Süße Bescherung für den Prinzen

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Prinz Edward von Tianlipin weiß, dass sein Leben der Krone gehört. Selbst seine Braut wurde schon vor Jahren für ihn bestimmt. Doch als er in Singapur die zauberhafte Sally vor dem Ertrinken rettet, fühlt er sich unwiderstehlich zu ihr hingezogen. Nur für eine Nacht will er seine Pflicht vergessen. In seinem Penthouse über den Dächern der Stadt verbringen sie Stunden ungezügelter Leidenschaft. Dann muss er die Romanze ohne ein Wort beenden. Denn als Thronfolger darf er nicht seinem Herzen folgen! Oder kann es ein Weihnachtswunder geben?


  • Erscheinungstag 16.11.2021
  • Bandnummer 232021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751507127
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Sally Harrington spielte absichtlich die beeindruckte Touristin, während sie staunend den Dachgarten mit seinen Palmen, tropischen Blumen und dem riesigen Infinity Pool betrachtete – alles über dem sechzigsten Stockwerk eines Wolkenkratzers in Singapur.

Dieses buchstäblich himmlische Paradies übertraf ihre kühnsten Erwartungen. Es war absolut spektakulär. Kein Wunder, dass eine auserwählte Schar wohlhabender Jetsetter es zu ihrem persönlichen Spielplatz erklärt hatte. Mit dem Handy schoss sie ein Foto nach dem anderen und machte sogar ein paar Selfies, um authentischer zu wirken.

Sie gab nämlich Sally, die Touristin, weil sie den wahren Grund ihres Besuchs geheim halten wollte. Denn eigentlich war sie in Singapur auf verdeckter Recherchemission für das berühmte Harrington Park Hotel in London, das erst vor Kurzem zurück in den Besitz ihrer Familie gefallen war.

Es ging also nicht um einen luxuriösen Urlaub, sondern um ihre Arbeit als professionelle Innenarchitektin. Manche würden das vielleicht als leichte Form der Industriespionage bezeichnen, und Sally wollte nicht dabei ertappt werden.

Nicht nur die Ästhetik des Dachgartens interessierte sie, auch die Planung der Anlage war bemerkenswert. Wie die ursprüngliche Architektur unterstützt wurde, um das Gewicht des Pools und der vielen Pflanzen in den großen Töpfen mit Erde zu halten. War das ganze Material mit dem Helikopter oder einem Kran hierhertransportiert worden?

Ihr blieben nur sieben Wochen, um einen eigenen sensationellen Dachgarten zu entwerfen, der bei der großen Wiedereröffnung vom Harrington Park Hotel – zu der nur geladene Gäste gebeten waren – am Heiligabend präsentiert werden sollte.

Die Boulevardpresse bezeichnete die Harringtons als Hoteldynastie. Für Sally und ihre beiden Brüder war es unmöglich, in London unerkannt zu bleiben. Aber hier, so weit weg von zu Hause, war sie völlig anonym und konnte inkognito Inspirationen für ihr ehrgeiziges Projekt suchen. Außerdem hatte sie nur zu gern die Chance ergriffen, eine Pause von dem totalen Chaos zu machen, in das sich ihr geordnetes Leben, für das sie hart arbeitete, verwandelt hatte.

Zuerst hatten sie und ihr Zwillingsbruder James – für Freunde und Familie einfach nur Jay – beschlossen, das Erbe ihrer Großmutter für das Harrington Park Hotel einzusetzen, als es plötzlich zur Zwangsversteigerung gekommen war. Das Luxushotel im Regent’s Park war seit mehr als hundert Jahren in Familienbesitz, nur leider hatte ihr skrupelloser Stiefvater es übernommen und in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.

Jay und sie waren bei der Versteigerung von einem mysteriösen Investor überboten worden, der sich schnell als ihr entfremdeter älterer Bruder Hugo entpuppte. Sally hatte ihn seit siebzehn Jahren nicht mehr gesehen. Als er die Familie verlassen hatte, war sie zehn Jahre alt gewesen und Hugo siebzehn. Jetzt drängte er auf Versöhnung und Zusammenarbeit der Geschwister, um sowohl das Hotel als auch den Stolz ihrer Familie zu retten.

