Süße Stunden heißer Liebe

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Nach zwei gescheiterten Ehen will Marty von Beziehungen nichts mehr wissen. Bis Cole Stevens auftaucht – ein Mann wie ein Magnet! Es gelingt ihr kaum, ihm zu widerstehen. Und sie gibt auf, als er nachts bei ihr bleibt, um sie vor einem anonymen Anrufer zu beschützen ...


  • Erscheinungstag 29.10.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751520591
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Zehn Minuten, mehr Zeit gestattete Marty sich nicht, um zu duschen, sich den Farbgestank aus den Haaren zu waschen, sich anzuziehen und wieder nach unten zu gehen. Denn gleich müsste der Tischler eintreffen. Vorausgesetzt, er machte sich die Mühe, überhaupt zu erscheinen. Was war eigentlich aus der Ehre der Handwerker in diesem Land geworden?

Über ihren eigenen Arbeitsrhythmus wollte Marty lieber nicht näher nachdenken. Manchmal stürzte sie sich kopfüber in die Arbeit, und dann war sie wieder zu überhaupt nichts in der Lage.

Wenigstens war niemand auf sie angewiesen, sie hatte nicht einmal einen Hund oder eine Katze zu versorgen, obwohl sie mit dem Gedanken spielte, sich ein Haustier anzuschaffen. Mit so einem Tier könnte sie sprechen, und es würde ihr abends im Bett die Füße wärmen, wenn sie vor dem Einschlafen noch las. Andererseits würde sie mit dem Tier regelmäßig zum Arzt gehen müssen, und dann brauchte es ja täglich Zuwendung und Futter. Vielleicht wären ein paar Goldfische doch besser?

Sie schaute in den beschlagenen Badezimmerspiegel und suchte in ihrem Gesicht nach neuen Fältchen. „Wenigstens musst du keine Miete zahlen“, sagte sie sich. „Abgesehen von Telefon- und Stromgebühren sowie Steuern schuldest du niemandem etwas.“

Trotzdem war sie im Moment ziemlich knapp bei Kasse. Den Pullover, den sie gerade trug, hatte sie sich bereits während ihrer Collegezeit zugelegt. Aber selbst wenn sie Geld für neue Garderobe und eine neue Frisur gehabt hätte, sie verspürte einfach keine Lust auf einen neuen Look. Und diese Lustlosigkeit machte ihr am meisten Angst. Sie ging bald auf die vierzig zu, und das bedeutete, dass die Garantie für ihren Körper allmählich ablief. Die Zähne waren zum Glück noch in Ordnung, und eine Brille brauchte sie nur zum Lesen, aber jeden Tag entdeckte sie neue Lachfältchen. Außerdem hatte sie in letzter Zeit Probleme mit dem Rücken.

Das konnte allerdings auch daran liegen, dass sie eineinhalb Tonnen Bücher und Regale geschleppt hatte.

Fazit war: Sie wurde nicht jünger, hatte so gut wie kein Einkommen und ihr Sparguthaben hatte ihr im letzten Monat gerade mal einen Dollar siebenundachtzig an Zinsen eingebracht. Marty musste schnell auf andere Gedanken kommen, um nicht in Depressionen zu verfallen.

Stirnrunzelnd schaute sie auf ihre Armbanduhr. Ich gebe ihm noch zehn Minuten, beschloss sie. Selbst hier in Muddy Landing kann man in einen Verkehrsstau geraten, obwohl es kaum mehr als tausend Einwohner gibt. Gestern Abend hatte dieser Bautischler angerufen und sich erkundigt, ob der Auftrag schon vergeben sei. Dummerweise hatte Marty ihn nicht gefragt, von wo er kam. Wenn er auf dem Weg von Elizabeth City hinter einem Trecker oder Schulbus hing, dann konnte es noch ewig dauern.

Marty rubbelte ihr nasses braunes Haar mit einem Handtuch ab. Damit sie später nicht enttäuscht war, redete sie sich jetzt schon ein, dass dieser Mann gar nicht auftauchen oder sich gegen den Auftrag entscheiden würde. Und wenn er an diesem Job interessiert war, würde er sicher mehr verlangen, als Marty sich leisten konnte. Der größte Knackpunkt allerdings war der Termindruck. Wurde er mit den Arbeiten nicht rechtzeitig fertig, dann brauchte er gar nicht erst anzufangen.

