moment niemandem wichtig zu sein.

Beide Zimmer verfügten über riesige Wannen, luxuriöse Duschen und Betten, in denen man wie auf Wolken zu schweben schien. Das war alles, was zählte.

„Ich habe sie noch nicht gesehen“, erklärte Sophie.

Suchend sah ich mich um, konnte sie aber auch nicht entdecken. „Ich habe acht Kissen auf meinem Bett.“

„Hast du sie gezählt?“

„Jedes einzelne.“

„Und? Hast du auch gleich die Wurzel gezogen?“ Sie lachte.

„Wenn ich noch das goldene Kissen des Sessels dazuzähle, ist die Quadratwurzel drei. Ich habe erwogen, noch die Formel anzuwenden …“

„Layla!“ Das war Brooklyns fröhliche Stimme, und ich spürte, wie meine zukünftige Schwägerin den Arm um meine Schultern legte. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr aus der Dusche.“

„Sie ist wirklich traumhaft.“ Das heiße Wasser, das einem endlos über den Körper rann, hatte etwas Sinnliches. Man fühlte sich rundum verwöhnt.

„Was trinkt ihr?“ Brooklyns Munterkeit wirkte etwas aufgesetzt.

„Wodka Martini“, erklärte Sophie. „Und du?“

„Ich habe mir in der Lobby einen Sunburst Bramble gegönnt, würde ihn aber nicht empfehlen.“

Sie trug ein kurzes, mauvefarbenes Kleid mit einem weiten Rock, der ihre Beine umspielte. Ihre High Heels waren silbrig-violett marmoriert. Wie immer wirkte sie topmodisch und gestylt.

Wie aus dem Nichts erschien der Barkeeper wieder. „Der Sunburst Bramble hat Ihnen nicht geschmeckt?“ Offensichtlich hatte er Brooklyns Bemerkung gehört. „Möchten Sie stattdessen etwas anderes?“

„Das ist ja wirklich ein nettes Angebot.“ Brooklyn nahm auf einem Hocker Platz.

Sofort schob der Barkeeper ihr eine schmale, in Leder gebundene Karte zu.

„Wie wär’s, wenn Sie was aussuchen?“ Sie schob die Karte ungeöffnet zurück und warf dabei ihr langes blondes Haar über die Schultern. „Etwas Süßeres vielleicht. Mit Erdbeeren oder etwas Irish Mist?“

Im Geiste verdrehte ich die Augen. Das war die Brooklyn, die uns den ganzen Sommer lang mit kostenlosen Milchshakes versorgt hatte. Aber die Brooklyn von damals war noch keine Braut gewesen, die bald vor den Altar treten sollte.

„Wie viele Drinks hast du schon gehabt?“, erkundigte ich mich vorsichtig. Hatte sie sich vielleicht die Zeit an der Bar vertrieben, während ich unter der Dusche gestanden hatte?

„Nur den einen. Aber ich gönne mir jetzt noch einen zweiten.“

Ich nahm mir vor, mir keine Sorgen mehr zu machen. Sie war in guter Stimmung, und das war gut so. Dies war schließlich ihr Wochenende. Ich wusste selbst nicht, wieso ich überall Probleme witterte.

Der Barkeeper brachte mir meinen Drink.

„Ich verschwinde mal kurz auf die Toilette“, sagte Brooklyn. „Wenn mein Drink kommt, lasst ihn für mich stehen.“

„Machen wir“, versicherte ich und sah ihr nach.

Ich beobachtete wenigstens drei Männer, deren Blicke Brooklyn durch die Lobby folgten. So war es immer bei ihr. Vermutlich bemerkte sie es nicht einmal mehr.

„Ich glaube, Nat hätte wirklich Lust darauf, sich ein paar Stripper anzusehen“, meinte Sophie.

„Das kann nicht sein!“, entfuhr es mir spontan.

Nat war von uns vieren die Prüdeste. Sie war wie James, nur als weibliche Ausgabe. In jeder Hinsicht eine Bibliothekarin.

„Ich glaube, sie wird uns bald ihr wahres Ich enthüllen.“

„Das wäre ja interessant.“

Nats Langzeitfreund hatte sich vor einigen Monaten von ihr getrennt, und ich wusste, dass sie seither keine Dates gehabt hatte. Die Trennung von Henry hatte ihrem Selbstbewusstsein einen ziemlichen Schlag versetzt.

