Sinnliche Reise nach Ägypten

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Welche Demütigung: Vor dem Altar wird Freya sitzen gelassen. Nie wieder wird sie sich verlieben, schwört sie sich. Während einer Reise nach Ägypten stellt ihr bester Freund Jackson Falcon ihren Vorsatz jedoch auf eine verlockende Bewährungsprobe …


  • Erscheinungstag 14.05.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756789
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Man sprach von der Hochzeit des Jahres. In einer wunderschönen Kirche im Herzen von London sollte der Finanzmagnat Amos Falcon, der ebenso viele Bewunderer wie Feinde hatte, seine Stieftochter zum Altar führen.

Alle wussten jedoch, dass er sie eigentlich mit einem seiner Söhne hatte verheiraten wollen und nicht mit Dan Connor, einem einflussreichen Manager in der Fernsehbranche. Es war eins der wenigen Male in seinem Leben, dass er seinen Willen nicht bekommen hatte.

Obwohl die Trauung erst gegen Mittag stattfinden sollte, hatten die Fernsehteams bereits früh ihre Kameras postiert. Den Gerüchten zufolge würde die ganze Familie Falcon kommen, also auch Amos’ fünf Söhne, die in England, Russland, Frankreich und in den USA lebten, und niemand wollte ihre Ankunft verpassen.

Ein Raunen ging durch die Menge, als eine Luxuslimousine vorfuhr und ein teuer gekleidetes Paar ausstieg. Zur Enttäuschung der Schaulustigen handelte es sich jedoch nicht um den Schauspieler Travis und seine Frau.

„Marcel Falcon“, sagte einer der Kameramänner zu seiner Kollegin. „Der Bruder aus Frankreich. Und der in dem Wagen dahinter ist Leonid.“

Nachdem er die Kamera auf die beiden Brüder gerichtet hatte, schwenkte er sie schnell zu einem anderen Auto, aus dem ein Paar ausgestiegen war.

„Darius“, sagte er. „Aus England.“

„Und was ist mit Jackson?“, fragte seine Kollegin. „Er ist doch auch Engländer und wegen seiner Fernsehdokus fast genauso bekannt wie Travis.“

„Er ist der Trauzeuge und kommt mit dem Bräutigam. Danach werden Amos und Freya, die Braut, eintreffen. Sieh mal, wer den Wagen verlässt! Freyas Mutter, die derzeitige Mrs Falcon.“

Mrs Falcon war in den Fünfzigern, schlank und sehr elegant gekleidet, wirkte aber im Gegensatz zu den anderen eher zurückhaltend. Sie eilte die Stufen hoch, als wäre der ganze Trubel ihr unangenehm.

In der Kirche wurde sie von Darius, Marcel und deren Frauen herzlich begrüßt und umarmt. „Das muss ein glücklicher Tag für dich sein, Janine“, sagte Darius. „Freya wurde vor dem schrecklichen Schicksal bewahrt, einen von uns zu heiraten.“

Seine Stiefmutter bedachte ihn mit einem liebevollen und zugleich ironischen Blick. „Du weißt ganz genau, dass ich euch alle mag. Hätte Freya wirklich einen von euch heiraten wollen, wäre es kein Problem für mich gewesen. Es war einfach nur die Art, wie Amos … Na, ihr wisst schon …“

„Wie hast du ihn dazu gebracht, dass er eingewilligt hat, sie zum Altar zu führen?“, erkundigte Darius’ Frau Harriet sich leise.

„Ich habe gesagt, wenn er es nicht macht, tue ich es“, erwiderte Janine trocken. „Und natürlich wollte er sich in der Öffentlichkeit nicht mit mir streiten …“

„Die Heirat mit dir war das Beste, was ihm je widerfahren ist. Du bist die Einzige, die ihn zur Vernunft bringen kann“, erklärte Harriet.

Lautes Jubeln vor der Kirche ließ sie alle aufhorchen.

„Das kann nur Travis sein“, meinte Harriet. „Ich wette, er nimmt gerade ein Bad in der Menge und umarmt die jungen Frauen.“

„Nicht wenn Charlene bei ihm ist“, sagte Janine. „Er nimmt so viel Rücksicht auf ihre Gefühle, dass es schon fast paranoide Züge annimmt.“

„Und komischerweise macht es Charlene überhaupt nichts aus“, meinte Darius. „Er kann tun, was er will, weil sie weiß, dass sie ihn genau da hat, wo sie ihn haben will.“

„Klingt für mich wie die perfekte Verbindung“, bemerkte seine Frau.

