Romana Exklusiv Band 394

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DEINE LIEBE IST MEIN GRÖSSTES GLÜCK von MARION LENNOX

Nach einem tragischen Unglück hat Julie sich von ihrem Ehemann Rob getrennt. Ein Buschfeuer, das ihr einstiges Zuhause bedroht, bringt sie wieder zusammen. Erneut flammen die alten Gefühle auf. Können Julie und Rob die Vergangenheit überwinden und noch einmal beginnen?

IM ZAUBERBANN DER KARIBIK von JOANNA NEIL

Auf der herrlichen Karibikinsel fühlt Rebecca sich wie im Paradies. Besonders, als sie und der smarte Cade Byfield ein Paar werden. Ist es die große Liebe für immer? Aber Cade hat einen Herzenswunsch, den Rebecca ihm nicht erfüllen kann: eine große Familie …

UNTER DER SONNE SIZILIENS von KATE HEWITT

"Nur diese eine Nacht, mehr kann ich dir nicht geben." Der italienische Geschäftsmann Larenzo Cavelli will der schönen Emma keine falschen Hoffnungen machen, als er sie auf seinem Anwesen in den Bergen Siziliens verführt. Allerdings ahnt er da noch nichts von den süßen Folgen …


  • Erscheinungstag 15.11.2025
  • Bandnummer 394
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533041
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Marion Lennox, Joanna Neil, Kate Hewitt

ROMANA EXKLUSIV BAND 394

Marion Lennox

1. KAPITEL

„Hat dir nicht mal ein Haus in den Blue Mountains gehört?“

„Äh … ja.“

„Meine Güte, Jules, im Moment willst du da sicher nicht sein. Das ganze Gebiet scheint in Flammen aufzugehen.“

Es war zwei Tage vor Weihnachten. Die australische Finanzwelt würde zwar zwischen Weihnachten und Silvester eine Pause einlegen, aber der Deal, an dem Julie McDowell gerade arbeitete, war international. Die rechtlichen Angelegenheiten duldeten keinen Aufschub.

Doch den Blue Mountains drohte ein verheerender Waldbrand.

Sie legte die Verträge zurück und ging zu ihrem Kollegen Chris, der hinter seinem Schreibtisch saß. Chris war zweiunddreißig, genau wie Julie, aber seine Arbeitsmoral war das genaue Gegenteil von ihrer. Chris arbeitete pünktlich von neun bis fünf, dann fuhr er zu seiner Frau und seinen Kindern, mit denen er in einem Vorort lebte. Manchmal surfte er während der Arbeitszeit sogar im Netz.

So wie auch diesmal, doch als Julie hinter ihn trat, sah sie auf seinem Computerbildschirm eine Brandkarte. Die Blue Mountains … eine Linie mit roten Punkten.

Ihr Blick fiel sofort auf Mount Bundoon, ein kleines Dorf mitten auf der Linie. Das Dorf, in dem sie früher einmal gewohnt hatte.

„Brennt es dort auch?“, flüsterte sie erschrocken.

„Nein, noch nicht.“ Chris zoomte auf ein paar der Punkte. „Das hier sind nur Notsignale, keine Anweisungen zur Evakuierung. Offensichtlich hat es gestern Abend einen Sturm gegeben, mit Gewitter, aber ohne Regen. Der Busch ist staubtrocken nach der Dürre, und die meisten dieser Punkte zeigen Brände im unzugänglichen Buschland an. Aber für morgen sind starker Wind und hohe Temperaturen angesagt. Sie machen bereits ein paar der Landstraßen dicht.“

Die Blue Mountains.

Im Moment willst du da sicher nicht sein.

Julie ging zu ihrem Schreibtisch zurück und widmete sich wieder den Verträgen. Das hier war wichtig, und doch konnte sie sich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Alles, was sie sah, war ein Haus – ein längliches, niedriges Haus, so gebaut, um auch den stärksten Buschfeuern zu trotzen.

Seit vier Jahren war sie nicht mehr dort gewesen. Es hätte längst verkauft werden sollen. Warum war das nicht geschehen?

Sie stellte sich vor, wie sie in dem leeren Haus in ein Schlafzimmer mit zwei kleinen Betten ging. Teddybären waren gegen die Kopfkissen gelehnt, überall lag Spielzeug herum.

„Julie? Alles in Ordnung?“ Vor ihr stand ihr Boss Bob March, der sie besorgt anschaute. „Was ist los?“

„Das Feuer“, sagte sie und holte tief Luft. „Ich habe ein Haus in den Blue Mountains. Darin sind ein paar Dinge, die ich retten muss.“ Sie stand auf und reichte ihm die Verträge. „Tut mir leid, aber Sie müssen sich darum kümmern. Denn ich …“

Sie beendete den Satz nicht, sondern schnappte sich ihre Tasche und eilte aus dem Büro.

Rob McDowell beobachtete den Verlauf des Brandes auf seinem Handy. Er war in Adelaide bei der Arbeit. Seine Kunden wollten Weihnachten in ihr neues Haus einziehen, und er hatte Tag und Nacht gearbeitet, um es ihnen zu ermöglichen. An Heiligabend sollte es eine große Einweihungsparty geben, und alles, was in der Stadt Rang und Namen hatte, würde da sein.

Eigentlich hatte er zu der Party gehen wollen, aber jetzt beschäftigte ihn etwas anderes sehr viel mehr. Das Haus, das Julie und er gebaut hatten, lag genau in der Gefahrenzone des Buschfeuers.

Eigentlich sollte das kein Problem sein, denn schließlich hatte er es selbst entworfen und so gebaut, dass es einem Feuer wie diesem standhalten sollte.

Außerdem war es versichert, und niemand wohnte mehr dort. Deshalb hätte es ihm eigentlich egal sein können.

Aber die Sachen darin … die Sachen.

Ich hätte das Haus längst ausräumen sollen, dachte er. Anstatt alles zurückzulassen… Die Dreiräder, die beiden roten Feuerwehrautos, die er seinen beiden Söhnen damals zu Weihnachten geschenkt hatte.

Vielleicht hatte Julie sie ja längst mitgenommen.

Aber das hätte sie ihm bestimmt gesagt.

Beide hatten das Haus vor vier Jahren verlassen. Und Rob hatte es bisher einfach nicht übers Herz gebracht, einen Makler mit dem Verkauf zu beauftragen.

„Sarah?“

„Ja?“, erwiderte die Innenarchitektin, die auf einer Leiter stand und damit beschäftigt war, das Wohnzimmer einzurichten. „Gibst du mir bitte mal die Bänder dort?“, bat sie ihn.

„Kann ich nicht“, erwiderte Rob entschlossen. „Ich habe ein Haus in den Blue Mountains, und es sieht so aus, als wäre es von einem Waldbrand bedroht. Bitte entschuldige mich bei den Bauherren. Ich muss … nach Hause.“

Im Hauptquartier der Blue Mountains Brandbekämpfungszentrale war die Stimmung sehr angespannt. Immer mehr rote Punkte erschienen auf der Karte.

„Was meinst du, sollen wir die Evakuierung einleiten?“, fragte der stellvertretende Feuerwehrchef seinen Vorgesetzten.

„Wenn das Feuer sich so schnell ausbreitet wie befürchtet, dann ja. Bis dahin werden wir heute Abend eine Warnung an die Bevölkerung herausgeben. Alle, die nicht gegen den Brand ankämpfen wollen, sollten die Gegend verlassen.“ Er seufzte. „Das wird den meisten Leuten Weihnachten gründlich verderben, schätze ich.“

2. KAPITEL

Das Haus sah genauso aus, wie sie es damals verlassen hatte. Der Garten war überwuchert, doch davon abgesehen schien sich nicht viel verändert zu haben.

