Entdeckung am Strand der Liebe

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Ein Boot ist gekentert und Rettungsschwimmerin Harriet Connor macht sich auf den Weg, den Mann zu retten. Erst als sie den Schiffbrüchigen in ihr Boot zieht, erkennt sie ihn: Es ist Darius Falcon - der Geschäftsmann, der ihre Insel gekauft hat! Und in den sie sich verliebt hat! Aber sie will keinen Mann, dem nur das Geld wichtig ist. Plötzlich bemerkt sie, dass Darius nicht so eiskalt ist, wie er erscheinen möchte …


  • Erscheinungstag 16.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756345
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nie hätte Darius damit gerechnet, jemals etwas so Schönes zu sehen. Tatsächlich hatte er bisher geglaubt, für Schönheit nicht besonders empfänglich zu sein. Er hielt mehr von Ausdauer, Durchsetzungsvermögen und klugem Taktieren.

Als umsichtiger Geschäftsmann hatte er in einem Ort an der englischen Südküste einen Hubschrauber gemietet, um sich zu der nicht weit entfernten Insel Herringdean bringen zu lassen, die ihm seit Kurzem gehörte. Es erschien ihm vernünftig, sie zu begutachten, ehe er sich wieder wichtigeren geschäftlichen Dingen widmete.

Vernunft zählte jetzt, nachdem es so heftige wirtschaftliche Turbulenzen gegeben hatte, mehr als alles andere.

Dann hatte er die kleine Insel inmitten des in der Sonne glitzernden Meeres entdeckt. Mit ihren weiten Stränden und steilen Klippen sowie dem grünen Hinterland bot sie ein so verwirrend schönes Bild, dass Darius das Gesicht gegen die Scheibe presste und fasziniert nach unten starrte. „Gehen Sie tiefer“, wies er den Piloten an.

Vom Hubschrauber aus, hatte er gedacht, würde er seinen neuen Besitz mit kritischen Augen betrachten können. Allerdings fand er nichts zu kritisieren an der grün und golden schimmernden Küstenlinie. Im Gegenteil: Er war hingerissen.

Der Hubschrauber flog jetzt parallel zu den Klippen. Nach und nach wurden sie niedriger, gingen in einen weiten Sandstrand über, hinter dem sich landeinwärts eine große Wiese erstreckte. Inmitten eines daran anschließenden Gartens entdeckte Darius ein großes, einst zweifellos elegantes Haus, das nun leider einen vernachlässigten Eindruck machte.

In der Ferne konnte man eine Ansammlung von Gebäuden erkennen, Ellarick vermutlich, die mit 10.000 Einwohnern größte Ortschaft von Herringdean.

„Landen Sie auf der Wiese“, befahl er.

„Wollten Sie nicht die Stadt überfliegen?“

„Ich habe meine Pläne geändert.“ Darius verspürte den unerwarteten Wunsch, sich von Städten, Autos und Menschen fernzuhalten. Die einsame Küste schien ihn zu rufen. Das war ungewöhnlich, denn im Allgemeinen neigte er nicht zu impulsiven Entschlüssen. In der Finanzwelt konnte Impulsivität einem Mann sehr gefährlich werden.

„Landen Sie!“, wiederholte er.

Wenig später setzte der Hubschrauber auf der Wiese auf. Ohne zu zögern, sprang Darius hinaus und lief mit weit ausholenden Schritten zum Strand hinunter. Er war bedeutend sportlicher als die meisten anderen Wirtschaftsbosse, obwohl auch er viel Zeit am Schreibtisch verbrachte.

Der Sand war feucht, glatt und fest, sodass man gut darauf gehen konnte und keine Angst haben musste, sich schmutzig zu machen. Das war wichtig, denn jedes seiner Kleidungsstücke hatte Darius ausgewählt, um der Welt zu zeigen, dass er ein erfolgreicher Mann war, der es sich leisten konnte, viel Geld für seine Erscheinung auszugeben. Ein paar Sandkörner würden vielleicht an seinen handgefertigten Schuhen zurückbleiben, doch das war ein geringer Preis für das, was der Strand zu bieten hatte.