Er lächelte sie an. „Kein Wunder. Du brauchst auch nur mit den Fingern zu schnippen, und ich springe, stimmt’s?“

Sie wechselten einen liebevollen Blick, der die glückliche Atmosphäre in der Familie widerspiegelte. Einer nach dem anderen hatte jeder der fünf Söhne die perfekte Ehefrau gefunden.

Darius hatte sich von den weiblichen Wesen der Schickeria abgewandt, um Harriet zu heiraten, eine junge Frau von der Insel. Marcel hatte seine Jugendliebe Cassie wiedergefunden. Travis hatte bei Charlene Zuflucht vor aufdringlichen Reportern gesucht und dann tiefere Gefühle für sie entwickelt. Und Leonids Liebe zu Perdita hatte alle Hindernisse überwunden, weil ihre Begegnung von Anfang an schicksalhaft gewesen war.

Jetzt war nur noch ein Sohn übrig: Jackson, der Freya mit ihrem Bräutigam Dan Connor bekannt gemacht hatte.

„Weiß irgendjemand von euch etwas über den Bräutigam?“, erkundigte Harriet sich nun.

„Er besitzt eine große Fernsehproduktionsgesellschaft“, erklärte Travis. „Seine Dokumentationen haben ihn zum Star gemacht.“

„Ich glaube, es geht gleich los“, bemerkte Janine.

„Ja, wir sollten uns setzen“, bestätigte er. „Ich frage mich nur, wo Dan und Jackson bleiben.“

„Bist du noch nicht fertig?“, rief Jackson durch die halb offene Tür des Schlafzimmers. „Der Wagen ist schon da.“

„Doch, hier bin ich“, sagte Dan, als er auftauchte.

Der Spiegel zeigte zwei Männer in den Dreißigern, beide groß und gut aussehend und im Smoking.

Jackson war der attraktivere. Wenn er lächelte, war er wie verwandelt. Es hieß, dass er derjenige der fünf Brüder war, der seinem Vater am meisten ähnelte. Er hatte dessen markante Züge und dunkelblaue Augen geerbt. Und das inzwischen weiße Haar seines Vaters war früher ebenfalls hellbraun gewesen.

Anders als sein Vater hatte Jackson allerdings etwas weichere Züge. Nur die Zukunft würde zeigen, ob diese später genauso schroff sein würden.

„Sehe ich gut aus?“, fragte Dan, während er sich im Spiegel betrachtete.

„Für mich schon“, erwiderte Jackson jungenhaft lächelnd. „Der Inbegriff des überglücklichen Bräutigams.“

Dan warf ihm einen vernichtenden Blick zu. „So etwas gibt es gar nicht. Jeder Bräutigam ist wahnsinnig nervös, weil er so einen großen Schritt wagt.“

„Du hast recht“, meinte Jackson nachdenklich. „Das waren meine Brüder auch alle, als sie geheiratet haben – zumindest bis zur Trauzeremonie. Danach waren sie lockerer.“

Doch noch während er das sagte, war ihm klar, dass mehr hinter Dans Anspannung steckte. Dan war in den besten Jahren, wohlhabend und strahlte eine Selbstsicherheit aus, die sein ganzes Leben zu durchdringen schien. Sie hatte ihm dabei geholfen, Connor Productions aufzubauen, die Produktionsfirma, die für ihre hervorragenden Dokumentationen bekannt war. Und sie hatte ihn durch viele Affären getragen, die er wegen seiner Bindungsphobie überlebt hatte.

Als er Dan allerdings Freya vorgestellt hatte, hatte dieser seine Bedenken abgelegt und nach kurzer Zeit in einem Restaurant um ihre Hand angehalten. Jackson hatte es mitbekommen, weil er zwei Tische weiter gesessen hatte.

„Ich habe mich entschieden“, hatte Dan verkündet. „Du musst mich heiraten.“

Dann hatte er Freya unter dem Applaus der anwesenden Gäste geküsst und ihr gleich am nächsten Tag einen Diamantring gekauft.

Jackson freute sich für die beiden. Freya war seit sechs Jahren seine Stiefschwester. Manchmal verstand er sich großartig mit ihr, und manchmal stritten sie miteinander. Einmal hatte sie ihm vorgeworfen, er wäre genauso wie sein Vater, weil er sie ständig herumkommandierte. Daraufhin hatte er klargestellt, dass er das nie wieder hören wollte, weil er dessen herrische Art ablehnte. Und wie so oft hatte ihr Schlagabtausch mit Lachen geendet.