Julie saß in ihrem kleinen roten Coupé in der Einfahrt und starrte die Eingangstür an. Ob sie überhaupt den Mut aufbringen würde hineinzugehen?

Es war genau drei Jahre, elf Monate und zehn Tage her, dass sie zum letzten Mal hier gewesen war.

Damals hatte sie überstürzt ihre Koffer gepackt, obwohl Rob sie beschworen hatte, zu bleiben.

„Julie, wir können das zusammen durchstehen“, hatte er zu ihr gesagt.

„Aber du bist nicht derjenige, der geschlafen hat, als sie starben“, waren ihre letzten Worte gewesen.

Geh rein, sagte sie sich. Bring es hinter dich.

Das kleine Dörfchen Mount Bundoon hatte vollkommen verlassen gewirkt, als sie es auf der Fahrt zum Haus passiert hatte. In dem einzigen Laden des Ortes hatte sie Milch, Brot und Butter gekauft, und die Besitzerin war überrascht gewesen, sie zu sehen.

„Wir werden bald schließen“, sagte sie. „Die meisten Leute sind schon weg. Der Wetterdienst hat eine Warnung herausgegeben. Alle, die nicht gegen die Brände ankämpfen wollen, sollen die Gegend bis spätestens morgen früh um neun verlassen. Ab da soll der Wind zunehmen, was bedeutet, dass die Flammen sich mit rasender Geschwindigkeit ausbreiten werden.“

Auf dem Weg hierher waren Julie zahllose Autos entgegengekommen. Anwohner, die ihr ganzes Hab und Gut aufgeladen hatten, damit es nicht dem Feuer zum Opfer fiel.

Das war auch der Grund, warum sie hier war. Um die Dinge zu retten, die ihr wichtig waren.

Geh rein, sagte sie sich erneut. Vergiss nicht, das Haus ist brandsicher. Morgen früh kannst du wieder fahren, aber heute Abend … heute Abend kannst du noch einmal in alte Erinnerungen eintauchen.

Auch wenn es so wehtat, dass es sie fast umbrachte.

Elf Uhr. Der Flug hatte Verspätung, wegen der Rauchwolken, die über Sydney schwebten.

„Dort unten brennt es gewaltig, Ladies und Gentlemen“, hatte der Pilot gesagt, als sie über die Blue Mountains geflogen waren. „Seien Sie froh, dass Sie nicht dort sind.“

Aber Rob hatte dort sein wollen, denn nach der Landung waren die Warnhinweise für die Blue Mountains noch verschärft worden. Im Moment hatten sich die Winde allerdings abgeschwächt, daher hoffte er, dass das Haus in Sicherheit war.

Er hatte ein Auto gemietet und sich auf den Weg in die Berge gemacht. Die meisten der Anwohner fuhren in die entgegengesetzte Richtung, und als er den Ortseingang von Mount Bundoon erreicht hatte, war er an eine Straßensperre gekommen.

„Was tun Sie hier, Sir?“, fragte der Polizist.

„Ich wohne hier“, hatte er geantwortet, obwohl es nicht ganz der Wahrheit entsprach.

„Sie haben die Warnungen gehört?“

„Ja, aber mein Haus ist feuersicher, und ich werde gleich morgen früh wieder abreisen.“

„Wie es aussieht, wird der Wind morgen gegen neun Uhr nach Nordwesten abdrehen, was bedeutet, das Feuer kommt direkt in unsere Richtung. Schon jetzt macht der Rauch das Autofahren schwierig. Eigentlich darf ich Sie nicht durchlassen.“

„Wie gesagt, gleich morgen früh verlasse ich diese Gegend wieder.“

„Gut, auf eigene Gefahr“, erwiderte der Polizist und trat zur Seite. „Passen Sie auf sich auf!“

Rob fuhr weiter. Der Rauch war nicht mehr so dicht, eher wie ein Nebelschleier. Das Haus lag hinter dem Dorf, versteckt in dem Tal mit Blick auf den Bundoon Creek. Die Gebirgskämme sind die gefährlichsten Orte, nicht das Tal, dachte er. Natürlich hatten Julie und er gewusst, dass es hier häufiger zu Waldbränden kam, als sie das Haus gebaut hatten.

Vielleicht ist es ein Fehler gewesen, dachte er. Vielleicht war das der Grund, warum sie …

Nein, denk jetzt nicht darüber nach. Denk nicht an die Vergangenheit.

Aber die Vergangenheit war überall um ihn herum, selbst wenn sie gerade in Rauch gehüllt war.

„Ich werde ihre Spielsachen holen und dann von hier verschwinden“, sagte er sich, als er in die Einfahrt einbog. Doch dann sah er, dass im Haus Licht brannte.

Sie hatte alle Lichter angeschaltet, um die Geister zu vertreiben.

Nein, wenn es überhaupt irgendwelche Geister gab, hätte Julie sie mit offenen Armen willkommen geheißen. Doch sie hatte keine Angst vor Gespenstern, sondern vor der Dunkelheit. Denn mit der Dunkelheit würden auch die Erinnerungen zurückkehren.

Sie lag auf dem großen Bett, das Rob und sie in der Woche vor ihrer Hochzeit gekauft hatten, und wusste, dass an Schlaf nicht zu denken war.

Am besten, sie würde wieder abfahren. Aber das konnte sie nicht – nicht, solange die Kinder noch hier waren.

Dabei waren sie gar nicht hier, sondern nur die Erinnerungen an sie.

Das war ja verrückt. Sie war Finanzexpertin, spezialisiert auf internationale monetäre Verhandlungen. Niemand würde sich mit ihr anlegen oder es wagen, ihre geistige Gesundheit infrage zu stellen.

Es war auch die Stille, die hier an Julies Nerven zerrte.

Aber dann hörte sie, wie ein Auto in die Einfahrt bog. Wenig später wurde die Haustür geöffnet, und Julie wusste, dass der Geist, vor dem sie am meisten Angst gehabt hatte, gerade zurückgekehrt war.

„Julie?“ Rob hatte gewusst, dass sie es war, als er ihr schickes kleines Coupé gesehen hatte. Er selbst fuhr einen Land Rover.

Jedes einzelne Licht war eingeschaltet. Hatte sie etwa Angst vor Gespenstern?

„Julie?“, rief er noch einmal, und dann kam sie tatsächlich aus dem Schlafzimmer.

Ihr Anblick löste in ihm … nein, er hätte nicht einmal definieren können, welche Gefühle sie in ihm auslöste.

Es war jetzt fast vier Jahre her. Seitdem hatte sie sich geweigert, ihn zu sehen.

„Ich habe geschlafen, als sie starben, und das kann ich mir einfach nicht verzeihen. Wenn ich daran denke, was ich verloren habe … Wenn ich nicht geschlafen hätte …“

All das hatte sie ihm an den Kopf geworfen, am Tag, als er sie aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht hatte. Rob hatte sich tagelang Vorwürfe gemacht und nicht gewusst, wie er mit seinem eigenen Kummer umgehen sollte, geschweige denn mit ihrem.

Er hätte nicht einmal im Traum daran gedacht, dass sie sich vorwarf, am Tod ihrer Kinder schuld zu sein. Damals hatte er sie nur total schockiert angestarrt. Julie war auf Krücken zu ihrem Bett gehumpelt, hatte ihre Sachen in einen Koffer geworfen und von ihm verlangt, sie ins Hotel zu bringen.

Und das war’s dann gewesen – ihre Ehe, ihre Familie, zerbrochen.

Danach hatte Funkstille zwischen ihnen geherrscht, obwohl er ihr mehrmals geschrieben und auch versucht hatte, sie telefonisch zu erreichen.

