Tanz unter den Sternen Hollywoods

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Nachdem Charlene ihren Freund mit einer anderen erwischt hat, begegnet sie dem Schauspieler und Playboy Travis Falcon. Er tröstet sie und macht ihr ein verlockendes Angebot: Um seinen Ruf zu retten, soll sie seine Geliebte spielen. Nicht nur um es ihrem Freund heimzuzahlen, sagt sie Ja …


  • Erscheinungstag 30.04.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733756369
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Verdammt noch einmal, Travis, warum hörst du mir nie zu? Ich habe dich schon hundertmal gewarnt: Halt dich von zwielichtigen Nachtclubs fern!“

Denzil Raines, der Chef des Sandora-Studios in Los Angeles, versuchte, sich zu beherrschen. Das war gar nicht so einfach, denn Travis brachte auch den geduldigsten Menschen zur Verzweiflung.

Das Studio produzierte mehrere erfolgreiche TV-Serien. Aber keine war so beliebt und spielte so viel ein wie „Der Mann vom Himmel“, in der Travis Falcon die Hauptrolle spielte. Denzil wusste, dass er ihn ständig im Auge behalten musste, und das war ziemlich anstrengend.

Andererseits lohnte sich die Investition. Der junge Schauspieler, der seine Strafpredigt erdulden musste, war die Mühe mit Sicherheit wert. Er war schmal und athletisch gebaut, hatte markante Gesichtszüge, besaß umwerfenden Charme, und seinem Lächeln konnte niemand widerstehen. Travis war entschlossen, das Leben in vollen Zügen auszukosten. Deshalb zog er nachts oft um die Häuser und war immer offen für neue, aufregende Erfahrungen. Diese Bereitschaft strahlte er auch aus. Man sah es an der Art, wie er den Mund verzog, am Glanz seiner Augen. Ihn in Schach zu halten, war keine leichte Aufgabe, und schon mancher war daran gescheitert.

Travis stand am Fenster und betrachtete die Silhouette von Los Angeles. In der Ferne war das große, matt schimmernde Schild mit der Aufschrift HOLLYWOOD zu sehen. Seit über neunzig Jahren stand es jetzt schon da – als Symbol für die Stadt, in der Glanz, Unterhaltung und Geld eine glamouröse Einheit bildeten. Unverwandt musterte er den Schriftzug, als wollte er sich daran erinnern, wie weit er bereits gekommen war. Nach außen hin wirkte er entspannt, aber in Wirklichkeit war er sich der Brisanz der Situation sehr wohl bewusst.

„Ich wusste nicht, dass der Club einen schlechten Ruf hat“, erwiderte er schulterzuckend. „Mein Freund wollte dort seinen Junggesellenabschied feiern.“

„Junggesellenabschied?“ Denzil sah ihn ungläubig an. „Dann war ja wohl davon auszugehen, dass sich da halb nackte Mädchen herumtreiben würden. Das ist schließlich der Zweck einer solchen Veranstaltung. Du hättest sofort die Fliege machen sollen, anstatt … Schau dir das an!“

Wütend hielt er Travis eine Zeitung unter die Nase und zeigte auf ein Foto, auf dem ein junger Mann und ein Mädchen zu sehen waren. Der junge Mann saß auf einem Stuhl, sein Hemd stand offen. Das Mädchen auf seinem Schoß war nur spärlich bekleidet und hatte die Arme um seinen Hals geschlungen. Es küsste ihn hingebungsvoll. Man hatte nicht den Eindruck, als sei es dem Mann unangenehm.

