Prinz Alessandro - ein Patient zum Küssen

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Ihr neuer Patient ist ein Prinz mit einer Traumvilla in Cornwall. Doch der umschwärmte Alessandro Cavalieri hat einst ihr Herz gebrochen! Unauffällig will Dr. Natasha O'Hara ihm das jetzt heimzahlen. Wenn seine Hoheit doch nur nicht so unwiderstehlich wäre …


  • Erscheinungstag 04.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736217
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Tasha legte sich ihre Begrüßungsworte zurecht, während sie durch die hektische Notaufnahme ging. Sie war fürchterlich aufgeregt, aber fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen.

Hallo, liebster Bruder, ich dachte, ich schaue mal rein, um zu sehen, wie es dir geht. Nein, er würde sofort wissen, dass etwas faul war.

Du siehst toll aus heute. Das klang auch nicht richtig. Normalerweise hauten sie sich kleine Sticheleien um die Ohren, da konnte sie ihm nicht plötzlich Honig um den Mund streichen.

Josh, du warst schon immer mein Lieblingsbruder. Auch nicht, sie hatte alle ihre Brüder gleich gern.

Du bist der beste Arzt der Welt, und ich habe dich immer bewundert. Das stimmte. Ihr Bruder war wirklich ein hervorragender Mediziner, ihr großes Vorbild und der einzige Mann, der stets hundertprozentig für sie da gewesen war. Er hatte die Verantwortung für die Familie übernommen, nachdem der Vater einfach gegangen war und seine vier Kinder bei der labilen, ständig erschöpften Mutter zurückgelassen hatte.

Der wilde, gut aussehende Josh, dessen eigene Ehe gerade zerbrach.

Wenigstens hat er den Mut gehabt, überhaupt zu heiraten, dachte sie. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich das jemals trauen würde. Seit ihrer letzten Beziehungskatastrophe hatte sich Tasha nur noch auf ihre Karriere konzentriert. Die kann dir nicht das Herz brechen – das hatte sie zumindest bis vor ein paar Wochen geglaubt.

Inzwischen war sie eines Besseren belehrt worden.

Tasha blieb vor dem Rufbereitschaftszimmer stehen. Sie hatte schon immer großen Wert auf Unabhängigkeit gelegt. Dass sie jetzt um Hilfe bitten musste, schmeckte ihr gar nicht. Doch sie schluckte ihren Stolz hinunter und klopfte an. Sie brauchte jemanden, mit dem sie reden konnte, und der Einzige, dessen Urteil sie uneingeschränkt vertraute, war ihr großer Bruder.

Sekunden später wurde die Tür aufgerissen. Josh knöpfte sich das Hemd zu, sein Haar war zerzaust, das Kinn von einem dunklen Bartschatten bedeckt. Anscheinend hatte er in der Nacht nicht viel Schlaf bekommen. Was ihm, seinem selbstvergessenen Lächeln nach zu urteilen, jedoch nicht viel auszumachen schien.

„Tasha?“ Schlagartig verschwand das Lächeln und machte einem ungläubigen Ausdruck Platz. Josh warf einen Blick über die Schulter, trat in den Flur und zog die Tür hinter sich ins Schloss. „Was machst du denn hier?“

„Tolle Begrüßung.“ Eine herzliche Umarmung wäre ihr lieber gewesen, und plötzlich war ihr nach Heulen zumute. „Ich bin deine kleine Schwester. Du solltest dich freuen, mich zu sehen.“

„Ich freue mich auch, aber … Tasha, es ist halb acht morgens.“ Josh rieb sich mit der freien Hand übers Gesicht. Mit der anderen hielt er die Türklinke immer noch fest im Griff. „Ich bin nur überrascht, das ist alles. Woher wusstest du, dass ich hier bin?“