Schließlich hatte er es aufgegeben, denn auch ihm war es nicht gelungen, sich das zu verzeihen, was er für seinen eigenen Anteil an der Tragödie hielt.

Es war kurz vor Weihnachten gewesen, als es passierte. Die Straße durch die Berge zu ihrem Haus war durch schwere Regenfälle völlig aufgeweicht gewesen. Trotzdem hatte Julie darauf bestanden, dorthin zu fahren, um alles für das Fest vorzubereiten. Damit die Zwillinge ihren Weihnachtsbaum haben würden. Damit der Weihnachtsmann ihnen die Geschenke bringen konnte und das Haus in allerbester Ordnung sein würde.

Rob hatte schließlich nachgegeben, denn auch er war ein Perfektionist. Sie hatten dem Kindermädchen für das Wochenende frei gegeben und waren mit den Kindern erst spät am Abend im Haus angekommen.

Daran musste er denken, als er Julie jetzt ansah und bemerkte, wie schön sie immer noch war.

Groß, schlank, mit langen blonden Haaren und braunen Augen, in denen ein Mann sich verlieren, in denen er ertrinken konnte.

Vor vier Jahren hatte er sie zuletzt gesehen, und ihm fiel auf, dass sie sich verändert hatte. Sie wirkte … irgendwie angespannter. Außerdem war sie dünner und blasser als früher.

Und ihre Augen … Sie sah ihn voller Misstrauen an.

Aber warum sollte sie ihm gegenüber misstrauisch sein?

„Julie.“ Er wiederholte ihren Namen, und sie erstarrte.

Eigentlich hätte sie wissen können, dass er kommen würde.

Verdammt, wie attraktiv er war! Hochgewachsen und noch immer irgendwie jugendlich, obwohl er inzwischen – Wie alt eigentlich? – sechsunddreißig sein musste.

Doch er hatte immer noch das hellbraune Haar, das so aussah, als würde er zu viel Zeit in der Sonne verbringen. Und er trug die gleiche lässige Kleidung wie damals: Jeans und ein kariertes Hemd, das am Kragen offen stand.

Dasselbe Lächeln wie früher, mit dem er sie auch jetzt anschaute. Vielleicht ein bisschen zögerlich, als wüsste er nicht genau, wie sie ihn empfangen würde.

Julie hatte ihn seit vier Jahren nicht mehr gesehen, und sie spürte sein Misstrauen ihr gegenüber. Was dachte er wohl, was sie tun würde – ihn rausschmeißen, nachdem sie sich so lange nicht gesehen hatten?

Aber sie wusste gar nicht, wo sie nach dieser langen Zeit überhaupt anfangen sollte.

Und warum sollte sie das nicht genau so ausdrücken?

„Ich glaube nicht, dass ich Julie bin“, sagte sie langsam. „Jedenfalls nicht die Julie, die du damals gekannt hast.“

Stille trat ein. Rob würde es schon verstehen, das hoffte sie jedenfalls. Sie konnte nicht so einfach wieder da anfangen, wo sie damals aufgehört hatten. Wie geht’s dir, Rob? Wie ist es dir in den letzten vier Jahren ergangen?

Vier Jahre ohne ein Lebenszeichen. Bei dem Gedanken daran wurde ihr plötzlich ganz schlecht.

Aber er schien sie zu verstehen. Nach einem Moment des Schweigens veränderte sich sein Lächeln ein wenig. Julie kannte dieses Lächeln nur zu gut. Es spiegelte seine Intelligenz, seine stete Bereitschaft, ein Problem zu lösen, wenn es sich stellte.

„Dann bin ich wahrscheinlich auch nicht der Mann, den du damals gekannt hast“, erwiderte er. „Warum fangen wir also nicht von vorne an? Bitte erlaube mir, mich dir vorzustellen. Ich bin Rob McDowell, Architekt, und wohne in Adelaide. Ich bin an diesem Haus und allem, was hier drin ist, sehr interessiert. Ich will einige der Sachen in Sicherheit bringen, deshalb bin ich gekommen. Und du?“

Sie würde das hinkriegen. Julie merkte, wie sie sich entspannte, und erwiderte sein Lächeln.

„Julie McDowell, Finanzexpertin aus Sydney. Mich interessiert dieses Haus ebenfalls.“

„McDowell? Du nennst dich immer noch …?“

„Es war zu umständlich, den Namen zu ändern“, erklärte sie mit betonter Leichtigkeit.

„Du bist trotz der Feuerwarnung hier?“

„Der Wind soll ja erst morgen stärker werden. Im Morgengrauen breche ich auf.“

„Bist du gerade erst angekommen?“

„Ja.“

„Und du willst nicht einfach die Dinge nehmen, für die du hergekommen bist, und dann verschwinden?“

„Ich weiß nicht, was ich will.“ Sie zögerte. „Es gibt da so ein Bild, das ich … irgendwie erscheint es mir falsch, einfach so zu gehen.“

„Ich wollte zwei Feuerwehrautos holen“, gab er zu. „Aber ich empfinde genau dasselbe wie du. Außerdem will ich mich morgen noch mal im Haus umschauen und alles entfernen, was leicht in Brand geraten kann. Das geht jetzt nicht, weil es zu dunkel ist.“

Warum?, wollte sie ihn fragen. Was bedeutet dir dieses Haus?

Was bedeutete es ihr selbst? War es nicht wie eine Zeitkapsel?

„Wenn du bleiben willst“, sagte sie vorsichtig, „es gibt ein Gästezimmer.“

„Prima.“

Wir sind wie zwei Hunde, die sich misstrauisch beschnüffeln, dachte Julie. Aber nun, da sie dieses Spielchen begonnen hatten, mussten sie es auch weiterführen.

„Möchtest du etwas essen?“

„Ich möchte dir keine Umstände machen.“

„Das tust du nicht. Ich habe noch nicht geschlafen, und die Speisekammer ist voll, auch wenn das Verfallsdatum bei einigen Sachen schon überschritten wurde. Aber ich habe Milch, Butter und Brot gekauft.“

Er lächelte sie an. „Du wolltest nichts riskieren, Jules, oder?“

„Nein.“ Jules war ihr Spitzname, und ihn zu verwenden, war gegen die Regeln. Er merkte es und ruderte gleich zurück: „Was ich fragen wollte: Hast du schon von den Lebensmitteln probiert?“

„Nein.“

„Du bist also gleich nach deiner Ankunft ins Bett gegangen?“

„Ich … ja.“

„Gut, dann ist ein Abendessen ja keine schlechte Idee.“ Er sah auf seine Armbanduhr. „Fast Mitternacht, aber ich habe einen Riesenhunger. Vielleicht können wir uns beim Essen ja ein bisschen mehr kennenlernen. Wenn du dich traust, meine ich.“

Sie sah ihn lange an, bevor sie entschieden antwortete: „Ja, ich traue mich. Warum auch nicht?“

Rob fuhr beide Autos in die Garage. „Es wäre dumm, das nicht zu tun“, erklärte er, während sie auf die Terrasse hinter dem Haus gingen, um zu sehen, wie das Feuer sich entwickelte.

Aber sie konnten nichts erkennen. Das gesamte Tal war in Rauch eingehüllt, der die Sicht auf den Mond und die Sterne blockierte. Das wirkte zwar ein bisschen unheimlich, aber dafür loderte nirgendwo ein Feuer.

„Der Rauch wäre viel dicker, wenn das Feuer näher wäre“, sagte er. „Ich denke, im Moment sind wir in Sicherheit.“

„Aber es hängen Äste über dem Haus!“

„Ja, das habe ich gesehen, als ich gekommen bin. Aber ganz bestimmt werde ich in der Dunkelheit keine Kettensäge benutzen.“

„Du wirst keine Kettensäge benutzen“, schnappte sie, und er grinste.