„Mist, verdammter“, flüsterte sie. Sie schaffte es immer wieder, sich selbst jede Hoffnung zu nehmen.

Eigentlich war Marty von Anfang an von ihrer Umbauidee begeistert. Doch je länger es dauerte, diese in die Tat umzusetzen, desto mehr Zweifel kamen ihr.

War das nicht gerade das Schlagen einer Autotür gewesen?

Noch einmal rubbelte sie mit dem Handtuch über das noch immer nasse Haar, dann suchte sie in der obersten Schublade nach einem Paar Socken. Sie hatte es schon lange aufgegeben, die Strümpfe paarweise zusammenzurollen. Deshalb hielt sie jetzt Socken in unterschiedlichen Farben in der Hand. Marty warf sie zurück in die Schublade und lief barfuß über den Holzfußboden zur Treppe.

Zumindest stank sie jetzt nicht mehr nach Farbe. Und wenn der Trick mit dem Zimt funktionierte, dann müsste der Gestank mittlerweile aus dem Haus verschwunden sein.

Gerade als sie drei Stufen hinuntergegangen war, klingelte das Telefon. Leise fluchend fuhr Marty herum und rannte zurück. Es konnte ja der Tischler sein, der nach dem Weg fragen wollte.

„Hallo! Wo sind Sie?“

„Ist er schon da?“

Marty ließ die Schultern sinken. „Oh, Sasha.“ Mit untrüglicher Sicherheit erwischte ihre beste Freundin immer den schlechtesten Zeitpunkt, um anzurufen oder zu einem kurzen Besuch zu erscheinen. „Im Moment habe ich keine Zeit zum Plaudern. Kann ich zurückrufen?“

„Du redest doch bereits mit mir, oder?“

„Aber ich hab’s eilig. Hat das denn nicht noch Zeit?“

„Ist er schon da?“

„Wer denn?“

„Na, dein Handwerker, du Dummkopf! Faylene sagt, Bob Ed habe gesagt, dass der Mann dich gestern anrufen wollte. Hat er sich denn nicht gemeldet?“

Tief durchatmend schloss Marty die Augen. Geduld ist eine Tugend, sagte sie sich, genau wie Reinlichkeit und Güte. Zuweilen hatte sie in allen drei Disziplinen versagt. „Es ist jemand vor dem Haus. Ich habe gerade eine Autotür gehört. Vielleicht ist er es. Hör zu, du wirst mir nachher genau erzählen, was ihr beide ausgeheckt habt. Aber nicht jetzt, okay?“

„Warte! Leg nicht auf! Ruf mich an, sobald er wieder weg ist, ja? Faylene sagt …“

Marty hörte nicht mehr, was Faylene angeblich gesagt hatte. Der Nachteil einer kleinen Stadt wie Muddy Landing lag darin, dass man sich, abgesehen von Angeln, Jagen und Gartenarbeit, die Zeit nur mit Tratschen vertreiben konnte. Mittlerweile wusste sicher bereits die halbe Stadt, was Marty mit ihrem Haus vorhatte, wer ihr dabei half und wie viel sie das Ganze kosten würde.

Sie knallte den Hörer auf die Gabel und spähte durch das Schlafzimmerfenster. Unten vor dem Haus stand ein alter Pick-up. Auf der Ladefläche konnte Marty einen Werkzeugkasten und vorn an der Stoßstange eine Haltevorrichtung für eine Angel ausmachen. Damit waren allerdings die meisten Fahrzeuge in Muddy Landing ausgerüstet. Und sicher klebte auf der hinteren Stoßstange auch ein Aufkleber mit irgendeinem blöden Spruch.

Na ja, Hauptsache, dieser Kerl konnte ihre Skizzen verstehen und einfache Anweisungen befolgen. Dann war es Marty egal, welche politischen Ansichten er vertrat, was für ein Auto er fuhr oder was er in seiner Freizeit machte.

Ihre Entwürfe hatten zwar nur wenig mit technischen Zeichnungen gemeinsam, aber zumindest zeigten sie deutlich, was sie sich vorstellte. Wenn der Mann auch noch lesen konnte, sollte er in der Lage sein, den Auftrag auszuführen. Würde es nicht all diese Vorschriften und Auflagen geben, so hätte Marty die Arbeiten auch selbst erledigen können, vorausgesetzt, sie hätte genug Zeit. Schließlich gab es Bücher mit Anleitungen für Bastler und Heimwerker.