Gut, Nat trug eine Brille. Aber es war eine süße Brille, genau wie die Sommersprossen auf ihren Wangen absolut süß waren. Ihr braunes Haar war vielleicht nicht sonderlich spektakulär, und sie war nicht so glamourös wie Brooklyn, aber sie hatte ein hübsches Lächeln, das ihre hellblauen Augen zum Strahlen brachte.

„Sie macht sich gerade an einen Mann heran.“ Mit einer Kopfbewegung deutete Sophie zu einem Tisch hinüber.

Ich folgte ihrem Blick.

Tatsächlich. Nat saß an einem Ecktisch und sprach mit einem Mann mit einer gut geschnittenen Anzugjacke und einem am Hals offen stehenden weißen Hemd. Er wirkte attraktiv, für meinen Geschmack allerdings nicht männlich genug. Aber ich war ja auch nicht Nat.

Plötzlich ertönte über uns ein Knall.

Ich duckte mich instinktiv, während mein Adrenalinspiegel in die Höhe schoss.

Mit einem Schlag wurde es dunkel. Einige unterdrückte Aufschreie waren zu hören.

Alle Gespräche waren verstummt.

„Wow!“ Vergeblich versuchte ich, irgendetwas zu erkennen.

„Was war das?“, fragte Sophie in die Dunkelheit hinein.

„Irgendwas ist kaputtgegangen.“

„Anzunehmen.“

Mittlerweile hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Ich sah die kleinen brennenden Kerzen auf den Tischen. Sie ließen einige Gesichter erkennen, die ihnen nah genug waren. In der Bucht sah man die Lichter der Schiffe und der Segelboote.

„Nur ein kleiner Stromausfall“, ertönte die muntere Stimme des Barkeepers. „Das kommt hin und wieder vor. Bleiben Sie sitzen, und genießen Sie die Stimmung. Ich bin sicher, das Licht geht bald wieder an.“

„Wenigstens müssen wir nicht auf unsere Drinks warten.“ Sophie nippte an ihrem Glas.

„Ich weiß nicht, ob Brooklyn uns so wiederfindet.“ Ich sah mich um, konnte aber außerhalb des schwachen Scheins der Kerzen nichts erkennen.

„Da bin ich!“ Nat kam zu uns und setzte sich auf den Hocker neben Sophie.

„Was ist mit dem Mann, mit dem du dich gerade unterhalten hast?“, erkundigte sich Sophie.

„Als das Licht ausging, hat er aufgeschrien wie ein kleines Mädchen.“

„Sehr enttäuschend“, befand ich.

Manchmal fragte ich mich, ob es überhaupt noch richtige Männer gab. Ich hatte eine Liste von Eigenschaften, die dazugehörten. Ich meine, keine lange Liste. Meist ging es um Integrität und Temperament. Zu schreien wie ein kleines Mädchen gehörte eindeutig nicht dazu.

„Also kein Typ, der dich vor einem Bären retten würde.“ Auch Sophie klang enttäuscht.

„Wer muss schon vor einem Bären gerettet werden?“ Nat klang amüsiert.

„Vielleicht beim Campen“, sagte Sophie.

„Du und campen?“ Nat klang fassungslos.

Sophie war die Managerin eines Fünf-Sterne-Restaurants und wohnte in einem Hochhaus im Stadtzentrum. Sie war definitiv nicht der Typ für ein Leben in der freien Natur.

„Ich nicht, aber du vielleicht“, erwiderte Sophie.

Nat verbrachte einige Zeit an der frischen Luft – zumindest auf ihrem Dachgarten.

„Dann wäre es eindeutig nicht der Richtige für mich.“ Nat warf einen vorsichtigen Blick über ihre Schulter.

In dem Moment wurde mir klar, dass ich mich nach nur fünf Minuten gefragt hatte, ob der Mann nicht vielleicht der Richtige für Nat sein könnte. Es wäre doch eine richtig romantische Geschichte gewesen – bei einem Mädels-Wochenende vor Brooklyns Hochzeit lernte Nat in San Francisco die Liebe ihres Lebens kennen.

Wir waren alle noch solo. Also, außer Brooklyn. Sophie, Nat und ich hatten bisher kein großes Glück mit Männern gehabt.