„Ich habe eine der Schwestern gefragt. Sie meinte, du wärst vielleicht im Rufbereitschaftszimmer. Was ist los mit dir? Du siehst völlig daneben aus.“ Zum ersten Mal erlebte sie ihren sonst tadellos gekleideten Bruder so derangiert. Tasha blickte von ihm zur Tür. „Habe ich dich geweckt?“

„Nein. Ich … Ja, aber das macht nichts.“

„War viel los heute Nacht?“

„So ungefähr.“ Er blickte den Flur hinunter und wieder zu ihr zurück. „Warum bist du hier, Tasha?“

Ihr fielen der unruhige Ausdruck in seinen Augen auf und die leichte Röte, die seine Wangen überzog. Anzeichen, die nur eins bedeuten konnten …

Er hat eine Frau im Zimmer.

Aber warum dann diese Geheimniskrämerei? Rebecca hatte ihn verlassen, die Ehe war am Ende. Vor seiner Schwester musste es ihm doch nicht peinlich sein, dass er ein Liebesleben hatte. Für Tasha war es nichts Neues, dass Frauen ihren Bruder unwiderstehlich fanden.

Erleichtert, dass seine zurückhaltende Begrüßung nichts mit ihr zu tun hatte, hätte sie ihn fast geneckt. Bis ihr einfiel, dass sie ihn auf gar keinen Fall gegen sich aufbringen durfte.

Also knuffte sie ihn nur leicht gegen den Arm. „Ich dachte, ich schaue vorbei und sehe, wie‘s dir geht.“

„Noch vorm Frühstück?“

„Ich bin Frühaufsteherin.“

„Du meinst, du steckst in Schwierigkeiten.“ Die trockene Antwort bewies wieder einmal, dass sie ihrem großen Bruder nichts vormachen konnte.

„Nicht direkt“, meinte sie ausweichend. „Ich dachte nur, wir haben lange nicht mehr richtig geredet. Gibt es hier ein Plätzchen, wo wir ungestört sind?“ Sie blickte auf die Tür, aber er deutete mit dem Kopf den Flur entlang.

„Mein Büro. Komm.“

Während sie ihm durch die Abteilung folgte, fühlte sich Tasha wie ein Schulmädchen, das zum Nachsitzen verdonnert worden war. Gelegentlich fing sie neugierige Blicke auf. Unter den Patienten fiel ihr ein kleines Mädchen auf, das auf einer Liege lag und die Hand seiner Mutter hielt.

Das Kind hatte Atemnot, und instinktiv wandte Tasha sich ihm zu. Als eine Ärztin im weißen Kittel neben ihr auftauchte, entschuldigte sie sich hastig und wich zurück. Dies war nicht ihre Patientin und auch nicht ihr Krankenhaus. Sie arbeitete hier nicht.

Sie arbeitete nirgendwo.

Ihr Magen verkrampfte sich. Hatte sie vorschnell und zu impulsiv gehandelt?

Es war ja schön und gut, wenn man Prinzipien hatte, aber musste man sie manchmal nicht einfach runterschlucken und gute Miene zum bösen Spiel machen?

Unwillkürlich verharrte Tasha und schnappte dadurch einen Teil der Anamnese auf.

„Durch ihren Heuschnupfen ist das Asthma schlimmer geworden“, erklärte die Mutter gerade. „Sie bekommt kaum Luft, und ihr Gesicht ist angeschwollen. Sehen Sie sich ihre Augen an.“

Tasha wünschte, sie wäre an Stelle der Kollegin. Die Tatsache, dass sie sich schon danach sehnte, ein Stethoskop in Händen zu halten, ließ sie wieder an ihrer spontanen Entscheidung zweifeln.

Sie war mit Leib und Seele Ärztin, die Arbeit im Krankenhaus war ihr Leben. Ohne ihre kleinen Patienten, um die sie sich kümmern konnte, fühlte sich Tasha entwurzelt. Vielleicht deshalb klangen ihr die Worte der Mutter im Ohr, während sie weiterging. Geschwollene Augen? Heuschnupfen?