Jay, einem Spitzenkoch mit eigenem Sterne-Restaurant, fiel es deutlich leichter als ihr, sich Hugos Plänen anzuschließen, dem Hotel wieder zu seinem früheren Glanz zu verhelfen. Sally hatte zwar zugestimmt, sich um die Renovierung der Innenräume und einen exotischen Dachgarten zu kümmern, doch das bedeutete nicht, dass sie Hugo verzeihen konnte. Noch heute erinnerte sie sich an ihr Entsetzen, als sie vor all den Jahren am Weihnachtsmorgen aufgewacht war und erfahren hatte, dass ihr geliebter älterer Bruder ohne Abschied fortgegangen war.

Nach dem Tod ihres Vaters und der Ehe ihrer Mutter mit einem Mann, den Sally zutiefst verachtete, war Hugos Verrat einfach zu viel gewesen, um ihm jemals zu vergeben. Und jetzt war er zurückgekommen und wollte sich versöhnen. Da kam die Gelegenheit, dem kühlen London den Rücken zu kehren und im tropischen Singapur auf andere Gedanken zu kommen, gerade richtig für sie.

Mit dem Pool weit hinter sich ging Sally rückwärts, um eine letzte Aufnahme von den herrlichen rosa und lila Orchideen zu machen, die rund um das Restaurant gepflanzt waren. Die tropische Nachmittagssonne wärmte sie. Gerade überlegte sie, ob sie noch mehr Sonnencreme auftragen sollte … da stolperte sie über irgendetwas. In Sekundenbruchteilen voller Panik begriff sie, dass sie rückwärts in den Pool stürzen würde, und ruderte hilflos mit den Armen.

Sie hörte noch ein kollektives erschrockenes Keuchen der Zuschauer auf der anderen Seite des Pools, dann verlor sie endgültig das Gleichgewicht und stürzte in ihrem ärmellosen weißen Leinenkleid ins kalte Wasser. Ihr langes Haar legte sich über ihr Gesicht, und ihr Kleid verhedderte sich um ihre Beine und zog sie nach unten, während sie sich abmühte, wieder an die Oberfläche zu kommen.

Es gelang ihr nicht recht, denn sie konnte nicht schwimmen, und ihre hochhackigen Sandalen behinderten sie zusätzlich.

Edward Chen ging auf dem Weg zu seinem nächsten Nachmittagsmeeting am Pool vorbei, als er die Frau mit dem langen kastanienbraunen Haar ins Wasser stürzen sah. Er registrierte das Gelächter der Leute am Beckenrand, die wie er zweifellos darauf warteten, dass sie sofort wiederauftauchte. Aber sie tat es nicht. Panik und Schrecken standen der Frau auch unter Wasser ins Gesicht geschrieben, und sie schien sich aus ihrer misslichen Lage nicht allein befreien zu können.

Ohne an seinen maßgeschneiderten italienischen Leinenanzug oder seine handgefertigten Lederschuhe zu denken, tauchte Edward in den tiefen Pool. Nur ein paar starke Schwimmzüge, und er war bei ihr, packte sie unter den Armen und kam mit ihr zusammen an die Oberfläche.

Dort hielt er sie beide über Wasser, während die Fremde das Wasser aus ihren Augen blinzelte, heftig hustete und nach Luft schnappte. Dabei klammerte sie sich fest an seine Schultern. Sie versuchte, etwas zu sagen, aber die Worte gingen in einem weiteren Hustenanfall verloren. Wahrscheinlich versuchte sie, ihm zu danken.

„Sagen Sie nichts, halten Sie einfach kurz den Atem an“, riet er ihr.

Er schob sie zu den flachen Stufen, die aus dem Pool führten. Als sie zitternd aus dem Wasser taumelte und sich dabei immer noch fest an ihn klammerte, gab es gedämpften Applaus von den Leuten, die nur wenige Minuten zuvor noch gelacht hatten.

Edward fluchte leise. Denn jeder mit einem Handy war für ihn ein potenzieller Paparazzo.

Wussten diese Menschen, wer er war?

Die Augen der Frau weiteten sich alarmiert. „Bitte …“, brachte sie stockend über die Lippen. „Bitte bringen Sie mich von hier weg. Ich möchte nicht noch mehr Aufmerksamkeit erregen.“

Das kam Edward sehr gelegen, da auch er nicht auf sich aufmerksam machen wollte. Schon gar nicht in Begleitung einer attraktiven jungen Engländerin – ihren Akzent hatte er sofort zugeordnet. Sogar völlig durchnässt sah sie reizend aus: groß und schlank mit einem herzförmigen Gesicht und grauen Augen. Unter Wasser hatte sie mit ihrem dunklen kastanienbraunen Haar wie eine Meerjungfrau ausgesehen.

