Romana Weekend Band 30

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WILD UND SCHÖN WIE SCHOTTLAND von LAURA MARTIN

„Du kommst mit mir nach Schottland.“ Nur unter dieser Bedingung darf die aparte Fernsehmoderatorin Christy den Bestsellerautor Drew Michaels interviewen. Christy ist schockiert: Ein Wochenende allein mit ihrem Erzfeind in den Highlands?

SCHNEEGLÖCKCHEN FÜR DIE BRAUT von GRACE GREEN

Obwohl es Winter ist, nimmt Nairne Campbell einen Gast in ihrem kleinen Bed and Breakfast auf. Stephen Galbraith sah so verloren aus, als sie ihn auf dem Friedhof traf. Vorsichtig versucht sie, hinter sein Geheimnis zu kommen.

ZÄRTLICHE STUNDEN IM SCHLOSS DES MILLIARDÄRS von MAGGIE COX

In Liebe, dein SB: Der Brief, den Imogen in einem Buch entdeckt, berührt ihr Herz zutiefst. Unbedingt will sie den Verfasser finden – und landet auf dem schottischen Schloss des Milliardärs Seth Broden. Kann dieser kühle Mann wirklich der heiß verliebte SB sein?


  • Erscheinungstag 27.09.2025
  • Bandnummer 30
  • ISBN / Artikelnummer 9783751533270
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Laura Martin, Grace Green, Maggie Cox

ROMANA WEEKEND BAND 30

Laura Martin

1. KAPITEL

„Christy?“

Sie konnte ihn auch im Halbdunkel gut erkennen. Auf einen Ellbogen gestützt, beobachtete er sie. Er war fassungslos. Wütend. „Du verschwindest einfach?“

Die glatten Hotelbetttücher bedeckten seinen kräftigen nackten Oberkörper nur unzureichend. Christy drehte sich kurz um. Ein feuchter Schimmer lag noch auf seiner Haut und erinnerte sie an die leidenschaftliche Umarmung, die sie in dieser warmen Sommernacht geteilt hatten. „Ich … dachte, du schläfst noch.“

Sie tastete weiter nach ihren verstreuten Kleidungsstücken. Die Bluse hatte sie schon gefunden, aber die genügte nicht – jedenfalls nicht, wenn sie aus diesem Luxushotel verschwinden wollte, ohne peinliches Aufsehen zu erregen.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Seine Stimme klang unangenehm scharf, sodass es Christy kalt über den Rücken lief.

Wie kam sie überhaupt hierher? Warum hatte sie das alles geschehen lassen? Mit geschlossenen Augen streifte sie die Bluse über ihr volles blondes Haar und ging dabei hart mit sich ins Gericht.

„Komm wieder ins Bett, Christy. Es ist erst ein Uhr früh.“ Das klang wie ein Befehl. Drew Michaels war es offenbar gewohnt, dass man seinen Wünschen folgte.

Wenn es auch den Eindruck macht, dachte Christy, während sie weiter ihre Sachen zusammensuchte, ich bin keins von seinen Betthäschen. Ihre Augen hatten sich inzwischen an das schwache Licht gewöhnt, sodass sie den Kleiderhaufen neben dem Bett mühelos entdeckte.

„Wie konnte ich mich nur in eine so unmögliche Situation bringen?“, flüsterte sie vor sich hin. „Ich muss weg … weg von hier. Ich hätte niemals bleiben dürfen.“

Seit ihr Verlangen so wunderbar gestillt worden war, quälte sie nur ein einziger Gedanke: wie unendlich lächerlich sie sich gemacht hatte.

„Ich muss gehen.“ Ihre Stimme bebte, während sie noch einmal auf das Bett sah. „Ich hätte nicht mitkommen dürfen. Wir hätten nicht …“

Drew beugte sich vor und umfasste ihren Arm. Sein warmer Atem streifte ihre Schulter und ihren Nacken, was ihre Sehnsucht neu entfachte. „Warum so eilig, Christy?“

Diesmal klang seine Stimme warm und sanft, als wäre er selbst wieder dem Zauber verfallen, der sie noch kurz vorher umfangen hatte. Ihr Name floss geradezu von seinen Lippen, schmelzend verführerisch, um sie erneut in seinen Bann zu ziehen. Sie mit seinen Lippen und himmlischen Küssen willenlos zu machen. Wie konnten Küsse einen so weit bringen? Christy schloss die Augen und sank für einen Moment an Drews breite Brust.

„Sei nicht albern“, flüsterte er und küsste ihren Hals, während er gleichzeitig ihr Haar zurückstrich. „Du kannst mich jetzt nicht verlassen, das weißt du.“

Fast wäre Christy ihrer Schwäche erlegen. Eine einzige Berührung von ihm, und ihr Widerstand schmolz dahin. Sie spürte, wie sich das Verlangen tief in ihr regte, und wusste, dass ihr nur noch wenig Zeit blieb. Einige Minuten, vielleicht Sekunden, und es war um sie geschehen. Dann war es um ihren Stolz endgültig geschehen.

Mit einem Ruck machte sie sich los. Sie hatte sich immer geschworen, auf den einen richtigen Mann zu warten. Mit dreiundzwanzig noch unschuldig zu sein, mochte nicht der Norm entsprechen – jedenfalls nicht in der Welt, in der sie lebte. Doch damit war es jetzt vorbei. Sie hatte alles in einem einzigen unüberlegten Augenblick verschenkt.

Drew wollte sich damit offensichtlich nicht abfinden, das verriet ihr der eisige Blick seiner blauen Augen. Gerade erst hatten sie geleuchtet und vor Leidenschaft gesprüht, als er sie in seine Arme zog.

Was wollte sie sich eigentlich vormachen? Kein anderer Mann – ob einflussreicher Politiker, mächtiger Unternehmer oder berühmter Experte auf diesem oder jenem Gebiet – hatte Drew Michaels’ Aura, seine unvergleichliche Anziehungskraft besessen. Er brauchte eine Frau nur lange genug mit seinen blauen Augen anzusehen, ihren Namen zu flüstern und sie an die Hand zu nehmen. Christy war diesem Charme erlegen, wie alle anderen.

Auch jetzt lag ein Lächeln auf seinen Lippen, aber ein hartes, spöttisches, das nichts Gutes verhieß. „Du willst dich also wirklich davonstehlen?“ Drew lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Einen so unwürdigen Abgang hatte ich nicht erwartet. Du lässt die überlegene Haltung vermissen, die wir alle an der gefeierten TV-Moderatorin bewundern. Was soll der Portier denken, wenn du mitten in der Nacht fluchtartig das Hotel verlässt?“

„Falls du dich um deinen Ruf sorgst …“

„Um meinen Ruf?“, unterbrach er sie. „Ich fürchte, an dem ist nichts mehr wiedergutzumachen. Außerdem bin ich in meinem Leben an einen Punkt gekommen, wo es mir gleichgültig ist, was die Leute von mir denken. Ehrlich, Christy, ich habe nur an deinen Ruf gedacht.“

Drew stand auf. Sein schlanker, dabei kräftiger nackter Körper schimmerte im Licht der verhängten Lampe und ließ alle Vorzüge – die dunkel behaarte Brust, die kräftigen Schenkel und den glatten Bauch – deutlich erkennen.

„Wirf einen Blick in den Spiegel, Christy. Gesteh dir ein, wie schön du aussiehst … erschöpft vom Liebesspiel, mit zerzaustem Haar. Tu es einfach.“ Drew umfasste mit beiden Händen ihre Taille und drehte Christy herum, sodass sie seiner Aufforderung folgen musste, während er dicht hinter ihr stehen blieb. „Sieh dich im Spiegel an.“

Christy erschrak fast vor dem Bild, das der Spiegel zurückwarf, denn es zeigte zwei aufregend unterschiedliche Personen. Drew groß, mit vollem schwarzem Haar, sie selbst etwas kleiner, schmaler, mit einem feinen zarten Gesicht in einer schimmernden Wolke goldblonden Haars.