Frieden.

Nach den geschäftlichen Einbrüchen, die er in letzter Zeit hatte hinnehmen müssen, gab es nichts Besseres, als hier in der Sonne zu stehen, den Kopf in den Nacken zu legen, die Augen zu schließen, den sanften Wind zu spüren und die Stille zu genießen.

Viele Jahre hatte er damit zugebracht, Intrigen zu schmieden, zu kämpfen und raffinierte geschäftliche Manöver auszuführen. Während all dieser Zeit hatte er nicht geahnt, dass etwas so Wunderbares wie dieser Strand auf ihn wartete. Es war unglaublich!

Äußerlich wirkte er zu jung für solche Gedanken: Mitte dreißig, groß, stark, attraktiv, bereit, die Welt zu erobern. In seinem Inneren sah es anders aus. In letzter Zeit hatte er trotz größter Anstrengungen einige Schlachten verloren. Nun war er zutiefst erschöpft. Hier endlich bot sich ihm die Möglichkeit, Kraft zu tanken für die Kämpfe, die noch vor ihm lagen. Er atmete ein, langsam und tief, überließ sich der Ruhe, wünschte, sie würde ewig anhalten.

Dann war sie vorbei.

Ein Lachen zerriss die Stille, vertrieb den Frieden. Darius stöhnte auf und öffnete die Augen. Im Wasser entdeckte er zwei Gestalten, die sich dem Ufer näherten. Gleich darauf erkannte er, dass es sich um einen großen Hund und eine junge Frau handelte. Sie musste Ende zwanzig sein, sportlich, mit langen schönen Beinen und einem beinahe knabenhaft schlanken Körper. Sie trug einen schwarzen Badeanzug, der eher praktisch als sexy wirkte. Das braune Haar hatte sie streng nach hinten gekämmt.

Darius, daran gewöhnt, von Frauen umschwärmt zu werden, hatte die Erfahrung gemacht, dass viele hofften, ihn beim Schwimmen mit ihrer Schönheit beeindrucken zu können. Diese gehörte nicht dazu. Wenn ihr Äußeres eine Botschaft aussandte, so lautete sie: Ich trage praktische Sachen, weil mir nichts daran liegt, meinen Körper einzusetzen, um auf mich aufmerksam zu machen.

„Kann ich Ihnen helfen?“, rief sie gut gelaunt, während sie über den Strand auf ihn zukam.

„Ich schaue mich nur um und genieße die Stimmung.“

„Es ist wundervoll hier, nicht wahr? Manchmal denke ich, dass es im Himmel genauso sein muss wie hier. Obwohl ich nicht damit rechne, dorthin zu kommen. Menschen wie mir schlägt man das Himmelstor vor der Nase zu.“

„Warum?“, fragte er. Schon hatte er ihr die Störung vergeben. Trotzdem wäre er lieber gestorben, als ihr zu gestehen, dass das, was sie über dieses himmlische Fleckchen sagte, genau dem entsprach, was er selbst dachte.

„Ich bin zu geradeheraus. Manche werfen mir sogar Taktlosigkeit vor. Natürlich nicht meine Freunde …“

„Jene Freunde, die Sie noch nicht infolge Ihrer sträflichen Offenheit verloren haben?“

„Genau!“

Er beschloss, das Thema zu wechseln, und wies auf das große Haus. „Morgan Rancings Anwesen?“

„Ja. Wenn Sie seinetwegen hergekommen sind, haben Sie die Reise vergeblich unternommen. Er ist verschwunden. Und niemand weiß, wo er sich aufhält.“

Das wusste Darius, fand es aber unnötig, das zu erwähnen. Rancing war vor seinen Gläubigern ans Ende der Welt geflohen.

Sie trat einen Schritt zurück, um ihn genauer zu mustern. Kurz blitzten ihre Augen auf, so als erinnere er sie an jemanden. Doch schon sah sie wieder unbeteiligt drein. „Sie können von Glück sagen, dass Rancing nicht da ist“, stellte sie fest. „Er hätte Ihnen die Hölle heißgemacht, weil der Hubschrauber auf seiner Wiese gelandet ist. Er hasst es, wenn man sein Land betritt.“

„Gehört der Strand auch dazu?“ Erst jetzt fielen ihm die Zäune auf, die bis zum Wasser reichten.