„Warum hast du dich ihr an den Hals geworfen? War das wirklich nötig?“

„Ich habe mich ihr nicht an den Hals geworfen“, protestierte Travis. „Ich trank gerade ganz gemütlich meinen Whisky, als diese Lady …“

„Gemütlich? Was soll daran schon gemütlich sein? Und dieses Mädchen ist keine Lady. Die Frau wurde engagiert, um die männlichen Gäste zu ‚unterhalten‘. Das ist ihr bei dir ja auch offensichtlich gelungen.“

„Ich habe sie nicht dazu eingeladen, auf meinem Schoß zu sitzen.“

„Aber du hast sie auch nicht fortgeschickt.“

„Nein, das wäre zu unhöflich gewesen. Ich habe nur versucht, höflich zu sein.“

„Ach ja? Aus reiner Höflichkeit hast du mit ihr geschmust?“

„Komm schon, ich bin auch nur ein Mann“, wehrte Travis sich gegen die Angriffe seines Bosses. „Wenn ein halb nacktes Mädchen sich einem Typen an den Hals wirft, muss man sich revanchieren.“

„Genau das hast du ja auch gemacht“, fuhr Denzil ihn an. „Sie ist nicht die Einzige, die halb nackt ist. Schau dir nur dein Hemd an, offen bis zum Bauchnabel. Wie konnte das überhaupt passieren? Hat sie es aufgeknöpft oder du? Oder bist du so in den Club gekommen – in der Hoffnung, dass dich jemand anmachen würde?“

Travis stöhnte gequält auf. „Können wir es jetzt bitte dabei belassen? Ich hatte schließlich keine Ahnung, dass die Presse auch dort sein würde, okay?“

„Die Presse ist immer da, wo du dich herumtreibst. Das solltest du inzwischen wissen. Seit die Serie erfolgreich ist, folgen die Reporter dir auf Schritt und Tritt und versuchen, dir irgendwelche Skandale anzuhängen. Man kann nicht sagen, dass du es ihnen besonders schwer machst.“

„Ohne meinen Anwalt sage ich jetzt kein Wort mehr“, erwiderte Travis in dem Bemühen, die Situation durch einen Schuss Humor zu entschärfen.

„Gute Idee! Die Journalisten warten nur darauf, dir ein Bein zu stellen. Das hängt natürlich auch mit deiner Rolle zusammen.“

Die Serie „Der Mann vom Himmel“ war in der Filmbranche in aller Munde. Zunächst wirkte sie wie eine normale Krankenhaus-Seifenoper, mit dem jungen, gut aussehenden Dr. Brad Harrison, gespielt von Travis Falcon, in der Hauptrolle. Das Besondere an dieser Rolle war die Ambivalenz der Figur. Nach außen hin lebte Dr. Harrison asketisch wie ein Mönch, hatte dabei aber gleichzeitig einen umwerfenden Sex-Appeal. Das Gerücht, er sei kein gewöhnlicher Sterblicher, sondern ein Wesen aus einer anderen Dimension, hielt sich hartnäckig.

Diese Ambivalenz machte natürlich den Reiz der Rolle aus und hatte für den raketenhaften Aufstieg und Erfolg der Serie gesorgt. Die Produzenten waren wild entschlossen, die Nummer eins in der Zuschauergunst zu bleiben. Das gelang aber nur dann, wenn Travis sich im wirklichen Leben genauso tugendhaft wie Dr. Harrison verhielt.

„Du weißt doch, worauf alle warten – auf einen Skandal, der beweist, dass dieses himmlische Wesen auch nur seinen niederen Instinkten folgt, genau wie wir alle.“

„Ich bin aber kein himmlisches Wesen“, wehrte Travis empört ab.

Mir musst du das nicht sagen“, konterte Denzil. „Hör zu, lass uns Klartext reden. Die Zuschauer sind verrückt nach dir, die nächsten Folgen sind bereits fest eingeplant. Aber das Ganze wird nur funktionieren, wenn du dich im Privatleben ein bisschen zurückhältst. Ich sagte: ‚Ein bisschen‘, denn schließlich bin ich ja kein Unmensch. Ich will dir den Umgang mit Frauen nicht verbieten. Es geht nur um diese Art von Frauen.“

Travis betrachtete das Foto erneut und seufzte. „Du hast ja recht. Das war sehr leichtsinnig von mir. In Zukunft werde ich vorsichtiger sein, versprochen.“