Ob ihr Zittern vom kalten Wasser oder dem Schock herrührte, konnte er nicht beurteilen. Edward selbst war auch völlig durchnässt, und seine Schuhe quietschten bei jedem Schritt. So durfte er sich auf keinen Fall öffentlich blicken lassen!

Er stammte aus einer Familie, die durch einen heftigen Skandal bis in die Grundfesten erschüttert worden war. Für die Zukunft und das Ansehen seiner Sippe war es entscheidend, dass er sich absolut unauffällig verhielt. Selbst Anspielungen und Spekulationen über seine vermeintliche Heldentat in der Presse konnten ihm empfindlich schaden.

Das nasse Kleid der Frau klebte eng an ihrem Körper und brachte ihre Kurven deutlich zur Geltung. Da war der nächste Skandal praktisch vorprogrammiert.

Hastig zog er ein großes Badehandtuch von einem Stapel auf einer nahe gelegenen Liege, warf es um die Schultern der Fremden und nahm sich selbst auch eines.

„Halten Sie Ihren Kopf gesenkt und laufen Sie so schnell wie möglich weiter“, zischte er.

Nach wenigen Schritten stolperte sie, und er musste seinen Arm um sie legen, um sie zu stützen. Im Vorbeigehen schnappte er sich das Handy, das sie kurz vor ihrem Sturz am Beckenrand fallengelassen hatte.

„Sind Sie verletzt?“

„Nur mein Stolz.“

„Übernachten Sie in diesem Hotel?“

Sie schüttelte den Kopf, und feuchte Strähnen flogen ihr dabei ins Gesicht. „Ich bin nur zum Mittagessen hergekommen. Mein Hotel liegt im älteren Teil der Stadt.“

„Ich wohne hier im Penthouse. Es gibt einen privaten Aufzug zu meiner Suite. Dahin werde ich Sie erst einmal bringen.“

„Ja, bitte.“

Irgendwie wirkte sie ein wenig desorientiert, und Edward beeilte sich, seine Meerjungfrau zum Privataufzug zu führen. Hoffentlich hatte man ihn am Pool nicht erkannt!

Ein paar Minuten später betraten sie die weitläufige Suite, in der er residierte, solange sein Haus in Singapur entkernt und renoviert wurde. Erleichtert warf er die Tür hinter sich zu und atmete aus. Dann wurde ihm klar, dass er ein Problem gegen ein anderes ausgetauscht hatte. Denn ihm gegenüber stand eine fremde Schönheit, die den Marmorboden seiner Hotelsuite nasstropfte. Ihre Anwesenheit hier konnte leicht falsch verstanden werden.

„Danke“, stieß sie hervor. „Ich hätte ertrinken können.“ Ihre Augen wirkten immer noch unnatürlich groß, und ihre vollen Lippen bebten. Das Make-up um ihre Augen war völlig verschmiert, trotzdem war sie atemberaubend hübsch. Jeder Mann, egal wie ritterlich er auch sein mochte, würde sich in diesem Moment zu ihr hingezogen fühlen. „Ich kann nämlich nicht schwimmen. Jedenfalls nicht genug, um von allein wieder … Aber Sie haben mich gerettet.“

„Keine Ursache“, erwiderte Edward schroff. Er war dazu erzogen worden, einem strengen Pflicht- und Ehrenkodex zu folgen. Einer Person in Not zu helfen, war eine Selbstverständlichkeit. Und da hatte so eine Verzweiflung in ihrem Gesichtsausdruck gelegen, als sie zum zweiten Mal unterging. Sie war ihm wie ein stummer Hilferuf vorgekommen.

„Sie waren ein echter Gentleman. Niemand sonst hat Anstalten gemacht, mir zu helfen. Ich hatte wirklich richtig Angst.“

Die Frau vor ihm schien nicht verletzt zu sein, aber sie war sichtlich unterkühlt und stand leicht unter Schock. Spontan zog Edward sie in seine Arme, um sie zu trösten und zu wärmen. Sie ließ es bereitwillig geschehen, und er war schockiert darüber, wie gut sie sich anfühlte und dass sein Körper fast augenblicklich auf ihre reizenden Kurven reagierte …

Sallys Gedanken rasten. Sie musste immer noch unter Schock stehen. Warum sonst sollte sie einem unbekannten Mann in sein Hotelzimmer folgen und sich bereitwillig an seinen starken Körper pressen? Seine tröstende Umarmung genießen?

