Überraschung für Dr. Westerling

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Dr. Alex Westerlings unbeschwertes Singledasein hat ein Ende, als er sein Haus mit Schwester Jenny und ihrem Baby teilen muss. Allerdings gefällt ihm das Familienleben wider Erwarten immer besser, von Tag zu Tag fühlt er sich stärker zu Jenny hingezogen. Wenn sie doch nur mehr als einen Vater für das Kind suchen würde!


  • Erscheinungstag 14.02.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739478
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„So, da sind wir, Schätzchen.“ Jenny stellte den Motor des Wagens ab. Ihr Mund war wie ausgetrocknet, während ihr Herz vor Aufregung heftig schlug. „Jetzt wirst du gleich deinen Daddy kennen lernen.“

Sie schloss kurz die Augen, bevor sie dann sorgenvoll das Baby neben ihr im Kindersitz betrachtete.

Tat sie das Richtige?

Sie hatte die Entscheidung wochenlang mit sich herumgetragen, und nun, da der Augenblick der Wahrheit gekommen war, spürte sie plötzlich Zweifel.

War Alex Westerling der geeignete Vater, um ein unschuldiges Kind in seine Obhut zu geben?

Die Antwort auf diese Frage lautete ganz offensichtlich nein.

Aber hatte sie eine andere Wahl?

Mit einem Finger strich sie über die samtweiche Babywange. „Dir ist schon klar, dass ich das hier eigentlich nicht tun will, oder? Er ist vielleicht Arzt, aber sein Ruf als Frauenheld ist berüchtigt. Anscheinend hat er sich in seinem bisherigen Leben noch nie auf eine Bindung eingelassen. Ich möchte dich ihm wirklich nicht überlassen.“ Der besorgte Ausdruck trat wieder in Jennys Augen. „Aber ich sehe keinen Ausweg. Wir kommen alleine nicht mehr zurecht, sondern benötigen Hilfe. Und du brauchst deinen Vater. Es wird Zeit, dass Alex Westerling ein bisschen Verantwortung übernimmt.“

Das Baby machte ein fröhlich prustendes Geräusch und strampelte mit den Beinen.

Jenny lächelte. „Daisy Phillips, du bist ein Goldschatz. Hoffen wir nur, dass dein Vater das erkennt.“

Leider war sie in dieser Hinsicht nicht sehr optimistisch.

Nach allem, was sie über Alex Westerling wusste, schien er nicht geneigt zu sein, sich um ein Baby zu kümmern, wie süß es auch sein mochte.

Den Gerüchten und den Artikeln der Klatschpresse nach war er ein lebenslustiger, steinreicher Playboy, der eine ganze Reihe von gebrochenen Frauenherzen auf dem Gewissen hatte. Es war ausgeschlossen, dass er Jenny und Daisy mit offenen Armen aufnehmen würde.

Um die Konfrontation noch etwas hinauszuzögern, wandte Jenny ihren Blick aus dem Autofenster. Sie konnte das Meer erkennen, das in der Sonne glitzerte. Es war ein wunderschöner warmer Tag, und dennoch fröstelte sie.

Sie hasste Auseinandersetzungen, aber auch ohne hellseherische Fähigkeiten hatte sie keinen Zweifel daran, dass ihr genau das bevorstand.

Alex Westerling würde definitiv nicht begeistert auf ihre Neuigkeit reagieren.

„Okay, bringen wir‘s hinter uns.“ Jenny öffnete die Autotür und betrachtete die kleinen Fischerhäuschen, die die Bucht säumten. „Zumindest hat er Geschmack. Dir wird es hier gefallen, wenn du ein bisschen älter bist.“

Sie ging um das Auto herum, hob das Baby aus dem Sitz und legte es an ihre Schulter. Während sie dem Kind beruhigend über den Rücken strich, ging sie langsam den Weg zum Haus entlang. „Sieh dich vor, Alex Westerling. Deine Vergangenheit holt dich gerade ein.“

Mehrere Kilometer entfernt, in der Notaufnahme der örtlichen Klinik, beendete Alex Westerling seine Untersuchung und richtete sich auf.