Drew legte seine Hände auf ihren Bauch und strich die seidene Bluse glatt, bis sich ihre Brüste mit den schwellenden Knospen deutlich darunter abzeichneten. „Passen wir nicht wunderbar zusammen?“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Verrät dein Körper nicht sichtbar, was in dir vorgeht? Einmal genügt nicht, Christy. Lass uns von vorn mit dem Spiel beginnen. Lass mich deine Sehnsucht im Übermaß erfüllen …“

„Nein!“ Irgendwie, irgendwoher fand sie die Kraft zum Widerstand. Sie erwachte aus dem Reich der Träume und empfand nur noch die tiefe Enttäuschung darüber, dass das Ganze für Drew nur Befriedigung seines Sextriebs gewesen war.

„Nein“, wiederholte sie und löste sich aus seiner Umarmung. „Ich verschwinde, Drew … und zwar jetzt.“ Sie nahm all ihre Kraft zusammen, drehte sich noch einmal um und sah ihm in die Augen. Er sollte begreifen, dass sie es ernst meinte. „Kannst du nicht verstehen, wie ich mich fühle … als wäre ich mir selbst fremd geworden? Ich habe dir nachgegeben. Ich habe einem Mann, den ich so gut wie nicht kenne und auch nicht besonders mag, erlaubt, mit mir zu schlafen …“ Sie hatte immer aufgeregter gesprochen, und jetzt versagte ihr die Stimme. Indem sie die Wahrheit aussprach, begriff sie sich selbst nicht mehr.

„Wenn man dich so hört, könnte man meinen, du seist von mir gezwungen worden“, antwortete Drew beherrscht, aber mit hartem Unterton. „Dabei wissen wir doch beide, mit welcher glühenden, geradezu verzweifelten Leidenschaft du dich mir hingegeben hast, als sollten wir für immer eins werden.“

Seine grausame Offenheit raubte Christy für Sekunden den Atem. „Wie ich dich hasse!“, stieß sie mit blitzenden Augen hervor. „Ich muss wahnsinnig gewesen sein … oder betrunken … oder …“

„Du warst nichts von all dem, und das weißt du. Ein einziger Blick, und wir wussten beide, wie der Abend enden würde. Wir haben miteinander geschlafen, weil wir es beide wollten.“

„Erkläre mir nicht, wie ich mich zu verhalten habe. Das ist allein meine Sache. Ich sage und mache, was ich will!“ Ihre veilchenblauen Augen sprühten förmlich Feuer. „Mit mir kannst du nicht so umspringen wie mit den anderen Frauen, die du in dein Bett lockst. Ich habe für einige Stunden den Verstand verloren, aber glaub mir … er arbeitet wieder.“

„Tatsächlich?“ Drews Miene drückte deutlich seinen Zweifel aus, und plötzlich wurde Christy wieder beklommen ums Herz. „Ich glaube nicht, dass dein Publikum dich so kennt. Bist du noch die beherrschte, sich ständig selbst kontrollierende Christy King? Die ‚eiskalte Göttin‘ des Fernsehschirms? So hat ein Rezensent dich doch kürzlich genannt. Wie willst du dich verhalten, wenn wir uns morgen im Studio wieder begegnen? Wie wird die eiskalte Göttin, Miss Christy King, dann ihr Interview gestalten?“

Das waren seine letzten höhnischen Worte gewesen, und er hatte es ihr am nächsten Tag wahrhaftig schwer gemacht. Teuflisch schwer …

„Ich darf es wohl als besondere Auszeichnung empfinden, Mr. Michaels, dass Sie mir heute Abend dieses Interview geben? Es heißt, dass Sie selten dazu bereit sind.“ Christy rang sich ein charmantes Lächeln ab und wartete auf Drews Antwort.

Er ließ sich Zeit, als wüsste er nicht, dass Millionen von Zuschauern auf sein erstes Wort warteten. Wahrscheinlich sind starke Nerven seine Geheimwaffe, dachte Christy, die vor Herzklopfen kaum ruhig atmen konnte.

„Interviews sind eigentlich langweilig … eine ziemlich egoistische Art, die Zeit totzuschlagen“, antwortete er schließlich. Sein rechter Arm ruhte auf der Rückenlehne seines Sessels. „Um ehrlich zu sein, und darauf kommt es Ihnen ja vor allem an, Miss King …“, er lächelte ebenfalls und brachte damit wahrscheinlich seine Verehrerinnen vor den Fernsehern in Verzückung, „… ich kann mir tausend Dinge vorstellen, die ich in diesem Moment lieber täte.“

„Zum Beispiel?“ Christy beugte sich vor, fest dazu entschlossen, sich nicht das Heft aus der Hand nehmen zu lassen. „Was würden Sie in diesem Augenblick tun, wenn Sie nicht hier bei mir säßen?“ Sie zog fragend die Augenbrauen hoch, als hätte sie ein echtes Interesse an seiner Antwort.

Drew kniff die Augen zusammen. Es zuckte um seine Lippen, aber zunächst sagte er nichts. Was hatte er im Sinn? Christy spürte die wachsende sinnliche Spannung zwischen ihnen und wurde immer nervöser. Warum, zum Teufel, konnte sie die letzte Nacht nicht vergessen?

„Die Frage sollte sich am besten jeder selbst beantworten“, erklärte Drew, nachdem er wieder auffällig lange geschwiegen hatte. „Ich überlasse es der Fantasie meiner Zuschauer. Nur so viel … Gedämpftes Licht, ein guter Wein und eine attraktive Frau gehörten selbstverständlich dazu.“

Die Studiogäste lachten über die deutliche sexuelle Anspielung, und Christy konnte nicht verhindern, dass sie errötete. Natürlich ahnte niemand, dass ausgerechnet sie mit Drew geschlafen hatte und seinen Verführungskünsten erlegen war. Warum tut er mir das an? dachte sie wütend. Was kann ich sagen, was tun? Am liebsten würde ich aufstehen und davonlaufen.

Im Mikrofon, das sie mit dem Regisseur und seinen Assistenten verband, knackte es. Wie lange musste sie hier noch ausharren? Um Gottes willen … wie lange?

„Aber es gibt Pflichten“, fuhr Drew mit einem lässigen Schulterzucken fort. „Ich habe mich zu dieser eher lästigen Veranstaltung bereit erklärt, um mein jüngstes Projekt zu fördern. Da bin ich also … auf Gnade oder Ungnade.“

Und das soll man dir glauben? dachte Christy, die sein scheinheiliges Lächeln und die gespielte Gelassenheit ungemein reizte. „Soweit ich weiß, investieren Sie sehr viel eigenes Geld in diesen Film“, sagte sie.

„Einen guten Teil meines Vermögens.“

„Dann müssen Sie von dem Erfolg überzeugt sein. Warum gehen Sie dieses Risiko ein? Es steht nicht zum Besten um die Filmbranche, und der Erfolg eines so neuen Projekts ist eher fraglich.“

„Ganz im Gegenteil“, widersprach er. „Qualität setzt sich auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten durch, während Mittelmäßiges sang- und klanglos verschwindet. Ich finde das nur natürlich. Es sollte so sein.“

„Dann muss es sich um ein sehr gutes Drehbuch handeln.“

„Gewiss.“ Er warf ihr einen eisigen Blick voller Verachtung zu. „Ich habe es selbst geschrieben.“

Christy rutschte nervös hin und her und umklammerte die Lehnen ihres Sessels. Sie wusste, dass Drew nicht mehr dazu sagen würde, und wartete doch verzweifelt auf seine nächsten Worte.

„Vielleicht erzählen Sie uns etwas mehr über den Film?“, forderte sie ihn auf, als das Schweigen zu peinlich wurde. Sie war erfahren genug, ihre Nervosität zu verbergen, und wirkte nach außen nicht anders als sonst. Drews Einsilbigkeit war natürlich Methode. Er wollte es ihr so schwer wie möglich machen.