„O ja!“ Sie lachte leise. „Seien Sie nett: Verraten Sie ihm nicht, dass Sie mich hier angetroffen haben. Er will nicht, dass ich zum Schwimmen herkomme.“

„Sie widersetzen sich seinen Anweisungen?“

„Es ist so schön hier, dass ich der Versuchung einfach nicht widerstehen kann. Die anderen Strände sind voller Urlauber, hier jedoch ist man ganz für sich allein. Meistens jedenfalls … Allein mit dem Meer, der Sonne und dem Himmel.“ Mit einer dramatischen Geste warf sie die Arme nach oben. „Hier gehört mir die Welt.“

Darius lachte. Es war seltsam, welche Freude er darüber empfand, dass ihre Gedanken die seinen so genau widerspiegelten. Obwohl sie etwas Jungenhaftes an sich hatte, fehlte es ihr doch nicht an weiblichem Charme. Wie schön ihre Augen waren! Groß, dunkelblau und sehr, sehr lebendig.

„Ich beneide Sie ein bisschen“, sagte er. „Wer wünscht sich nicht, die Welt zu besitzen …“

„Sie werden Rancing also nicht verraten, dass ich an seinem Privatstrand gebadet habe?“

„Es ist mein Privatstrand.“

Ihr Lächeln erlosch. „Wie bitte?“

„Die Insel gehört jetzt mir.“

„Sie haben Herringdean von Rancing gekauft?“

Sie ahnte nicht, wie falsch diese Vermutung war. Er hatte Herringdean keineswegs gekauft, sondern Rancing hatte ihn mit einem üblen Trick zum neuen Besitzer gemacht. Beim Gedanken daran verflog seine gute Stimmung, und seine Miene veränderte sich. „Wie gesagt: Die Insel gehört jetzt mir. Mein Name ist Darius Falcon.“

Sie atmete hörbar ein. „Jetzt erinnere ich mich! Ich habe Ihr Gesicht wirklich schon einmal gesehen, und zwar in der Zeitung. Sie sind der am meisten gefürch…“

„Vergessen Sie es!“, unterbrach er sie. Natürlich war ihm klar, dass alle möglichen Zeitungen sowohl über seine Situation als Geschäftsmann als auch über sein Privatleben berichtet hatten. An beides wollte er jetzt nicht denken. „Verraten Sie mir lieber, wer Sie sind!“

„Harriet Connor. Ich betreibe einen Antiquitätenladen in Ellarick.“

„Man sollte annehmen, dass Sie auf einer Insel wie dieser nicht sehr viel Kundschaft haben“, meinte er und ließ den Blick über das weite unbewohnte Land gleiten.

„Im Gegenteil. Während der Saison gibt es eine Menge Touristen in Ellarick. Das wissen Sie doch bestimmt?“

In Wirklichkeit lautete die Frage: Wie konnten Sie die Insel kaufen, ohne vorher Informationen zu sammeln?

Da Darius nicht beabsichtigte, Harriet zu erzählen, wie übel Rancing ihn hereingelegt hatte, zuckte er nur die Schultern.

Der Hund, der im flachen Wasser zurückgeblieben war, begann plötzlich zu kläffen und rannte über den Strand auf Harriet und Darius zu. Aus seinem Fell spritzten Tropfen in alle Richtungen.

„Stopp, Phantom!“, rief sie und wollte sich ihm in den Weg stellen.

Doch zu spät! Voller Freude darüber, einen neuen Freund begrüßen zu können, machte das riesige Tier noch ein paar Sätze nach vorn, stellte sich dann auf die Hinterläufe und legte Darius die nassen sandigen Pfoten auf die Schultern.

„Verschwinde, du Ekel!“

Begeistert leckte der Hund ihm übers Gesicht.

„Phantom, runter!“, schrie Harriet.