„Also, wann entlassen Sie mich, Herr Doktor?“ Die ältere Dame auf der Trage sprach mit munterer Stimme, aber die Sorge in ihrem Blick war unverkennbar.

„Das wird noch ein bisschen dauern, Mavis“, sagte er sanft. „Sie werden sich einige Zeit etwas schonen müssen. Ihr Knöchel ist gebrochen.“

„Gebrochen … ach was, er ist nur verstaucht.“

„Nein, er ist gebrochen.“

„Aber das können Sie doch gar nicht wissen“, beharrte die alte Dame. „Sie haben den Fuß doch noch nicht einmal geröntgt.“

„Richtig, das werden wir jetzt tun.“ Alex griff nach dem entsprechenden Formular und begann es auszufüllen. „Es ändert aber nichts daran, dass er gebrochen ist. Glauben Sie mir.“

„So? Sind Sie etwa Supermann? Haben Sie einen Röntgenblick?“

Lächelnd überreichte Alex das Formular der wartenden Schwester. „Mavis, Sie konnten den Fuß nicht belasten. Ich habe ihn abgetastet, und ich könnte Ihnen jetzt einen kleinen Vortrag über die verschiedenen Knochen im Fuß halten, aber es bleibt dabei: Ihr Knöchel ist gebrochen, und wir werden Sie röntgen, um festzustellen, ob es noch andere Verletzungen gibt, damit …“

„Schon gut, ich habe ja verstanden.“ Mavis winkte ab, dann musterte sie Alex aus zusammengekniffenen Augen. „Junger Mann, ich kenne Sie. Ich habe Bilder von Ihnen gesehen. Sie sind der Sohn von Sir Soundso, diesem reichen Banker, der mehr Geld hat, als er jemals ausgeben kann. Hat er Sie enterbt, oder warum arbeiten Sie hier in unserem kleinen Kaff?“

Die Schwester warf Alex einen nervösen Blick zu. Der familiäre Hintergrund von Alex Westerling war ein Dauerthema bei den Kaffeerunden des Pflegepersonals, aber niemand von ihnen hätte gewagt, ihn so direkt darauf anzusprechen.

Es herrschte einen Augenblick lang Schweigen, dann schüttelte Alex den Kopf und lachte laut auf.

„Gibt es noch etwas, was Sie gerne wissen würden, Mavis?“

„Sind Sie wirklich so ein Frauenheld, wie es die Zeitungen immer behaupten?“ fragte sie prompt mit einem Augenzwinkern.

„Glauben Sie nicht alles, was Sie lesen“, antwortete Alex grinsend. „Und wenn Sie mir das nächste Mal Fragen zu meinem Leben stellen wollen, dann brauchen Sie sich nicht erst etwas zu brechen. Rufen Sie einfach an! Das ist viel einfacher, und ich freue mich auch so, Sie zu sehen.“

„Junger Mann, flirten Sie etwa mit mir?“ Mavis gab sich empört.

„Vielleicht.“ Alex‘ blaue Augen blitzten schelmisch. „Aber ich muss Sie warnen, langfristige Bindungen sind nicht meine Sache.“

Mavis lachte fröhlich. „Ich bin achtundsechzig. In meinem Alter spielt das keine Rolle mehr. Ich will einfach ein bisschen Spaß.“

„Dann sind Sie genau die Richtige für mich.“ Alex lächelte und wandte sich dann der Schwester zu, die verblüfft zwischen Arzt und Patientin hin und her blickte. „Lassen Sie Mavis bitte zum Röntgen bringen, und sagen Sie mir Bescheid, wenn die Aufnahmen fertig sind.“

Dann verabschiedete er sich von der Patientin und verließ den Behandlungsraum. Im Korridor begegnete ihm die Oberschwester der Notaufnahme, die einen Stapel Röntgenaufnahmen bei sich hatte. „Hallo, Tina. Sind die etwa für mich?“

