Schicksalhafte Nächte in Rom

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Nach einer rauschenden Liebesnacht weiß Milliardär Bastiano Conti: Sophie ist eine raffinierte Diebin! Schließlich fehlt ihm am Morgen danach ein kostbarer Ring! Für ihre Dreistigkeit will der Hoteltycoon sie bezahlen lassen. Ein Entschluss, den er schon bald mehr als bereut …


  • Erscheinungstag 08.11.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733738693
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Bastiano Conti war hungrig auf die Welt gekommen.

Hungrig und unerwünscht.

Seine Mutter war bei Bastianos Geburt gestorben – den Namen seines Vaters hatte sie nie offenbart. Ihren einzigen Besitz hatte sie ihrem kleinen Sohn vermacht, einen Ring aus Gold mit einem kleinen, von Süßwasserperlen umgebenen Smaragd.

Bastianos Onkel, selbst mit vier Kindern gesegnet, hatte vorgeschlagen, das schreiende Baby von Nonnen aufziehen zu lassen. In der Nähe von Casta gab es nämlich ein Kloster mit Blick auf das Meer, und Waisenkinder wurden normalerweise dorthin geschickt.

Aber das Kloster stand kurz vor dem Ruin.

Die Krankenschwestern im Tal von Casta hatten viel zu tun, doch manchmal erbarmte sich eine und hielt Bastiano nach dem Füttern ein bisschen länger im Arm.

Manchmal.

„Famiglia, sagte der Priester zu Bastianos Onkel. „Die Contis sind dafür bekannt, sich um ihre Familienangehörigen zu kümmern.“

Die Contis beherrschten das Tal im Westen und die Di Savos im Osten.

Hier war Familienzusammenhalt von höchster Bedeutung!

Und so nahmen Bastianos Onkel und dessen widerstrebende Frau den kleinen Bastard mit nach Hause. Doch für Bastiano wurde es nie ein echtes Zuhause.

Er blieb immer ein Außenseiter. Wenn etwas schiefging, gab man zuerst ihm die Schuld. Und wenn es vier Brioches gab, wurden sie nicht geteilt, um fünf Kinder satt zu kriegen. Nein, Bastiano ging dann leer aus.

In der Schule, wo er seinen Platz neben Raul Di Savo hatte, ahnte Bastiano eines Tages, warum das so war.

„Was würden eure Eltern zuerst aus einem Feuer retten?“, fragte Schwester Francesca die Klasse. „Raul?“

Der Junge zuckte nur die Achseln.

„Dein Vater“, hakte sie nach. „Was wäre das Erste, wonach Gino greifen würde?“

„Nach seinem Wein?“

Die Kinder lachten, und Schwester Francesca wandte die Aufmerksamkeit gereizt von Raul ab. „Bastiano“, sagte sie scharf. „Wen würde deine Tante wohl retten?“

Er sah sie ernst aus grauen Augen an und runzelte nachdenklich die Stirn. „Ihre Kinder?“

„Richtig.“

Sie drehte sich wieder zur Tafel um, doch Bastiano hing noch lange seinen Gedanken nach. Er hatte in der Tat die richtige Antwort gegeben – seine Tante würde ihre Kinder retten.

Aber nicht ihn.

Er würde nie an erster Stelle kommen.

Als er mit sieben zum Bäcker geschickt wurde, um Brioches zu holen, zauste die Frau des Bäckers ihm das Haar. Er war zärtliche Gesten damals so wenig gewohnt, dass sein Gesicht sich schlagartig aufhellte. Sie machte ihm ein Kompliment über sein niedliches Lächeln.

„Ihres ist auch niedlich“, antwortete Bastiano.

Lachend schenkte sie ihm einen Cannolo, und Bastiano und Raul setzten sich auf den Hügel und genossen die süße Leckerei.

Die Jungs hätten eigentlich Erzfeinde sein müssen – die Contis und die Di Savos kämpften seit Generationen um die Weinberge dieser Gegend –, doch Bastiano und Raul waren dicke Freunde.