„Vertraust du mir etwa nicht?“

„Würde ich irgendeinem Mann mit einer Kettensäge vertrauen? Nein!“

Er grinste erneut, dasselbe Lächeln … Oh mein Gott, dieses Lächeln …

Spiel das Spiel mit. Heute Abend kannte sie diesen Mann nicht.

„Offensichtlich haben wir jetzt ja Nachbarn“, sagte Rob und zeigte auf ein Licht im Haus nebenan.

„Ja, ich habe vorhin ein Kind gesehen, kurz bevor es dunkel wurde.“

„Ein Kind … sie hätten ihr Haus verlassen sollen.“

„Vielleicht glauben sie ja, dass dafür noch Zeit ist.“

„Kann sein. Lass mich das mal überprüfen.“ Er sah auf sein Handy. „Es gibt immer noch dieselben Warnungen. Man soll bis um neun Uhr die Häuser verlassen, wenn man es noch nicht getan hat. Es sei denn, man plant, zu bleiben und den Brand zu bekämpfen.“

„Würdest du das tun?“, fragte sie neugierig. „Bleiben und gegen das Feuer ankämpfen, meine ich?“

„Nein, wahrscheinlich nicht“, gab er zu. „Es sei denn, man könnte mir mit einer Kettensäge vertrauen.“

Irgendwie kam er ihr anders vor, obwohl es natürlich derselbe Rob war. Eigenartig! Doch vor allem sollte sie sich jetzt etwas anziehen, entschied Julie, als sie wieder zurück zum Haus gingen. Denn wenn er wirklich ein Fremder war …

Er ist ein Fremder, entschied sie für sich. Vier Jahre waren eine lange Zeit.

„Okay.“ In der Küche war er äußerst effizient. „Essen.“ Er krempelte die Ärmel seines Hemdes noch höher und sah sich um. „Ein Steak wäre jetzt super. Was, glaubst du, finden wir in der Gefriertruhe?“

„Keine Ahnung!“

Doch er inspizierte bereits die vollgepackte Kühltruhe.

„Ich könnte uns auch ein Fertiggericht in der Mikrowelle machen“, schlug sie vor.

„Kommt nicht infrage!“

Richtig, Rob konnte kochen, fiel ihr wieder ein. Vor allem zu Beginn ihrer Beziehung hatte er ein paar wunderbare Menüs für sie gezaubert.

Sie hatte versucht, sich zu revanchieren, doch das Ergebnis war immer ein Desaster gewesen.

„Was für Leute leben eigentlich auf diesem Planeten?“, fragte Rob entsetzt. „Packungen, überall Packungen. Vielleicht waren sie ja auf Diät. Außerdem sind die meisten Sachen hier seit drei Jahren abgelaufen.“

Er zog ein Päckchen nach dem anderen raus und warf es auf den Boden.

„Du musst das Zeug wieder reintun, sonst wird es anfangen zu stinken“, warnte sie ihn.

„Natürlich.“ Seine Stimme klang gedämpft. „In tausend Jahren wird irgendein Archäologe diese Diätwaren entdecken und glauben, dass wir sie nicht mehr alle beisammen hatten. Aber warte mal … hier gibt es doch tatsächlich ein ganzes Rinderfilet!“ Triumphierend schwenkte er seinen Fund in der Luft. „Na, wer sagt’s denn? Das kann ich in die Mikrowelle legen und daraus ein königliches Dinner zubereiten. Warte mal!“

Fasziniert sah sie ihm dabei zu, wie er sich eine Taschenlampe schnappte und durch die Hintertür verschwand.

In weniger als fünf Minuten war er wieder da, mit etwas Grünzeug in der Hand.

„Schnittlauch“, sagte er und betrachtete die Pflanzen etwas genauer. „Oder jedenfalls etwas Ähnliches. Mutierte Zwiebeln, glaube ich.“

Ja, Clarissa hatte Gemüse angepflanzt, erinnerte Julie sich wieder. Clarissa war ihr letztes Kindermädchen gewesen.

Doch im Moment beanspruchte Rob all ihre Aufmerksamkeit. Der Rob von heute.

Sie hatte erwartet, dass er …

Also, um genau zu sein, hatte sie gar nichts erwartet. Sie hatte geglaubt, ihn nie wiederzusehen. Irgendwann würde er ihr wahrscheinlich die Scheidungsunterlagen schicken, hatte sie vermutet. Doch sie selbst war viel zu lethargisch gewesen, um diesen Prozess in Gang zu setzen. Ihn jetzt hier zu haben, zu beobachten, wie er das Steak durchschnitt und den Schnittlauch wusch, fand sie durchaus gewöhnungsbedürftig.

„Du willst doch etwas essen, oder?“

„Ja, natürlich“, nickte sie und war froh darüber, dass sie die Worte überhaupt herausbekam.

Und so aßen sie gemeinsam zu Abend. Die Gewürze aus der Speisekammer schienen noch in Ordnung zu sein, und das Steak war köstlich. Dazu hatte Rob Brot in der Pfanne geröstet, und sie spülten alles mit Tee herunter. Dabei unterhielten sie sich, und es war vor allem Rob, der den Small Talk machte. Er benahm sich tatsächlich so, als wären sie Fremde, die der Zufall zusammengebracht hatte.

Und entsprach das nicht sogar der Wahrheit?

„So, Julie“, sagte er schließlich beim Abwasch. „Wenn du morgen früh aufbrechen willst, was möchtest du dann jetzt gern machen? Als ich hier angekommen bin, hast du ja noch geschlafen.“

„Ich habe versucht zu schlafen.“

„Ja, das ist nicht immer ganz einfach“, erwiderte er ein bisschen schärfer als beabsichtigt. Vielleicht fand er in den Nächten ja ebenso wenig Schlaf wie sie. „Aber du kannst es ja noch einmal probieren. Ich halte in der Zwischenzeit Wache.“

„Wie … du meinst, für den Fall, dass das Feuer in unsere Richtung kommt?“

„Ja, so ungefähr.“

„Aber das soll doch erst morgen passieren.“

„Ich vertraue den Wetterberichten nicht. Lieber bleibe ich mit dem Radio auf der Veranda.“

„Ganz allein? Aber das …“

„Willst du mich dabei unterstützen? Sollen wir uns zusammen raussetzen?“

„Ja.“

„Vielleicht ziehst du dir vorher noch etwas anderes an. Etwas anderes als dein Nachthemd, meine ich.“

„Was hast du gegen mein Nachthemd?“

„Jules“, sagte er gequält, „ich weiß ja, wir beide kennen uns nicht besonders gut. Aber auf der Terrasse gibt es nur ein Sofa, und wenn du in diesem Aufzug neben mir sitzt, dann …“

Sie starrte ihn mit offenem Mund an. „Aber du kannst … du kannst mich doch nicht begehren!“

„Ich habe nie aufgehört, dich zu begehren“, erwiderte er schlicht. „Glaub mir, ich habe es versucht, aber es hat nicht geklappt. Und nur, weil wir uns aufgegeben haben … nur weil wir jetzt keine Familie mehr sind, verschwindet deshalb nicht automatisch auch das Verlangen. Nicht alles hat mit dem Tod unserer beiden Jungen aufgehört zu existieren. Obwohl ich mir oft gewünscht habe, es wäre so.“

„Das heißt, du fühlst noch immer …“

„Ich weiß nicht, was ich fühle“, unterbrach er sie. „Ich habe mir redlich Mühe gegeben, mein Leben weiterzuleben. Mein Therapeut hat mir geraten, die Vergangenheit hinter mir zu lassen, wie ein Buch, das ich je nach Lust und Laune öffnen oder schließen kann. Aber jetzt, in diesem Moment finde ich einfach nur, dass dein Nachthemd zu dünn und du viel zu schön für mich bist. Dieses Buch kann ich nicht schließen. Bitte zieh dich um, Julie!“

Sie starrte ihn lange an. Rob, ihren Mann.