Die Schwester schüttelte den Kopf. „Keine Sorge. Sie hatten genug mit dem Verkehrsunfall zu tun, deswegen haben wir die anderen Fälle unter den Kollegen aufgeteilt.“

„Zum Glück, denn ich bin völlig erschöpft.“

Tina warf ihm einen mitfühlenden Blick zu. „Kein Wunder. Sie waren die ganze Nacht auf und haben nur heute Morgen an ihrem Schreibtisch kurz geschlafen. Und das ist Stunden her.“

„Ah ja, das könnte eine Erklärung sein. Wir brauchen entweder mehr Personal oder weniger Patienten. So geht es nicht weiter.“

„Gehen Sie denn wenigstens jetzt nach Hause?“

„Sobald ich mir die Aufnahmen von Mavis Bellings Knöchel angesehen habe. Sie ist eine ganz besondere alte Dame.“ Alex fuhr sich mit der Hand über die Wange. Er brauchte dringend eine Rasur.

Tina neigte den Kopf zur Seite. „Und hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein ganz besonders netter Mann sind, Alex Westerling?“

„Seltsamerweise nicht, nein.“ Alex grinste.

„Nun ja, vielleicht hätte ich sagen sollen, dass Sie bei der Arbeit ein netter Mann sind, privat scheint das eine etwas andere Sache zu sein.“

Alex gähnte. „Fangen Sie bitte nicht auch noch an, Tina. Ich bin jetzt sechsunddreißig Stunden auf den Beinen, ich brauche nicht noch jemanden, der mir die Leviten liest.“

Er ging in sein Büro, um noch einigen Papierkram zu erledigen, und kehrte dann zurück ins Behandlungszimmer, wo Mavis wartete. „Na, da haben Sie ja noch einmal Glück gehabt“, sagte er und klopfte mit dem Kugelschreiber gegen das Leuchtpult, auf dem die Röntgenbilder befestigt waren. „Sie bekommen jetzt einen Gips und einige Schmerzmittel, und dann werde ich Sie für die weitere Behandlung an die Kollegen in der Orthopädie überweisen. Sehr attraktive Kollegen übrigens, sie werden Ihnen gefallen.“

Mavis strahlte ihn an. „Und wann werde ich Sie wiedersehen?“

„Hoffentlich nicht so bald, denn dazu müssten Sie sich wieder etwas brechen, und das wollen wir doch nicht hoffen.“ Alex füllte die Überweisungen aus, verabschiedete sich und holte dann seine Jacke aus dem Büro.

Die vergangenen zehn Tage waren äußerst anstrengend gewesen. Zum Glück hatte er nur noch einen Arbeitstag vor sich, bis endlich ein freies Wochenende vor der Tür stand. Er würde lange schlafen und surfen gehen.

Nur keine weiteren Verpflichtungen.

Er war nicht zu Hause.

Jenny drückte noch einmal auf die Klingel und trat dann einen Schritt zurück, um das Cottage zu mustern. Es war nicht die Art von Zuhause, die sie erwartet hatte. Sie wusste, dass Alex Westerling ein sehr wohlhabender Mann war, und sie hatte angenommen, dass sich sein lockerer Lebenswandel auch in der Wahl seines Hauses ausdrücken würde.

Sie dachte noch darüber nach, was das einfache Fischerhäuschen über seinen Besitzer verriet, als der Klang eines starken Motors zu hören war.

Irgendetwas sagte ihr, dass das sein Auto war. Anders als das Haus, bestätigte der schwarze Sportwagen ihre sämtlichen Vorurteile über Alex Westerling. Nur ein sehr oberflächlicher Mensch würde so viel Geld für einen Haufen Metall ausgeben, der keinen anderen Zweck erfüllen sollte, als die Männlichkeit seines Fahrers zu betonen.

Als der schnittige Wagen in einer eleganten Kurve in die Einfahrt bog, holte Jenny tief Luft und drückte Daisy ein wenig enger an sich, als könnte die Wärme des kleinen Körpers ihr Mut machen.