Vom Fenster aus sah sie den Mann aussteigen. Erst lange Beine, die in Jeans steckten, und weiße Leinenschuhe. Dann breite Schultern in einer Lederjacke. Den zerzausten, von der Sonne gebleichten Haaren nach zu urteilen war dieser Mann entweder ein fanatischer Surfer, oder er hatte den ganzen Sommer damit verbracht, auf irgendwelchen Dächern herumzuturnen und Schindeln festzunageln. Entlang der Outer Banks waren unzählige Handwerker damit beschäftigt, eintönige Ferienhäuser auf fast jedem verfügbaren Stück Land zu errichten. Marty wusste zwar, dass jeder Tourist, der dann kommen würde, auch ein potenzieller Kunde war, allerdings gab es am Strand jede Menge Buchläden, und deshalb würde sich kaum jemand hierher nach Muddy Landing verirren.

Sie beobachtete den Mann immer noch aus dem Fenster, als er sich umdrehte und direkt zu ihr heraufschaute. Oje!

Hastig zog sie die Gardine zu. Vielleicht war es gar nicht so klug, all diese fremden Handwerker zu sich ins Haus zu holen. Dieser zum Beispiel sah aus, als sei er körperlich durchaus in der Lage, Zwischenwände ohne jedes Werkzeug einzureißen. Aber schließlich war er Handwerker. Gab es überhaupt schmächtige Maurer und Tischler?

Marty hatte fast die unterste Treppenstufe erreicht, als es an der Tür klingelte. Plötzlich fing der Rauchmelder an zu lärmen. „Nicht jetzt, verdammt!“

Den Rest des Wegs rannte sie, doch da schwang die Haustür bereits krachend nach innen auf.

„Raus hier, ich kümmere mich darum!“, befahl der Mann und steuerte auf die Küche zu.

An der Küchentür stieß Marty mit ihm zusammen. Einen Moment erstarrte sie und blickte auf den dichten Rauch, der sich allmählich in der Küche ausbreitete.

„Versuchen Sie, die Luft anzuhalten. Wo hängt der Feuerlöscher?“

„Neben dem Wäschetrockner!“, schrie Marty zurück. Sie lief durch den Raum, sprang hoch und schlug mit der Faust gegen den Rauchmelder, der über der Tür zur Speisekammer angebracht war. Die Abdeckung löste sich, die Batterien fielen heraus, und der ohrenbetäubende Lärm erstarb.

In der unvermittelten Stille schauten Marty und der Fremde mit dem blonden Haar und den durchdringenden blaugrünen Augen sich an. Der Mann blickte als Erster weg und wandte sich dem Rauch zu, der nach wie vor zur Decke stieg.

„Gehen Sie mir aus dem Weg!“ Marty drängte ihn zur Seite und griff nach der geschwärzten Aluschale auf dem Herd. Hastig schob sie die Hintertür auf und warf die Schale nach draußen. Zwei Mal atmete sie tief durch, dann lief sie zum Herd und schaltete ihn aus.

Der Mann hatte nicht ein Wort gesagt.

Sie versuchte, nicht einzuatmen, während sie sich die rechte Hand hielt und ein paar nicht gerade jugendfreie Flüche ausstieß. Mist, da hätte sie um ein Haar ihr ganzes Haus abgefackelt!

„Verraten Sie mir vielleicht, was hier vorgeht?“ Der Fremde stemmte die Hände in die Hüften und sah Marty fordernd an.

Er will Antworten von mir? Marty wusste vor Empörung zuerst nicht, was sie sagen sollte. Wie kam der Kerl dazu, hier ins Haus zu platzen und ihr Befehle zu erteilen! Nun, wenigstens trug er keine Skimaske oder eine Waffe.

„Entschuldigen Sie.“ Sein ruhiger Tonfall holte Marty aus ihren Gedanken zurück. „Ich dachte, hier würde es wirklich brennen.“ Mit einer Hand wedelte er die Rauchschwaden weg.

Marty versuchte, nicht zu tief einzuatmen. Sie beugte sich über das Spülbecken und hielt ihre schmerzenden Finger unter kaltes Wasser. Das tat ganz schön weh.

Sie spürte, dass der Mann dicht hinter ihr stand, und versuchte, es nicht zu beachten. Es musste der Bautischler sein, den sie erwartete. Oder fuhr die freiwillige Feuerwehr jetzt schon in der Gegend herum und hielt dort an, wo sie Rauch roch?