„Es wäre gut, wenn du eine nette, anständige Freundin hättest. Jemanden, den man respektieren kann. Nun zieh nicht so ein Gesicht! Es geht doch nur darum, dass die Zuschauer dich nicht für einen Frauenhelden halten!“

„Aber ich bin ein Frauenheld!“

„Es steht eine Menge auf dem Spiel, Travis“, sagte Denzil beschwörend. „Deine Karriere. Das Geld, das wir verdienen können. Ich verlange ja schließlich nichts Unrechtes von dir. Du sollst einfach nur dein Leben in Ordnung bringen.“

„Also gut. Ich werde mich bessern.“

„Fein. Dann können wir gleich zum nächsten Punkt übergehen: was das Dinner heute Abend betrifft …“

Travis schüttelte entschlossen den Kopf. „Nein, ich werde nicht dorthin gehen. Zwischen Brenton und mir hat es zu viel böses Blut gegeben.“

Er verabschiedete sich hastig und war froh, als er aus dem Zimmer heraus war. Doch im nächsten Augenblick klingelte sein Handy. Es war Pete, sein Agent.

„Ja?“

„Denzil hat mich gerade angerufen. Er ist total sauer, weil du heute Abend nicht auf die Party gehen willst.“

„Dabei bleibt es auch“, entgegnete Travis mit fester Stimme.

Heute Abend wollte Frank Brenton in großem Stil seinen sechzigsten Geburtstag feiern. Er war der Chef eines wichtigen Studios, ein sehr mächtiger Mann. Auch die Produzenten der Serie waren von seinem Wohlwollen abhängig.

„Er kann mich nicht ausstehen, was auf Gegenseitigkeit beruht. Vergiss nicht, was er alles getan hat, um mir Steine in den Weg zu legen. Am besten, wir beide laufen uns gar nicht über den Weg.“

„Gut, ich werde mit Denzil darüber sprechen. Aber was den Zeitungsartikel betrifft, muss ich ihm leider recht geben.“

„Warum, zum Teufel, soll ich der Einzige sein, der in L. A. ein tugendhaftes Leben führt?“

„Weil dich das von den anderen unterscheidet, und weil es uns eine Menge Geld einbringt. Ruhm und Geld sind dir doch nicht plötzlich egal, oder?“

„Nein, natürlich nicht.“

„Dann reiß dich zusammen!“

„Was heißt das?“

„Hab deinen Spaß, aber sei diskret. Zeig dich in der Öffentlichkeit nur noch mit Frauen, die einen guten Ruf haben. Vergiss nicht, es gibt Hunderte von Schauspielern, die nur darauf warten, dich zu ersetzen.“ Nach diesen Worten legte er auf.

„Grrrr!“ Wütend starrte Travis sein Handy an, dann steckte er es ein.

Natürlich war ihm klar, dass Pete und Denzil recht hatten. Er konnte es sich nicht leisten, über die Stränge zu schlagen. Dafür war sein Ruhm noch zu jung und seine Position in der Filmindustrie viel zu unsicher.

Als sie sich dem Studio näherte, holte Charlene tief Luft. Jetzt oder nie war ihre Devise. Entweder würde sie in wenigen Minuten das Studio zusammen mit den anderen Teilnehmern der Gruppe besichtigen. Oder jemand würde herausfinden, dass sie eine Betrügerin war. Eine Betrügerin, die nur nach Los Angeles geflogen war, um Lee Anton zu sehen – den Mann, in den sie sich verliebt hatte. Sie hoffte inständig, dass er ihre Gefühle erwiderte und dass seine Liebe aufflammen würde, wenn er sie wiedersähe.

Während die Schlange vor dem Eingangstor etwas voranrückte, sah Charlene sich selbst in einem großen Spiegel. Sie hatte sich Mühe mit ihrem Aussehen gegeben, auch wenn sich nicht leugnen ließ, dass sie keine Schönheit war.