Der kleine Zwischenfall beim Bäcker machte Bastiano bewusst, dass er mit Charme besser durchkam. Ein Lächeln wirkte oft Wunder! Später lernte er, mit Blicken zu flirten … und wurde dann oft mit etwas viel Süßerem belohnt als einem Cannolo.

Trotz der Proteste ihrer beider Familien blieben Bastiano und Raul Freunde. Oft saßen die Jugendlichen auf dem Hügel neben dem inzwischen verlassenen Kloster und tranken billigen Wein. Den Blick auf das Tal gerichtet, erzählte Raul ihm eines Tages, dass sein Vater seine Mutter schlug und er deshalb nicht sicher war, ob er wirklich zum Studieren nach Rom gehen konnte.

„Dann bleib doch hier, Raul.“

Für Bastiano stand eins fest: Hätte er eine Mutter oder jemanden, dem er etwas bedeutete, würde er nie weggehen. Außerdem würde er Raul sehr vermissen, obwohl er ihm das natürlich nie sagen würde.

Doch Raul ging.

Eines Morgens, als Bastiano die Straße entlangging, sah er Gino schreiend aus Rauls Haus stürmen, ohne die Tür hinter sich zu schließen. Da Raul bereits fortgezogen war, beschloss Bastiano, nach dessen Mutter zu sehen.

„Signora Di Savo?“ Er klopfte an die offene Tür, doch sie gab keine Antwort. Er konnte sie lediglich weinen hören.

Seine Tante und sein Onkel nannten sie zügellos, aber zu ihm war Rauls Mutter früher immer sehr lieb gewesen.

Besorgt betrat er das Haus und fand sie schluchzend auf den Knien in der Küche.

„Hey.“ Er goss ihr ein Glas Wasser ein, nahm ein Tuch und befeuchtete es, um den blauen Fleck unter ihrem Auge zu kühlen. „Soll ich jemanden anrufen?“

„Nein.“

Als er ihr beim Aufstehen half, lehnte sie sich weinend an ihn. Bastiano wusste nicht, wie er reagieren sollte. „Warum verlassen Sie ihn nicht?“, fragte er hilflos.

„Das habe ich doch schon oft versucht.“

Bastiano runzelte verwirrt die Stirn, denn Raul hatte ihm erzählt, dass er sie wiederholt angefleht hatte zu gehen, sie sich jedoch immer geweigert hatte. „Können Sie nicht zu Raul nach Rom ziehen?“

„Er will mich dort nicht haben. Er hat mich verlassen“, schluchzte Maria. „Niemand will mich.“

„Das stimmt nicht.“

Hoffnungsvoll hob sie den Blick zu ihm. „Meinst du das ernst?“

Bastiano wollte sie schon korrigieren und ihr sagen, dass es bestimmt Menschen gab, die sie wollten … nur nicht gerade er.

Maria legte ihm eine Hand auf eine Wange. „Du bist so hübsch.“ Sie fuhr mit der anderen Hand durch sein volles schwarzes Haar. Es fühlte sich anders an als damals bei der Frau des Bäckers. Nicht mütterlich, sondern … Verunsichert nahm Bastiano ihre Hand weg und trat einen Schritt zurück. „Ich muss gehen.“

„Geh noch nicht.“

Sie trug nur ein Unterkleid, das etwas verrutscht war, sodass eine ihrer Brüste entblößt war. Er wollte Maria nicht in Verlegenheit bringen und drehte sich daher um.

„Bitte geh nicht“, wiederholte sie.

„Ich muss zur Arbeit.“

Bastiano war inzwischen von der Schule abgegangen und arbeitete in der Bar, in deren Hinterzimmern sein Onkel seine illegalen Geschäfte abwickelte.

„Bitte, Bastiano …“, flehte Maria. Sie hielt ihn an einem Arm fest und ging um ihn herum. „Oh“, sagte sie leise, als ihr auffiel, wie viel ihr Unterkleid preisgab.