„Aus diesem Film kann jeder mitnehmen, was er will. Er hat komische, dramatische und ausgesprochen fesselnde Szenen …“

„Das klingt nach einer idealen Mischung. Es erscheint kaum möglich, so unterschiedliche Elemente in einem Film zu vereinigen.“

„Meinen Sie?“ Drew betrachtete sie herausfordernd. „Warum sollte das nicht möglich sein? Haben Sie vielleicht genauere Kenntnisse über die Filmbranche als ich, Miss King?“

Er wollte sie in Verlegenheit bringen, indem er die Rollen vertauschte und jetzt eine Antwort von ihr erwartete. „Nun, ich …“ Sie zögerte und hätte sich ohrfeigen können, weil sie sich ihre Frage nicht besser überlegt hatte. Drew hatte sie aus dem Konzept gebracht, und sie war darauf hereingefallen. „Nun …“ Warum, zum Teufel, fiel ihr nichts Passendes ein? Warum konnte sie nicht schneller denken? „Fällt nicht jeder Film in eine bestimmte Kategorie?“

„Filme sind vieldeutig … genau wie das Leben, Miss King.“

Schweigen.

Christy hätte ihn erwürgen können. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, um dieses ewig spöttische Lächeln nicht mehr sehen zu müssen. Ich sollte hinausgehen, überlegte sie. Einfach abhauen.

„Sie sollen einmal geäußert haben, Sie verachteten das Geld. Klingt das nicht merkwürdig von einem Mann, der so reich ist wie Sie?“ Gib’s ihm Christy! Wechsle einfach das Thema. „Schließlich lesen wir immer wieder Berichte über Ihren extravaganten Lebensstil, Mr. Michaels. Was fangen Sie mit den vielen Millionen an? Sie werden uns nicht weismachen wollen, dass Sie in mönchischer Zurückgezogenheit leben.“

„Keineswegs. Wer das glaubt, kann nicht bei Verstand sein.“

Auch diese Anspielung war für Christy schwer zu verkraften. „Sie genießen das Leben also in vollen Zügen?“, fragte sie nicht mehr ganz so selbstsicher.

„Sie scheinen von dem Reichtum anderer Leute geradezu besessen zu sein, Miss King“, spottete Drew. „Woran mag das liegen?“

„Besessen? Oh nein, durchaus nicht. Es ist nur …“

„Habe ich recht“, unterbrach Drew sie, „wenn ich feststelle, dass Sie mit Abstand die bestbezahlte Fernsehmoderatorin sind?“

„Ich weiß nicht, ob das stimmt.“

„Dann bin ich falsch informiert?“ Eine gezielte Frage im richtigen Augenblick. Unter normalen Umständen hätte Christy diese Geistesgegenwart sogar bewundert, aber hier sollte es ihr an den Kragen gehen.

„Nun …“ Lass dich nicht aus dem Konzept bringen, Christy, und dir eine schlagende Antwort einfallen, sonst hast du das Duell verloren. „Ich gebe gern zu, dass ich für meinen Job gut bezahlt werde“, erwiderte sie mit einem Lächeln, das den Zuschauern und Studiogästen ihre Überlegenheit beweisen sollte. Niemand durfte merken, wie sehr sie Drew Michaels fürchtete und verachtete. „Doch hier geht es nicht um mich, sondern …“

„Oh, keine falsche Bescheidenheit, Miss King. Damit unterschätzen Sie Ihr Publikum. Wie gehen Sie denn mit Ihrem Geld um? Spenden Sie alles für wohltätige Zwecke?“

„Hören Sie, Mr. Michaels.“ Jetzt hatte er die Grenze deutlich überschritten, und im Publikum wurde gelacht und getuschelt. Sie hatte auf der ganzen Linie verloren und kochte insgeheim vor Wut. „Ich würde doch gern auf Ihre Person zurückkommen …“

„Sie enttäuschen mich, Miss King. Bisher hielt ich Sie für die Beste Ihres Fachs, aber was Sie heute bieten …“

Diesmal ließ Christy ihn nicht aussprechen. „Sie machen es einem nicht gerade leicht, Mr. Michaels, wenn Sie so bewusst den Geheimnisvollen spielen.“

Drew verzog nur leicht die Mundwinkel. „Das klang gestern Abend ganz anders, Miss King.“

Wieder wurde im Publikum gelacht, und im hellen Scheinwerferlicht konnte jeder erkennen, wie blass Christy wurde. Man hält es für einen guten Witz, dachte sie verzweifelt, aber es ist keiner.

Wenn es doch einer wäre!

Und so ging es weiter … immer weiter …

Es war ein verhängnisvoller Fehler gewesen, zu glauben, dass sie Drew gewachsen sein würde. Ohne Zweifel hatte er nur auf die Gelegenheit gewartet, es ihr heimzuzahlen. Etwa sieben Millionen Zuschauer hatten ihre Niederlage miterlebt, und sie selbst war bis jetzt nicht darüber hinweggekommen.

„Christy?“ Sie zuckte zusammen und sah ängstlich zur Tür. Es war Lizzie, ihre persönliche Assistentin. „Ich habe angeklopft“, entschuldigte sie sich, „aber du hast nicht geantwortet.“ Sie machte ein besorgtes Gesicht. „Stimmt alles mit dir? Du siehst etwas mitgenommen aus. Du bist nicht krank, oder?“

„Nein, nein“, wehrte Christy ab, nahm sich zusammen und griff nach dem Kamm in ihrer Schreibtischschublade. „Du hast mich nur erschreckt.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Ich war mit meinen Gedanken weit weg.“

„Bei den Plänen, die du dir nach diesem letzten Abend vorgenommen hast?“

Denk nicht mehr an ihn. Hör endlich auf damit. Es ist jetzt drei Jahre her. Warum lässt du die Vergangenheit nicht ruhen?

Sie ordnete mit dem Kamm ihr volles blondes Haar und versuchte, die quälenden Bilder zu vergessen. „Entschuldige, Lizzie. Was hast du gesagt?“

Die junge Frau, mehr Freundin als Assistentin, sah sie mit ihren grauen Augen groß an. „He, Christy! Du bist doch sonst keine Tagträumerin. Dies ist der letzte Abend, der die Serie beschließt. Du solltest dich voll darauf konzentrieren.“

Christy nickte und fragte nach einer Pause wie zufällig: „Dieser Duft, Lizzie. Ich habe ihn schon heute Morgen an dir bemerkt. Er ist neu, nicht wahr?“

Lizzie schnupperte an ihrem inneren Handgelenk und hielt es Christy hin. „Ich finde ihn fantastisch, aber es ist kein neues Parfüm. Ich habe mir heute früh Pauls exklusives und unglaublich teures Aftershave ausgeliehen. Ich hatte es so eilig, aus dem Haus zu kommen …“

Ja, mit dem Aftershave hatte es begonnen. Mit diesem ausgeprägten, dabei nicht aufdringlichen, aber überwältigenden und verführerischen Duft, den Drew an jenem Abend an sich gehabt hatte. Er war ein Teil von ihr geworden, als er ihre aneinandergepressten Körper einhüllte. Sie konnte ihn einfach nicht mehr vergessen.

„Es wird Zeit für mich“, sagte sie und blickte auf ihre Armbanduhr. „Noch fünf Minuten bis zur Sendung. Also … wir sehen uns später.“

2. KAPITEL

„Und so leid es mir tut … damit sind wir am Ende dieser Serie. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, meinen verschiedenen Gästen zu danken, insbesondere dem Right Honourable …“

Es fiel Christy nicht schwer, bei diesen abschließenden Worten ihr berufsmäßiges Lächeln aufzusetzen. Noch eine sekundenlange Pause, ein Aufleuchten der veilchenblauen Augen und ein geflüstertes „Gute Nacht“ – dann wurden die Scheinwerfer gedimmt, sie konnte sich in ihrem Ledersessel zurücklehnen und brauchte nur noch den üblichen begeisterten Applaus entgegenzunehmen.

Jeff, der Regisseur, teilte ihr über das Mikro mit, dass sie offline seien und sie sich wieder selbst übertroffen habe. Erleichtert stand sie auf und verschwand hinter den Kulissen, wo zwischen einem Gewirr von Korridoren ihre Garderobe lag.