Lee hingegen hatte immer wieder betont, wie gut ihm ihre dunklen Augen gefielen. Für Charlene waren seine Komplimente wie Balsam für ihre Seele gewesen. Immerhin war er ein professioneller Schauspieler, dem es bisher leider an Erfolg gefehlt hatte. Deshalb hatte er sich auch der Laienspielgruppe angeschlossen, in der Charlene Mitglied war. Von Anfang an hatten sie sich zueinander hingezogen gefühlt. Charlene hatte dann bald geglaubt, dass es Liebe war. Die Nächte, die sie in seinen Armen verbracht hatte, zählten zu den schönsten ihres Lebens.

Die Premiere des Stücks wurde ein rauschender Erfolg. Jeden Tag rechnete sie damit, dass er ihr einen Heiratsantrag machen würde. Ihr Herz begann, schneller zu schlagen, als er zu ihr sagte: „Charlene, hör zu. Etwas Wunderbares ist geschehen!“

„Ja, wirklich?“ Das musste es sein – endlich hatte er sich dazu durchgerungen, um ihre Hand anzuhalten. Erwartungsvoll sah sie ihn an.

Lee war völlig außer sich vor Begeisterung.

„Wie ich immer sage – Timing ist alles“, verkündete er triumphierend.

„Ja und?“

„Heute Abend war ein Agent aus Amerika im Publikum.“

Damit hatte Charlene nicht gerechnet.

„Stell dir vor, er will mich für eine Rolle in der Serie ‚Der Mann vom Himmel‘ engagieren! Sie suchen einen britischen Schauspieler, und er glaubt, dass ich der Richtige sei. Was sagst du dazu? Ist das nicht sensationell?“

Alle Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, sie nickte stumm.

„Ja, natürlich. Doch, das ist wirklich toll.“

Zwei Tage später flog er nach Los Angeles.

„Ich melde mich“, hatte er ihr versprochen.

Das hatte er auch getan – auf seine Weise. Hin und wieder hatte er Charlene angerufen oder ihr gemailt. Aber er hatte sie nicht einmal dazu eingeladen, ihn zu besuchen. Sie konnte förmlich spüren, wie er ihr zu entgleiten drohte. Aber das durfte nicht geschehen! Außerdem hatte sie ihm etwas Wichtiges zu sagen. Etwas, das sich nicht am Telefon besprechen ließ.

Vor drei Tagen war sie in Los Angeles eingetroffen. Sie hatte ihn angerufen, ihm mehrere Nachrichten hinterlassen – alles ohne Erfolg. Erst jetzt bemerkte sie, dass er ihr seine Adresse nicht gegeben hatte. Da ihr nichts Besseres einfiel, buchte sie schließlich eine Tour durch das Studio, in dem „Der Mann vom Himmel“ gedreht wurde. Im Internet hatte sie sich gründlich über alles informiert und wusste deswegen, welche Rolle Lee in der Serie spielte.

Lee Anton, ein vielversprechender junger englischer Schauspieler, spielt die Rolle von Dr. Franklin Baker. Dr. Baker ist stellvertretender Chefarzt im Mercyland-Hospital und freundet sich bald mit seinem Vorgesetzten, Brad Harrison (gespielt von Travis Falcon), an. Er ist auch der Einzige, der vermutet, dass Brad Harrison ein Geheimnis hat.

Heute Morgen hatte Charlene eine Zeitung gekauft, die Neuigkeiten über die Serie versprach. Aber zu ihrer Enttäuschung wurde Lee in dem Artikel kaum erwähnt. Stattdessen ging es dabei nur um ein Foto von einem Mann, der ein Mädchen auf dem Schoß hatte und wild mit ihm herumknutschte.

Zuerst hatte sie befürchtet, dass es Lee sei. Aber der Mann hieß Travis Falcon und war offensichtlich der Star der Serie. Darüber war Charlene sehr erleichtert. Sie wusste natürlich, dass es für einen Mann wie Lee in Los Angeles vor Verlockungen wimmelte. Trotzdem glaubte sie fest daran, dass sie sich nur treffen mussten. Sie würde ihm ihre wundervollen Neuigkeiten berichten, und alles würde so sein wie vorher.