Ihren Ex-Mann. Ihr ehemaliges Leben.

Vor vier Jahren hatte sie diese Tür zugeschlagen. Aus gutem Grund, denn dahinter verbargen sich Emotionen, mit denen sie nicht fertigwurde.

Sie drehte sich schweigend um und ging ins Haus. Weg von ihm und von dem, was er mit ihren Gefühlen machte.

Rob saß auf der Veranda und dachte, dass er Julie vielleicht verschreckt hätte, denn sie kam nicht wieder.

Doch eigentlich überraschte es ihn nicht, denn nach dem Tod ihrer Jungs hatte sie die Tür hinter sich zugeschlagen.

Was auch ihr gutes Recht war.

Er blieb etwa eine Stunde weiter auf der Terrasse sitzen und beobachtete, wie es langsam Nacht wurde. Es herrschte eine drückende Schwüle, und über allem hingen der Rauch und der Geruch von verbranntem Holz.

Das liegt daran, dass kein Wind weht, sagte er sich. Ohne Wind könnte der Rauch wochenlang in der Luft bleiben. Man konnte nicht sagen, wie nah das Feuer war. Und wie hoch das Risiko, wenn der Wind einsetzen würde.

Es wäre besser, wieder zu fahren, und er sollte Julie dazu bewegen, dasselbe zu tun. Aber …

Schließlich war es ihre Entscheidung gewesen hierherzukommen. Daher hatte sie auch das Recht, zu bleiben.

Vielleicht brauchen wir beide diese Nacht, dachte er. Vielleicht waren sie gekommen, um endlich etwas zum Abschluss zu bringen.

Denn er hatte Julies Gesicht gesehen, als er ihr gestanden hatte, dass er sie immer noch begehrte. Sie selbst würde sich das nie eingestehen.

Ihre Liebe gehörte der Vergangenheit an.

Rob blieb sitzen, bis im Haus nebenan Licht anging. Eine Frau ging dort im Zimmer auf und ab. Hielt sie vielleicht auch Wache, so wie er?

Die Momente verstrichen, und er checkte noch einmal die Feuerwarnungen auf seinem Telefon. Alles wie gehabt.

Plötzlich hörte er Geräusche von innen. Konnte das … tatsächlich, es waren Weihnachtslieder.

Erinnerungen bestürmten ihn mit aller Macht. An Weihnachten hatte Julie ihm gesagt, dass sie schwanger sei. Und seine Tante hatte ihm ein kleines Kästchen geschenkt, mit einem Weihnachtsmann und Elfen darin. Man öffnete das Kästchen, dann erklang Musik, und die Figuren fingen an zu tanzen.

Vielleicht sollte er das Kästchen bei Gelegenheit seiner Tante zurückgeben. Doch als er jetzt der Musik folgte und ins Haus ging, sah er Julie auf dem Boden sitzen. Sie schmückte den Weihnachtsbaum mit Kugeln. Noch immer trug sie ihr Nachthemd und schien ganz in ihrer Aufgabe aufzugehen.

Was zum Teufel …

„Schließlich ist morgen Weihnachten“, erklärte sie, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. „Und vergiss mein Nachthemd, Rob McDowell. Für etwas anderes ist es einfach zu heiß, außerdem bin ich am Arbeiten.“

Sie hatte den künstlichen Weihnachtsbaum aus der Abstellkammer geholt. Rob starrte darauf, und erneut fiel ihm das letzte gemeinsame Weihnachtsfest ein. Sie hatten lange darüber beraten, ob sie nicht doch einen echten Baum holen sollten.

Und jetzt saß Julie hier und dekorierte ihren Weihnachtsbaum in aller Ruhe. Als wäre gar nichts passiert. Als wäre die Zeit einfach nur ein paar Jahre vorangeschritten.

„Kannst du dich noch an den hier erinnern?“ Sie hielt einen pausbäckigen Weihnachtsengel in die Luft. Er hatte Flügel und einen süßen kleinen Heiligenschein. „Ich habe ihn in dem Jahr gekauft, als ich unbedingt abnehmen wollte. Immer, wenn ich eine verlockende Mince Pie sah, hatte ich mit ihm die Verabredung getroffen, dass wir erst mal darüber sprechen sollten, bevor ich sie aß. Doch leider hat das nicht funktioniert. Alles, was er sagte, war, dass ich Weihnachten genießen und die Pie ruhig essen solle.“

Rob nickte und betrachtete den kleinen Engel voller Zuneigung.

Julie hing ihren Erinnerungen nach, warum sollte er das nicht auch tun? Irgendwie fand er den Anblick des Baums auch beruhigend.

Schweigend dekorierten sie ihn gemeinsam, doch die Stille im Raum war nicht unbehaglich. Vielleicht dachten beide daran, dass sie am kommenden Tag das Haus und alles, was damit zusammenhing, für immer verlassen würden. Ja, vielleicht würde es sogar den Flammen zum Opfer fallen. Aber die Vorstellung, dass es so aussehen würde, als wäre es bewohnt, hatte etwas unglaublich Tröstendes, fand Rob.

„Was denkst du, wie lange hält sich Weihnachtspudding eigentlich?“, fragte Julie, als sie die letzten kleinen Engel an den Baum hängte. Es waren angesprühte Makkaroni, und keiner von beiden wollte daran denken, wer sie gebastelt hatte. Die Zwillinge mit ihrem Kindermädchen. Die Zwillinge …

Konzentrier dich auf den Pudding, befahl Rob sich. Auf die praktischen Fragen. „Keine Ahnung“, erwiderte er wahrheitsgemäß. „Ewig, denke ich.“

Sie lächelte, und er merkte, wie ihm warm ums Herz wurde. Warum war es ihm eigentlich so wichtig, sie zum Lächeln zu bringen? Weil er dieses Lächeln zusammen mit allem anderen verloren hatte?

„Clarissa hat einen gemacht, der immer noch im Kühlschrank ist“, setzte sie hinzu. „Mit Rum drin. Ich dachte, vielleicht könnten wir morgen ein paar Scheiben davon zum Frühstück braten.“

„Zum Frühstück? Das ist …“, Rob sah auf seine Armbanduhr, „in genau drei Stunden. Du willst einen Weihnachtspudding essen, der vier Jahre alt ist? Das ist ganz schön riskant.“

„Unsinn, das machen wir. Wir haben schließlich nichts zu verlieren“, lachte Julie.

Sie machten mit dem Dekorieren weiter, und schließlich stand der Weihnachtsbaum in seiner ganzen Pracht vor ihnen. Rob zog die Vorhänge im Zimmer zurück, und das Licht im Raum strömte in die nächtliche Dunkelheit hinaus. Fast jedes Haus im Tal war dunkel. Bis auf ein einzelnes Licht im Nachbarhaus waren sie ganz allein. Alle anderen hatten ihre Häuser verlassen oder schliefen und bereiteten sich auf die drohende Gefahr vor.

Schlaf. Bett. Das klang nach einer guten Idee. Theoretisch.

Julie trat zu Rob ans Fenster und sah hinaus. Sie trug immer noch ihr verdammtes Nachthemd. Hatte er sie nicht gebeten, sich umzuziehen? Hatte er sie nicht gewarnt?

Aber sie ist noch nie die Art von Frau gewesen, der man etwas befehlen kann, dachte Rob. Sie war selbstbestimmt, selbstbewusst, und genau das war es, warum er sich damals in sie verliebt hatte. Außerdem hatte Julie Humor und war genauso ehrgeizig wie er. Erst als die Zwillinge auf die Welt gekommen waren, war ihnen beiden klar geworden, dass sie beruflich Abstriche machen mussten, um ihrer Kinder willen.