Er hielt Freya, die ihre Ausbildung zur Krankenschwester mit Auszeichnung bestanden hatte, für eine vernünftige junge Frau. Sie war keine Schönheit, sah aber ganz passabel aus. Dan hatte wirklich eine gute Wahl getroffen.

Kurz nach der Verlobung der beiden hatte Jackson zu Dreharbeiten auf die andere Seite der Welt fliegen müssen. Er war erst vor einer Woche zurückgekehrt und hatte gleich gemerkt, dass sein Freund ungewöhnlich nervös war. Zuerst hatte er dem wenig Bedeutung beigemessen, weil er es auf die bevorstehende Hochzeit zurückführte. Auch dass Dan sich bei seinem Junggesellenabschied regelrecht betrunken hatte, hatte ihn nicht alarmiert. Umso mehr sah Jackson es als seine Pflicht an, Dan gut durch die Zeremonie zu begleiten.

„Komm, wir müssen los“, sagte Jackson, während er die Haustür öffnete.

„Warte noch“, sagte Dan schnell. „Da ist etwas …“

„Keine Panik, ich habe die Ringe.“ Jackson klopfte ihm auf die Schulter. „Jetzt kann nichts mehr schiefgehen. Lass uns fahren.“

Nachdem sie den Chauffeur begrüßt hatten, nahmen sie im Fond der Limousine Platz. Obwohl es nicht weit zur Kirche war, kamen sie nicht voran, weil dichter Verkehr herrschte.

Jackson seufzte frustriert. „Wenn wir noch lange brauchen, erscheinen Dad und Freya vor uns.“

„Führt Amos sie wirklich zum Altar? Ich komme gar nicht darüber hinweg.“

„Warum? Ach, weil er wollte, dass sie einen seiner Söhne heiratet? Als Leonid seine Perdita geheiratet hat, war nur noch ich übrig, und ich habe ihm gleich gesagt, dass er es vergessen kann. Ich mag Freya, aber meine Zuneigung ist rein platonischer Art.“

„Und deswegen hast du mich mit ihr bekannt gemacht?“

„Natürlich nicht“, entgegnete Jackson schockiert. „Ich wollte euch auf keinen Fall miteinander verkuppeln.“

„Komm schon, du hattest gehofft, dein alter Herr würde sich geschlagen geben. Doch er hat Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um diese Heirat zu verhindern.“

„Was, zum Teufel, willst du damit sagen?“

„Als ich mich mit Freya getroffen habe, ist er zu mir gekommen. Er sagte, wenn ich sie nicht in Ruhe lasse … Na ja, er hat angedeutet, dass er mir finanziellen Schaden zufügen könnte.“

„Ja, er macht anderen Angst“, meinte Jackson leise. „Doch du hast dich nicht von ihm einschüchtern lassen. Freya kann sich glücklich schätzen, dass du sie so liebst.“

„Ich liebe sie nicht“, widersprach Dan heftig. „Ich will verflucht sein, wenn ich mir von irgendjemandem Befehle erteilen lasse. Oh, es tut mir leid, er ist dein Vater …“

„Kein Problem“, unterbrach Jackson ihn hastig. „Aber heißt das, du hast Freya nur einen Heiratsantrag gemacht, weil du wütend auf meinen Vater warst? Das glaube ich nicht.“

„Das solltest du allerdings. Ich habe rotgesehen. Und dann waren wir plötzlich verlobt und … Verdammt, ich weiß nicht! Sie ist ein nettes Mädchen, aber ich bin nicht in sie verliebt. Hätte Amos mich nicht einzuschüchtern versucht, hätte ich das nie getan.“

„Ich fasse es nicht“, sagte Jackson verzweifelt. „Ich war doch auf eurer Verlobungsfeier und habe gesehen, wie verliebt ihr wart …“

„Ja, ich habe den Verliebten gespielt – und weißt du, warum? Weil Amos auch da war und vor Wut gekocht hat. Mann, habe ich es genossen!“

Entnervt fuhr Jackson sich durchs Haar. „Du hast es so weit kommen lassen und behauptest, du würdest die Frau, die du gleich heiraten wirst, nicht lieben?“

„Stimmt. Doch was soll ich machen? Sie liebt mich ganz offensichtlich, und ich spüre, wie die Schlinge um meinen Hals sich immer mehr zuzieht.“

„Du hättest ehrlich zu ihr sein müssen“, brauste Jackson auf. „Wenn du sie jetzt heiratest und dann enttäuschst, wirst du ihr viel mehr wehtun.“

„Stimmt.“ Starr blickte Dan ihn an, als wäre ihm plötzlich etwas bewusst geworden. „Ich kann immer noch klare Verhältnisse schaffen.“

In diesem Moment hielt der Chauffeur an einer Ampel. Dan öffnete die Tür und machte Anstalten auszusteigen.