In diesem Augenblick rückte die Schlange nach vorn. Dann betraten Charlene und die anderen Touristen das Studiogelände. Der Höhepunkt der Tour war der Besuch in dem Atelier, wo „Der Mann vom Himmel“ gedreht wurde. Immerhin würden sie bei einer Probe zuschauen können. Charlene merkte, dass sie immer aufgeregter wurde. In wenigen Minuten würden sie sich gegenüberstehen und …

Dann sah sie ihn.

Er stand am Ende eines Flurs vor einem Schwarzen Brett. Sie wollte ihn rufen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Plötzlich drehte er sich um und verschwand um eine Ecke. Sie fing an zu rennen und sah weder nach rechts noch nach links, bis sie mit jemandem zusammenstieß. „Hey, Vorsicht, nicht hinfallen“, erklang eine männliche Stimme, und jemand legte die Arme um sie.

„Lassen Sie mich los! Ich muss ihn erwischen!“

Bei diesen Worten riss sie sich los und lief um die Ecke. Doch der Freudenschrei, mit dem sie Lee hatte begrüßen wollen, erstarb in ihrer Kehle.

Lee hatte ihr den Rücken zugewandt. Er rief jemandem, den sie nicht sehen konnte, zu: „Wo bist du nur gewesen? Ich habe dich überall gesucht! Komm her und küss mich!“

Im nächsten Moment erschien eine hübsche junge Frau, die sich ihm in die Arme warf. „Oh, Liebling, das sind ja fabelhafte Neuigkeiten!“, erklärte sie strahlend.

Dann küssten sich die beiden vor Charlenes Augen. Wie erstarrt blieb sie stehen und rührte sich auch dann nicht, als die beiden schon verschwunden waren. Sie konnte es einfach nicht fassen. Das war Lee gewesen. Nein, unmöglich. Oh doch, es war Lee!

Blind für ihre Umgebung drehte sie sich auf dem Absatz um und wollte fliehen, nur fliehen. Aber der Mann, mit dem sie vorhin zusammengestoßen war, war ihr gefolgt und schnitt ihr den Weg ab.

„Es … es tut mir leid, ich …“

Sanft legte er ihr die Hand auf die Schulter. „Beruhigen Sie sich! Der Typ ist es nicht wert.“

„Ich …“ Sie war noch immer so erschüttert, dass sie nicht sprechen konnte.

„Bitte weinen Sie jetzt nicht!“

„Ich weine doch gar nicht“, verteidigte Charlene sich, obwohl ihr die Tränen bereits die Wangen herabliefen.

Anstatt sich mit ihr zu streiten, holte der Fremde ein Taschentuch hervor und tupfte ihr behutsam die Tränen ab.

„In Los Angeles küssen sich die Leute dauernd“, sagte er. „Das ist nichts Besonderes.“

Charlene wusste, dass er sie nur trösten wollte. Das, was sie gesehen hatte, reichte ihr schon.

„Ja, ich weiß“, entgegnete sie deshalb hastig. „Danke für Ihre freundlichen Worte. Aber jetzt lassen Sie sich bitte nicht länger stören, ich …“

„Sie stören mich nicht. Ich möchte Ihnen einfach nur helfen. Kennen Sie den Mann?“

„Ja, ich dachte, ich würde ihn kennen – ich meine – also, nein, ich …“

Er nickte, als könnte er ihre Verwirrung verstehen.