Doch irgendwie hatten sie es hingekriegt. Sie hatten geliebt …

Geliebt … Er sah sie an und merkte, dass sie trotz der Hitze zitterte. Plötzlich wirkte sie jünger.

Verletzlicher.

Sie war damals nie verletzlich gewesen, und er auch nicht.

Aber sie hatten sich geliebt.

„Julie?“

„Ja?“ Sie sah ihn erschrocken an, und er wusste, dass es nichts mit dem Feuer zu tun hatte.

„Lass uns miteinander ins Bett gehen“, schlug er vor.

„Ich … bin mir nicht sicher.“

„Gibt es jemand anderen?“

„Nein.“

„Für mich auch nicht“, sagte er und spürte, dass sie sich auf dünnem Eis befanden. Wahrscheinlich wäre es das Beste, wenn er ins Gästezimmer gehen würde, aber diese Frau … da war etwas an dieser Frau … die einmal seine Frau gewesen war.

„Heute Nacht ist die Nacht, in der wir Abschied nehmen müssen.“

„Das Haus wird nicht abbrennen.“

„Nein, das denke ich auch. Morgen früh werde ich noch die Äste abschneiden, bevor der Wind sich dreht. Danach müssen wir fahren. Aber heute Nacht …“ Er zögerte und gab sich dann einen Ruck. „Heute Nacht brauchen wir uns.“

„Dann sind wir also doch keine Fremden?“, flüsterte sie und sah ihn mit großen Augen an.

„Vielleicht doch“, gab er zu. „Vier Jahre sind eine lange Zeit. Aber ich will mit der Frau, die immer noch meine Frau ist, ins Bett gehen. Oder willst du mich nicht mehr?“

„Natürlich will ich dich“, gab sie zurück. „Genau das macht mir ja solche Angst.“

„Nicht nur dir.“

„Und hast du … hast du Kondome dabei?“

„Ja.“

„Aber du hast doch gesagt, es gäbe niemanden, du …“

„Hey, ich bin immer noch ein Mann“, lächelte er. „Und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass ich irgendwann mal jemanden treffe, der über dieselben dummen Witze lacht wie ich.“

Denn genau das war passiert, als sie sich kennengelernt hatten. Es war ein ziemlich langweiliger Abend gewesen, und es ging um ein neues Projekt, das Robs Firma präsentiert hatte. Julie war gekommen, um die Verträge mit den Investoren abzuschließen. Irgendwann hatte Rob dann angefangen, Witze zu reißen, um die Stimmung aufzulockern, und dabei hatten ihre Blicke sich getroffen.

„Ich bin bereit“, sagte er mit sanfter Stimme. „Und du? Ein letztes Mal, meine Jules?“

„Ich bin nicht mehr deine Jules.“

„Aber könntest du nicht so tun? Nur heute Nacht?“

Erstaunlicherweise nickte sie. „Ja, vielleicht schon. Weil ich die Gespenster vertreiben möchte. Und weil ich es will.“

„Ich brauche mehr als nur ein Vielleicht“, gab er zurück. „Ich wünsche mir, dass du mich genauso willst wie ich dich.“

Rob hatte mit seinen Worten ins Schwarze getroffen. Denn natürlich wollte sie ihn.

Sie hatte ihn immer gewollt.

Plötzlich musste sie daran denken, wie sie am Arm ihres Vaters vor dem Altar gestanden hatte. Sie hatte Rob angeschaut und gewusst, dass er der Richtige für sie war. Und dass sie die glücklichste Frau auf der Welt war. Denn er würde sie lieben und ehren und beschützen.

Bis dass der Tod euch scheidet …

Und der Tod hatte sie geschieden, aber auf eine ganz andere Weise, als sie sich hatten vorstellen können. Und es war unmöglich, die Puzzlestücke wieder zusammenzufügen. Die Stücke ihres Lebens, bevor die Jungs auf die Welt gekommen waren.

Doch aus irgendwelchen Gründen wurde ihnen diese Nacht geschenkt.

Eine einzige Nacht. Eine merkwürdige Einheit von Zeit und Raum.

Rob sah Julie voller Zärtlichkeit an. Aber er wollte sie nicht bedrängen. Es musste ihre Entscheidung sein.

Vielleicht kann ich es ja tun, dachte sie. Vielleicht kann ich meinen Panzer ablegen, nur dieses eine Mal.

Schließlich lebte sie inzwischen ein äußerst diszipliniertes Leben, zu dem ihr spontaner Entschluss hierherzukommen, eigentlich gar nicht passte. Und danach würde sie wieder an ihre Arbeit zurückkehren.

Doch heute … diese Sehnsucht … die Art, wie Rob mit ihr sprach … dass er sie in seinem Bett haben wollte …

Es war wie der Gesang der Sirenen. Schließlich hatte sie diesen Mann einmal geliebt, alles an ihm. Die Liebe hätte sie fast zerstört, und sie konnte die Vergangenheit nicht ungeschehen machen. Aber heute Nacht … war alles anders, als wären sie aus der Zeit gefallen.

Und sie schätzte ihn dafür, dass er sie nicht unter Druck setzte. Das hatte er nie getan. Er wartete nur einfach darauf, dass sie ihre Entscheidung traf.

Vielleicht konnte sie ihn noch einmal lieben … nur diese eine Nacht.

Julie gab sich einen Ruck und nickte. „Ja“, sagte sie entschlossen. „Ich sage Ja, Rob. Auch wenn es verrückt ist, auch wenn es mir Angst macht, ich will dich.“

„Warum sollte ich dir Angst machen?“, fragte er mit einem Funkeln in den Augen.

„Das ist ja das Verrückte daran“, flüsterte sie. „Dass ich es ganz normal finde, wie sehr ich mich zu dir hingezogen fühle. Genau das macht mir Angst. Aber unabhängig davon … möchte ich heute Nacht ein letztes Mal deine Frau sein.“

Bis jetzt hatten sie noch ein Spiel gespielt, hatten so getan, als wären sie Fremde, die zufällig in diesem Haus zusammengekommen waren.

Doch damit war es jetzt vorbei. Fast kam es Rob so vor, als wäre es das erste Mal, dass er mit Julie ins Bett ging. Das war natürlich Unsinn, denn schließlich wusste er alles über diese Frau. Über seine Frau.

Aber vielleicht irrte er sich auch. Waren inzwischen nicht vier Jahre vergangen? Vier Jahre, in denen auch er sich verändert hatte? Wie hatte sie diese Zeit verbracht?

Und doch war es so, als würde in diesem Moment nur das brennende Verlangen zwischen ihnen existieren, das alles andere in den Hintergrund treten ließ.

„Bist du dir sicher?“, fragte er und sah sie eindringlich an.

„Ja, ich bin mir sicher“, gab sie zurück.

Schweigend hob er sie hoch und trug sie ins Schlafzimmer.

Dann küsste er sie, und es war, als würde sie ein flammendheißer Blitz treffen. Als würden sie miteinander verschmelzen. Als könnten sie sich nie wieder trennen.

Rob trug seine Frau auf seinen Armen. Auf nichts anderes konnte er sich mehr konzentrieren.

Seine Julie. Seine Frau. Seine große Liebe.

Sie hatte vergessen, wie es war, wenn ihr Körper sich auflöste und mit seinem verschmolz. Wie die Außenwelt verschwand. Wie jeder ihrer Sinne auf ihn konzentriert war. Oder auf sie beide. Vor Jahren, als er sie zum ersten Mal berührt hatte, hatte sie gewusst, was Ehe bedeutete. Schon bei ihrem ersten Kuss, hatte sie sich wie seine Frau gefühlt.