„Wie ist es gelaufen?“, fragte Lizzie, die mit einem Stapel von Manuskripten auf sie gewartet hatte. „Nach deinem Gesicht zu urteilen, nicht gut.“

„Was soll die Frage?“ Christy ließ sich in den gegenüberstehenden Sessel sinken und streckte die Arme. „Die letzte halbe Stunde kam mir endlos vor. Hast du sie auf dem Fernseher verfolgt? Der alte Narr ließ mich ja kaum zu Wort kommen.“

„Das ist besser, als wenn ein Gast auf taubstumm schaltet … wie vor einigen Wochen. Dir gingen damals fast die Fragen aus. Weißt du noch?“

Christy schüttelte den Kopf. „Erinnere mich bloß nicht daran. Heute Abend war das Problem, dass nichts wirklich Interessantes gesagt wurde. Ich hatte die Redaktion vor dem Right Honourable gewarnt, aber, wie üblich, hörte man nicht auf mich. Doch wie auch immer, Lizzie … ich habe endlich frei.“

„Nicht ganz.“ Lizzie schwenkte die Manuskripte. „Du hast noch die Rundfunkinterviews vor dir. Weißt du das nicht mehr?“

„Mach dir darüber keine Sorgen“, beruhigte Christy sie. „Natürlich habe ich die nicht vergessen, aber ich muss ihretwegen nicht drei Abende in der Woche in dieser Hölle verbringen.“ Sie drehte sich zum Spiegel und begann ihr Haar zu bürsten, bis es golden schimmerte. „Wie mich diese Routine anwidert!“ Als Lizzie nichts dazu sagte, fuhr sie fort: „Sei mir nicht böse. Ich weiß, du hältst mich für verwöhnt und undankbar und denkst an die Tausende von Frauen, die gern meine Stelle einnehmen würden, aber irgendwann wird jeder Job langweilig. Ich weiß kaum noch, wie viele Shows ich in diesem Studio absolviert habe.“

„Na und?“, stellte Lizzie ungewöhnlich ernst fest. „Du bist in deinem Fach die Beste, Christy. Die Zuschauerquoten steigen ständig, und auch dein Honorar erhöht sich, damit du bei der Stange bleibst. Was willst du mehr?“

„Du hast recht“, gab Christy seufzend zu. „Es geht mir gut, das weiß ich. Ich habe es weiter gebracht, als ich es in meinen kühnsten Träumen für möglich gehalten hätte, aber es gibt auch noch andere Dinge. Neue Wege mit neuen Entdeckungen.“ Sie schwieg und suchte nach Argumenten, die ihre Freundin überzeugen würden. „Ich wünsche mir mehr persönliche Befriedigung, wenn du verstehst, was ich meine. Innere Zufriedenheit.“ Sie lächelte etwas verlegen. „Nimm mich nicht ernst, wenn ich Unsinn rede. Ich bin einfach ausgebrannt … erschöpft und sehne mich nach Veränderung.“ Sie warf einen Blick in den Spiegel und schnitt ein Gesicht. „Ich weiß, du hältst mich für verrückt …“

„Das habe ich nicht gesagt“, widersprach Lizzie hastig.

„Doch, doch. Dein Gesicht sagt alles.“ Christy sah wieder in den Spiegel und tupfte mit den Fingerspitzen Feuchtigkeitscreme auf ihre Wangen und die Nase. „Vielleicht bin ich einfach zu ehrgeizig und möchte Funken versprühen wie eine Wunderkerze, die nicht erlischt. Aber nicht nur wie eine, sondern wie viele Wunderkerzen. Doch genug davon.“ Sie nahm sich zusammen. Es war nicht gut, sich selbst so gnadenlos zu analysieren. „Lass uns nach vorn blicken. Ist die Liste der Rundfunkinterviews inzwischen vollständig?“

Lizzie überreichte ihr die vorbereiteten Manuskripte. „So weit ja. Acht Interviews insgesamt, unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten. Alles ist bis ins Detail vorbereitet. Du brauchst dir nur noch deine Fragen zurechtzulegen, und dann kann es losgehen.“

Christy überflog die Seiten. Das meiste kannte sie schon, denn die Idee, die Kandidaten in ihrer eigenen häuslichen Umgebung zu befragen, stammte von ihr. „Hm, das sieht recht gut aus.“ Sie nickte zufrieden. „Die Redaktion hat mir in fast allen Punkten zugestimmt.“

„Ja, aber über einige Kandidaten wurden sie sich noch nicht einig. Schließlich haben sie sich entschlossen, noch einen neunten auf die Liste zu setzen.“

„So?“ Christy beugte sich wieder über die Manuskripte, dabei fiel ihr das blonde Haar wie ein Schleier über das Gesicht. Lizzies Stimme hatte so merkwürdig geklungen, dass sie neugierig geworden war. „Du liebe Güte … nein!“

Sie war für einen Moment fassungslos. Das konnte nicht wahr sein. Sie starrte auf das Papier und las immer wieder den verhassten Namen, der ihr Blut stets in Wallung brachte. „Was hat der hier zu suchen, Lizzie?“, fragte sie in scharfem Ton. „Soll das ein Witz sein?“ Sie tippte mit dem rot lackierten Nagel ihres Zeigefingers auf das Blatt. „Bitte, sieh dir das an.“

Hier konnte nur ein Irrtum vorliegen. Lizzie würde ihr das niemals antun. Sie wusste nichts Genaues, aber wie sehr der Mann Christy verhasst war, konnte ihr nicht entgangen sein. „Keine Macht der Welt kann mich dazu zwingen, Drew Michaels nach so langer Zeit noch einmal zu interviewen. Wie lange weißt du schon über diese Veränderung Bescheid?“

Sie sprang auf und ging ruhelos hin und her. In ihrem Kopf drehte sich alles. „Die Sache ist ausgeschlossen … völlig ausgeschlossen. Das kommt überhaupt nicht infrage!“

Christy King in Rage – es war ein Bild für Götter. Sie fixierte abwechselnd Lizzie, das Blatt Papier in ihrer Hand und den großen Spiegel. Jeder Blick hätte töten können.

„Du hast den Vertrag bereits unterschrieben“, bemerkte Lizzie, die sich durch die Empörung ihrer Freundin nicht aus der Ruhe bringen ließ. „Du kannst wenig dagegen tun.“

„Nein, wirklich nicht?“ Christy nahm ihren eleganten grauen Hosenanzug vom Bügel und zog sich schnell um. „Das werden wir noch sehen.“ Sie griff nach ihrer ledernen Umhängetasche, schob die Manuskripte hinein und eilte zur Tür. „Niemand wird mich dazu bringen, diesen Mann noch einmal zu interviewen.“ Sie riss die Tür auf. „Oh, Lizzie!“ Fast hätte sie der Wunsch, ihrer besten Freundin alles zu beichten und damit ihr Herz zu erleichtern, überwältigt, aber es war ihr schon immer schwergefallen, über persönliche Dinge zu sprechen. Sie hatte ihre Gefühle als Kind zu lange unterdrücken und sich aus allen Schwierigkeiten selbst heraushelfen müssen. „Bitte glaub nicht, dass ich dir böse bin, aber es geht hier nicht nur um das grässliche Interview, mit dem er mich vor Jahren bloßgestellt hat …“ Sie zögerte und schüttelte den Kopf. „Nein, wirklich nicht, aber mach dir deswegen keine Sorgen. Gute Nacht. Ich muss gehen und über alles nachdenken. Wir sehen uns morgen.“

Normalerweise hielt sie an der Zufahrt zum Studio und gab den wartenden Fans durch das offene Fenster ihres schnittigen Jaguars Autogramme, ließ sich auf kurze Gespräche ein und war dafür besonders beliebt. Hochnäsig an den Fans vorbeizufahren, wie es andere Stars taten, war nicht ihre Art, aber jetzt gab sie doppelt Gas und raste durch das Tor, ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen.

DREW MICHAELS! Der Name genügte, um sie in den Wahnsinn zu treiben. Wie ist das möglich? fragte sie sich, während sie durch den dichten Londoner Verkehr nach Hause fuhr. Drew hasste es, in die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, und trotzdem stand sein Name auf der Kandidatenliste. Wie kam er als krönender Abschluss dorthin?