Er gehorchte. Allerdings nur kurz. Dann warf er sich wieder auf Darius, und zwar mit solcher Wucht, dass beide im Sand landeten. Hilflos lag Darius auf dem Rücken, während Phantom ihm erneut mit der nassen Zunge durchs Gesicht fuhr. Zweifellos ein Zeichen seiner aufrichtigen Zuneigung. Jedenfalls sah er sehr enttäuscht aus, als es Harriet endlich gelang, ihn fortzuzerren.

„Du unartiger Hund! Ich bin sehr böse auf dich.“

Darius erhob sich und musterte seinen ruinierten Anzug.

„Er hat Sie nicht angegriffen“, versuchte Harriet das Verhalten des Hundes zu rechtfertigen. „Er mag Sie.“

„Was auch immer er zu tun beabsichtigte, er hat meinen Anzug ruiniert“, gab Darius wütend zurück.

„Lassen Sie ihn auf meine Kosten reinigen.“

„Reinigen?“, fuhr er auf. „Ich lasse Ihnen die Rechnung für einen neuen Anzug zuschicken. So ein verrückter Köter!“ Abwehrend hielt er die Hände vor sich, bereit, das Tier fortzustoßen, wenn es sich noch einmal auf ihn stürzen sollte.

Doch Harriet hatte die Arme um Phantom geschlungen und hielt ihn fest. „Gehen Sie, ehe er sich losreißt!“ Ihr Ton war eisig.

„Sie sollten wissen, dass man ein Ungeheuer von dieser Größe nicht frei herumlaufen lassen darf.“

„Und Sie sollten wissen, dass es dumm ist, einen solchen Anzug am Strand zu tragen.“

Damit hatte sie zweifellos recht, was ihn noch zorniger machte. Ebenso wie die Tatsache, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als in Richtung des Hubschraubers davonzueilen.

Gleich darauf erhob der Helikopter sich in die Luft. Darius warf einen Blick nach unten und sah Harriet, die ihre Augen mit einer Hand gegen das helle Sonnenlicht abschirmte und ihm nachschaute. Phantom rannte um sie herum, sprang dann auf sie zu und legte ihr die Pfoten auf die Schultern. Man hätte meinen können, er wolle sie umarmen. Sogleich begann sie, mit dem Hund zu spielen.

So also sieht es aus, dachte Darius zornig, wenn sie böse auf das Biest ist. Offensichtlich war alles außer Phantom ihr gleichgültig.

Er rief sich in Erinnerung, wie wunderbar friedlich es gewesen war, ehe sie aufgetaucht war, und wie rücksichtslos sie diesen glücklichen Moment zerstört hatte. Das würde er ihr nie vergeben.

Von der Terrasse seines Hauses hoch über Monte Carlo konnte Amos Falcon das Meer sehen. Doch im Gegensatz zu seinem Sohn fehlte ihm jeglicher Sinn für die Schönheit der See. Seine Aufmerksamkeit galt den Gebäuden, die sich an den Hang schmiegten. Große, imposante Bauwerke, die verrieten, wie wohlhabend ihre Besitzer waren. Und keines war beeindruckender als sein eigenes Haus. Aus ebendiesem Grund hatte er sich für das dreistöckige Gebäude oben am Berg entschieden.

Sein Geld und das Bedürfnis, es zu schützen, hatten ihn schon vor Jahren hierher geführt, denn Monaco war eine Steueroase. Als Kind hatte er ein ärmliches Leben in einer heruntergekommenen Stadt in Englands nördlicher Bergbauregion geführt und sich nichts mehr gewünscht, als dieses Elend hinter sich zu lassen. Sobald er dazu in der Lage war, hatte er Tag und Nacht gearbeitet, um reich zu werden. Eine wohlhabende Frau zu heiraten, war hilfreich gewesen. Dann hatte er die erste Gelegenheit genutzt, um England zu verlassen. Der Gedanke, der Staat könne sich einen Anteil von seinem hart verdienten Geld holen, war ihm unerträglich.