Damals hatte sie sich ihm einfach bedingungslos hingegeben. Sie hatte sich ihm ausgeliefert, und er hatte dasselbe getan. Sein wunderbarer starker Körper, so männlich und schwer, hatte den Duft der Erregung, des Begehrens verströmt. Er nahm sie, forderte alles von ihr, doch sie wusste, dass er sie sofort freigeben würde, wenn sie sich von ihm gelöst hätte.

Allerdings würde sie sich nie von ihm lösen wollen. Das konnte sie genauso wenig wie er.

Denn ihre Körper waren wie füreinander geschaffen.

Jetzt spürte sie seine Lippen auf ihren, und alle Empfindungen der letzten Jahre kehrten mit einem Mal zurück. Oh, sein Geschmack. Die Art, wie er sich anfühlte … ihr Körper war entflammt vor Begehren. Sie spürte, dass Rob wieder ihr gehören würde, egal, für wie lange.

Bis zum nächsten Morgen?

Nein, daran wollte Julie jetzt nicht denken. Es war egal, wie lange. Alles, was zählte, war dieser Moment.

Irgendwie schafften sie es bis zum Bett, aber noch bevor Rob auf ihr lag, machte sie sich schon an den Knöpfen seines Hemds zu schaffen. Ja, sie wollte den Körper dieses Mannes. Sie wollte seine Stärke spüren, die Härte seiner Rippen, seine feste Brust. Sie wollte den salzigen Geschmack seiner Haut schmecken.

Oh, sein Körper … er gehörte noch immer ihr, so fühlte es sich jedenfalls an.

Vier Jahre waren vergangen …

Nein. Vergiss die vier Jahre. Denk nur an das Jetzt.

Sein Kuss wurde intensiver, stürmischer. Ihr Nachthemd fiel zu Boden, und plötzlich war es ganz einfach. Die Erinnerungen waren verschwunden. Es gab nur noch ihn. Hier und jetzt.

Rob!

„Willkommen zu Hause, mein Liebling“, flüsterte er, als sie Haut an Haut lagen und die Nacht sich in einem Nebel von Hitze und Begehren auflöste.

Zu Hause … in diesem Wort lag so viel Ungesagtes. Sehnsucht, Hoffnung und Frieden.

Es hat nichts zu bedeuten, dachte sie.

Aber sie hielt ihn fest, hielt ihn gefangen.

In diesem Moment gehörte er ihr.

Und in diesem Moment hatte er recht. Sie fühlte, dass sie wieder zu Hause war.

Er hatte vergessen, wie gut sich eine Frau anfühlen konnte.

Er hatte … Julie vergessen?

Nein, natürlich hatte er das nicht. Er hatte sie nur an einen unerreichbaren Ort in seinem Inneren verbannt. Doch jetzt war sie da, hieß ihn willkommen, liebte ihn.

Sie schmeckte fantastisch. Immer noch so, wie … wie … hatte er sie eigentlich je einmal gefragt, welches Parfum sie benutzte? Frisch, mit einem Duft nach Zitrone, den auch ihr Haar verströmte.

Rob hatte vergessen, wie erotisch es war, neben ihr zu liegen, zu spüren, wie ihr Körper unter seinen Zärtlichkeiten zu beben begann.

Das Zimmer war dunkel, was gut war. Denn wenn er sie jetzt sehen könnte, würden ihre Augen vielleicht wieder diesen toten Ausdruck annehmen. Den Ausdruck, der besagte, dass nichts mehr übrig geblieben war, weder für sie noch für ihn.

Diesen Ausdruck, der ihn fast umgebracht hatte.

Aber daran wollte er jetzt nicht denken. Das konnte er auch nicht, denn ihre Hand lag auf seinem Oberschenkel, sie zog ihn näher zu sich heran und …

Hier lag er neben seiner Frau. Seiner Julie. Die nur ihm gehörte.

Sie liebten sich, immer und immer wieder. Ihre Körper verschmolzen miteinander, als hätten sie sich nie getrennt.

Irgendwann merkte Rob, dass Julie leise zu weinen angefangen hatte. Schweigend zog er sie an sich und spürte wieder, dass sie in diesem Moment ihm gehörte, nur ihm allein.

Doch morgen würde er von hier wegfahren. Er hatte akzeptiert, dass ihre Ehe vorüber war, dass Julie ihren Panzer nie ablegen würde. Um zu überleben, musste er seinen eigenen Weg gehen. Das war ihm klar. Sein Therapeut hatte es ihm gesagt, und Rob wusste, dass es stimmte.

Deshalb würde er sie verlassen. Aber zunächst … das hier war ein Geschenk, mit dem er nicht mehr gerechnet hatte. Ein Riss in ihrem schrecklichen Panzer.

„Heute Nacht will ich dich lieben“, flüsterte er, und sie küsste ihn so leidenschaftlich, als würde das Gelübde, das sie vor vielen Jahren abgelegt hatte, immer noch gelten.

Und so sollte es auch sein, jedenfalls für diesen Moment. Es gab nichts anderes, nur das Jetzt zählte.

Rob erwiderte ihre Küsse, erwiderte ihre Zärtlichkeiten.

„Auch ich will dich heute Nacht lieben“, flüsterte sie und hielt ihn ganz fest. Es gab nichts anderes mehr für Rob als seine Frau.

3. KAPITEL

Achtung: Wenn ein Buschfeuer sich dir nähert, solltest du vielleicht den Wecker stellen!

Rob wachte auf, und das gefilterte Sonnenlicht strömte durch die Fenster. Gefiltert? Das musste Rauch sein. Er bemerkte es, aber nur am Rande, denn Julie lag in seinen Armen, nackt, gesättigt von seiner Liebe. Er konnte nur schwerlich an etwas anderes denken als an sie.

Aber die Welt drängte sich zwischen sie. Der Wind war stärker geworden. Er hörte, wie die Gummibäume draußen unter dem Gewicht ächzten.

Wind. Rauch. Morgen.

„Jules?“

„Hmmm?“ Sie streckte sich genüsslich, und als er ihre Haut an seiner spürte, erwachte das Verlangen erneut in ihm. Er könnte …

Aber er konnte nicht. Wind. Rauch. Morgen.

Dann sah er auf seine Uhr.

Halb neun.

Halb neun!

Spätestens um neun Uhr mussten sie von hier weg sein, so hatten die Warnungen des Wetterdienstes gelautet.

Halb neun!

Irgendwie gelang es Rob, sich aus dem Bett zu rollen und das Radio anzustellen. Doch er verließ Julie nur sehr ungern.

„Wir sollten das Haus verkaufen“, hörte er sie schläfrig murmeln, während er die einzelnen Kanäle durchzappte, um etwas über die aktuelle Lage zu erfahren.

„Warum bist du eigentlich zurückgekommen?“, fragte er, nahm seine Hand vom Radio und drehte sich wieder zu ihr um. Natürlich, das Feuer war wichtig. Aber Rob spürte auch, dass sie das, was sie jetzt sagen würden, nur in diesem Moment zueinander sagen konnten. Nicht in der Zukunft, wenn das Haus entweder niedergebrannt oder verkauft worden war.

„Wegen der Teddybären. Und des Wandteppichs, den meine Mum gemacht hat. Ich wollte sie retten.“

„Und ich die Feuerwehrautos.“

„Das passt.“ Erstaunlicherweise lächelte sie dabei.

Obwohl Rob geglaubt hatte, dass er diese Frau nie wieder würde lächeln sehen.

„Julie, es war nicht unsere Schuld“, sagte er schnell und sah, wie ihr Lächeln erlosch.