Bastiano wandte den Blick ab und versuchte verzweifelt so zu tun, als sei ihm nichts aufgefallen. Er ging davon aus, dass sie ihr Kleid jetzt zurechtzupfen würde, aber das tat sie nicht. Stattdessen nahm sie eine seiner Hände und legte sie auf die nackte Wölbung ihrer Brust. Dann tastete sie mit einer Hand nach Bastianos Hose. „Du bist ganz hart.“

„Gino könnte jeden …“

„Er kommt erst zum Abendessen zurück.“

Bastiano war normalerweise derjenige, der bei Frauen die Initiative ergriff, aber nicht an diesem Morgen. Schon sank Maria vor ihm auf die Knie. Nach wenigen Minuten war es vorbei.

Als er ging, schwor er sich, nie wieder zurückzukehren.

Doch noch am selben Nachmittag machte Bastiano einen Abstecher zur Apotheke, um Kondome zu kaufen, und eine Stunde später landeten sie zusammen im Bett.

Der Sex war heiß, verboten und intensiv. Sie trafen sich, wann immer sie konnten, doch für Maria war es nie genug.

„Lass uns von hier weggehen“, schlug Bastiano eines Tages vor. Er konnte die Vorstellung nicht mehr ertragen, dass sie mit Gino zusammen war.

„Das geht nicht“, wandte sie ein und bat ihn, ihr seinen Ring zu zeigen. Sie steckte ihn sich an den Finger. „Wenn du mich lieben würdest“, sagte sie, „würdest du mir so etwas Hübsches schenken.“

„Maria, gib mir den Ring zurück.“ Der Ring war alles, das ihm von seiner Mutter geblieben war, aber Maria weigerte sich.

Bastiano drehte sich um und ging. Er stieg den Hügel zum Kloster hinauf und setzte sich, um nachzudenken. Sein ganzes Leben lang hatte er sich nach Liebe gesehnt, doch jetzt stellte er fest, dass Liebe ihm egal war. Er brauchte keine Liebe.

Doch er wollte den Ring seiner Mutter zurück.

Entschlossen stand er auf, um ihn sich zurückzuholen, als sich vor seinen Augen das Drama abspielte.

Ein Wagen bog zu schnell um eine Kurve. „Dummkopf!“, murmelte er abfällig. Aber dann sah er, dass der Fahrer bei der nächsten Kurve von der Straße abkam.

Bastiano rannte auf das brennende Wrack zu, doch jemand hielt ihn zurück. Es war Ginos Wagen. Aber nicht Gino saß in dem brennenden Auto … sondern Maria.

Marias Tod machte Bastiano zum völligen Außenseiter.

Raul kehrte aus Rom zurück. Am Abend vor der Beerdigung trafen sie sich auf dem Hügel nahe der Klosterruine, wo sie früher so oft beieinandergesessen hatten.

„Du hättest jede andere Frau im Tal haben können!“ Raul konnte seine Wut kaum zügeln.

„Ich habe mich nur vergewissern wollen, dass es ihr gut geht, aber …“

Doch Raul wollte nicht hören, dass seine Mutter diejenige gewesen war, die Bastiano verführt hatte. „Du hast sie einfach mit deinem falschen Charme rumgekriegt …“

Raul kannte Bastiano und wusste daher, dass Bastiano sogar die scheueste Frau mit Blicken ermuntern und jeden Widerstand mit einem bloßen Lächeln zunichtemachen konnte. „Es war ein Fehler von mir, dir zu vertrauen. Im Grunde bist du an ihrem Tod schuld.“

Ja, Bastiano war immer der Erste, dem man die Schuld gab …

„Halt dich bloß von der Beerdigung fern!“, warnte Raul ihn.

Doch Bastiano brachte das nicht fertig.

Am nächsten Tag wurde alles nur noch schlimmer. Nach einer blutigen Auseinandersetzung auf dem Friedhof stellte sich nämlich schon bald heraus, dass Maria die Hälfte ihres Geldes Bastiano hinterlassen hatte.