Vielleicht war er auch die Erfüllung ihrer Mädchenträume.

Allerdings war sie schon lange kein Mädchen mehr.

Komm zur Besinnung, sagte sie sich. Du hast fast dein Haus abgefackelt, und jetzt himmelst du den erstbesten Mann an, der auf der Bildfläche erscheint.

„Tja, vielleicht sollte ich lieber wieder verschwinden?“

Seine Stimme war tief und leicht heiser. Er klang wie ein leicht erkälteter Pavarotti.

„Nein! Das heißt, ich … ich brauche Sie. Vorausgesetzt, Sie sind der Tischler, auf den ich warte. Der sind Sie doch, oder?“ Sie wandte sich um und hielt sich immer noch das Handgelenk, damit der Schmerz in ihren Fingern nicht bis in den Arm hinaufstrahlte.

Prüfend schaute der Mann sie an, als überlege er, ob es halbwegs sicher sei, sich noch länger in diesem Haus aufzuhalten. „Madam, ist mit Ihnen alles in Ordnung?“

Er nennt mich Madam! dachte sie. Das ist ziemlich altmodisch, aber es klingt trotzdem nett. Obwohl ihre Haare immer noch tropften und sie barfuß war, versuchte Marty, sich als Herr der Lage zu geben. Hoffentlich habe ich mir wenigstens den Reißverschluss meiner Jeans zugemacht! dachte sie.

Vorsichtshalber zog sie den Pullover etwas nach unten und gab sich alle Mühe, ein halbwegs selbstbewusstes Lächeln zustande zu bringen. Leider wirkte ihr Möchtegernretter alles andere als überzeugt. Bestimmt war er drauf und dran, die Männer mit den weißen Jacken anzurufen.

Immer mit der Ruhe, sagte sie sich. Sprich mit ihm. „Tut mir leid, normalerweise geht es bei mir nicht so chaotisch zu.“ Zumindest nicht zu dieser Tageszeit. Nur morgens tappte Marty wie ein Zombie umher, bis sie ihre Ration Koffein und Licht bekommen hatte. „Es ist nur so, dass alles auf einmal losging. Das Telefon, die Türklingel und der Rauchmelder.“

Er nickte, dann schnüffelte er.

Marty sah ihn an. Eine hübsche Nase, dachte sie. Nicht zu groß, nicht zu gerade und mit genug Charakter, dass sein Gesicht nicht vollkommen perfekt wirkt.

„Was ist das denn für ein Geruch?“

Jetzt begann auch Marty zu schnüffeln. Ja, es stank. „Das sind die Farben und ein Lösungsmittel. Und verbrannter Zimt. Ehrlich gesagt läuft nicht immer alles so, wie ich es mir wünsche. Haben Sie nicht auch manchmal Tage, an denen alles schief geht?“

Immer noch betrachtete der Mann sie, als halte er sie für eine Außerirdische. Seine Augen, dachte sie, haben genau denselben Farbton wie Messing mit grüner Patina. Ein Blaugrün mit kleinen goldfarbenen Sprenkeln darin. Leicht verunsichert wich der Mann jetzt in den Flur zurück, doch Marty durfte ihn nicht gehen lassen.

„Ich habe den Herd auf der niedrigsten Stufe angelassen und dachte, ich hätte genug Zeit, aber …“ Trotz des Chaos, in das der Mann hineingeplatzt war, versuchte sie, zumindest halbwegs vernünftig zu klingen.

Leider schlug dieser Versuch fehl. Sie seufzte. „Also schön, ich habe in der Garage Bücherregale gestrichen und die Tür zum Haus offen gelassen, damit ich das Telefon höre. Deshalb ist der Geruch ins Haus gezogen. Dann habe ich versucht, ihn zu überdecken, während ich geduscht habe. Mit Zimt.“

„Sie haben also mit Zimt geduscht.“

Schwang da eine Spur Spott mit? Marty beschloss, die Situation wieder unter Kontrolle zu bekommen. „Wahrscheinlich hätte ich nicht diese Aluschale als Pfanne benutzen dürfen. Es war die Verpackung eines Tiefkühlgerichts, und ich werfe die Dinger ungern weg. Geht’s Ihnen auch so? Wenn man zwei gegeneinander schlägt, kann man ganz gut Kaninchen verjagen, die im Garten an den Blumen knabbern.“

Der Mann nickte und trat noch zwei Schritte zurück, in Richtung Haustür. Sein Blick wirkte, als würde er jederzeit damit rechnen, dass Marty auf den Küchentisch sprang und gackernd mit den Armen zu wedeln begann. „Das hier ist doch die richtige Adresse, oder? Ecke Sugar Lane und Bedlam Boulevard?“

Marty unterdrückte ein Lächeln. Dann sah sie, dass auch die Mundwinkel des Mannes verräterisch zuckten. Schließlich lächelten sie beide.