„Wo, zum Teufel, steckt er?“, murmelte er ärgerlich. „Er weiß, dass ich ihn sprechen will, ehe die anderen eintreffen. Und trotzdem kommt er einen Tag später!“

Janine, seine dritte Ehefrau, legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm. Sie hatte ein freundliches Gesicht sowie ein sanftes Wesen und sah trotz ihrer mehr als fünfzig Jahre noch immer sehr gut aus.

„Darius ist ein viel beschäftigter Mann“, sagte sie. „Und sein Unternehmen steckt in Schwierigkeiten.“

„Alle Unternehmen stecken zurzeit in Schwierigkeiten. Er sollte damit fertig werden. Schließlich ist er bei mir in die Lehre gegangen.“

„Vielleicht hast du zu viel Zeit darauf verwandt, ihn zu bevormunden. Er ist dein Sohn und nicht einer deiner Angestellten, dem du Anweisungen geben musst.“

„Natürlich ist er keiner meiner Angestellten! Ich sagte: Er ist bei mir in die Lehre gegangen. Nur hat er leider nie gelernt, den letzten notwendigen Schritt zu machen.“

„Vielleicht weil er ein Gewissen hat“, meinte Janine. „Er kann durchaus hart sein, allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt.“

„Ja, mir ist es nie gelungen, ihm beizubringen, dass …“ Er zuckte die Schultern. „Hoffentlich lernt er etwas aus der jetzigen Situation.“

„Redest du davon, dass Mary ihn verlassen hat?“

„Nicht direkt. Ich rede von diesen dummen finanziellen Zugeständnissen, die er ihr bei der Scheidung gemacht hat. Er hat Mary einfach alles gegeben, was sie wollte.“

Janine seufzte. Sie war des Themas überdrüssig, weil Amos sich schon oft darüber aufgeregt hatte. Dennoch wies sie erneut darauf hin, dass Darius es wegen der Kinder getan habe.

„Er hätte das Sorgerecht für die Kinder bekommen können, wenn er es nur richtig angestellt hätte. Aber er wollte ja nicht kämpfen.“

„Worüber ich im Interesse der Kinder sehr froh bin“, murmelte sie.

Amos runzelte die Stirn. Meistens konnte er ihr diese sentimentale Sicht auf das Leben vergeben, denn schließlich war sie eine Frau. Manchmal allerdings erbitterte ihn ihre Sentimentalität. „Du magst das so sehen“, erklärte er, „doch vergiss nicht: Kürzlich ist die Welt zusammengebrochen.“

„Nur die Welt der Finanzmärkte“, stellte sie fest.

Woraufhin er ihr einen Blick zuwarf, der ganz deutlich sagte: Es gibt keine andere.

Janine war klug genug, schweigend darüber hinwegzugehen.

„Jetzt besitzt er nur noch einen kümmerlichen Rest seines einstigen Vermögens“, fuhr Amos fort. „Deshalb musste er sich so weit erniedrigen, Mary zu bitten, sich mit weniger zufriedenzugeben. Natürlich hat sie Nein gesagt. Und da das Geld bereits überwiesen war, konnte er sich nichts zurückholen.“

„Ein solcher Fehler wäre dir niemals unterlaufen“, bemerkte Janine, die sich gut an den Inhalt des Ehevertrags erinnerte, den sie vor der Trauung hatte unterschreiben müssen. „Gib niemals etwas her, das du dir nicht zurückholen kannst, aber nimm dir stets, was du brauchst. Das ist dein Motto.“

„Das habe ich nie gesagt.“

„Ausgesprochen hast du es vielleicht nicht. Trotzdem …“

„Wo, zum Teufel, steckt er?“

„Reg dich nicht auf“, bat sie. „Es schadet deiner Gesundheit. Nach dem Infarkt …“

„Ich fühle mich wieder ganz gesund.“

„Bis zum nächsten Mal. Und sag jetzt bitte nicht, es würde kein nächstes Mal geben. Der Doktor hat mehrfach darauf hingewiesen, dass ein Herzinfarkt als Warnsignal betrachtet werden muss.“