Seine Wärme und Kraft schienen sie zu durchdringen. Ihre Atmung beruhigte sich allmählich wieder. Und das Gefühl, von seinen starken Armen gehalten zu werden, war einfach wunderbar.

Sie war schon viel zu lange ohne die intime Berührung eines Mannes ausgekommen.

„Ich kann Ihnen nicht genug danken.“ Ihre Stimme wurde von seiner breiten Schulter etwas gedämpft.

„Sie müssen sich nicht ständig bei mir bedanken“, antwortete er. Seine tiefe Stimme mit dem amerikanischen Akzent ließ sie erschauern – aber dieses Mal nicht vor Kälte. Im Stillen hoffte sie, dass er es nicht bemerkte.

Das war doch verrückt, wie schnell sie sich zwischen Panik und Erleichterung in der Umarmung eines Fremden entspannte! Entschlossen zog sie sich von ihrem Retter zurück, aber ohne seine Wärme war es in diesem klimatisierten Raum entsetzlich kalt.

Erst jetzt sah sie sich den Mann etwas genauer an. Obwohl sie eine große Frau war, überragte er sie um einiges. Und er sah unheimlich gut aus. Älter als ihre siebenundzwanzig Jahre, aber nicht viel. Schwarze Haare, ausgeprägte Wangenknochen, ein sinnlicher Mund … keine Frage, er war richtig heiß!

Sein klatschnasser Leinenanzug wirkte teuer, und seine Uhr war mit Sicherheit ein kleines Vermögen wert. Hoffentlich war sie wasserdicht.

„Ich bin gestolpert“, stotterte sie.

„Das habe ich gesehen“, sagte er ernst, aber Sally sah ihm an, dass er ein Lächeln unterdrückte.

„Der Riemen an meiner Sandale war schuld daran, glaube ich.“

Warum hatte sie permanent das Bedürfnis, sich zu rechtfertigen? Ihr Herz pochte, weil ihr immer bewusster wurde, dass sie mit diesem Bild von einem Mann in einem Hotelzimmer allein war.

„Das müssen Sie mir nicht erklären“, murmelte er. „Es war offensichtlich ein Unfall.“

„Dabei wollte ich … “ Ein lautes Niesen beendete ihren Satz vorzeitig. „Oh, Entschuldigung.“ Sie nieste erneut.

„Wir müssen Sie dringend aus diesen nassen Kleidern bekommen.“

Sally blieb stocksteif stehen. Auch wenn seine Bemerkung einen verrückten, ungebetenen Nervenkitzel in ihr auslöste. Zögernd machte sie einen Schritt rückwärts in Richtung der Tür.

„Ich glaube nicht“, widersprach sie.

Er runzelte die Stirn. „Nun, ich muss mich ebenfalls ausziehen.“

Worauf hatte sie sich da eingelassen? Im Geiste maß sie den Abstand zwischen sich und der Tür.

„Und ich muss hier raus.“

Doch ihr Retter hob abwehrend beide Hände. „Das habe ich überhaupt nicht gemeint. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Es wäre einfacher für mich, wenn Sie nicht hier wären. Aber Sie haben gesagt, Sie wollten nicht auf sich aufmerksam machen. Und mit ihrer tropfnassen Kleidung können Sie sich nicht einfach ein Taxi rufen, ohne alle Blicke auf sich zu ziehen.“

Das stimmte. Und sie musste inkognito bleiben. Die Medien hatten schon genug auf ihrer Familie herumgehackt, da fehlte noch eine Schlagzeile wie: Harrington-Erbin flieht völlig derangiert aus einem Hotel in Singapur.

Das würde ihre Deckung sprengen. Das Drama um die fotogenen Harrington-Zwillinge und ihren älteren Bruder hatte in letzter Zeit schon für genug mediales Aufsehen gesorgt. Und es gab noch weitere spektakuläre Dachgärten, die sie während ihres Aufenthalts in Singapur besichtigen wollte. Das war ihre Mission. Die Wiedereröffnung des Harrington Park war ihr ungeheuer wichtig, und der Dachgarten war ihr persönliches Projekt. Tief im Inneren musste sie außerdem zugeben, dass sie Hugo mit ihrem Talent und Können beeindrucken wollte. Unerwünschte Presse zu provozieren, war sicherlich nicht der richtige Weg.