„Könnten wir noch mal von vorn anfangen?“, bot Marty an.

„Das wäre vielleicht besser. Ich bin Cole Stevens. Ich habe gehört, Sie planen einen Umbau?“

„Martha Owens, aber fast jeder nennt mich Marty. Kommen Sie ins Wohnzimmer, da ist der Geruch nicht so stark. Ich würde ja gern ein Fenster aufmachen, aber dann würden wir beide erfrieren.“ Sie ignorierte ihre schmerzenden Fingerkuppen. Wahrscheinlich würde man von ihr keine Fingerabdrücke mehr nehmen können – was natürlich auch gar nicht nötig war, schließlich hatte sie nichts verbrochen … Während sie vor Cole ins Wohnzimmer ging, gab sie sich Mühe, trotz nackter Füße und nasser Haare wenigstens ein bisschen Würde auszustrahlen.

Cole folgte Marty und fragte sich, ob er nicht lieber wieder gehen sollte. Eine Frau als Auftraggeber, das war für ihn etwas Neues.

Bewegte sie sich so sinnlich, weil sie barfuß war?

Wieso fiel ihm überhaupt auf, wie diese Frau sich bewegte? Jede Kleinigkeit an ihr hatte für ihn etwas Faszinierendes. Für eine Verrückte war sie äußerst attraktiv.

Wo ich jetzt schon mal hier bin, dachte er, da kann ich auch noch ein paar Minuten bleiben. Eigentlich hatte Cole nicht so schnell wieder arbeiten wollen, doch Pläne konnte man ja ändern. Flexibilität war eine seiner Stärken.

Anfang der Woche war er einfach mit seinem Boot Richtung Süden losgefahren und hatte sich vorgenommen, so lange weiterzuschippern, bis er etwas Interessantes entdeckte. Doch er war kaum einen Tag von seinem Liegeplatz in der Chesapeake Bay entfernt gewesen, als er Probleme mit dem Motor bekam und sich wieder nach einem geeigneten Platz zum Anlegen hatte umsehen müssen. Über Funk hatte ihm ein Freund die Anlegestelle von Bob Ed an der Mündung des North Landing River empfohlen. Mit dem Hilfsmotor hatte Cole es bis dorthin geschafft und sich für eine Woche einen Liegeplatz gemietet. Bei Bedarf, so hatte man ihm gesagt, konnte er auch noch länger bleiben.

Erst gestern hatte er seinen Aufenthalt um zwei weitere Wochen verlängert. Ihm gefiel, dass er dort, abgesehen von ein paar Fischern aus dem Ort, allein war.

Da er keine Familie und keinen Job besaß, hatte er auch keinerlei Verpflichtungen. Und er hatte auch keinen Ruf mehr zu verlieren, weil er bereits den drittgrößten Bauunternehmer im Südwesten Virginias hatte auffliegen lassen.

Allerdings kam Cole nicht damit zurecht, so viel Zeit zur freien Verfügung zu haben. Endlos viel Freizeit konnte ziemlich schnell langweilig werden.

Cole hatte sich gerade wieder auf den Weg machen wollen, als er sah, wie dieser alte Kerl, dem die Anlegestelle gehörte, versuchte, einen verrotteten Fensterrahmen auszuwechseln. Cole hatte ihm seine Hilfe angeboten und zu seiner eigenen Überraschung festgestellt, dass er nichts verlernt hatte. Am Abend hatte er alle drei Fenster an der Nordseite des Gebäudes erneuert, in dem sich neben Bob Eds Wohnung auch sein Geschäft für Jagd- und Angelzubehör befand. Gestern hatte Cole kurz Bob Eds Freundin Faylene kennengelernt.

Was für eine seltsame Frau, diese Faylene! dachte Cole. Eigentlich lag es hauptsächlich an Faylene, dass er heute hier war und kurz davor stand, einen Auftrag für Tischlerarbeiten zu übernehmen. Ich muss zu viel Gebratenes gegessen haben, überlegte er. Das hat mir den Verstand verwirrt.