„Ich bin nicht krank“, erklärte er mit fester Stimme. „Schau mich an! Sehe ich etwa wie ein Invalide aus?“ Er erhob sich und stellte sich so hin, dass seine eindrucksvolle Gestalt sich dunkel gegen den blauen Himmel abhob. Tatsächlich war er noch immer ein beeindruckender Mann. Groß, kräftig gebaut, mit auffallend breiten Schultern. Attraktiv. Während seines gesamten Lebens hatte er eine starke Anziehungskraft auf das andere Geschlecht ausgeübt. Er hatte jede Frau bekommen, die er haben wollte. Das bewiesen seine zahlreichen Affären und auch die Tatsache, dass er mehrmals geheiratet und in unterschiedlichen Ländern insgesamt fünf Söhne mit vier verschiedenen Frauen gezeugt hatte. Auch auf diese Weise hatte er seine Macht ausgeweitet.

Kürzlich hatte es ein ungeplantes Familientreffen gegeben. Nach dem Herzanfall, der ihn beinahe das Leben gekostet hatte, waren seine Söhne zu ihm geeilt. Entgegen allen Erwartungen hatte er überlebt. So waren schließlich alle in ihre Heimatländer zurückgekehrt.

Jetzt hatte er sie noch einmal zu sich gerufen, diesmal, um Zukunftspläne zu schmieden. Er hatte einen großen Teil seiner Kraft zurückgewonnen. Doch er fühlte sich nicht so stark, wie er andere glauben machen wollte. Wer ihn nicht gut kannte, sah nur den kräftigen Mann, der auch jetzt, da sein Haar weiß geworden war, noch beinahe unbesiegbar wirkte. Außer ihm selbst wussten nur zwei Personen, wie es wirklich um ihn stand. Eine davon war Janine, die ihn nun mit einer Mischung aus Liebe und Zorn anschaute.

Die andere war Freya, Janines Tochter aus erster Ehe, eine ausgebildete Krankenschwester. Auf Bitten ihrer Mutter war sie vor Kurzem zu ihnen gezogen.

„Er will keine Pflegerin engagieren, weil er ein Zeichen von Schwäche darin sieht. Deshalb bitte ich dich herzukommen“, hatte Janine ihr erklärt. „Er kann nicht Nein sagen, wenn ich meine Tochter einlade.“

Da Freya sich an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz langweilte, kündigte sie kurzerhand, kam nach Monte Carlo und kümmerte sich mit diplomatischem Geschick und erstaunlichem Durchsetzungsvermögen um Amos. Dass sie nicht aussah wie eine Krankenschwester, war in diesem Fall ein großer Vorteil. Sie war schlank und hübsch, bewegte sich anmutig und erinnerte dadurch eher an eine Tänzerin.

Amos mochte sie. Deshalb widersprach er ihr nicht, als sie jetzt zu ihm und Janine auf die Terrasse trat und ihn daran erinnerte, dass es Zeit für seinen Mittagsschlaf sei. „Schon gut, ich lege mich ihn“, brummelte er und ließ die beiden Frauen allein.

„Müsste Darius nicht längst hier sein?“, fragte Freya ihre Mutter.

„Er hat telefonisch Bescheid gegeben, dass er sich verspätet.“

„Weißt du, warum Amos nicht nur ihn, sondern auch seine anderen Söhne herbestellt hat?“

„Es ist nur eine Vermutung. Der Infarkt hat ihm gezeigt, dass er nicht unsterblich ist. Wahrscheinlich möchte er bestimmte Dinge regeln. Mit Darius, aber auch mit Leo, Marcel, Travis und Jackson. Ich glaube, er will gewisse Änderungen in seinem Testament vornehmen.“

„Du meinst, er will herausfinden, welcher seiner Söhne ihm am meisten ähnelt, um dieses Scheusal dann zum Universalerben einzusetzen?“

„Du sprichst nicht gerade nett über ihn.“

„Er hat es nicht anders verdient.“

„Nun, er mag dich. Deshalb möchte er, dass du ein richtiges Familienmitglied wirst.“

Sie begriff sofort. „Du meinst, er will mich mit einem seiner Söhne verheiraten?“, fragte sie schockiert.