„In dieser Suite gibt es vier Badezimmer“, erklärte ihr Retter. „Ich schlage vor, Sie suchen sich eines davon aus, und ich nehme dann das, was am weitesten entfernt ist. Sie können die Tür von innen abschließen, und später können wir uns im Wohnzimmer treffen.“

„Ich bin mir nicht ganz sicher.“ Dieses ganze Szenario schien ihr viel zu intim, zu gefährlich. Oder zu verführerisch?

„Sie kennen mich zwar nicht, aber ich versichere Ihnen, dass Sie mir vertrauen können.“

Es stimmte, sie sah die Aufrichtigkeit in seinen dunklen Augen. Er wirkte unheimlich männlich, aber in seiner Haltung war nichts Bedrohliches.

Sally war normalerweise keine Person, die spontan handelte. Sie plante gern und überlegte sich alles ganz genau, bevor sie eine Entscheidung traf. Doch irgendwie hatte sie das Gefühl, diesem Mann vertrauen zu können. Ein Satz ihrer verstorbenen Mutter fiel ihr ein: Liebling, die meisten Menschen sind im Grunde genommen gut und würden dir eher helfen, anstatt dich zu verletzen.

Natürlich hatte das nicht für ihren Stiefvater gegolten.

„Okay“, lenkte sie ein und überraschte sich selbst mit ihrer Bereitschaft, ein solches Risiko einzugehen.

Ihr Retter führte Sally in ein Badezimmer und achtete darauf, respektvollen Abstand zu ihr zu halten. Er blieb auch nicht in der Nähe, sondern drehte sich auf dem Absatz um und ging. Nur leider wurde sein lässiger Abgang durch die Quietschgeräusche sabotiert, die seine nassen Schuhe auf dem Marmorboden verursachten.

Sally versuchte erfolglos, ein Lachen zu unterdrücken.

Er drehte sich zu ihr um und hob selbstironisch die Schultern. „Ich weiß, aber was soll ich tun?“

„Das Leder wird ruiniert sein“, rief sie.

„Macht nichts, ich habe andere Schuhe“, erwiderte er und setzte seinen Weg fort.

Dabei trat er extra stark auf, sodass das Quietschen lauter wurde.

Dieses Mal lachte sie hell auf, und er stimmt ein, bevor er im Wohnbereich der Suite verschwand.

Mit einem Lächeln im Gesicht schlüpfte Sally ins Badezimmer und verschloss die Tür. Dann warf sie einen Blick auf ihr Handy. Das Display hatte einen Sprung, aber ansonsten schien es intakt zu sein.

Während sie ihre nassen Sachen auszog, konnte sie nicht anders, als das Badezimmer und seine hochwertige Ausstattung in professioneller Hinsicht zu bewundern. Für das Hotel ihrer Familie hatte sie eher einen traditionelleren, sehr englischen Look ausgewählt … Konnte sie eigentlich jemals von der Arbeit abschalten?

Die Eiskönigin war gemeinhin ihr Spitzname. Sowohl wegen ihrer totalen Hingabe für das Geschäft als auch wegen ihres Rufs, keine Beziehungen zuzulassen, die über ein paar harmlose Dates hinausgingen. Es tat zwar weh, so genannt zu werden, aber auch das würde sie sich niemals anmerken lassen. Dabei wollte sie gar nicht allein sein. Sie brauchte Liebe und Intimität wie alle anderen auch. Aber sie schien sich immer für Männer zu entscheiden, die unerreichbar waren.

Ihr erster großer Schwarm im Internat war ein gut aussehender spanischer Junge, der ihr später eröffnete, er wolle Priester werden und im Zölibat leben. Die ersten Küsse hatte sie von einem anderen Schulkameraden bekommen, der aber nur ein bisschen experimentieren wollte, obwohl er sich damals schon für das gleiche Geschlecht interessiert hatte. Sie waren gute Freunde statt Liebhaber geworden, auch wenn Sally noch lange heimlich in ihn verliebt gewesen war.