Vielleicht war auch die Einsamkeit schuld.

Cole folgte Marty in ein gemütliches, wenn auch etwas unordentliches Wohnzimmer. Dort wandte sie sich zu ihm um. Obwohl Cole fast eins neunzig groß war, schaffte sie es mit ihren ein Meter fünfundsechzig, den Eindruck zu erwecken, ihn von oben herab zu betrachten.

„Darf ich mal Ihre Referenzen sehen?“

Seine Referenzen. Cole wusste nicht, ob er lachen oder gleich wieder gehen sollte. Doch früher oder später musste er beruflich wieder auf die Beine kommen. Dieser Auftrag, so klein er auch sein mochte, könnte ein guter erster Schritt sein, wenn er wieder in der Baubranche arbeiten wollte, denn das war schließlich das Einzige, wovon er etwas verstand.

Allerdings wollte er von nun an wieder mit den Händen arbeiten. Nie wieder im Management.

„Meine Referenzen“, wiederholte er langsam und räusperte sich. „Die Firma, in der ich die letzten dreizehn Jahre gearbeitet habe, ist in Konkurs gegangen, also hätte es wenig Sinn, mir dort ein Arbeitszeugnis zu holen.“ Er verschwieg, dass diese Firma seinem ehemaligen Schwiegervater gehört hatte, der ihn ins Management gedrängt hatte, worauf Cole nicht vorbereitet gewesen war. Im Laufe der Zeit hatte er sich zwar einiges angeeignet, doch als er letztlich die Dinge beim Namen genannt und alle krummen Geschäfte aufgedeckt hatte, hatte er seinen Job und seine Frau verloren und obendrein seinen Ehrgeiz, der beste Bauunternehmer der ganzen Branche zu werden.

„Habe ich den Namen eventuell schon mal gehört?“

„Haben Sie im letzten Frühjahr die Lokalnachrichten verfolgt?“

„Lokalnachrichten? Hier aus Muddy Landing?“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, aus Norfolk. Genau genommen aus Virginia Beach.“ Die Staatengrenze war keine Stunde entfernt, und der Nordwesten von North Carolina bezog die meisten Neuigkeiten aus der Gegend von Norfolk.

So wie die Frau ihn ansah, überlegte sie sich das mit dem Jobangebot offensichtlich noch mal. Cole konnte ihr das auch nicht verübeln, so ohne jegliche Referenzen. Aber nachdem er sich jetzt zu einem Entschluss durchgerungen hatte, wollte er nicht aufgeben. Diese Frau mit ihren großen grauen Augen und den weichen Lippen hatte etwas an sich, das …

Nein, verdammt. Diesen Weg hatte er schon einmal gewählt, und er hatte ja erlebt, was ihm das gebracht hatte. „Ich will ganz ehrlich zu Ihnen sein.“

„Zur Abwechslung?“

Cole ließ sich nicht gern als Lügner hinstellen, doch er ging nicht weiter auf die Bemerkung ein. „Ich kann entweder gleich wieder gehen, oder wir unterhalten uns weiter. Es liegt bei Ihnen. In ein paar Tagen wollte ich sowieso hinunter zu den Outer Banks und noch weiter nach Süden.“

„Wieso haben Sie sich dann für diesen Auftrag beworben?“

Hatte er den Blick ihrer grauen Augen jemals als warm empfunden? Im Moment war er eher kalt. „Allmählich frage ich mich das auch“, sagte er mehr zu sich selbst als zu ihr. „Also schön, erstens habe ich ein paar kleine Reparaturen ausgeführt für den Besitzer der Anlegestelle, wo das Boot liegt, auf dem ich lebe. Gestern hat eine Freundin von ihm erwähnt, dass sie jemanden kennt, der möglichst bald einen Umbau ausgeführt haben will. Und sie hat mich gefragt, ob ich mir etwas Geld verdienen möchte.“

Einerseits kam er bei seinem bescheidenen Lebensstil finanziell ganz gut zurecht. Andererseits hieß es, ein Boot sei nichts als ein Loch im Wasser, in das der Besitzer Geld gießen müsse.