Tasha nahm sich zusammen und betrat hinter ihrem Bruder das Zimmer. Hier stapelten sich Bücher und Fachzeitschriften, in einer Ecke stand ein PC, daneben häuften sich Unmengen von Unterlagen. Das Foto von Rebecca fehlte, und plötzlich hatte Tasha ein schlechtes Gewissen, dass sie Josh nicht einmal gefragt hatte, wie es ihm ging. Wurde sie allmählich auch wie diese schrecklichen Leute, die nur an sich dachten?

„Wie geht es dir?“, holte sie das Versäumte schnell nach. „Wie läuft es mit Rebecca?“

„Ruhig. Unsere Trennung ist wahrscheinlich das Erste, wobei wir einer Meinung sind. Die Anwälte kümmern sich darum. Setz dich.“ Josh befreite den Besucherstuhl von einem Stapel Fachzeitschriften.

Aber sie war viel zu unruhig, um sich hinzusetzen. Sie dachte daran, wie ungewiss im Vergleich mit Joshs ihre Zukunft von einem Tag auf den anderen geworden war, und plötzlich war ihr Hals wie zugeschnürt.

Verflixt. Nicht jetzt.

Als einziges Mädchen unter drei älteren Brüdern hatte sie früh gelernt, dass Heulsusen einen schweren Stand hatten. Sie schluckte die Tränen hinunter, trat ans Fenster und öffnete es weit. „Ich liebe Cornwall.“ Mit geschlossenen Augen atmete sie tief ein. „Ich bin viel herumgekommen, aber hier fühle ich mich zu Hause. Die salzige Seeluft, das Rauschen der Brandung … ich kann es kaum erwarten, mir mein Surfbrett zu schnappen und rauszupaddeln.“ Wehmütige Erinnerungen überfluteten sie, als der schrille Schrei einer Möwe ertönte.

Zu Hause.

„Also, was ist los? Was hast du angestellt?“ Josh klang abwesend. „Sag nicht, du hast einen Patienten umgebracht.“

„Nein!“, stieß sie empört hervor. „Im Gegenteil, ich habe einen gerettet. Zwei sogar.“ Tasha ballte die Fäuste. Sie wollte hören, dass sie richtig gehandelt hatte. Dass sie ihre Karriere nicht aus einer kindischen Trotzreaktion heraus in den Wind geschossen hatte. „Es gab einen Zwischenfall. Du kennst das doch, wenn du instinktiv weißt, was du mit einem Patienten machen musst … auch wenn die Laborergebnisse vielleicht noch nicht da sind. Tja, und ich hatte so ein Gefühl. Es passte zwar nicht zum üblichen Prozedere, aber …“

„Tasha, ich bin zu müde, um mir endloses Frauengeschwafel anzuhören. Sag mir einfach, was du gemacht hast. Fakten, okay?“

„Das ist kein Geschwafel! In der Medizin gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Das solltest du am besten wissen.“ Eindringlich erzählte sie ihm von den Zwillingen, den Entscheidungen, die sie getroffen, und dem Medikament, das sie verordnet hatte.

Josh hörte sich alles an und fing an, Fragen zu stellen. „Du hast nicht auf die Ergebnisse der Blutkulturen gewartet? Und das Präparat stand nicht auf der Arzneimittelliste des Krankenhauses?“

„Sie hatten es vorrätig, für einen anderen Zweck. Letztes Jahr war ich doch auf dem Kongress der American Academy of Pediatrics. Erinnerst du dich, was ich dir von dem Medikament erzählt hatte? Das Zeug ist klasse, Josh. Wir sollten es in England viel öfter einsetzen, aber hier geht es immer nur um Geld, Geld, Geld …“

„Willkommen in der realen Welt der Gesundheitsversorgung.“

„Es ist mindestens fünfzig Prozent effektiver als das, was ich verwenden sollte.“

„Und drei Mal so teuer.“

„Weil es gut ist!“, begehrte sie auf. „Hohe Forschungsqualität hat eben ihren Preis.“