Sie musste an einer roten Ampel halten und trommelte nervös auf das Lenkrad. Vergiss es einfach, ermahnte sie sich. Denk nicht daran, dass du vielleicht gezwungen bist, den eitelsten und arrogantesten Mann, der jemals auf Gottes Erde gewandelt ist, doch noch einmal zu interviewen – ob du willst oder nicht.

Die Ampel schaltete auf Grün, und als sich das Auto vor ihr nicht rührte, drückte sie auf die Hupe, bis es sich langsam in Bewegung setzte. Sie fühlte sich danach nicht besser, aber doch ein bisschen erleichtert.

„Was erzählen Sie da? Er hat selbst den Vorschlag gemacht? Drew Michaels hasst es, in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Das würde er niemals tun.“

Christy versuchte, geduldig zuzuhören, während ihr mit größtmöglicher Ruhe erklärt wurde, was sie im Leben nicht akzeptieren konnte. „Nur weil er ein großer Star ist, dem man so etwas nicht abschlagen kann, soll ich hier das Opfer sein? Dazu bin ich keinesfalls bereit.“

Sie atmete tief durch, doch das half wenig. „Die ganze Idee stammt von mir“, fuhr sie fort und betonte dabei jede einzelne Silbe. „Zählt das gar nicht? Gibt mir das kein Mitspracherecht? Ich weiß, dass ich den Vertrag unterschrieben habe, aber …“

Sie hörte wieder eine Weile zu und wurde mit jeder Sekunde unsicherer. Drew Michaels war nicht nur ein gefeierter Filmstar, er hatte sich inzwischen auch als Schriftsteller einen Namen gemacht, und das zählte bei den Medien. Man riss sich geradezu um ihn. Seit dem albtraumartigen Interview vor drei Jahren war er öffentlich nicht mehr hervorgetreten.

Sei ehrlich, Christy King. Verglichen mit Drew Michaels bist du nur ein kleiner Fisch. Er oder du. Im Ernstfall würden sie nicht ihn, sondern dich fallen lassen. Es gibt genug Neider, die nur darauf warten, an deine Stelle zu treten.

Noch einige besänftigende Bemerkungen, dann legte Christy den Hörer auf. Sie stopfte sich das Kopfkissen in den Rücken, lehnte sich zurück und betrachtete den mit Rüschen verzierten seidenen Baldachin über ihrem Bett. Sie kochte vor Wut, als flösse glühende Lava durch ihre Adern. War das alles ein Trick von Drew Michaels, um sie erneut zu demütigen? Es würde wunderbar zu ihm passen. Das war genau seine Art, mit anderen Menschen umzugehen.

Trotzdem blieb es eine verrückte Angelegenheit. Warum sollte er sie so wichtig nehmen? Sie war doch nur eine von vielen, die hinter ihm Schlange gestanden hatten und noch standen. In dem Punkt machte sie sich nichts vor. Kaum eine Woche verging, ohne dass er in irgendeiner Klatschspalte erwähnt wurde, mochte der Inhalt nun wahr sein oder nicht.

Mit einem tiefen Seufzer verließ Christy ihr Himmelbett und ging in das angrenzende Badezimmer, ohne der Lösung des Problems auch nur näher gekommen zu sein.

Christy gab dem Taxifahrer ein großzügiges Trinkgeld und fragte sich, warum sie das Essen mit Conrad nicht abgesagt hatte. Ihr war nicht nach belanglosem Small Talk zumute, und sich stundenlang anzuschweigen, lag ihr genauso wenig.

Nervös strich sie ihr langes Seidenkleid glatt. Sie war nun einmal da und musste das Beste daraus machen. Conrad konnte nichts dafür, dass Drew Michaels sich aufs Neue in ihr Leben drängte und damit ihre jahrelangen Versuche, ihn zu vergessen, zunichte machte.

Sie betrat das Restaurant, selbstsicher wie immer. Mit ihrer Größe von fast ein Meter achtzig und ihrer sehr schlanken Figur, den blonden Haaren, die ihr über die Schultern fielen, erregte sie oft Aufsehen – ganz zu schweigen von ihrem schmalen Gesicht, dem kunstvollen Make-up und ihrer angeborenen Grazie.

Sie ging leichten Fußes zwischen den voll besetzten Tischen hindurch bis ans Ende des Saals, wo sie am liebsten saß und alles beobachten konnte, ohne selbst den Mittelpunkt zu bilden. Hier stand, von einem japanischen Stellschirm halb verdeckt, ihr Tisch, wie sie ihn nannte – und warum auch nicht? Schließlich war sie seit Jahren Stammgast in diesem Restaurant.

Sie sah auf ihre Uhr. Conrad würde sie bereits erwarten, wie üblich den ersten Martini bestellt haben und jetzt die Weinkarte studieren.

„Hi, Conrad. Leider habe ich mich etwas verspätet. Hast du …“ Sie hatte sich fast schon hingesetzt, als sie merkte, dass sie nicht mit Conrad, sondern mit einer jungen Frau sprach, deren tiefrotes Haar so beeindruckend war wie ihr Ausschnitt. „Oh!“ Sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass jemand anders an ihrem Tisch saß. „Ich fürchte, hier liegt ein Irrtum vor.“

„Keine Sorge, Christy. Wir sind nicht nachtragend.“

Die tiefe Stimme war unverkennbar. Drew Michaels. Er saß der rothaarigen Schönheit gegenüber und lächelte, wie er immer gelächelt hatte: betörend charmant und gleichzeitig abgrundtief boshaft.

„Möchten Sie sich nicht zu uns setzen?“, fragte er, die Augenbrauen spöttisch hochgezogen. Als sie nicht gleich antwortete, fuhr er in leicht verächtlichem Ton fort: „Plötzlich auf den Mund gefallen, Miss King? Das überrascht mich bei einer so berühmten Talkmasterin.“

Er taxierte sie von oben bis unten und ließ den Blick dabei besonders auf dem kniehohen Seitenschlitz ihres pflaumenroten Kleids verweilen. Als überlegte er, ob er das Modell kaufen soll, dachte sie wütend.

„Sie sitzen an meinem Tisch“, antwortete sie spitz, ohne sich zu verhehlen, dass Drew eher noch attraktiver aussah als vor drei Jahren.

„An Ihrem Tisch?“ Er schien die Situation höchst spaßhaft zu finden. „Und ich dachte, die Möbel gehörten zum Restaurant. Sind Sie vielleicht Miteigentümerin? Gehört dieses exklusive Restaurant inzwischen zum Christy-King-Imperium?“

„Sie wissen genau, was ich meine.“ Christy bemühte sich krampfhaft, den eleganten Eindruck, den sie machte, nicht durch Unbeherrschtheit zu ruinieren. „Ich habe diesen Tisch vor zwei Tagen reservieren lassen.“ Als er nur höhnisch lächelte, setzte sie schärfer hinzu: „Ich sitze immer hier.“

„Ausgenommen heute Abend.“ Drew lehnte sich zurück, griff nach der Speisekarte und studierte sie, als wäre das Thema damit für ihn erledigt. Als wäre Christy nur eine Kellnerin, die eine falsche Bestellung aufgenommen hatte.

„Was bilden Sie sich eigentlich ein?“ Christy konnte sich nicht mehr beherrschen. „Sie kommen hier herein und setzen sich an den erstbesten Tisch, auf den Ihr Blick fällt.“

„Mitnichten, Miss King.“ Drew sah kurz von der Speisekarte auf. „Roland, der Besitzer, hat uns persönlich an diesen Tisch geführt. Er meinte, es sei der beste im ganzen Saal, und wünschte uns einen schönen Abend. Stimmt das nicht, Annette?“

Seiner Begleiterin war die Szene eher peinlich, obwohl Drew sie freundlich anlächelte. „Natürlich konnte er nicht wissen, dass eine geistesverwirrte Talkmasterin uns beschimpfen würde.“

„Wie können Sie es wagen!“, fuhr Christy ihn an. „Ich könnte Sie wegen übler Nachrede oder Beleidigung verklagen.“

„Und ich könnte Roland rufen und ihn bitten, die Situation zu regeln. Sie würden nicht gut dabei wegkommen, Miss King … zu meinem größten Vergnügen.“ Sein drohender Unterton war nicht zu überhören. „Denken Sie an Ihren Ruf, und ziehen Sie sich zurück, ehe Sie ganz die Würde verlieren.“

„Christy!“

Sie drehte sich um. Conrad stand hinter ihr, aber das war nicht alles. Sämtliche Gäste verfolgten inzwischen die interessante Szene.