Nun, da der entscheidende Moment so nahe war, spürte sie rasende Angst in sich aufsteigen.

Was hatte sie nur dazu getrieben, hierher zu kommen? Welcher Teufel hatte sie geritten, als sie beschlossen hatte, sich mit Alex Westerling auseinander zu setzen?

Jetzt allerdings war es zu spät, noch umzukehren.

Mit aufreizend langsamen Bewegungen stieg der Fahrer des Sportwagens aus und nahm seine Sonnenbrille ab. Und so begegnete Jenny zum ersten Mal Alex Westerling.

Sie starrte ihn wie gebannt an.

Natürlich hatte sie gewusst, wie er aussah. Schließlich war er einer der Westerling-Drillinge, der häufig gemeinsam mit seinen Schwestern bei gesellschaftlichen Anlässen fotografiert wurde. Ihre Verachtung für ihn hatte jedoch anscheinend die Wahrnehmung dieser Bilder verzerrt.

Denn Tatsache war, dass der Mann, der vor ihr stand, nicht einfach nur gut aussah. Er war die Verkörperung sämtlicher weiblicher Fantasien und Wünsche.

Dass ihr Puls bei seinem Anblick zu rasen begann, machte diese ganze Angelegenheit nicht gerade einfacher.

Die körperliche Präsenz von Alex Westerling war überwältigend. Seine breiten Schultern, seine verwirrend leuchtenden blauen Augen und sein markant geschnittenes Gesicht machten ihn zu dem attraktivsten Mann, dem sie je begegnet war.

Zumindest wenn man arrogante, erfolgreiche Männer anziehend fand, die sich benahmen, als gehöre ihnen die Welt, versuchte Jenny sich schnell zur Ordnung zu rufen.

Er war vielleicht unglaublich gut aussehend, aber das änderte nichts daran, dass er auch der Mann war, der das Leben ihrer Schwester ruiniert hatte.

Zum ersten Mal allerdings wurde ihr klar, wie das hatte passieren können. Warum ihre Schwester sich so impulsiv und unverantwortlich benommen hatte. Es war nicht nur sein großer Reichtum oder seine aristokratische Familie, die Alex von anderen Männern abhoben. Es war die provozierende Männlichkeit, die ihn umgab, eine Aura von Erfolg und Macht – so etwas konnte auch die vernünftigsten Frauen um den Verstand bringen, und Chloe hatte zweifellos nie in diese Kategorie gehört.

Er schloss das Auto ab und ging langsam auf Jenny zu, die Jacke lässig über eine Schulter geschlungen.

Die leuchtend blauen Augen betrachteten sie gänzlich desinteressiert, fast als wäre er daran gewöhnt, dass fremde Frauen mit Babys im Arm vor seiner Haustür standen.

Jenny spürte, wie ihre Knie zitterten. Sie konnte mit Männern wie ihm einfach nicht umgehen. Sie wusste nie, was sie sagen sollte, und fühlte sich völlig hilflos. Alex Westerling war ein Mann, der mit Models und Schauspielerinnen ausging. Einer unscheinbaren flachbrüstigen grauen Maus wie ihr würde er keinen zweiten Blick widmen.

„Ich nehme mal an, Sie haben sich verfahren“, sagte er in leicht gelangweiltem Tonfall. „Sie hätten oben an der Straße weiterfahren müssen. Dies ist eine Sackgasse. Die Straße führt nirgends hin.“

Jenny zwang sich dazu, ihm in die Augen zu sehen. Es ging schließlich um Daisys Zukunft, nicht um ihre eigenen Ängste. „Doch, sie führt zu Ihnen, Dr. Westerling.“

Das anschließende Schweigen war angespannt, und sein Blick wurde kühl.

„In diesem Fall möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie sich auf meinem Grundstück befinden und dass ich es nicht dulde, auch hier von Journalisten belästigt zu werden.“

Das Zittern ihrer Knie wurde deutlich stärker, und Jenny spürte, wie ihr Mut sie langsam verließ.