„Um ehrlich zu sein, mag ich ihn nicht besonders“, gab er zu. „Kommen Sie aus England? Sind Sie ihm hinterhergereist?“

„Nein, natürlich nicht! Wie kommen Sie denn auf so etwas?“

„Bitte entschuldigen Sie, es war nur eine Vermutung. Das heißt, Sie haben sich nicht rettungslos in ihn verliebt?“

„Nein!“, entgegnete Charlene mit Nachdruck. „Warum auch? Er ist schließlich nur ein Schauspieler, der ganz passabel aussieht.“

„Nun, hin und wieder soll so etwas vorkommen“, erwiderte er trocken. „Darf ich Sie fragen, wie Sie heißen?“

„Charlene Wilkins. Und Sie?“

Er sah sie überrascht an. „Wie bitte?“

„Ich habe Sie nach Ihrem Namen gefragt. Habe ich Sie vielleicht schon einmal irgendwo gesehen?“

„Nein, ich glaube nicht. Mein Name ist Travis Falcon. Ich arbeite hier.“

„Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Sie sind auch in der Serie, stimmt’s?“

Seine Mundwinkel zuckten verdächtig. „Kann man so sagen. Doch jetzt sollten wir von hier verschwinden. Haben Sie Zeit für einen Kaffee?“

Charlene schüttelte den Kopf. „Nein danke. Das ist sehr nett von Ihnen, aber mir geht es schon wieder viel besser.“

Das war eine allzu offensichtliche Lüge. Die Wahrheit über Lee war wie eine Lawine, die Charlene zu zermalmen drohte. Doch der junge Mann wusste anscheinend, wie ihr zumute war.

„Kommen Sie schon“, drängte er sie. „Ich lasse Sie jetzt nicht allein – nicht in Ihrem Zustand.“

Charlene war völlig außer sich. Sie hätte am liebsten laut geschrien. Als er jetzt die Hand nach ihr ausstreckte, holte sie aus und versetzte ihm eine schallende Ohrfeige. Fassungslos starrte sie ihn an.

„Oh, das … verdammt noch einmal, das tut mir leid! Ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist. Ich …“

Aber er rieb sich nur die schmerzende Wange und lächelte schief. „Machen Sie sich nichts daraus. Es hat gar nicht so weh getan. Ich verzeihe Ihnen nur unter der Bedingung, dass Sie jetzt mit mir kommen.“

Charlene blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Sie war entsetzt über sich selbst. Schweigend folgte sie ihm in die naheliegende Cafeteria, wo sie sich ermattet auf einen Stuhl fallen ließ.

„So, hier bleiben Sie jetzt schön sitzen, während ich uns etwas zu trinken hole“, sagte der Fremde und sah sie warnend an. „Ich rate Ihnen, versuchen Sie nicht zu fliehen. Ob Sie es glauben oder nicht – ich kann ganz schön unangenehm werden.“ Dann ging er zum Tresen.

Selbst wenn sie gewollt hätte, hätte Charlene sich nicht vom Fleck rühren können. Ihre Glieder fühlten sich an wie Blei, in ihrem Kopf pochte ein dumpfes Dröhnen.

Travis Falcon – jetzt fiel ihr wieder ein, dass er der Star der Serie war. Aber so verhielt er sich gar nicht. Er war nicht beleidigt gewesen, als sie ihn nicht erkannt hatte, und selbst die Ohrfeige hatte er sehr sportlich genommen. Auf Charlene wirkte er wie ein ganz normaler, sehr netter junger Mann.

Sie holte aus ihrer Tasche die Zeitung mit dem Foto hervor, auf dem Travis in inniger Umarmung mit einer jungen Frau zu sehen war. Dabei fiel noch ein anderes Bild heraus – ein ziemlich abgegriffenes Foto, das sie immer mit sich herumtrug. Es zeigte einen Mann und eine Frau in historischen Kostümen, die sich tief in die Augen schauten.