„Sie sagten eben erstens. Was ist denn der zweite Grund?“

Sollte er jetzt antworten, er habe so ein Gefühl, dies hier sei der richtige Weg? Dann würde diese Frau ihn für so verrückt halten, wie sie es selbst war. Über ihren Geisteszustand wollte Cole sich im Moment zwar noch kein abschließendes Urteil bilden, aber auf sein Gefühl konnte er sich verlassen.

Schließlich hatte ihm zunächst auch nur sein Gefühl verraten, dass Weyrich, sein Schwiegervater, krumme Geschäfte machte. Und schon viel früher hatte er, wenn auch ganz unbewusst, erkannt, dass Paula sich in ihrer Ehe langweilte und sich nach einem größeren Fisch umsah. Allerdings hatte ihn das zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr groß interessiert.

„Es kam mir einfach richtig vor“, sagte er dann. „Ein kleiner Ort, ein kleiner Auftrag, das ist genau das Richtige für einen Neuanfang.“

„Ein Neuanfang?“

So sanft sie auch aussah, dieser Lady mit den großen Augen und dem zerzausten Haar entging offenbar nichts. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, würde ich lieber weiter nichts über meine Vergangenheit erzählen. Können wir uns vielleicht auf Ihre Pläne konzentrieren? Sie wollen hier bestimmte Arbeiten erledigt haben, stimmt’s?“

Marty atmete tief durch.

Unter dem schon etwas abgetragenen Rollkragenpullover zeichneten sich ihre Brüste ab. Unwillkürlich blickte Cole dorthin.

„Ich möchte tatsächlich einiges umbauen, und die Arbeiten dauern sicher nicht lange. Zumindest hoffe ich das. Ich möchte alles aus dem Erdgeschoss ins obere Stockwerk räumen, damit ich hier unten meinen Buchladen wieder eröffnen kann.“

Einen Moment dachte Cole nach, dann fügte sich alles für ihn zusammen. „Deshalb haben Sie in der Garage Bücherregale gestrichen.“ Der Geruch von Farbe und verbranntem Zimt hing immer noch in der Luft, doch entweder hatte er sich daran gewöhnt, oder es roch tatsächlich schon nicht mehr so stark danach.

Sie nickte. „Ich wollte das lieber jetzt schon machen, damit sie vollkommen trocken sind, wenn im ersten Stock alles fertig ist. Dann werde ich die Regale in diesen zwei Zimmern hier unten aufstellen und die Bücher einräumen.“

Jetzt hatte Cole einen ungefähren Eindruck. „Können Sie mir zeigen, was genau Ihnen so vorschwebt?“ Noch hatte er nicht zugesagt.

Sollte sie ihm erst ihre Zeichnungen zeigen oder ihn nach oben führen? Marty rieb ihre schmerzenden Fingerkuppen aneinander. Wenn sie jetzt tatsächlich keine normalen Fingerabdrücke hinterließ, konnte sie sich notfalls als Kriminelle betätigen. Nur für den Fall, dass sie ihr Buchgeschäft nicht rechtzeitig eröffnen konnte.

„Kommen Sie mit nach oben, damit Sie meine Zeichnungen besser verstehen. Ich sage es Ihnen ganz offen: Sie sind nicht der Erste, der sich für diesen Auftrag bewirbt. Aber die anderen haben ihn abgelehnt.“

„Aus welchem Grund?“

Marty war verunsichert, weil er hinter ihr herging, und sie gab sich jede Mühe, die Hüften nicht mehr als nötig zu bewegen. Der Stress wirkte sich anscheinend auf ihren Verstand aus. Nur weil ihr jede Einzelheit an diesem Mann auffiel wie zum Beispiel seine Augenfarbe und die eng anliegende Jeans, bedeutete das ja nicht, dass er ihrem Körper überhaupt einen zweiten Blick schenkte.

Sasha hätte sicher triumphiert, wenn sie jetzt Martys Gedanken hätte lesen können. Ihre Freundin riet ihr immer wieder, ihr Leben mit ein bisschen Sex aufzufrischen, um nachts besser zu schlafen und morgens ausgeruhter zu sein.

Autor

Dixie Browning

Dixie Browning, Tochter eines bekannten Baseballspielers und Enkelin eines Kapitäns zur See, ist eine gefeierte Malerin, eine mit Auszeichnungen bedachte Schriftstellerin und Mitbesitzerin einer Kunstgalerie in North Carolina. Bis jetzt hat die vielbeschäftigte Autorin 80 Romances geschrieben – und dabei wird es nicht bleiben - sowie einige historische Liebesromane zusammen...

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