„Wir sitzen an einem anderen Tisch“, raunte Conrad ihr zu und stellte sich zwischen sie und die neugierigen Leute. „Roland bittet uns für diesen einen Abend um Verständnis. Es ist dir doch recht?“ Er sprach leise und eindringlich, in der Öffentlichkeit aufzufallen war ihm verhasst. „Dort drüben … ein hübscher Tisch direkt am Fenster. Ich habe deinen Martini schon bestellt.“

„Hören Sie, Miss King?“, spottete Drew. „Ein hübscher Tisch direkt am Fenster. Damit ist doch alles geklärt.“ Was für ein Unterschied zwischen beiden Männern, dachte Christy. Der eine unerträglich arrogant, der andere immer höflich, freundlich und nachgiebig. „Verzichten Sie auf eine Entschuldigung. Es tut gut zu wissen, dass Sie genauso die Haltung verlieren können wie wir normalen Menschen.“

„Sehr witzig!“ Ein eisiger Blick traf Drew, aber ein letztes Wort, eine witzige Bemerkung, die sie als Siegerin erscheinen ließen, fiel ihr nicht ein. Er hatte es wieder geschafft. Wie war das möglich? Warum konnte sie nicht mehr klar denken, wenn es um Drew Michaels ging?

„Komm, Christy.“

Conrad gab ihr einen leichten Schubs, aber sie rührte sich nicht. Sie hatte jetzt drei Möglichkeiten. Sie konnte bleiben, weiter argumentieren und sich vollends lächerlich machen. Sie konnte sich mit Conrad an den Tisch am Fenster setzen, ein Menü hinunterwürgen und sich dabei von allen Gästen beobachtet fühlen. Oder sie konnte das Restaurant hoch erhobenen Hauptes verlassen und es nie wieder betreten.

„Sie könnten sich natürlich auch beide zu uns setzen“, hörte sie Drew sagen, als hätte er ihre Gedanken erraten. „Ich bin normalerweise nicht für Vierertische, würde heute aber aufgrund der besonderen Umstände eine Ausnahme machen.“

Christys Blick fiel auf das halb gefüllte Weißweinglas, das in Reichweite stand, und sie hätte Drew den Inhalt liebend gern ins Gesicht geschüttet. Ein kindischer Gedanke, das war ihr klar. Es hätte auch nicht zu ihrem Image gepasst, aber die Vorstellung, damit sein gönnerisches Lächeln auszulöschen, war ungeheuer verlockend.

Doch es gab andere, bessere Möglichkeiten, wieder die Oberhand zu gewinnen. Wie kam er eigentlich dazu, sie derartig am Gängelband zu führen? Die Schlappe, die sie vor drei Jahren erlitten hatte, musste endgültig aus der Welt geschafft werden.

Ich werde ihn im Radio interviewen.

Drew stand auf, rückte einen Stuhl zurecht und forderte Christy mit einer übertriebenen Armbewegung auf, Platz zu nehmen. Das galt natürlich dem neugierigen Publikum und sollte sie – wie damals – der allgemeinen Lächerlichkeit preisgeben. Das gab den Ausschlag.

„Wir sehen uns in einer Woche, Mr. Michaels“, erwiderte sie gespielt liebenswürdig, „aber für heute Abend sind Sie für mich gestorben.“

Dann machte sie unvermittelt auf dem Absatz kehrt. Dabei hatte sie Glück, dass ihr enger Rock sie nicht behinderte, und verließ hoch erhobenen Hauptes das Restaurant.

Für Conrad hatte sie keinen Blick mehr.

3. KAPITEL

Christy stand mit gerunzelter Stirn in ihrem Ankleideraum und begutachtete ihre Designergarderobe. Normalerweise fiel ihr die Entscheidung, was sie anziehen sollte, nicht schwer, aber in diesem Moment war das anders. Es galt, für die nächsten zwei Tage in Drew Michaels Gesellschaft gerüstet zu sein. Was sollte sie tragen und was einpacken? Wie kleidete man sich in der Hölle?

Das Besondere der Interviews war ja, dass sie in der häuslichen Umgebung der Kandidaten stattfinden sollten, und Drew hatte sich über seine Wohnung beharrlich ausgeschwiegen. Er liebte abgelegene Landhäuser, von denen er mehrere besaß und deren Lage er vor der Öffentlichkeit geheim hielt.

Die Woche nach dem peinlichen Zwischenfall im Restaurant war schnell vergangen, und während Christy ungeduldig auf das Auto wartete, das sie zu Drews Wohnung bringen sollte, musste sie feststellen, dass der alte Zorn noch nicht verflogen war. Sie hatte Tag und Nacht kaum an etwas anderes denken können.

Der durchdringende Ton einer Hupe ließ sie zusammenfahren. Wie konnte der Chauffeur so taktlos sein, die Stille dieses exklusiven Wohnviertels so zu missachten? Vorsichtig blickte sie durch die Sonnenblende des Wohnzimmers. Ein leuchtend roter Ferrari stand vor dem Haus, was sie eigentlich nicht wundern durfte. Natürlich schickte Drew jemanden, der, was Takt betraf, in seine Schule gegangen war. Der Typ stieg weder aus noch kam er zum Haus, um sie zu begrüßen.

„Wussten Sie nicht, dass es üblich ist, an der Haustür zu klingeln, statt laut zu hupen?“, fragte sie den Fahrer durch das geöffnete Seitenfenster, als sie wenig später nach draußen zu dem Wagen kam. „Lautes Hupen an einem Samstag um neun Uhr früh wird hier von den Bewohnern nicht geschätzt.“ Dann bemerkte sie, dass die Tür des Ferraris von innen geöffnet wurde. „Oh! Sie sind es selbst.“

„Wie Sie sehen. Aber wollen wir nicht zum vertraulichen Du zurückkehren? Das höfliche Sie neulich Abend war ja nur gespielt.“ Drew betrachtete sie von oben bis unten, und der Widerwille, den er fast automatisch in ihr auslöste, war sofort wieder da.

„Gibt es etwas an mir auszusetzen?“ Sie sah an sich hinunter und schnippte ein Stäubchen von der cremefarbenen Hose, für die sie sich entschieden hatte.

„Oh nein, durchaus nicht.“ Er schüttelte lächelnd den Kopf. „Du bist sehr leger angezogen und siehst doch chic aus.“ Er stieg aus, kam um das Auto herum und nahm ihr die Reisetasche ab. „Hast du auch nichts vergessen?“ Er zeigte auf die prall gefüllte Reisetasche. „Immerhin wirst du eine ganze Nacht von zu Hause weg sein.“

„Ich achte eben mehr auf mein Äußeres als andere“, entgegnete Christy mit einem verächtlichen Blick auf seine ausgeblichenen Jeans, die abgetragenen Sneakers und die bis zu den Ellbogen aufgerollten Hemdsärmel, die seine kräftigen Arme zeigten. „Außerdem sehe ich keinen Anlass für Sarkasmus. Du hast mir nicht gesagt, wie und wo ich die beiden nächsten Tage verbringen würde, und so musste ich mit meiner Kleidung auf alles vorbereitet sein.“

Drew verstaute das Gepäck und hielt ihr dann die Tür zum Beifahrersitz auf. „Ich und sarkastisch? Das kannst du vergessen. Ich will mir doch nicht deinen Zorn zuziehen. Steig jetzt bitte ein, die Zeit vergeht schneller, als man denkt. Und mach kein so missmutiges Gesicht. Stell dir vor, wie viele Nachbarn jetzt hinter der Gardine stehen und uns beobachten. Was sollen sie von dir denken?“ Er winkte in Richtung des Nachbarhauses, und Christy sah, wie verräterisch sich die Schlafzimmergardine bewegte. „Es gibt überall neugierige alte Schachteln … mögen sie auch in einer teuren Gegend wohnen.“