Raul, sein ehemals bester Freund, beschuldigte ihn jetzt sogar, Marias Tod absichtlich herbeigeführt zu haben, und schwor, den Rest seines Lebens damit zu verbringen, Bastiano zu ruinieren.

Man sagt, es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.

Die Menschen im Tal von Casta hatten sich früher nie viel um Bastiano gekümmert, doch nun hielten ihn alle für einen Lügner und Betrüger. Für sie war er der schlechteste Mensch im ganzen Tal.

Und Bastiano sah das genauso …

1. KAPITEL

Manche Nächte waren die Hölle.

„Bastiano!“

Als er den vertrauten süßlichen Ruf hörte, wusste Bastiano, dass er nur träumte, denn Maria war schon lange tot.

„Bastiano!“, rief sie wieder lockend seinen Namen.

Er griff nach unten und spürte keine Erektion – ein kleiner Triumph. Er unterdrückte ein finsteres Lächeln, als er ihr im Traum kühl mitteilte, dass sie keine Wirkung mehr auf ihn hatte.

Maria gab ihm eine Ohrfeige.

Sie trug den Ring seiner Mutter, sodass er spüren konnte, wie ihm das kalte Metall die Wange aufschlitzte. Blut quoll ihm zwischen den Fingern hindurch.

Bastiano wusste, dass er träumen musste, denn der heftige Kampf mit Raul war auf dem Friedhof passiert. Die Wunde hatte er erst nach Marias Beerdigung bekommen.

Alle hatten ihm damals die Schuld an ihrem Tod gegeben.

Doch jetzt, fünfzehn Jahre später, befand sich Bastino nicht mehr in Casta, sondern in einer der Präsidentensuiten des Hotels Grande Lucia in Rom. Er hatte erfahren, dass sein Erzfeind Raul Di Savo mit dem Gedanken spielte, das Hotel zu kaufen, und Bastiano wollte ihm unbedingt zuvorkommen.

Bastiano zwang sich, wach zu werden, und warf einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. Grimmig schaltete er die Weckfunktion aus. Jetzt konnte er sowieso nicht wieder einschlafen.

Er wusste, warum Maria in seine Träume zurückgekehrt war. Im Grunde war sie nie wirklich daraus verschwunden, aber dieser Traum war so lebendig gewesen, dass es nur einen Grund dafür geben konnte – er und Raul wohnten im selben Hotel.

Er hörte ein leises Klopfen an seiner Tür und dann jemanden einen Servierwagen ins Wohnzimmer schieben.

„Minchia!“

Bastiano musste lächeln, als er den typisch sizilianischen Fluch hörte. Anscheinend war das Zimmermädchen über irgendetwas gestolpert.

Leise klopfte sie an seine offenstehende Schlafzimmertür.

„Herein!“

Als Besitzer mehrerer Kureinrichtungen und Nobelhotels war Bastiano an Zimmerservice gewöhnt. Um keinen Smalltalk mit dem Zimmermädchen machen zu müssen, schloss er einfach die Augen.

Als Sophie sah, dass er keinerlei Anstalten machte, sich aufzusetzen, verzichtete sie auf einen Morgengruß. Es gab klare Regeln im Grande Lucia, und das Personal war perfekt geschult.

Sophie liebte ihren Job, und obwohl sie den Gästen normalerweise nicht das Frühstück brachte, hatte man sie ausnahmsweise nach ihrer Nachtschicht darum gebeten. Da sie bei der Übergabe nicht dabei gewesen war, wusste sie nicht, wer in dieser Suite wohnte, aber sie hatte sich vorsorglich den Namen auf der Frühstücksbestellung eingeprägt.

Signor Bastiano Conti.

So leise wie möglich öffnete Sophie die schweren Vorhänge und Fensterläden, sodass der Gast beim Aufsitzen den wundervollen Anblick Roms in der Morgensonne genießen konnte.