„Halt du mir keinen Vortrag über Kosten in der Arzneimittelforschung, Tasha.“

„Ich will das Beste für meine Patienten! Diese Kinder wären gestorben, Josh. Wenn ich erst auf die Testergebnisse gewartet oder ein anderes Medikament genommen hätte, wären sie jetzt tot.“

Vor ihrem geistigen Auge lief ein Film ab: zwei schmale Körper, zu schwach, um noch zu kämpfen … die schluchzende Mutter, daneben der Vater, kreideweiß im Gesicht und krampfhaft bemüht, wie ein Fels in der Brandung sein, während seine Welt in Scherben ging … Und sie sah sich selbst, wie sie vor der schwierigsten Entscheidung ihres Berufslebens stand.

„Aber sie leben“, fügte sie hinzu und fühlte sich plötzlich wie ausgelaugt.

„Das Medikament hat also angeschlagen?“

„Sofort! Es könnte das Verfahren im Fall von neonataler Sepsis revolutionieren.“

„Hast du schon einen Fachartikel dazu geschrieben?“

„Das habe ich vor. Ich muss nur noch die Zeit dazu finden.“ Jetzt hast du Zeit, dachte sie bedrückt. Und zwar jede Menge.

„Aber das Krankenhausmanagement war nicht begeistert, und du steckst in Schwierigkeiten?“

„Na ja, ich habe mich nicht genau an die Vorschriften gehalten, aber unter solchen Umständen würde ich es jederzeit wieder tun. Leider war mein Chef anderer Meinung als ich.“ Sie blickte aus dem Fenster. „Also habe ich gekündigt.“

„Du hast was? Bitte sag, dass das ein Scherz ist.“

„Nein. Ich habe gekündigt, aus Prinzip!“ Sie wurde wütend, genau wie an jenem Morgen im Zimmer ihres Chefs, nachdem sie zwei Nächte lang kaum geschlafen hatte. „Ich habe ihn gefragt, was für eine Abteilung er eigentlich leitet, wenn das Budget wichtiger ist als das Leben eines Babys.“

„Sehr taktvoll.“ Josh rieb sich das Kinn. „Du hast also seine Kompetenz infrage gestellt und sein Ego angekratzt?“

„Er ist einer von denen, die daneben stehen und zusehen, wie jemand ertrinkt, nur weil die Rettungsmaßnahmen nicht genau festgelegt sind! Weißt du, wie er argumentiert hat? Er meinte, der Hersteller hätte keine zuverlässige Wirtschaftlichkeitsanalyse vorgelegt. Ja, geht‘s noch?“ Sie musste tief durchatmen. „Deshalb habe ich ihn gefragt, ob er den Eltern sagen will, dass sie ihre beiden Kinder verloren haben, nur weil irgendein Idiot im Anzug an seinem Schreibtisch ausgerechnet hat, dass die Behandlung zu teuer ist.“

Josh schloss kurz die Augen. „Tasha …“

„Okay.“ Der Kloß in ihrem Hals war wieder da, und er würde auch nicht so schnell verschwinden. „Ich weiß, ich hätte professionelle Distanz wahren müssen, aber ich konnte nicht. Mann, ich bin immer noch wütend!“

„Erzähl mir von den Babys, die du gerettet hast. Wie geht es ihnen?“

„Beide wurden inzwischen nach Hause entlassen. Du hättest sie sehen sollen, Josh.“ Ein triumphierendes Lächeln glitt über ihr Gesicht. „Dafür habe ich studiert, dafür habe ich gelernt … um Grenzen zu überwinden und Leben zu retten.“

„Du hast zwei gerettet.“

„Und meinen Job verloren.“

„Du hättest nicht kündigen sollen.“

Darüber hatte sie immer und immer wieder nachgedacht. „Keinen Augenblick länger hätte ich mit dem Mann zusammenarbeiten können. Der Typ gehört auch zu denen, die denken, dass Frauen Krankenschwestern werden sollen und keine Ärztinnen. Im Grunde ist er ein … ein …“ Sie schluckte hinunter, was ihr auf der Zunge lag, und Josh lächelte matt.