Sie schaffte das nicht, sie schaffte es einfach nicht.

Alex verfügte über eine selbstsichere Ausstrahlung und eine unerschütterliche Coolness, die sie zutiefst einschüchterten. Wäre sie tatsächlich eine Journalistin, dann würde sie jetzt das Weite suchen.

Plötzlich hob Daisy eine knubbelige Babyhand und tätschelte ihr strahlend die Wange, als wollte sie Jenny an den tatsächlichen Grund ihres Besuches erinnern.

Daisy.

Ihr zuliebe musste sie sich der Auseinandersetzung mit diesem Mann stellen.

Die Berührung des Babys gab ihr die Kraft, die sie brauchte. Jenny hob das Kinn und sah Alex fest an. „Ich bin keine Reporterin.“

Ungeduldig musterte er sie. „Ich habe seit sechsunddreißig Stunden nicht geschlafen und bin nicht gerade in der besten Stimmung“, warnte er sie. „Also verraten Sie mir ganz schnell, was Sie hier wollen, damit wir uns beide wieder unseren Angelegenheiten zuwenden können. Ihr Baby sieht auch schon sehr müde aus.“

„Dies ist nicht mein Baby, Dr. Westerling“, brachte Jenny hervor, „sondern Ihr Baby. Sie sind der Vater.“

2. KAPITEL

Das Schweigen schien eine Ewigkeit zu dauern.

Alex starrte die kleine dunkelhaarige Frau an, die vor ihm stand, und wünschte, er hätte heute Morgen im Krankenhaus länger geschlafen. Sein sonst so klarer Verstand war völlig vernebelt.

Als die junge Frau sich räusperte, schaute er sie genauer an. Eine Ader an ihrem Hals pochte, und ihm wurde klar, dass sie nervös war.

Sie sah sogar völlig verängstigt aus.

Irgendwie beruhigte ihn diese Erkenntnis.

Wenn sie nervös war, dann gab es einen Grund dafür, und der Grund war vermutlich, dass sie eine Lügnerin war. Sie musste eine Lügnerin sein. Zunächst einmal war sie nämlich gar nicht sein Typ. Er hatte noch nie etwas mit einer Dunkelhaarigen gehabt. Seine Schwestern machten sich gerne darüber lustig, dass seine Begleiterinnen immer vollbusige Blondinen waren. Und dann war da ihr Verhalten. Er bevorzugte selbstbewusste und lockere Frauen, während seine heutige Besucherin offenbar mit den Nerven am Ende war.

Das bestärkte ihn in dem Glauben, dass er nie eine Beziehung mit ihr gehabt hatte.

„Wir sollten vielleicht ins Haus gehen, um das zu besprechen“, schlug sie vor. Sofort schüttelte Alex den Kopf.

Wenn es nach ihm ging, würde sie keinen Schritt näher kommen.

„Was sollten wir denn wohl besprechen?“

Ihre dunklen Augen blitzten verärgert auf, und sie drückte das Kind enger an sich. Alex verspürte eine leichte Überraschung. Offenbar war sie doch nicht ganz so schüchtern und unsicher, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte.

„Das ist genau die Art von Bemerkungen, die ich von einem Mann wie Ihnen erwartet habe.“

„Einem Mann wie mir?“ Er hob eine Augenbraue. „Und Sie wissen selbstverständlich genau Bescheid darüber, welche Art von Mann ich bin.“

Die verlegene Röte, die ihr Gesicht überzog, verriet ihm alles. „Also nicht?“ setzte er nach. „Dabei haben Sie eben noch behauptet, dass wir miteinander geschlafen haben.“

Mit einer leicht zitternden Hand schob sie sich das dunkle Haar aus dem Gesicht. „Wir haben nicht miteinander geschlafen.“ Es bereitete ihr offenbar gewisses Unbehagen, diese Worte auszusprechen. „Und zu Ihrer Information: Sie sind der letzte Mann auf der Welt, mit dem ich schlafen würde!“