„Du sprichst von einer Baronin“, bemerkte Christy indigniert, während sie einstieg. „Sie ist keine alte Schachtel.“

Drew startete den Motor und legte den Sicherheitsgurt an. „Dann eben eine neugierige Baronin. Glaub mir, so verschieden sind die Menschen nicht.“

Christy schnallte sich ebenfalls an. „Eine andere Bemerkung hätte ich auch nicht von dir erwartet. Und noch etwas. Wenn es mir gefällt, missmutig auszusehen, solange wir zusammen sind, dann werde ich das tun. Haben wir uns verstanden?“

„Wie du meinst.“ Er zuckte gleichgültig die Schultern. „Aber es handelt sich immerhin um achtundvierzig Stunden. Deine Gesichtsmuskeln könnten ermüden.“

„Achtundvierzig Stunden?“ Sie sah ihn böse von der Seite an. „Eine Ewigkeit! Warum sollte ich also meine wahren Gefühle verbergen? Es ist eine natürliche Reaktion, sobald ich dich zu Gesicht bekomme.“ Um auch richtig verstanden zu werden, setzte sie noch hinzu: „Ich mag dich nämlich nicht, falls dir das bisher entgangen sein sollte.“

„Oh, darüber bin ich mir völlig im Klaren.“ Drew manövrierte den Ferrari geschickt durch den Wochenendverkehr. „Ich bin sogar ganz von selbst darauf gekommen, und um mich ebenfalls deutlich auszudrücken … Du bist auch nicht gerade mein Ideal.“ Ein eisiger Blick traf sie. „Hast du übrigens die Klatschgeschichten über unser kleines Missverständnis im Restaurant gelesen?“

„Nein!“ Christy sah betont gelangweilt aus dem Fenster. „Die Mühe habe ich mir nicht gemacht.“

„Das war vielleicht ganz vernünftig“, fuhr er fort, „denn du kamst nicht …“, er schien nach dem richtigen Wort zu suchen, „… sagen wir, nicht besonders gut dabei weg. Doch einer charakterstarken Frau wie dir macht so etwas ja nichts aus. Dabei waren recht abfällige Bemerkungen darunter, und auch der brave, unschuldige Conrad blieb nicht verschont.“ Drew machte eine Kunstpause, ehe er weitersprach: „Man braucht ihn allerdings nur anzusehen, um zu merken, was für ein Waschlappen er ist.“

„Er hat mehr Mumm in den Knochen als du!“, erwiderte Christy unbedacht. Erst an Drews spöttischem Lächeln erkannte sie ihren Fehler.

„Etwa im Bett?“, fragte er. „Was hast du doch für ein Glück.“

„Davon war nicht die Rede“, entgegnete sie wütend, „aber es ist typisch für dich, dass du das Gespräch in diese Richtung lenkst. Conrad ist für mich nichts weiter als ein guter Freund, und wenn du es genau wissen willst … Ich beurteile einen Mann nicht nach seinen Fähigkeiten im Bett. Für mich zählen andere Dinge.“

„Zum Beispiel?“

Christy stieg das Blut ins Gesicht. Sie strich sich über die glühenden Wangen, um ihre Verlegenheit zu verbergen, wusste aber keine Antwort.

„Aha, du weißt es nicht.“ Drew war schwer von einem Thema abzubringen, wenn er es nicht wollte. „Dabei gibt es doch nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat der arme Kerl dich im Bett furchtbar enttäuscht, oder er ist gar nicht bis in dein Schlafzimmer gekommen. Was von beidem ist der Fall, Christy? Das wüsste ich doch zu gern.“

„Du bist ein mieser Kerl, Drew Michaels!“, fuhr sie ihn an. „Ich verabscheue dich. Wenn du glaubst, dass ich auch nur erwäge, dir persönliche Dinge aus meinem Leben mitzuteilen …“

„Oh, es waren schon genug persönliche Dinge“, unterbrach er sie, „oder hast du unser leidenschaftliches Zusammensein vergessen?“

Nur wenige Minuten – und schon konfrontierte er sie mit diesem Thema. Bleib ruhig, ermahnte sie sich, während sie ein schwarzes Taxi überholten. „Ich habe dieses Zusammensein aus meinem Gedächtnis gestrichen, als ich das Hotelzimmer verließ“, antwortete sie nach reiflicher Überlegung. „Was mich betrifft, so war es nicht wichtig genug, um mich daran zu erinnern.“

„Warum bist du dann rot geworden und regst dich so unnötig auf?“, fragte er und sah sie mit seinen blauen Augen neugierig an.

Wie sollte sie das nur achtundvierzig Stunden lang aushalten? Sie würde verrückt werden, so viel stand fest. „Ich rege mich keineswegs auf“, widersprach sie. „Lass uns die Sache ein für alle Mal klarstellen, ja? Ich bin hier, weil ich mich vertraglich zu diesen Radiointerviews verpflichtet habe und entschlossen bin, den Vertrag bis aufs i-Tüpfelchen zu erfüllen. Es steht allerdings auch im Kleingedruckten nicht darin, dass ich meine Kandidaten sympathisch finden muss.

Ich werde mich jedoch bemühen, höflich zu sein“, fuhr sie nach einer Pause mit starrem Blick aus dem Seitenfenster fort. „Solltest du dir allerdings weiterreichende Hoffnungen machen …“

„Schon gut, schon gut“, beendete er ihren Monolog. „Das war deutlich genug.“ Er drosselte das Tempo und bog von der Hauptstraße ab. „Du bist auf eine Leidenszeit mit mir eingestellt, und sollte ich dasselbe Entgegenkommen erwarten wie damals …“

„… würdest du eine bittere Enttäuschung erleben“, beendete Christy das Thema. „Ich mache nie zweimal den gleichen Fehler.“

„Dann betrachtest du dieses zweitägige Zusammensein mit mir also nicht als Fehler? Das klingt ermutigend.“

Doch, es ist sogar ein großer Fehler, gab sie insgeheim zu, und das flößte ihr Angst ein. Wie hatte sie sich nur einbilden können, diesem Mann gewachsen zu sein? Sie durfte sich ihre Angst allerdings auf keinen Fall anmerken lassen.

„Warum sollte ich es als Fehler betrachten?“, fragte sie betont locker. „Wie ich schon sagte …“

„Ja, ja … ich weiß.“ Er lächelte still vor sich hin. „Du erfüllst einen Vertrag und machst nur deine Arbeit.“

„Wohin fahren wir eigentlich?“

Sie waren jetzt schon eine Weile unterwegs, aber bisher hatte sich Christy keine Gedanken über das Ziel gemacht. Drews unangenehme Art hatte sie zu sehr aufgeregt und alles andere vergessen lassen. Dabei hatte sie sich schon beim Aufwachen geschworen, ihn zuerst danach zu fragen.

„Wart’s nur ab“, antwortete er und schaltete den CD-Player ein.

„Und wenn ich nicht warten möchte?“ Christy war bei dem dumpfen Beat des Heavy Metal kaum zu verstehen, und sie kämpfte gegen einen Anflug von Panik. „Ich will jetzt wissen, wohin wir fahren.“

„Es tut mir leid, aber du musst dich schon gedulden. Ich habe nicht die Absicht, dir genauere Erklärungen zu geben.“ Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu. „Es soll eine Überraschung sein.“

Je länger sie unterwegs waren, umso größer wurde Christys Nervosität. Als die Straßen immer schlechter wurden und schließlich in einen Schotterweg mündeten, gab sie das Spekulieren auf und heuchelte Gleichgültigkeit. Es erwies sich überhaupt als angenehmer, zu schweigen und sich nicht immer neue Beleidigungen von Drew anhören zu müssen. Die extrem laute Musik hätte ein Gespräch ohnehin unmöglich gemacht.

Das Flugzeug, das nun in Sicht kam, wirkte auf den ersten Blick nicht gerade vertrauenerweckend. Christy betrachtete es durch die Windschutzscheibe des Ferraris und fragte sich, ob das die Trumpfkarte war, die Drew im Ärmel gehabt hatte.