„Verstehe. Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass du vielleicht einen Tick zu idealistisch bist, Tasha?“

„Nein. Wir wären keine guten Ärzte, wenn wir nicht versuchen würden, immer einen Schritt weiterzugehen. Stell dir vor, wir tun nur das, was alle vor uns getan haben – dann hätten wir in der Medizin nie Fortschritte gemacht.“

„Es gibt Bestimmungen …“

„Und wenn sie falsch sind? Für so jemanden kann ich nicht arbeiten. Früher oder später hätte ich ihm Gift gespritzt …“ Sie grinste. „Natürlich nur eins, das auf der offiziellen Arzneimittelliste steht.“

„Du bist unmöglich.“

„Nein, ich bin Ärztin. Ich weiß, dass ich einigen Patienten nicht helfen kann. Aber ich wehre mich vehement dagegen, manche Patienten ihrem Schicksal zu überlassen, weil die Therapie zu teuer ist! Wer entscheidet denn, was wichtiger ist?“ Aufgebracht marschierte Tasha auf und ab. „Ich habe ihm gesagt, dass der Krankenhausdirektor nur auf einen Teil seines Gehalts verzichten müsste, dann könnten wir uns das Medikament für die wenigen Babys, die es brauchen, auch leisten.“

„Allmählich verstehe ich, warum du kündigen musstest.“

„He, was hättest du an meiner Stelle getan?“

„Keine Ahnung. Das weiß man erst, wenn man selbst in der Situation ist. Warum hast du nicht auf die Laborwerte gewartet?“

„Weil es den Zwillingen von Minute zu Minute schlechter ging. Uns lief die Zeit davon. Wenn wir sie nach Schema F behandelt hätten, nur um festzustellen, dass es doch nicht der richtige Weg war … Bei mir läuteten sämtliche Alarmglocken.“

„Du kannst Medizin nicht aufgrund von Emotionen praktizieren.“

„Ich rede nicht von Emotionen, sondern von Bauchgefühl. Ich sag dir was, Josh … ich weiß instinktiv, wenn ein Kind gefährdet ist. Frag mich nicht, woher. Hast du dich bei deinen Patienten noch nie auf deinen Instinkt verlassen?“

„Wenn du damit klinisches Urteilsvermögen meinst, dann ja, natürlich. Aber …“

„Moment mal“, unterbrach sie ihn, als ihr etwas einfiel. „Das kleine Mädchen …“

„Welches Mädchen?“

„Das draußen in der Notaufnahme. Die Mutter sagte, vom Heuschnupfen sei sein Asthma schlimmer geworden. Aber sein Gesicht war aufgedunsen und die Lider geschwollen. Ich weiß noch, wie ich dachte, seltsam, nach einer Allergie sieht mir das nicht aus …“

„Die Kleine ist nicht deine Patientin, Tasha.“

„Sie hat beim Atmen gekeucht.“

„Was bei Asthma vorkommt.“

„Und bei einer Linksherzinsuffizienz. Ich wusste, dass mich irgendetwas gestört hat!“ Tasha griff zum Telefon und hielt es ihrem Bruder hin. „Ruf die verantwortliche Kollegin an, Josh. Sie soll das abklären, mit EKG und Sono. Vielleicht hat sie es längst getan, aber wenn nicht? Meiner Ansicht nach hat das Kind eine Herzschwäche.“

„Tasha …“

„Tu‘s einfach, Josh, bitte. Wenn ich mich irre, gebe ich auf und suche mir einen Job im Supermarkt.“

Seufzend wählte Josh.

Während er sprach, starrte Tasha aus dem Fenster und wünschte, sie würde nicht immer so emotional reagieren. Warum konnte sie nicht wie die anderen professionelle Distanz wahren und einfach ihrer Arbeit nachgehen?