„Fahr du zur Kirche“, fuhr er fort. „Erklär ihnen alles, und sag, dass ich keine andere Wahl hatte.“

„Wie bitte? Sei nicht albern. Du musst das jetzt durchziehen.“

„Ich kann es nicht. Das hast du mir gerade vor Augen geführt.“

„Dan! Komm zurück.“

Doch Dan hatte bereits die Tür zugeknallt und lief davon.

„Warten Sie hier“, bat Jackson den Chauffeur, bevor er seine Tür öffnete und aus dem Wagen sprang. „Dan! Komm zurück!“

Dan hatte bereits die andere Seite erreicht und verschwand in einer kleinen Straße. Jackson rannte hinter ihm her und wäre dabei fast mit einem Wagen zusammengestoßen. Als er die Seitenstraße erreichte, konnte er Dan nirgends sehen.

„Dan, wo bist du?“, rief er. „Lass uns reden.“ Er ging weiter und blickte sich suchend um. „Ich habe es nicht so gemeint.“

Dan war jedoch wie vom Erdboden verschluckt, und nachdem Jackson einige Male auf und ab gegangen war, kehrte er zur Limousine zurück und stieg wieder ein. Was habe ich bloß getan? fragte er sich verzweifelt.

„Fahren Sie weiter zur Kirche“, wies er den Chauffeur frustriert an.

Als sie dort eintrafen und er die vielen Reporter und die aufgeregte Menge sah, bat er den Fahrer, zum Hintereingang zu fahren. Nachdem er ihn gebeten hatte, das Ganze für sich zu behalten, und ihm ein großzügiges Trinkgeld gegeben hatte, stieg er aus und eilte in die Kirche.

In den sieben Jahren als Dokumentarfilmer hatte er viele gefährliche Situationen erlebt. Er war Löwen begegnet, in gefährlichen Gewässern geschwommen und hatte in großen Höhen vor der Kamera gestanden. Doch noch nie hatte er sich so beklommen gefühlt wie in diesem Moment.

Er versuchte sich einzureden, dass Freya damit klarkommen würde. Sie war Krankenschwester und eine starke, entschlossene junge Frau. Eine innere Stimme sagte ihm allerdings, dass er es sich nur schönredete und Freya am Boden zerstört sein würde.

Als Jackson das Kirchenschiff betrat, entdeckte er seine Familie in den vorderen Reihen. Travis blickte auf und bedeutete ihm zu kommen.

„Was ist los?“, fragte er, sobald Jackson sich ihm näherte. „Wo ist der Bräutigam?“

„Er kommt nicht. Er hat es sich im letzten Moment anders überlegt und ist aus dem Wagen gesprungen. Ich bin ihm gefolgt, habe ihn aber aus den Augen verloren.“

„Was soll das heißen?“, meinte Janine entgeistert. „Er kann meine Tochter doch nicht vor dem Altar stehen lassen.“

„Ich fürchte, genau das hat er getan. Offenbar hatte er die ganze Zeit Zweifel, und die haben nun die Oberhand gewonnen.“

Bevor noch jemand etwas sagen konnte, begann der Organist, den Hochzeitsmarsch zu spielen.

„Oh nein!“ Jackson stöhnte.

„Da sind sie“, stellte Darius fest. „Was für ein Desaster!“

Alle blickten zum Ende des Ganges, wo Amos mit Freya am Arm erschienen war. Hätte ich sie bloß draußen am Wagen abgefangen, überlegte Jackson reumütig. Dann wäre Freya diese Demütigung erspart geblieben.

Flüchtig erwog er, zu ihr zu eilen, doch einige Gäste waren bereits aufgestanden, um Amos zu begrüßen. So blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten.