„Verrate ihm bloß nicht, dass ich dich eingeweiht habe!“

„Natürlich nicht!“ Freya schüttelte den Kopf. „Nicht für alles Geld der Welt würde ich in diese Familie einheiraten. Aber es wird mir Spaß machen, ihn ein wenig an der Nase herumzuführen.“

Am nächsten Tag traf Darius ein und entschuldigte seine Verspätung mit einem unerwarteten geschäftlichen Treffen. Niemals hätte er zugegeben, dass er von Herringdean nach London hatte zurückkehren müssen, um sich neu einzukleiden.

Er war deshalb noch immer wütend auf Harriet Connor. Besonders ärgerlich fand er, dass er an sie wie an zwei verschiedene Personen dachte. Da war einerseits die Badenixe, die seine Gefühle so überraschend gut verstanden hatte und die er in Gedanken als „die gute Fee“, bezeichnete. Auf der anderen Seite stand die Hundebesitzerin, „die böse Fee“, die sich ihm gegenüber kalt und abweisend gezeigt hatte.

Er hatte beschlossen, sie aus seinem Gedächtnis zu streichen. Doch aus irgendeinem Grund wollte ihm das nicht gelingen.

Bis er Amos gegenüberstand. Dieser begrüßte ihn, wie nicht anders zu erwarten, mit Vorwürfen. Woraufhin er sagte: „Ich bin froh, dass es dir wieder besser geht, Vater.“

„Hat Freya etwa behauptet, ich sei immer noch krank?“

„Ich bin sicher, dass sie sich gut um dich kümmert“, meinte er ausweichend. Freya hatte ihn vom Flughafen abgeholt und ehrlich auf all seine Fragen geantwortet.

„Sie ist als meine Stieftochter hier und nicht als meine Krankenschwester“, brauste Amos auf, setzte jedoch sogleich hinzu: „Was hältst du von ihr?“

„Sie scheint ein nettes Mädchen zu sein.“

„Sie ist fröhlich, ausgeglichen, hübsch und zudem eine gute Köchin. Du wirst ihre Gesellschaft genießen.“

Das tat er tatsächlich. Es war sehr viel angenehmer, sie um sich zu haben, als diese scharfzüngige Harriet Connor mit ihrem schlecht erzogenen Hund.

Doch Darius’ gute Laune verflog, als Amos ihn zu einem Gespräch unter vier Augen ins Arbeitszimmer bat. Natürlich ging es um seine finanzielle Situation. Und selbstverständlich hatte sein Vater an allem, was er unternommen hatte, etwas auszusetzen.

Darius biss die Zähne zusammen. Er stand im Ruf, ein harter Geschäftsmann zu sein. Allerdings war er nie bereit gewesen, sich auf Kosten derer zu bereichern, die er für hilflos hielt. Doch genau das verlangte sein Vater von ihm.

„Du bist zu weich“, schimpfte Amos. „Nur deshalb hast du diese schlimmen Verluste hinnehmen müssen. Aber es ist noch nicht zu spät. Ich bin bereit, dir zu helfen.“

„Darauf habe ich gehofft.“

„Schade, dass du nicht früher auf mich gehört hast. Ich erwarte, dass sich das ändert. Als Erstes möchte ich mit dir über Rancing sprechen. Es heißt, er wolle diese kleine zu England gehörende Insel verkaufen, um seine Schulden zu begleichen. Lass dich auf keinen Fall darauf ein, denn …“

„Ich bin bereits der neue Besitzer von Herringdean“, fiel Darius seinem Vater ins Wort.

„Du hast die Insel gekauft? Dummkopf!“

„Nun, ganz so war es nicht. Als ich die Verträge bezüglich der Insel erhielt, war Rancing schon seit einiger Zeit wie vom Erdboden verschwunden. Da ich keine Chance hatte, ihn zu erreichen, musste ich Herringdean nehmen, wenn ich nicht gänzlich leer ausgehen wollte.“

Amos stieß einen Fluch aus.