„So, bitte.“ Travis stellte Kaffee und Brötchen auf den Tisch. „Sie wirken ein bisschen ruhiger. Das freut mich.“

„Bitte entschuldigen Sie noch einmal meine Unbeherrschtheit“, sagte Charlene zerknirscht. „Glauben Sie mir, ich wollte Ihnen nicht wehtun.“

„Das weiß ich. Machen Sie sich keine Sorgen – ich bin nicht so ein Weichei, das sich über solche Sachen aufregt. Und Sie sind nicht das erste Mädchen, das mir … aber lassen wir das. Wie dem auch sei, heute wird nicht gedreht. Wir proben nur, deshalb ist es auch nicht schlimm, wenn meine Backe ein bisschen gerötet ist.“

Charlene war erleichtert darüber, dass er ihr den Ausrutscher offenbar wirklich nicht übel nahm. Sie merkte, dass sie sich langsam entspannte.

Travis lächelte sie an. „So, jetzt würde ich sehr gern wissen, was Sie hierher geführt hat. Wollten Sie Lee treffen?“

Sie nickte verlegen.

„Vielleicht wäre es besser gewesen, ihm vorher Bescheid zu sagen?“

„Das habe ich ja versucht. Aber er hat einfach nicht zurückgerufen.“

Travis wahrte ein taktvolles Schweigen. „Kennen Sie ihn gut?“, fragte er dann neugierig.

„Wir haben zusammen auf der Bühne gestanden.“

„Ach, Sie sind Schauspielerin?“

Charlene schüttelte den Kopf. „Nicht beruflich. Ich arbeite in einer Bank, aber in meiner Freizeit bin ich Mitglied einer Laienspielgruppe. Bei dieser Gelegenheit habe ich auch Lee kennengelernt.“

Travis nickte. „Verstehe. In welchem Stück seid ihr denn aufgetreten?“

Charlene zeigte ihm das Foto. „Im ‚Mittsommernachtstraum‘.“

Er sah sie überrascht an. „Lee hat in einem Stück von Shakespeare mitgespielt?“

Sie nickte. „Ja, er war Demetrius und ich Helena.“

Helena, die unglücklich in Demetrius verliebt war. Travis sah sich das Foto an, dann betrachtete er nachdenklich die junge Frau vor ihm. Sie war groß und hatte langes, dunkles Haar. Keine Schönheit, nicht einmal besonders hübsch. Ihre Züge waren klassisch, die Haltung ein wenig distanziert.

Interessant, dachte er. Keine Frau, in die ein Mann sich sofort verlieben würde. Schon gar nicht ein Mann wie Lee, den Travis ziemlich oberflächlich fand.

Irgendwie tat sie ihm leid. Er wusste instinktiv, dass ihr eine große Enttäuschung bevorstand.

„Danke für den Kaffee, aber ich sollte jetzt gehen.“

„Wohin denn? Nein, Sie werden diesen Tag mit mir verbringen. Ich bestehe darauf.“ Er stand auf. „So, jetzt muss ich zur Probe. Und Sie werden mich begleiten.“

Charlene sah ihn überrascht an. „Ich? Darf ich das denn?“

„Natürlich. Sie sind mein Gast.“ Er streckte die Hand aus und zog Charlene hoch. Dann nahm er ihren Arm.

„Es ist Zeit für unseren Auftritt.“

2. KAPITEL

Als sie den Proberaum betraten, sah der Regisseur sie erstaunt an. Aber Travis’ gewinnendes Lächeln und die Tatsache, dass er den Arm um Charlenes Hüfte gelegt hatte, waren Antwort genug.

Travis sorgte dafür, dass Charlene einen guten Platz bekam. Dann schlug er sein Drehbuch auf.

„Welche Szene proben wir heute?“

„Du versuchst, Myra davon zu überzeugen, dass sie die Finger von Doktor Baker lassen soll. Baker bekommt das zufällig mit und – ah, Lee, hallo, Penny. Da seid ihr ja!“

Autor

Lucy Gordon

Die populäre Schriftstellerin Lucy Gordon stammt aus Großbritannien, bekannt ist sie für ihre romantischen Liebesromane, von denen bisher über 75 veröffentlicht wurden. In den letzten Jahren gewann die Schriftstellerin zwei RITA Awards unter anderem für ihren Roman “Das Kind des Bruders”, der in Rom spielt.

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