„Sie macht die Untersuchungen, aber sie meint, dass es Asthma in Kombination mit einer allergischen Reaktion ist. Wir werden sehen. So, und du entspannst dich jetzt mal“, fügte er sanfter hinzu. „Tasha, du bist völlig überdreht.“

„Mir geht‘s gut.“ Was gelogen war. Sie sehnte sich so sehr nach einer tröstlichen Umarmung. „Das Problem ist nur, dass ich nichts zu tun habe. Ich dachte …“ Sie zögerte. Es fiel ihr nicht leicht, ihren großen Bruder um etwas zu bitten. „Du hast Einfluss hier. Kannst du mir nicht einen Job besorgen?“

„Tasha …“

„Die Arbeit ist mein Leben, Josh. Ich bin eine gute Kinderärztin, wirklich.“

„Das will ich auch nicht infrage stellen, aber …“

„Doch, das tust du. Du hast Angst, dass ich dich blamiere.“

„Unsinn.“ Josh stand auf und trat zu ihr. „Beruhige dich, ja? Vielleicht brauchst du eine Weile Abstand vom Krankenhausalltag.“

„Nein, ich brauche einen Job. Ich liebe es, mit Kindern zu arbeiten. Ich liebe es, als Ärztin zu arbeiten. Außerdem ist da noch die praktische Seite. Da ich auf dem Krankenhausgelände gewohnt habe, bin ich nicht nur arbeits-, sondern auch obdachlos. In der Situation erschien mir die Kündigung das einzig Richtige zu sein. Im Nachhinein weiß ich, warum die meisten Leute lieber ihre Prinzipien aufgeben, als den Job hinzuwerfen. Es ist einfach zu teuer.“

„Ich kann dir hier keinen neuen beschaffen, Tasha. Wir sind knapp bei Kasse, es herrscht Einstellungsstopp.“

„Ach so.“ Ihr zog sich der Magen zusammen. Wieder eine Tür, die direkt vor ihrer Nase ins Schloss knallte. „Kein Problem“, versuchte sie, sich Mut zu machen. „Ich lasse mir etwas einfallen.“ Spontan fiel ihr leider nur ein, dass ihr letzter Chef ihr ganz bestimmt keine guten Referenzen geben würde. „Entschuldige, ich hätte dich nicht fragen sollen. Ich hätte nicht herkommen sollen.“

Die Liste der Dinge, die sie nicht hätte tun sollen, wurde länger und länger.

„Doch, ich bin froh darüber. Wir haben uns lange nicht gesehen, du hast die letzten drei Jahre wie eine Besessene gearbeitet. Seit das mit Hugo vorbei ist, meine ich.“

Hugo? Tasha schrumpfte innerlich um zehn Zentimeter. Musste ihr Bruder ausgerechnet Hugo erwähnen, die große Katastrophe ihres Liebeslebens? „Ich liebe meine Arbeit.“ Warum sieht er mich so komisch an? „Hast du was dagegen?“, fragte sie kratzbürstig.

„Komm wieder runter, Tasha. Vielleicht solltest du dir wirklich eine Pause gönnen. Das gesellschaftliche Leben wiederentdecken.“

„Was ist das?“

„Teil eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Beruf und Privatleben. Du wolltest mal heiraten.“

Erinnere mich bloß nicht daran! „Das war ein kurzer Anfall geistiger Umnachtung.“ Tasha lachte auf, aber es hörte sich nicht echt an. „Macht es dir etwas aus, wenn wir das Thema fallen lassen? Wenn ich nur an Hugo denke, möchte ich etwas zerschlagen, und im Moment kann ich den Schaden nicht bezahlen. Und überhaupt, du hast gut reden. Du bist ein Workaholic, wie er im Buche steht.“ Aber er hat die letzte Nacht mit einer Frau verbracht.