„Wie gut, denn Sie sind auch die letzte Frau auf der Welt, mit der ich schlafen würde“, erwiderte Alex prompt. „Das macht Ihre Behauptung, dass ich der Vater Ihres Kindes wäre, doch völlig lächerlich. Und da wir das jetzt geklärt haben, sollten Sie sich vielleicht wieder auf den Weg machen.“

„I…ich habe nie gesagt, dass Sie der Vater meines Kindes sind“, stotterte sie und erntete dafür einen verwirrten Blick von Alex. „Daisy ist meine Nichte. Sie haben mit meiner Schwester geschlafen, Dr. Westerling. Und dann haben Sie sie mit den Konsequenzen allein gelassen.“

Ihre Schwester?

Spontan wollte er sie fragen, ob ihre Schwester blond war, aber das konnte er sich gerade noch verkneifen.

„Und wo ist Ihre Schwester jetzt?“

„Sie ist tot.“

Alex sah den Schmerz in ihren dunklen Augen, bevor sie den Blick schnell wieder abwandte. Auch das Baby schien ihren Kummer zu spüren, denn es brach in lautes Weinen aus.

Er musste wohl einsehen, dass dieses Problem sich nicht in den nächsten fünf Minuten lösen würde. Also wies er mit dem Kopf zu seinem Cottage.

„Sie kommen wohl besser mit herein.“

Als er die Tür aufschloss, schwor er sich insgeheim, von jetzt an ein enthaltsames Leben zu führen.

Hinter ihm ertönte ein leiser Ausruf der Überraschung, als die junge Frau mit dem weinenden Kind im Arm das Haus betrat.

Alex warf seine Jacke auf ein Sofa. „Was ist?“

„Nichts … schon gut.“ Sie sah sich um. „Ich hatte gedacht, Sie leben in einem Cottage.“

„Das ist ein Cottage, na ja, um genau zu sein, sind es vier Cottages, die zusammengelegt wurden.“ Unwillig schaute er die Frau und das weinende Kind an. „Können Sie nicht etwas gegen diesen Lärm unternehmen? Muss es gewickelt werden, oder was?“

Jenny wandte den Blick von der modernen Einrichtung und den großen Verstärkern in den Ecken des riesigen Wohnzimmers ab. „Das Baby ist kein ‚es‘“, sagte sie ungehalten und setzte die Kleine auf ihre Hüfte. „Sie ist ein Mädchen, und ihr Name ist Daisy. Sie ist Ihre Tochter.“

„Ja, ja, das haben Sie nun schon oft genug gesagt.“ Alex lockerte seine Krawatte. „Herrgott, geben Sie sie schon her.“ Er griff einfach nach dem Kind und legte es sich mit geübten Bewegungen an die Schulter. Ohne sich nach der fremden Besucherin umzusehen, ging er zu den großen Fenstern, die einen weiten Blick über das Meer gewährten, und wippte das Kind dabei beruhigend auf und ab.

„Sie ist vielleicht hungrig“, bemerkte Jenny.

„Dann geben Sie ihr was zu essen. Ich hoffe doch, Sie haben Proviant für Ihren kleinen Ausflug eingepackt.“

Sie nickte. „Ich gehe zum Auto und hole meine Taschen.“

Taschen?

Was für Taschen?

Er beobachtete sie, wie sie den Pfad entlang zu dem kleinen roten Auto ging, das er erst jetzt bemerkte. Müde rieb er sich die Augen. Kein Wunder, dass er den Wagen nicht gesehen hatte. Er brauchte Schlaf.

Plötzlich wurde ihm klar, dass das Weinen aufgehört hatte. Das Baby sah ihn nun aus großen Augen neugierig von der Seite an.

Alex schaute zurück, auf der Suche nach einem vertrauten Zug im Gesicht des Kindes.