Ihr jüngster Mr. Out-of-Reach war ein ziemlich bekannter Schauspieler, erst kürzlich geschieden und wild entschlossen, jede ernstere Verpflichtung zu vermeiden. Das hatte er sehr deutlich gemacht, als sie sich mit ihm getroffen hatte. Seine rücksichtslose Abfuhr lag inzwischen über ein Jahr zurück, und die Berichterstattung in der Presse konnte man nur als beschämend bezeichnen. Seitdem hatte sie vorerst genug von Dating und Romantik.

Sally duschte ausgiebig und shampoonierte ihr Haar mit der teuren Emulsion, die das Hotel seinen Gästen bereitstellte. Es war ein herrliches Gefühl, sich unter dem weichen Wasserstrahl aufzuwärmen. Anschließend trocknete sie sich mit einem dekadent flauschigen Handtuch ab und nahm sich viel Zeit, um ihr Haar wieder in Form zu föhnen.

Vielleicht war es Eitelkeit oder einfach weiblicher Instinkt, aber sie hatte das Bedürfnis, sich ihrem attraktiven Retter von ihrer besten Seite zu präsentieren. Gegen das verschmierte Make-up konnte sie nicht viel ausrichten, außer, die Reste davon mit einem Papiertaschentuch wegzuwischen.

Ihre durchnässten Sachen lagen in der Badewanne. Am liebsten wollte sie dieses Kleid nie wieder tragen. Trotzdem spülte sie ihre Sachen aus und hängte sie dann locker über den Handtrockner.

Wenn sie sich also nicht ewig in diesem Badezimmer verstecken wollte, hatte sie keine andere Wahl, als in den kuscheligen schwarzen Bademantel des Hotels zu schlüpfen. Den Gürtel zog sie extra fest um ihre Taille, damit möglichst viel Haut bedeckt blieb.

Anschließend öffnete sie die Tür und ging barfuß über den Marmorboden zum Wohnzimmerbereich der Suite.

2. KAPITEL

Das riesige Wohnzimmer der Suite öffnete sich zu einem Balkon mit Blick auf Marina Bay, die im Hafen wartenden Schiffe und den Supertree Grove, der berühmten Parkanlage. Letztere stand für den nächsten Tag ganz oben auf Sallys To-do-Liste.

Ihr edler Ritter bereitete gerade Getränke an der großen Bar vor. Er trug eine lässige helle Leinenhose und ein weißes T-Shirt. Von hinten konnte Sally unbemerkt seine breiten Schultern und die sehr ansprechenden schmalen Hüften bewundern.

Als er sie kommen hörte, drehte er sich um. Sie musste schlucken, weil er so unverschämt gut aussah. Das pechschwarze Haar war verwuschelt, und das Shirt spannte leicht über seinen ausgeprägten Muskeln. Die glatte braune Haut war makellos. Für einen langen Moment trafen sich ihre Blicke, fragend und neugierig.

Die Atmosphäre im Raum lud sich spürbar auf.

Sally war die Erste, die zur Seite schaute.

„Ich habe ziemlichen Durst“, gestand er. „Wie ist es mit dir? Ich darf doch du sagen?“ Er lächelte.

„Natürlich, sehr gern. Kannst … du einen Singapore Sling mixen?“

Noch ein Lächeln. „Ich bin kein Barkeeper. Aber ich könnte einen beim Zimmerservice bestellen.“

Das Hotel, in dem Sally wohnte, war die Heimat dieses legendären Cocktails. „Später vielleicht“, lachte sie. „Für mich bitte einen trockenen Weißwein.“

Als er ihr das Glas reichte, bemerkte sie das Fehlen eines Eherings. Und dass er sehr darauf achtete, nicht versehentlich ihre Finger zu berühren – ohne Erfolg. Diese kleine Berührung ließ sie zusammenzucken.

Hatte er es bemerkt?

Schweigend trank er seinen Black Label Whisky ohne Eis, und Sally versuchte, sich zu entspannen.