Gute Männer waren schwer zu finden. Ich konnte noch alle Macken meiner Dates der vergangenen sechs Monate aufzählen: zu laut, zu nerdig, zu intellektuell, zu launisch.

Mir war sehr wohl klar, was ich mit dieser Liste machte. Wenn ich mich auf die Männer konzentrierte, musste ich nicht über die Möglichkeit nachdenken, dass es vielleicht an mir lag – obwohl ich natürlich in meinem tiefsten Inneren wusste, dass es so war.

„Wo ist Brooklyn?“, erkundigte sich Nat.

„Auf der Toilette“, klärte ich sie auf.

Suchend ließ Sophie den Blick durch den Raum schweifen. „Sie sollte längst zurück sein. Ich hoffe, sie ist nicht in irgendeinem Fahrstuhl stecken geblieben.“

„Ich gehe sie mal suchen.“ Langsam ließ ich mich vom Hocker gleiten.

„Dann gehst du uns auch noch verloren“, warf Nat ein. „Oder du stolperst über irgendetwas und brichst dir das Fußgelenk.“

Meine Stilettos sahen schick aus, waren aber tatsächlich nicht das sicherste Schuhwerk. Nat hatte nicht ganz unrecht.

Also zog ich mein Smartphone aus der Tasche und schickte Brooklyn eine Nachricht. Dann setzte ich mich wieder und nippte an meinem Drink.

Wir starrten alle wie gebannt auf das Display meines Telefons, aber Brooklyn meldete sich nicht.

„Also steckt sie doch in einem Fahrstuhl fest“, schloss Nat daraus.

„Oder liegt im Krankenwagen.“ Sophie hatte gleich die schlimmsten Befürchtungen. „Ich wette, sie wollte im Dunkeln schnell zu uns zurück und hat sich dabei verletzt.“

„Das sagt man nicht mal im Scherz“, bemerkte ich. „Vergiss nicht: Es sind fünfhundert Leute zu ihrer Hochzeit eingeladen.“

„Und der Gang zum Altar von St. Fidelis ist lang“, bemerkte Nat. „Was, wenn sie sich ein Bein gebrochen hat?“

„Das wollen wir doch nicht hoffen!“ Ich seufzte.

Brooklyn mit einem gebrochenen Bein – das wäre die absolute Katastrophe.

Es dauerte eine halbe Stunde, bis das Licht wieder anging. Alle Gespräche verstummten für einen Moment, dann brandete Applaus auf.

Der Barkeeper machte sich wieder an die Arbeit, und die Serviererinnen suchten die Tische auf, um nach den Wünschen der Gäste zu fragen. Brooklyn war immer noch nicht von der Toilette zurückgekehrt. Ich sah zur Lobby hinüber, in der Hoffnung, sie dort zu erspähen.

„Da ist sie ja“, sagte Sophie neben mir.

„Wo?“ Ich war enttäuscht, dass ich sie nicht auch entdeckt hatte.

„In der Lobby, links. Sie spricht mit einem Mann.“

Ich beugte mich vor, konnte sie aber immer noch nicht entdecken.

„Ein scharfer Typ!“ Sophie war mit ihrem Urteil rasch bei der Hand.

Ich ließ mich vom Hocker gleiten, um mehr von der Lobby sehen zu können.

„Wow!“, sagten Sophie und Nat wie aus einem Munde.

„Was?“

Ich sah eine breite Hand auf Brooklyns Schulter. Spürte die Berührung fast schon selbst. Der Rest des Mannes blieb mir durch eine Mauer verborgen.

Sie lächelte, und die Hand verschwand.

Ich beugte mich weit vor, aber wer auch immer es war – er war zu schnell für mich.

„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“, empörte sich Sophie. „Wir drei sind solo, und sie findet im Dunkeln einen solchen Schatz?“

„Das Schicksal ist grausam“, befand auch Nat.

„Wie sah er denn aus?“, wollte ich wissen.

„Rattenscharf!“ Sophie seufzte hingerissen.

„Groß“, warf Nat ein.

„Groß und rattenscharf.“ Sophie nickte.

„Danke für diese detaillierte Beschreibung.“

Brooklyn kam zu uns.

„Wer war das denn?“, fragte Nat sofort.