„Los, Christy“, forderte er sie auf, „Zeit zum Aussteigen. Ich hole deine Reisetasche.“

Christy merkte plötzlich, wie trocken ihre Kehle war. Nervös kramte sie in ihrer Handtasche. „Ich … muss mich erst noch etwas zurechtmachen.“ Sie nahm den zart korallenfarbenen Lippenstift heraus, aber Drew hinderte sie daran, ihn zu benutzen.

„Du bist perfekt geschminkt und brauchst deine Lippen nicht nachzuziehen. Du siehst fantastisch aus, und das weißt du. Vergiss dein Gesicht, und beeile dich ein bisschen. Ich möchte nicht warten, bis sich das Wetter ändert. Die Voraussage ist nicht allzu günstig …“

Christy hörte nicht weiter zu. Sie sah sich in dieser kleinen Maschine durch Sturm und Gewitter fliegen und dachte nur noch an die Unfälle, die passieren konnten. Sie war nie gern geflogen und rechnete jetzt nur noch mit dem Schlimmsten.

„Darf ich wenigsten erfahren, wohin es geht?“, fragte sie gefasster, als ihr zumute war.

„Mach kein so ängstliches Gesicht“, erwiderte er überraschend freundlich. Offenbar hatte er ihre Anpassungsfähigkeit überschätzt. „Du tust ja so, als wollte ich dich kidnappen. Keine Sorge, wir fliegen nur nach Schottland. Ich besitze dort ein hübsches altes Bauernhaus … direkt am See oder Loch, wie die Schotten sagen.“

Schottland. Bedeutete das etwas Gutes? Christy versuchte, das Beste daraus zu machen. Immerhin wollte Drew nicht den Kanal überqueren, und sie würden immer Land unter sich haben.

Du wirst es schaffen. Du musst einfach. Du darfst die Angst nicht in dir hochkommen lassen. Du wirst stark sein und genug Haltung zeigen, damit Drew nichts merkt.

Dabei hatte sie so weiche Knie, dass sie kaum ohne Hilfe das Auto verlassen konnte. Der Weg über das Rollfeld wurde für sie zum Opfergang. Sie war so damit beschäftigt, ihre Angst zu unterdrücken und äußerlich ruhig zu erscheinen, dass sie gar nicht auf die Idee kam, Drew würde die Maschine selbst fliegen. Erst als er sich an Bord neben ihr anschnallte, ging ihr ein Licht auf.

„Du fliegst selbst?“, fragte sie mit heiserer Stimme.

„Ganz recht.“ Er setzte eine dunkle Brille und Kopfhörer auf und kontrollierte die Anzeigetafel.

„Wie lange hast du schon einen Flugschein?“

„Seit letzter Woche. Ich freue mich darauf, etwas üben zu können.“

Christy wurde blass. Das alles konnte nur ein Scherz sein. Sie war drauf und dran, auszusteigen, aber wie würde sie dann dastehen? Wie ein Vollidiot. So lächerlich, wie schon zweimal zuvor, und das konnte sie nicht zulassen.

„Alles in Ordnung?“, fragte er mit gerunzelter Stirn, als wäre er doch leicht besorgt. „Ich habe eben nicht die Wahrheit gesagt. Ich fliege seit zehn Jahren und bin mehr Stunden in der Luft gewesen, als ich erinnern kann.“ Dann reichte er ihr Kopfhörer. „Du kannst ganz beruhigt sein.“

Christy tat, als wäre sie die Ruhe selbst. „Ich war nur nicht darauf vorbereitet, dass wir bis nach Schottland fliegen würden.“

„Was hast du gegen das Land? Es ist wunderschön dort.“ Drew drückte auf einige Tasten, und ehe Christy bis drei zählen konnte, sprang der Motor an. Hastig befestigte sie ihren Sicherheitsgurt und hielt die Augen krampfhaft geschlossen, während sich das Flugzeug langsam in Bewegung setzte, immer schneller wurde und sich endlich in die Luft erhob.

Als sie die Augen wieder zu öffnen wagte, bemerkte sie, dass Drew sie beobachtet hatte. „Du hättest mir deine Flugangst nicht verschweigen sollen“, stellte er nüchtern fest. „Wir hätten genauso gut mit dem Auto fahren können.“

„Sechs Stunden mit dir … in dem engen Ferrari?“

„Soll ich dir verraten, wie lange wir mit dem Flugzeug unterwegs sein werden, oder würde das deine Leiden vergrößern?“

Christy presste die Lippen zusammen und versuchte, einen festen Punkt am Horizont zu finden. Drews Profil hätte ein Fixpunkt sein können, aber gerade jetzt wollte sie ihn lieber nicht ansehen. Stattdessen blickte sie starr auf die Hände in ihrem Schoß.

„Du genießt es wohl, dass ich mich so schlecht fühle, nicht wahr?“, fragte sie bitter.

„Das kannst du nicht ernsthaft glauben.“ Sein Ton verriet, dass ihn die Beschuldigung überraschte. „Ich habe sogar Mitleid mit dir und kann nur sagen, dass du dich fabelhaft hältst.“

„Ein Kompliment von dir? Ich habe mich wohl verhört.“

„Sieh einfach nur aus dem Fenster, dann wirst du dich an die Höhe gewöhnen und besser fühlen. Mein Wort, Christy. Es gibt nichts, wovor du Angst haben musst.“

Sie hatte sich so daran gewöhnt, Drew zu widersprechen, dass sie ihm auch diesmal eine schnippische Antwort gegeben hätte, wenn er ihr nicht das Kompliment gemacht hätte. Zögernd befolgte sie seinen Rat und richtete den Blick auf die Landschaft, über die sie hinwegflogen.

„Geht es jetzt besser?“, erkundigte er sich wenig später.

Sie atmete tief durch und nickte. „Ich habe noch nie in einer so kleinen Maschine gesessen. Wenn ich mit einem Jumbojet fliege und der Start überstanden ist, kann ich mir mit einiger Mühe einbilden, gar nicht in der Luft zu sein. Hier jedoch …“ Sie schwieg und sah eine Weile konzentriert nach unten. „Hier vergisst man einfach nicht, wo man ist und wie man sich fortbewegt.“

„Freust du dich eigentlich auf diese Radiointerviews?“ Drew hielt es für angebracht, das Thema zu wechseln. Er wollte sie ablenken, und dafür war sie ihm dankbar. „Abgesehen von dem Interview mit mir“, fügte er schnell hinzu.

„Oh ja, eigentlich schon.“

„Das klingt nicht gerade begeistert. War das Ganze nicht deine eigene Idee? Du hast doch förmlich darum gekämpft.“

„Du scheinst sehr gut informiert zu sein.“ Allmählich gewann sie ihre Selbstsicherheit und Schlagfertigkeit zurück. Du hast dich zu sehr gehen lassen, Christy. Pass in Zukunft besser auf.

„Man hat so seine Quellen.“

„Haben sie dir vorgeschlagen, dich selbst auf die Kandidatenliste zu setzen? Vermutlich steckt der Produzent persönlich dahinter.“

Drew lächelte überlegen, und genau wegen dieser ständig zur Schau gestellten Überlegenheit mochte sie ihn nicht. „Da könntest du recht haben. Als ich erfuhr, dass du die Interviewerin sein würdest, war mir sofort klar, dass ich diese Gelegenheit nutzen musste. Schließlich hatten wir doch so viel Spaß miteinander, oder nicht?“

Christy ignorierte die Anspielung. „Nicht zu vergessen, dass du ein neues Buch schreibst, das fast zeitgleich mit dem Interview herauskommen wird.“

„Daran habe ich überhaupt nicht gedacht.“

Si...

Autor

Grace Green
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Maggie Cox
<p>Schreiben und Lesen gingen bei Maggie Cox schon immer Hand in Hand. Als Kind waren ihre liebsten Beschäftigungen Tagträumen und das Erfinden von Geschichten. Auch als Maggie erwachsen wurde, zu arbeiten begann, heiratete und eine Familie gründete blieben ihre erfundenen Heldinnen und Helden ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Was immer...
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