Fasziniert betrachtete er Freya. Die vernünftige junge Frau, die er kannte, hatte sich in ein glamouröses Wesen in einem weißen Satinkleid verwandelt. Das sonst glatte blonde Haar war zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt und von einem fast bodenlangen Spitzenschleier bedeckt.

Sie strahlte förmlich, ganz die glückliche Braut, und gequält schloss Jackson die Augen.

Als die beiden sich ihm näherten, runzelte Amos die Stirn.

„Wo ist der Bräutigam?“, fragte er schroff. „Warum ist er nicht hier?“

Freya bedeutete ihm zu schweigen. „Bestimmt taucht er gleich auf.“ Sie lächelte Jackson an. „Ich glaube, er hat gestern Abend etwas zu viel getrunken, oder?“

„Ich fürchte, es gibt ein Problem“, erwiderte Jackson leise. „Dan … kommt nicht.“

„Was soll das heißen?“, hakte sie nach. „Ist er krank? Ich muss sofort zu ihm.“

„Nein, leider nicht“, erwiderte Jackson. „Es tut mir leid, Freya, aber er hat es sich im letzten Moment anders überlegt. Er ist aus dem Wagen gestiegen und weggerannt. Ich weiß nicht einmal, wo er steckt.“

„Oh nein!“, flüsterte sie. Dann nahm sie die Hand von Amos’ Arm und wandte sich zu Jackson um. „Aber warum?“

„Er hat die Nerven verloren“, antwortete er unbehaglich.

„Was … soll das heißen?“, hakte sie stockend nach. „Man braucht doch keine guten Nerven, um …“

Um jemanden zu heiraten, den man liebt. Offenbar hielt irgendetwas sie davon ab, es auszusprechen.

Jackson suchte nach den passenden Worten. „Es ist ein bedeutender Anlass“, brachte er hervor. „Manche Männer schaffen es einfach nicht.“

Für Dan waren wichtige Anlässe allerdings Routine, das wussten sie beide.

„Was ist wirklich passiert?“, fragte Freya energisch.

„Er … konnte plötzlich einfach nicht mehr.“

Die junge Frau wandte sich ab und versuchte, mit den Gefühlen fertig zu werden, die sie bestürmten: Kummer, Fassungslosigkeit, Ernüchterung und Scham. Die Schamgefühle gewannen schließlich die Oberhand.

Dan hatte ihr den Hof gemacht, ihrem Leben wieder einen Sinn gegeben und ihr das Gefühl vermittelt, etwas ganz Besonderes zu sein. Und nun gab er ihr in aller Öffentlichkeit den Laufpass. Sie ballte die Hände zu Fäusten, hielt sie sich vor die Augen und stöhnte leise.

„Freya …“, sagte Jackson leise hinter ihr und berührte sie am Arm, doch sie wich zurück.

„Mir geht es gut“, sagte sie, während sie die Hände sinken ließ.

Das glaubte er ihr keine Sekunde, aber er bewunderte ihre Stärke.

„Wenn ich den in die Finger bekomme …“, stieß Amos wütend hervor.

Am liebsten hätte Jackson seinem Vater an den Kopf geworfen, dass er der Auslöser für das alles gewesen war. Nur Freya zuliebe riss er sich zusammen.

Die Gäste hatten inzwischen zu tuscheln begonnen, und der Pfarrer kam nun auf sie zu.

„Vielleicht möchten Sie mir in die Sakristei folgen und dort in Ruhe miteinander reden?“

Amos wollte Freyas Hand nehmen, aber Jackson kam ihm zuvor. Er legte ihr den Arm um die Taille und führte sie in die Sakristei. Die Familie folgte ihnen.

In dem kleinen Raum erzählte er die Geschichte noch einmal, wobei er Freyas Hand hielt und spürte, wie sie erstarrte.

„Warum hat er das getan?“, flüsterte sie. „Was hat er gesagt?“

„Nur, dass er es nicht kann“, schwindelte er und wünschte, der Boden würde sich unter ihm auftun und ihn verschlucken.

„Ich bringe ihn um“, murmelte Amos.

„Das würden wir jetzt alle gern tun“, pflichtete Travis ihm bei.

„Nein, das ist meine Sache“, erklärte Freya. „Ich muss mit ihm reden. Ich brauche ein Telefon.“

„Nicht jetzt“, sagte Jackson schnell.

Darius reichte ihr sein Smartphone, doch Jackson kam ihr zuvor, indem er es entgegennahm und ihr Handgelenk umfasste. Dabei warf er seinem Bruder einen bedeutsamen Blick zu, den dieser offenbar richtig deutete.