Gut, es hatte blaue Augen, aber das hatten so ziemlich alle Kinder. Von Haaren war noch nicht allzu viel zu sehen, also gab es auch hier kaum Hinweise.

Ohne Vorwarnung verzog sich der kleine rote Mund zu einem strahlenden Lächeln, das er unwillkürlich erwiderte.

„Aha, du versuchst wohl, mich um den Finger zu wickeln, was?“ murmelte er leise und streichelte sanft die weiche Wange. „Dann lass dir gesagt sein, dass ich längst immun gegen große blaue Augen bin.“

Daisy gluckste fröhlich, und er redete weiter auf sie ein, bis die Tante des Kindes wieder in der Tür stand – mit mehreren Taschen in der Hand.

Unter Alex ungeduldigem Blick durchwühlte sie eine der Taschen und förderte schließlich eine Kühltasche, Lätzchen und mehrere kleine Dosen zu Tage. „Wo ist die Küche?“

„Soll ich Ihnen jetzt etwa das Haus zeigen?“

„Nein, Sie sollen mir nicht das Haus zeigen, aber ich gehe mal davon aus, dass Sie kein Karottenpüree auf ihren makellosen weißen Ledersofas haben wollen. Also – die Küche?“

„Wir füttern sie, und dann unterhalten wir uns“, gab er nach. „Die Taschen können Sie hier stehen lassen, dann müssen Sie sie nachher nicht so weit tragen, wenn Sie wieder losfahren.“

„Ich werde nicht wieder losfahren, aber darüber will ich jetzt nicht mit Ihnen streiten, während Daisy dabei ist.“ Jenny folgte ihm. „Babys sind sehr sensibel. Sie spüren die Atmosphäre sehr genau.“

„Dann ist Daisy wohl ein kluges Mädchen.“ Alex wies mit dem Arm durch seine hochmodern eingerichtete Küche. „Bitte sehr. Was brauchen Sie?“

„Heißes Wasser für die Milch und eine Mikrowelle zum Aufwärmen des Pürees.“

Alex streckte eine braun gebrannte Hand aus. „Geben Sie mir ein Gläschen. Ich mache es warm.“

„Das ist kein Gläschen. Ich mache ihren Brei selbst.“ Sie reichte ihm einen kleinen Plastikbehälter. Alex füllte den Inhalt in eine Schüssel und schob sie in die Mikrowelle.

„Das sieht ja widerlich aus.“

„Es ist äußerst nahrhaft, und Daisy isst es sehr gern.“

Alex ging auf diese Bemerkung nicht weiter ein. Stattdessen öffnete er einen Schrank und zog einen Kinderstuhl heraus.

„Ich habe Nichten und Neffen, die mich besuchen“, beantwortete er ihren fragenden Blick, „aber da Sie ja so viel über mich wissen, ist Ihnen das sicher auch bekannt.“

„Wie alt sind die Kinder?“

„Das geht Sie gar nichts an. Ich spreche nicht mit Fremden über meine Familie, und Sie“, sagte Alex eisig, „sind definitiv eine Fremde.“

Jenny errötete leicht und konzentrierte sich auf das Baby. „Ich muss ihr erst ein bisschen Milch geben, sonst ist sie so hungrig, dass sie den Brei nicht vernünftig essen kann“, murmelte sie.

„Glauben Sie mir, das will ich gar nicht so genau wissen.“

„Das sollten Sie aber, Dr. Westerling. Ich kann nämlich nicht länger allein für sie sorgen. Ich brauche Hilfe.“

Sie lächelte das Kind an, das gierig an der Milchflasche saugte.

Das Lächeln veränderte sie völlig, und Alex war von der Wandlung fasziniert. Sie hatte zarte Gesichtszüge, ihre braunen Augen waren von langen und dunklen Wimpern umschattet. Ihr dunkles Haar hatte sie zu einem einfachen Zopf zusammengebunden, und sie trug nicht eine Spur von Make-up.

Autor

Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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Sarah Morgan
<p>Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 21 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen.</p>
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