„Ich …“

„Ja, ich weiß. Du hast gesagt, du hättest sie umgebracht. Aber ich glaube, dass ich es war. Als ich dich aus dem Krankenhaus geholt habe, hast du behauptet, es wäre passiert, weil du geschlafen hast. Davon wollte ich nichts hören, aber ich … ich konnte einfach nicht die richtigen Worte finden. Es war so, als wäre ich tot. Ich konnte nichts mehr sagen. Seit vier Jahren kann ich an nichts anderes mehr denken. Aber ich habe versucht, es aufzuschreiben.“

„Ich habe deine Briefe bekommen.“

„Aber du hast nie geantwortet.“

„Ich dachte, dann vergisst du mich vielleicht schneller und machst mit deinem Leben weiter.“

„Du weißt doch, die Straße war zerstört worden. Die Anwälte haben uns gesagt, wir könnten klagen. Es war der Sturm in der Woche davor gewesen, der den Asphalt aufgeweicht hat.“

„Ja, aber dass ich einfach geschlafen …“

„Wir hätten an diesem Abend in der Stadt bleiben sollen. Wir hätten nicht versuchen sollen, die Jungen nach Hause zu bringen. Das ist das, was uns am meisten zu schaffen macht, und doch hat keiner Schuld an der Katastrophe. Wir waren zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort. Ich bin zur Unfallstelle zurückgekehrt. Es war eine unübersichtliche Kurve. Ich bin um sie herumgefahren, aber die Straße war einfach nicht mehr da.“

„Wenn wir bei Tageslicht gefahren wären, als wir beide noch wach waren …“

Wie oft hatte er selbst daran gedacht? Wie viele schlaflose Nächte hatte ihn das schon gekostet?

Rob seufzte tief. „Jules, ich bin diese nicht einsehbare Kurve gefahren, nicht einmal sehr schnell, doch plötzlich gab es keine Straße mehr. Auch wenn wir hellwach gewesen wären, hätte das keinen Unterschied gemacht. Und ich bin nicht der Einzige, der das sagt. Das ist die Einschätzung der Polizei, der Sanitäter und der Unfallbeobachter.“

„Aber ich kann mich an nichts erinnern.“ Ihre Stimme klang erstickt.

Das Schuldbewusstsein hatte sie damals fast umgebracht. Und es lag ihnen noch immer schwer auf der Seele.

Er hielt sie, aber ihr Körper war steif geworden. Die Ereignisse von damals waren wieder da. Auch eine Nacht voller Leidenschaft brachte sie nicht zum Verschwinden.

Und daran konnte Rob nichts ändern. Wie auch, wenn im Zimmer nebenan zwei kleine leere Betten standen?

Er küsste sie, sehnte sich nach einem Echo der vergangenen Nacht. Sie erwiderte seinen Kuss, aber er spürte, dass sie sich zurückgezogen hatte.

Hier war wieder die tote Julie …

Rob wandte sich erneut dem Radio zu und suchte, bis er den Sender gefunden hatte.

„Die Evakuierung in den Orten Rowbethon, Carnarvon und Dewey’s Creek ist bereits weit fortgeschritten. Die Bewohner werden aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Der Wind hat an Stärke zugenommen und liegt jetzt bei einer Geschwindigkeit von siebzig Kilometer pro Stunde. Das Feuer breitet sich mit rasender Geschwindigkeit aus.“

Der Wind kam also von Norden.

„In einer Stunde wird es die Gegend um Mount Bundoon erreicht haben“, fuhr der Sprecher fort. „Die Bundoon Creek Bridge ist geschlossen, die Straßen nach Süden blockiert. Bleiben Sie in Ihren Häusern, ich wiederhole, bleiben Sie in Ihren Häusern.“

„Gott sei Dank haben wir den Bunker“, sagte Rob.

„Aber …“

„Wir schaffen das, Jules.“

Sie nickte, und da war sie wieder, die pragmatische Frau, auf die er sich auch in der schwersten Krise verlassen konnte.

„Der Feuernotfallplan“, sagte sie. „Ich habe ihn.“

Natürlich hatte sie ihn. Rob kannte niemanden, der so gut organisiert war wie sie. Die Meisterin der Listen.

Am Tag ihres Einzugs hatte sie aus dem Internet einen Notfallplan heruntergeladen für den Fall eines Buschfeuers, wie sie in der Gegend nicht selten waren. Und dann hatte sie darauf bestanden, dass er ihn Schritt für Schritt mit ihr durchging.

Dabei hatte Rob bei seinem Entwurf für das Haus an alles gedacht. Es war aus Stein gebaut, ohne einen Garten in der Nähe. Sie hatten Solarenergie, Generatoren, Unterwassertanks, Pumpen und Sprinklersysteme. Der Geräteschuppen konnte als Bunker genutzt und in wenigen Minuten geleert werden. Er besaß Doppeltüren und war in die Erde gebaut.

Doch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen würde ihnen das nicht viel nützen, wenn das Feuer sie erreicht hätte. Bestimmt waren alle anderen Bewohner längst aus der Gegend verschwunden. Sie mussten verrückt gewesen sein hierzubleiben.

Aber Julie protestierte nicht, sie sah einfach nur nach vorn.

„Ich mache die Fensterläden zu und versiegle die Fenster. Räum du in der Zwischenzeit den Hof auf. Aber zuerst müssen wir Wollsachen anziehen.“ Sie sprang aus dem Bett, zog eine Schublade in der Kommode auf und holte eine dicke Wollmütze heraus, die sie sich auf den Kopf setzte. „Na, wie seh ich aus?“

„Sehr attraktiv“, erwiderte er und grinste.

„Und ich liebe Männer in Flanell.“ Sie warf ihm ein Hemd zu. „Hast du eigentlich in letzter Zeit viel trainiert?“

„Ach, ist dir das aufgefallen?“

„Was denkst du denn?“ Doch dann schnappte sie sich ihr Telefon, und ihr Gesichtsausdruck verdunkelte sich. „Rob, das Feuer … es kommt direkt auf uns zu.“

„Ja, ich weiß. Aber glücklicherweise haben wir den Bunker.“ Er legte ihr die Hände auf die Schultern und sah sie eindringlich an. „Du bist wegen der Teddybären und des Wandteppichs hergekommen. Gibt es noch etwas anderes, was du mitnehmen willst?“

„Ihre … ihre Kleidung … und …“ Ihre Stimme brach, und er wusste genau, woran sie dachte. An den Geruch der Jungen. An ihre Präsenz. An den letzten Ort, wo sie gewesen waren.

Vielleicht konnte er das alles nicht für sie zurückholen. Aber versuchen würde er es.

„Und ihre Feuerwehrautos“, fügte er noch hinzu. „Darum sollten wir uns zuerst kümmern. Hoffentlich sind die Gruben noch frei.“

Auf die Gruben und den Bunker konnten sie im Notfall immer zurückgreifen. Denn als sie dieses Haus gebaut hatten, hatten sie natürlich gewusst, dass es im australischen Busch immer wieder zu Bränden kommen konnte. Das Feuer war etwas ganz Natürliches, und die Menschen, die hier wohnten, hofften zwar das Beste, waren aber auch auf das Schlimmste gefasst.

Die Feuergruben waren eine Reihe von Löchern hinter dem Haus, zu denen man leicht Zugang hatte. Wenn man also etwas Wichtiges besaß, vergrub man es, das war hier seit Jahrhunderten Praxis. Man packte Wertsachen in wasse...

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Joanna Neil
Joanna Neil startete ihre Karriere als Autorin von Liebesromanen auf ganz unkonventionellem Wege. Alles begann damit, dass Joanna Neil einen Werbespot für Liebesromane sah und von diesem Zeitpunkt an wie verzaubert war. Sie fing an, die Romane zu verschlingen, und war überwältigt. Je mehr sie las, umso mehr hatte sie...
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Kate Hewitt
<p>Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...
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