„Kann ich ihn kennenlernen?“ Das kam von Sophie.

„Du hast keine Vorrechte an ihm“, wies Nat sie zurecht.

„Das wollen wir doch mal sehen …“

Als sie das Geplänkel hörte, schüttelte Brooklyn lächelnd den Kopf. Ihre Wangen waren gerötet, und ihre Augen glänzten.

„Was ist passiert?“, wollte ich wissen.

„Weißt du, wie er heißt?“, fragte Sophie unverblümt.

Erneut schüttelte Brooklyn den Kopf. „Damit kann ich nicht dienen.“

„Er hatte seine Hand auf deiner Schulter“, warf ich ein.

Aus meiner Perspektive hatte die Geste etwas Intimes an sich gehabt. Der Gedanke an diese kräftige gebräunte Hand auf Brooklyns Schulter ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.

Ich versuchte mir vorzustellen, was James dazu sagen würde, dass jemand Brooklyn derart berührte. Es würde ihm nicht gefallen, da war ich mir ziemlich sicher.

„Er hat sich nur verabschiedet“, erklärte Brooklyn.

„Was ist los mit dir?“, fragte mich Sophie.

„Wer legt denn einer fremden Frau einfach die Hand auf die Schulter?“, konterte ich.

„Wer nicht?“, lautete Sophies lakonische Antwort.

„Es ist ja nicht so, als hätte er mich geküsst“, warf Brooklyn ein.

Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich durch diese Bemerkung nicht besser.

„Er könnte mich küssen.“ Sophie seufzte schwärmerisch.

Plötzlich kam mir der Gedanke, dass Brooklyn den Mann vielleicht schon kannte. Das würde die Berührung erklären.

Aber falls das so war, wieso sagte sie es nicht einfach? War der Mann ein alter Bekannter? Ein Ex? Aber nein, sie hatte keinen Ex, von dem ich nichts wusste.

„Wir kommen zu spät zu unserem Abendessen!“, warf Nat ein.

„Ist mein Drink je gekommen?“, wollte Brooklyn wissen.

„Nein, ich glaube, deine Bestellung ist in der ganzen Aufregung untergegangen“, meinte Sophie.

Wie aufs Stichwort erschien in diesem Moment der Barkeeper. „Ich glaube, der wird Ihnen gefallen. Ich nenne ihn Eisige Welle.“

Der Drink kam in einem hohen Glas. Er war bläulich grün, garniert mit einer Erdbeere.

„Danke.“ Brooklyn lächelte den Barkeeper an.

Er wartete, während sie an dem Drink nippte.

Ich wurde ungeduldig, weil ich sie unbedingt etwas fragen musste.

„Wow, der ist gut.“ Sie nickte.

Der Barkeeper strahlte.

Ehe ich etwas sagen konnte, kam der Mann mit dem zerzausten Haar zurück in die Lounge. Scharf atmete ich ein.

Er schien es zu hören – oder aber er spürte einfach, wie ich ihn anstarrte. Unsere Blicke trafen sich, daran gab es diesmal keinen Zweifel.

Seine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln. Ich wusste nicht, ob er mir einfach zulächelte oder sich über mich amüsierte. Es konnte sehr wohl sein, dass mein Verlangen auch auf diese Entfernung hin spürbar war.

Nein, kein Verlangen. Das klang zu abgeschmackt.

Es war Interesse, nicht mehr und nicht weniger. Und was sollte falsch daran sein, sich für einen attraktiven Mann zu interessieren?

„Wir haben eine Reservierung im Moonside Room“, sagte Nat und unterbrach damit meinen Gedankengang.

Ich zwang mich, den Blick von dem Mann abzuwenden.

Es erfüllte mich mit absurdem Stolz, dass diesmal ich es war, die den Blickkontakt als Erste unterbrach. Ich lächelte zufrieden. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten, noch einmal hinüberzublicken, um zu sehen, wie der Mann darauf reagierte.

„Ich kann Ihnen den Drink ins Restaurant bringen lassen“, bot der Barkeeper Brooklyn an.

Für meinen Drink galt das offensichtlich nicht, auch nicht für Sophies. Aber das war nun einmal der Lauf der Welt.

„Vielen Dank.“ Brooklyn schenkte ihm ein freundliches Lächeln.

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Gambling Men