„Ich habe mir erlaubt, dir in einer der Hotelboutiquen ein neues Kleid zu bestellen“, sagte er zögernd und räusperte sich. „Schließlich kannst du nicht im Bademantel in dein eigenes Hotel zurückfahren. Meine Schwester ist ungefähr so groß wie du, und sie kauft oft in der Boutique ein, wenn sie in Singapur ist. Ich habe die Verkäuferin gebeten, etwas auszusuchen, was meiner Schwester passen würde. Es wird bald hier aufs Zimmer geschickt.“

„Meine Brieftasche hat den Sturz in den Pool überstanden. Ich werde die Kreditkarte …“

„Das ist nicht nötig. Es ist bereits bezahlt.“

„Aber das kann ich unmöglich annehmen. Ich werde es dir zurückzahlen.“

Er machte eine wegwerfende Handbewegung, die eine gewisse Arroganz ausstrahlte. „Keine Ursache. Bitte akzeptiere das Kleid als Andenken an diesen Besuch in Singapur.“

Sally war zu verblüfft für weiteren Widerstand. Dabei kam es nicht infrage, ein solches Geschenk von einem Fremden anzunehmen. Doch sie kannte seine Zimmernummer. Und wahrscheinlich standen Name und Adresse der Boutique auf der Einkaufstasche, die geliefert wurde. Es gäbe also Mittel und Wege, die Angelegenheit zu klären, nachdem sie in ihr Hotel zurückgekehrt war.

„Danke“, hauchte sie.

„Ich habe auch Essen vom Zimmerservice bestellt“, fuhr er fort.

„Aber ich habe keinen Hunger.“

„Du hast vorhin richtig unter Schock gestanden. Es wird dir guttun, ein bisschen zu Kräften zu kommen.“

Da ertönte schon der Türsummer, und Sekunden später rollte ein Kellner einen Servierwagen herein und stellte etliche silberne Tabletts auf den gläsernen Esstisch in der Mitte des Zimmers. Der köstliche Duft von scharfem, exotischem Essen weckte sofort Sallys Appetit, ob sie nun wollte oder nicht. Denn für sie fühlte es sich wie ein Date an, sich mit dem Fremden an einen Tisch zu setzen.

Der Kellner hob die silbernen Kuppeln von den Tabletts, und Sally konnte sich an den vielen Snacks gar nicht sattsehen. Einige erkannte sie, andere nicht.

„Ein Vorgeschmack auf Singapur“, bemerkte ihr Gastgeber. „Wie in der Stadt selbst sind die Aromen teilweise chinesisch, malaysisch, indisch oder auch westlich orientiert.“

Der Kellner beschrieb kurz jedes der Gerichte. Dazu gab es weiche, herzhafte Brötchen, Knödel in würziger Brühe, gebratene Austern, viel Gemüse sowie Frühlingsrollen und Samosas. Der Kellner verbeugte sich tief, bevor er mit einem großzügigen Trinkgeld in der Hand den Raum verließ.

Sally betrachtete sehnsüchtig die Dim Sum. „Ich finde es immer noch nicht angemessen, hier zu sein.“

Und dann noch im Bademantel! Sie hatte sich in den Armen ihres Retters so sicher und getröstet gefühlt. Und da war noch mehr: eine undefinierte Sehnsucht nach etwas, was bisher immer außerhalb ihrer Reichweite geblieben war.

„Wenn du nichts essen willst, lasse ich das alles wieder abholen“, schlug er vor.

„Ja. Ich meine nein. Bloß nicht! Es sieht viel zu gut aus, richtig unwiderstehlich.“

Er schenkte ihr dieses umwerfende sexy Lächeln. „Es ist vielleicht genau das, was du brauchst.“

„Vielen Dank. Ich weiß das sehr zu schätzen.“

Beiläufig winkte er ab. „Gern.“

Es war tatsächlich außerordentlich großzügig und gastfreundlich, was er alles für sie tat. Ein anderer Mann hätte sie vermutlich nur aus dem Pool gezogen und anschließend sich selbst überlassen.

„Wo soll ich nur anfangen?“, fragte Sally, während sie sich auf einen der Esszimmerstühle setzte.

„Wo immer du willst.“ Er goss ihr heißen chinesischen Tee in eine kleine Porzellantasse ohne Henkel.

Autor

Kandy Shepherd

Kandy Shepherd liebte das Schreiben schon immer. Um ihrer Leidenschaft auch beruflich nachzukommen, wandte sie sich dem Journalismus zu, arbeitete für angesehene Frauenmagazine und machte sich in dieser Branche als Redakteurin schnell einen Namen. Sie mochte ihren Job – doch noch lieber wollte sie Geschichten schreiben! Also ließ sie den...

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