„Er hat recht, Freya“, räumte er ein. „Sammle dich erst mal.“

Wütend funkelte sie Jackson an. „Du kannst mir keine Vorschriften machen. Gib mir sofort das Telefon.“

„Warte. Ich versuche es.“

Er hatte keine Ahnung, was er sich davon versprach. Doch er nahm sein eigenes Handy aus der Tasche und wählte die Nummer. Niemand meldete sich.

Dann riss Freya ihm das Telefon aus der Hand und wählte wieder, ebenfalls erfolglos. Gequält schloss sie die Augen.

„Er hat sein Handy ausgeschaltet“, verkündete sie finster. „Ich muss hier weg. Kann ich die Kirche durch den Hinterausgang verlassen?“

„Komm mit.“ Ehe irgendjemand aus der Familie reagieren konnte, umfasste Jackson ihren Arm und führte sie hinaus.

Zu seinem Leidwesen stellte er allerdings fest, dass man Dans Abwesenheit inzwischen bemerkt hatte und sich auch am Hinterausgang viele Schaulustige versammelt hatten.

„Da ist sie ja!“, rief ein Reporter. „Wo ist der Bräutigam?“

„Verschwindet!“, rief Jackson. „Lasst sie in Ruhe.“ Als er sich dann zu Freya umwandte, sah er, dass sie die Straße entlangeilte. Zum zweiten Mal an diesem Tag musste er jemanden verfolgen, aber er holte sie schnell ein.

„Hau ab“, rief sie.

Als sie weiterlaufen wollte, packte er sie bei den Schultern. „Ich lasse dich jetzt auf keinen Fall allein.“

„Lass mich gefälligst los!“

„Nein! Und jetzt hör auf, mit mir zu streiten. Taxi!“

Nachdem er das vorbeifahrende Taxi herbeigewinkt hatte, schob er Freya hinein und nannte dem Fahrer die Adresse des Hotels, in dem sie mit ihrer Familie wohnte. Dann stieg er neben ihr ein und nahm sie in die Arme.

„Wein ruhig, wenn dir danach ist“, sagte er.

„Das werde ich nicht tun“, erklärte sie. „Es geht mir gut.“

Während er sie festhielt, merkte er, dass sie heftig zitterte. Er tätschelte ihr die Schulter, sagte allerdings nichts, denn Worte wären in diesem Moment fehl am Platz gewesen. Als sie schließlich aufblickte, wirkte sie sehr elend.

„Ich bin da“, versicherte er leise. „Halt dich an mir fest.“

Noch während er das sagte, kam er sich albern vor, denn er fühlte sich für alles verantwortlich.

Als sie sich dem Hotel näherten, erwartete sie die nächste Katastrophe, denn auch dort hatten sich Schaulustige eingefunden.

„Anscheinend hat es sich schon herumgesprochen, und nun warten sie darauf, dass ich angekrochen komme“, meinte Freya.

„Dann müssen wir sie enttäuschen“, erwiderte Jackson grimmig. „Fahren Sie bitte weiter“, wandte er sich an den Fahrer und nannte ihm seine Adresse.

Während dieser wendete, sagte Jackson zu Freya: „Da wird dich niemand finden. Du kannst erst einmal bei mir bleiben.“

„Danke“, flüsterte sie. „Aber werde ich je wieder in der Öffentlichkeit erscheinen können?“

„Das wirst du, dafür werde ich schon sorgen. Alles wird gut.“

Er wünschte, er könnte es selbst glauben.

2. KAPITEL

Eine halbe Stunde später standen sie vor der Tür zu seinem Apartment.

„Jetzt sind wir erst einmal in Sicherheit“, sagte Jackson, während er die Tür hinter ihnen schloss. „Hier findet dich niemand.“

Als ihr Blick in den hohen Spiegel an der Wand fiel, erstarrte Freya. Dann stieß sie einen wütenden Laut aus und riss sich den Schleier mit dem Diadem vom Kopf. Nachdem sie beides achtlos zu Boden geworfen hatte, zog sie sich die Nadeln aus ihrer kunstvollen Frisur, sodass ihr das Haar über die Schultern fiel.

„Ich muss sofort raus aus diesem Kleid“, rief sie.

Autor

Lucy Gordon

Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman “Das Kind des Bruders”, der in Rom spielt.

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