Was für ein herrlicher Tag! Es kam ihr so vor, als öffneten sich die Vorhänge zu einem wunderschönen Bühnenbild.

Am Himmel trieben nur wenige Wolken, die sich jedoch schnell auflösen würden, denn es versprach ein warmer Sommertag zu werden. Das Kolosseum sah aus wie gemalt. Sophie bekam wie immer eine Gänsehaut bei dem Anblick der Ewigen Stadt.

Oh ja, es war ein guter Tag, denn hätte sie nicht die schwierige Entscheidung getroffen, Luigi trotz des Wunsches ihrer Familie nicht zu heiraten, würde sie morgen ihren ersten Hochzeitstag feiern.

Für einen Moment vergaß sie völlig, wo sie war, und genoss die schöne Aussicht, ganz in Erinnerungen versunken. Ja, sie hatte ein paar schwere Entscheidungen getroffen, aber es waren die richtigen gewesen.

Bei dem Gedanken an die Hochzeitsnacht mit Luigi war es ihr eiskalt über den Rücken gelaufen. In Rom war sie zwar mit ein paar jüngeren Männern ausgegangen, aber Luigis nasse und nach Whisky schmeckende Küsse hatten Spuren hinterlassen. Trotz ihrer Neugier auf Männer hatte Sophie sämtliche Annäherungsversuche abgewehrt.

Und ihre Eltern dachten, dass sie ein ausschweifendes Leben hier in Rom führte!

Eigentlich schade, dass sie nicht recht hatten …

Doch Sophie schämte sich ihrer Unerfahrenheit nicht. Sie wusste, dass sie nicht nur unerfahren war, sondern auch stark. Stark genug jedenfalls, um einen Mann und eine Ehe abzulehnen, die sie nicht wollte.

„Buongiorno!“, riss eine tiefe Stimme sie aus ihren Gedanken. Als Sophie sich umdrehte, wurde ihr bewusst, dass sie gerade von einem wichtigen Gast beim Tagträumen erwischt worden war – und das auch noch in seiner Suite! Sie öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, doch sein Anblick verschlug ihr buchstäblich den Atem.

Der Mann im Bett war großgewachsen … und offensichtlich splitterfasernackt unter der bis zu den Hüften hochgezogenen Decke. Er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt.

Er sah umwerfend aus mit seiner braunen Haut und seinem jettschwarzen Haar. Das Einzige, das die Perfektion trübte, war eine gezackte Narbe auf einer Wange, doch die machte ihn auf seltsame Weise nur umso attraktiver.

Es waren vor allem seine grauen Augen, die Sophies Aufmerksamkeit fesselten. Er sah sie so intensiv an, dass ihr der Atem stockte. Sie konnte den Blick gar nicht wieder von ihm losreißen! Was ungewöhnlich für sie war. Bei ihrem Job war sie an den Anblick reicher und schöner Männer gewöhnt, aber dieser hier ließ sie alles andere als kalt.

„Ich habe gerade die Aussicht für Sie arrangiert, Signor Conti“, versuchte sie zu scherzen, um ihre Verlegenheit zu verbergen.

„Danke.“ Dünn lächelnd richtete er den Blick auf das Panorama hinter den Fenstern. „Gute Arbeit.“

Dann konzentrierte er sich wieder auf Sophie.

Da sie sich mit dem Öffnen der Vorhänge und Fensterläden so viel Zeit gelassen hatte, hatte Bastiano irgendwann doch genervt die Augen aufgeschlagen, aber bei ihrem Anblick hatte er seine Ungeduld schlagartig vergessen.

Fasziniert musterte er ihre braunen Augen und ihre gertenschlanke Figur. Sie hatte sich das volle schwarze Haar zu einem unordentlichen Knoten hochgesteckt, aus dem ein paar Strähnen quollen.

Ihm fiel auf, dass sie müde aussah. Vermutlich war ihre Schicht gerade vorbei.

Zu seiner Überraschung hatte sie ihn zum Lächeln gebracht … ein Wunder nach seinem schrecklichen Traum.