Tasha fragte sich, ob Josh mit ihr darüber reden würde, doch er blätterte nur in irgendwelchen Papieren.

„Wie beweglich bist du?“, fragte er.

„Ich kann meine Zehen berühren und eine Rolle rückwärts machen.“ Der Scherz trug ihr einen ironischen Blick ein.

„Arbeitsmäßig, meine ich. Könntest du dir vorstellen, die Pädiatrie eine Weile links liegen zu lassen?“

„Ungern, aber …“ Sie musste etwas zu tun haben. Nicht nur, um Geld zu verdienen, sondern auch, um sich zu beschäftigen. Sonst würde sie die ganze Zeit grübeln und langsam durchdrehen. „Was schwebt dir vor?“

„Zufällig kenne ich jemanden, der händeringend eine Pflegekraft sucht, die ihn rund um die Uhr betreut. Einen Monat lang, vielleicht auch länger.“

„Das ist nicht dein Ernst. Ich soll Bettwaschungen machen bei irgendeinem alten Lustmolch, der mir ständig in den Hintern kneift?“ Tasha stutzte, als sie sah, wie ihr Bruder mühsam ein Lachen unterdrückte. „Was gibt‘s da zu lachen? Also, echt, Josh, seit wann hast du einen kranken Humor?“

„Und wenn ich dir sage, dass der Betreffende unermesslich reich ist?“

„Na und?“ Sie schob die Hände in die Gesäßtaschen ihrer Jeans und wandte sich ab. Ihr großer Bruder amüsierte sich auf ihre Kosten, und das konnte sie im Moment nicht gut vertragen. „Was interessiert mich sein Geld? Glaubst du, ich pflege ihn, er verliebt sich in mich, heiratet mich, und danach brauche ich ihn nur noch um die Ecke zu bringen, um seine Millionen zu erben? Ich will einen Job, keinen Sugardaddy.“

„Er ist zu jung, um dein Sugardaddy zu sein.“

„Und ich will nicht heiraten. Mein Leben gehört meinen Patienten, und die längste und beste Beziehung hatte ich bisher mit meinem Stethoskop!“

„Er ist auch nicht an einer Ehe interessiert, da seid ihr also schon zu zweit. Eigentlich sollte er noch mindestens eine Woche im Krankenhaus bleiben, aber er geht allen so sehr auf die Nerven, dass sie bereit sind, ihn vorzeitig zu entlassen. Vorausgesetzt, er besorgt sich eine professionelle Pflegekraft, die ihn und seinen gebrochenen Knöchel von morgens bis abends betreut. Deshalb ist er bereit, die Leistung großzügig zu vergüten.“ Josh nannte ein solches Stundenhonorar, bei dem Tasha buchstäblich die Kinnlade herunterfiel.

„Er hat tatsächlich mehr Geld als Verstand. Wo ist der Haken?“

„Ja, es gibt ein Problem. Er ist durchtrainiert und fit, ein sehr athletischer Typ, der es nicht gewohnt ist, ans Bett gefesselt zu sein. Mit dem Ergebnis, dass er extrem schlechte Laune hat, die jeder zu spüren bekommt, der sich auch nur auf einen Meter seinem Bett nähert. Aber ich bin sicher, damit wirst du fertig. Ich schätze, es dauert keine fünf Minuten, dann sagst du ihm klipp und klar, was du von dem Theater hältst.“

„Na toll …“ Aber sie hätte einen Job. Ein paar Wochen lang würde sie den Kerl schon aushalten. Und in der Zwischenzeit konnte sie sich nach einer neuen Stelle umsehen. „Das heißt, ich helfe Mr Grummelgrantig bei seiner Krankengymnastik, füttere ihn mit Antibiotika und passe auf, dass er sich nicht übernimmt. Was muss ich noch wissen? Seinen Namen, zum Beispiel?“

Josh grinste. „Sein Name, kleine Schwester, lautet Alessandro Cavalieri.“

Tasha drückte die Knie durch, weil ihre Beine plötzlich anfingen zu zittern. Ihr Herz raste so sehr, dass sie sich ernsthaft Sorgen gemacht hätte, wäre sie nicht damit beschäftigt gewesen, ihren Bruder ungläubig anzustarren. „Alessandro?“, wiederholte sie matt. „Der Alessandro?“

„Genau der. Seine Hoheit höchstselbst.“

Tasha schluckte. Auf einmal war sie wieder ein Teenager, der sich bitterlich schluchzend fast die Augen aus dem Kopf heulte.