„Ich bin ziemlich sicher, dass ich die Insel gewinnbringend nutzen kann“, bemerkte Darius. „Im Moment allerdings würde mir eine kleine Finanzspritze sehr helfen.“

„Du denkst dabei an mich?“

„Ja. Schließlich hast du selbst gesagt, du hättest die Krise besser überstanden als die meisten anderen.“

„Weil ich weiß, wie man mit Geld umgeht.“

„Wie mit einem Gefangenen, den man an der Flucht hindern muss“, stellte Darius fest.

„Genau. Das ist einer der Gründe, warum ich hier lebe. Einmal“, ein schmales Lächeln huschte über Amosʼ Gesicht, „kam eine Journalistin hierher, um mich zu interviewen. Natürlich fragte sie, ob ich wegen der Steuererleichterungen nach Monaco gezogen sei. Ich führte sie auf die Terrasse und erzählte ihr allen möglichen Quatsch über die Schönheit der Gegend und den Frieden, den ich hier fände. Das dumme Ding hat alles geglaubt.“

„Schönheit und Frieden haben ihren Wert.“

„Unsinn! Wenn du so denkst, wundert es mich nicht, dass du vor dem Bankrott stehst.“

„Meine Probleme rühren hauptsächlich daher, dass zwei meiner Geschäftspartner Konkurs anmelden mussten und ihre Schulden bei mir nicht zurückzahlen konnten. Das kannst du mir wohl kaum zum Vorwurf machen.“

„Es ginge dir besser, wenn du dich Mary gegenüber nicht so verdammt großzügig gezeigt hättest.“

„Die Vereinbarung wurde vor der Krise geschlossen. Damals konnte ich es mir leisten, großzügig zu sein.“

„Du hättest dir eine Hintertür offen halten müssen.“

Er zuckte die Schultern. „Heißt das, du verweigerst mir deine Hilfe?“

„Lass uns später darüber reden.“

„Ich möchte es aber jetzt wissen!“

„Also gut. Ich finde, du solltest eine reiche Frau heiraten.“

Darius wurde sogleich misstrauisch. „Denkst du an jemand Bestimmtes?“

„Ja. Ich möchte, dass Freya nicht nur meine Stieftochter ist, sondern auch meine Schwiegertochter.“

Einen Moment lang war Darius sprachlos. Dann sagte er: „Du glaubst doch nicht wirklich, ich würde mir von dir vorschreiben lassen, wen ich zu heiraten habe! Meine Unabhängigkeit ist so ziemlich das Einzige, was mir geblieben ist. Ich werde sie auf keinen Fall aufgeben.“

„Dann wirst du einen hohen Preis für deine Dickköpfigkeit zahlen.“

„Ich verstehe.“ Er wandte sich um, verließ den Raum, schlug die Tür laut ins Schloss. Kaum eine Stunde später verließ er das Haus seines Vaters.

2. KAPITEL

Ein heftiger Sturm tobte über dem Meer, und niemand auf Herringdean wunderte sich, dass die Besatzung des Seenotkreuzers zu einem Einsatz gerufen wurde. Ein paar Bewohner der Insel hatten sich zusammengefunden, um zu beobachten, wie das Rettungsschiff ablegte. Später, als es in den Hafen zurückkehrte, wartete dort eine deutlich größere Menge.

Die Schiffbrüchigen wurden rasch an Land gebracht, wo bereits mehrere Krankenwagen warteten, um sie ins Hospital zu fahren. Die Retter konnten aufatmen, ihre Schwimmwesten ausziehen und sich erschöpft nach Hause begeben.

Harriet holte, ehe sie aufbrach, ihr Handy heraus. „Geht es ihm gut?“, fragte sie, lauschte einen Moment lang und meinte dann: „Okay, ich mache mich jetzt auf den Heimweg.“

Vorher allerdings musste sie in der Seenotrettungsstation noch kurz ihren Einsatzbericht verfassen. Gemeinsam mit ihren Kollegen Walter und Simon trat sie schließlich auf die Straße hinaus.

Autor

Lucy Gordon

Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman “Das Kind des Bruders”, der in Rom spielt.

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