„Soll ich Ihnen das Frühstück servieren?“, fragte sie eine Spur nervös, und das nicht nur, weil er sie dabei ertappt hatte, ihn fasziniert anzustarren. Sophie hob eine der Silberhauben und sah ihn fragend an.

„Nein danke. Aber ich wäre dankbar für einen Kaffee.“

„Möchten Sie auch etwas Wasser oder Saft?“ Ihre Lippen zuckten belustigt. „Oder vielleicht beides?“

Wieder musste er lächeln. Anscheinend hatte sie ihn im Verdacht, einen heftigen Kater zu haben. „Ja, gern.“

Sie brachte ihm zwei Gläser. Bastiano trank das kalte Wasser, während sie zurück zum Wagen ging und ihm einen Kaffee einschenkte. Normalerweise übernahm Bastiano das immer selbst, um Smalltalk zu vermeiden, aber diesmal verspürte er das seltsame Bedürfnis zu plaudern. „Kommen Sie aus Sizilien?“, fragte er, als sie ihm seinen Kaffee auf den Nachttisch stellte.

Sie nickte, verzog dann jedoch schuldbewusst das Gesicht. Anscheinend wurde ihr gerade bewusst, dass er sie hatte fluchen hören.

„Ich auch. Was ist das?“ Er zeigte auf den Servierwagen, von dem ein würziger Duft aufstieg, obwohl Sophie die Haube wieder aufgesetzt hatte.

„Schakschuka“, erklärte Sophie. „Pochierte Eier in Tomatensoße.“

Als ihr umwerfender Gast die Nase rümpfte, vergewisserte sie sich mit einem Blick auf den Beleg, dass die Küche seine Bestellung nicht verwechselt hatte. „Die haben Sie selbst bestellt.“

„Was habe ich mir nur dabei gedacht?“, fragte er mit gedehnter Stimme.

„Sie sollen ganz köstlich sein. Soll ich sie wieder wegbringen und Ihnen etwas anderes holen?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ist schon okay.“

„Einen schönen Tag noch“, wünschte Sophie ihm.

Er lachte freudlos. „Ihnen auch.“

Sie machte Anstalten, die Schlafzimmertür hinter sich zu schließen, aber Bastiano bat sie, sie offen stehen zu lassen.

Als Sophie das Wohnzimmer durchquerte, hob sie die leere Champagnerflasche auf, über die sie vorhin gestolpert war, und legte sie auf ein Tablett. Im Zimmer herrschte das reinste Chaos. Es juckte sie in den Fingern aufzuräumen, aber das war heute nicht ihre Aufgabe. Mit einem bedauernden Seufzen verließ sie die Suite.

Wenig später stempelte Sophie aus und holte ihre Sachen.

„Wie kommst du dazu, einem Gast das Frühstück zu bringen?“, fragte ihre Kollegin Inga, als Sophie ihre Jacke aus ihrem Spind holte, und wies sie in ihrer üblichen belehrenden Art darauf hin, dass das die Aufgabe der dienstälteren Zimmermädchen war.

„Ich mache nur, was man mir sagt“, antwortete Sophie und streckte Inga heimlich die Zunge heraus, nachdem die ihr den Rücken zugekehrt hatte.

Sie verstanden sich nicht besonders.

Inga brachte den Gästen gern selbst das Frühstück, vor allem den reichen Männern, und obwohl es streng verboten war, mit ihnen anzubandeln, war Sophie davon überzeugt, dass es kein Zufall war, dass Inga gerade eine Designerhandtasche in ihren Spind gehängt hatte.

Doch Sophie wollte sich kein Urteil erlauben.

Ihre Abneigung gegen Inga war vor allem auf deren abfällige Kommentare und endlose Spitzen ihr gegenüber zurückzuführen. Manchmal fiel es Sophie schwer, sich davon abzugrenzen, zumal sie keine Ahnung hatte, was sie Inga eigentlich getan hatte.