„Vergiss es, Josh. Ich sage Nein. Und sieh mich nicht so an.“

„Ich dachte, die Chance lässt du dir nicht entgehen. Du warst doch verrückt nach ihm, hast nur von ihm geredet … Alessandro, Alessandro.“ Er ahmte ihre schmachtende Mädchenstimme nach, und Tasha wäre am liebsten im Erdboden versunken.

„Ich war siebzehn“, fuhr sie ihn an. „Vielleicht ist es deiner geschätzten Aufmerksamkeit entgangen, dass ich erwachsen geworden bin.“ Leider nicht erwachsen genug, um kühl und gelassen zu bleiben, wenn es um Alessandro ging. Nein, nein, nein. Nicht Alessandro!

„Ist mir nicht entgangen, sonst würde ich dir den Job nicht anbieten. Wenn du immer noch hinter ihm her wärst, gäbe es nur Probleme.“ Seine Augen blitzten vergnügt. „Oh, Mann, warst du gefährlich. Teenagerhormone auf Beinen. Wie du dich ihm an den Hals geworfen hast, herrlich! Als Fürstenspross hatte er immer Leibwächter um sich, aber der einzige Mensch, vor dem er wirklich hätte beschützt werden müssen, warst du. Dein Bikini konnte nicht knapp genug sein, wenn Alessandro in der Nähe war. Wenn ich mich recht erinnere, hat er zu dir gesagt, du sollst wiederkommen, wenn du Brüste hast.“

Es war fürchterlich demütigend gewesen, und Tasha verspürte das Gleiche wie damals: dunkelrote Scham und den Wunsch, sich in Luft aufzulösen. Um sich nichts anmerken zu lassen, verschränkte sie lässig die Arme. „Lach nur, Bruder“, sagte sie spöttisch. „Lach du nur.“

„Meine kleine Schwester und der Prinz. Du hast seinen Namen auf sämtliche Schulhefte gekritzelt. Am besten hat mir das Prinzessin Tasha gefallen, das du in den alten Apfelbaum geritzt hast. Nur das Herz war ein bisschen krumm geraten.“ Josh schien sich königlich zu amüsieren.

Ja, sie war ein junges Mädchen voller rosaroter Träume gewesen. Und als sie wie Seifenblasen zerplatzten … „Bist du fertig?“, fragte sie betont gelangweilt.

„Vorerst. Gut, dass du ein Spätentwickler warst, sonst wäre er noch auf dein Angebot eingegangen. Alessandro hat einen gewissen Ruf, was Frauen betrifft.“

Und ihr Bruder schien nicht die geringste Ahnung zu haben, wie sehr Alessandro diesen Ruf verdient hatte. Tasha versuchte, die hässlichen Erinnerungen zu vertreiben.

Josh grinste immer noch. „Egal, jedenfalls liegt er mir seit einer Ewigkeit damit in den Ohren, dass ich ihm eine Pflegekraft besorgen soll. Das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Die Sicherheitsbestimmungen müssen gewahrt werden, und die Kandidatin darf nicht zu hübsch sein. Sonst verführt er sie und macht, was er will. Andererseits, wenn wir warten, bis der Palast sein Okay gibt, kann es sein, dass der arme Kerl noch Monate im Krankenhaus liegt. Das wiederum geht auch nicht, weil uns dann die Presse belagert.“

„Wieso Sicherheitsbestimmungen?“

Autor

Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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