Sie beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und einfach nach Hause zu fahren.

Wie so oft machte sie einen Abstecher in die Küche. Erstens kam sie von dort aus schneller zu ihrer kleinen Wohnung, die sie mit zwei anderen Mädchen teilte, und zweitens bekam sie oft ein Gratisfrühstück mit auf den Weg.

In der Küche arbeiteten mehrere Köche, aber natürlich war ihr Lieblingskoch Sizilianer. Als sie an ihm vorbeiging, zog er gerade ein Tablett mit Brioches aus dem Ofen. Nicht die französischen Brioches oder die süßen Croissants, die im Norden Italiens unter dem Namen üblich waren, sondern die köstlichen einfachen Brötchen von zu Hause. Plötzlich musste Sophie an den gut aussehenden sizilianischen Gast aus der Präsidentensuite denken. Sie konnte sich gut vorstellen, dass diese Brötchen ihm schmecken würden.

Abgesehen von Inga kam Sophie mit ihren Kollegen sehr gut aus. Der Koch arrangierte daher rasch einen Teller mit frischem Gebäck für sie, Sophie stülpte eine silberne Haube darüber, hängte sich ihre Jacke über einen Arm und ging zurück zu Signor Contis Suite.

Sie klopfte an und trat ein.

„Zimmerservice!“

Bastiano hatte nach einem angeekelten Blick auf die Eier auf sein Frühstück verzichtet. Sein Freund Alim, der Besitzer des Hotels, hatte ihm das orientalische Gericht schon oft empfohlen, und gestern hatte es noch nach einer guten Idee geklungen. Doch Bastiano hatte gerade absolut keinen Appetit darauf.

Allmählich fragte er sich, was er überhaupt hier sollte.

Gestern Abend hatte Alim ihm nämlich mitgeteilt, dass er seine Pläne plötzlich geändert hatte und er ihn jetzt doch nicht wie verabredet durch die gesamte Hotelanlage führen konnte. Und das war noch nicht alles, was Bastiano wurmte.

Zum ersten Mal in seinem Leben hatte ihn eine Frau zurückgewiesen.

Vor einigen Wochen hatte er beschlossen zu heiraten, und Lydia Hayward war ihm wie die ideale Partie erschienen. Sie besaß nicht nur ein Schloss in England, für das sie nicht mehr aufkommen konnte, sie war auch nobelster Abstammung und hatte ein exquisites Äußeres. Sie hätte genauso von ihrer Verbindung profitiert wie er – finanziell. Also hatte er sie und ihren Stiefvater nach Rom fliegen lassen, um zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.

Er wollte Alim ein Angebot für das Hotel machen, mit dem er Raul ausstechen konnte.

Und er wollte mit der perfekten Braut nach Casta zurückkehren.

Je mehr er darüber nachgedacht hatte, desto besser hatte ihm die Idee gefallen. Doch leider war aus seinen Plänen nichts geworden. Lydia hatte gestern nämlich beschlossen, den Abend lieber mit Freunden zu verbringen, und hatte ihn mit dem widerlichen Maurice allein gelassen.

Bastiano hatte noch nicht mal versucht, Smalltalk zu machen. Stattdessen war er in seine Suite zurückgekehrt und hatte ein bisschen zu tief in die Flasche geguckt. Rückblickend eine saudämliche Entscheidung, denn nur so war es Maria gelungen, sich in seine Träume zu stehlen.

Fünfzehn Jahre waren seit ihrem Tod vergangen, und seitdem hatte ihm kein anderer Mensch mehr etwas bedeutet.

Autor

Carol Marinelli
Carol Marinelli wurde in England geboren. Gemeinsam mit ihren schottischen Eltern und den beiden Schwestern verbrachte sie viele glückliche Sommermonate in den Highlands.

Nach der Schule besuchte Carol einen Sekretärinnenkurs und lernte dabei vor allem eines: Dass sie nie im Leben Sekretärin werden wollte! Also machte sie eine Ausbildung zur Krankenschwester...
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