Vorhang auf für die große Liebe

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Jess hofft so sehr, dass der Filmjob in London sie auf andere Gedanken bringt. Doch dass sie sich gleich am ersten Tag in den sexy Hauptdarsteller Luke McKenzie und seinen süßen Hund Baloo verliebt, macht alles viel komplizierter als gedacht …


  • Erscheinungstag 27.06.2024
  • ISBN / Artikelnummer 9783751529891
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Luke McKenzie! Jess konnte es kaum glauben.

Einem weltberühmten Filmstar zu begegnen hatte sie nicht erwartet, als die Zeitarbeitsfirma ihr diesen Job angeboten hatte. Als Assistentin der Produktionsleitung arbeitete sie zwar direkt im Filmstudio, aber Jess hatte sich auf eine Low-Budget-Produktion mit eher unbekannten Schauspielern eingestellt. Und jetzt stand sie ausgerechnet Luke McKenzie gegenüber, der das dritte Mal in Folge zum attraktivsten Mann des Jahres gewählt worden war!

Da er der Lieblingsschauspieler ihrer Schwester und ihrer besten Freundin war, hatte sie jeden seiner Filme gesehen. Von sich aus hätte Jess das nicht getan, denn sie bevorzugte Actionfilme. Luke McKenzies Domäne dagegen waren romantische Liebeskomödien.

Im Moment jedoch war dem beliebten Schauspieler das charmante Lächeln vergangen, für das er so berühmt war. Auch der schokoladenbraune Labrador, der neben ihm saß, machte einen äußerst unglücklichen Eindruck.

Jess riss sich zusammen und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Was sich zwischen der Produktionsleiterin und dem weltberühmten Filmstar abspielte, ging sie nichts an. Im Augenblick bestand ihre Aufgabe ausschließlich darin, Unterlagen zu sortieren und abzuheften.

„Jess, könntest du bitte kurz kommen?“ Ayesha Milan unterbrach ihr Gespräch mit Luke McKenzie und rief sie zu sich.

„Natürlich.“ Jess erhob sich und ging zum Schreibtisch ihrer Chefin.

„Könntest du dich heute um den Hund von Mr. McKenzie kümmern?“

Jess erstarrte.

Sich um einen Hund kümmern! Das war genau das, was sie nie wieder hatte tun wollen. Deswegen hatte sie ihren geliebten Beruf aufgegeben und sich auf Aushilfsjobs verlegt!

„Ich …“

Luke McKenzie verdrehte die Augen. „Sie beißt nicht! Sie ist eine ganz liebe Hündin. Leider zerkaut sie alles, was ihr in den Weg kommt – mit Vorliebe Louboutins.“

Das waren momentan bei den Reichen dieser Welt die angesagtesten Designerschuhe … Was womöglich erklärte, warum Herr und Hund so schuldbewusst und niedergeschlagen wirkten. Sollte die Hündin wirklich ein Paar dieser exklusiven Schuhe zerstört haben, hatte die Besitzerin garantiert einen hysterischen Anfall bekommen. Es würde den Schauspieler wahrscheinlich viel Überredungskunst und eine gute Stange Geld kosten, die Wogen wieder zu glätten.

„Hast du Angst vor Hunden?“, erkundigte sich Ayesha freundlich.

Jess schüttelte den Kopf. Ganz im Gegenteil. Sie hatte Angst davor, sich auf eine emotionale Bindung zu einem Hund einzulassen. Angst, die tragischen Ereignisse der Vergangenheit noch einmal durchleben zu müssen. Jess hatte mehr als ein Jahr gebraucht, um wieder ein einigermaßen normales Leben zu führen. Die Nähe zu einem Hund würde die mühsam verheilten Wunden nur wieder aufreißen.

Ayesha jedoch sah nur das Kopfschütteln. Damit war für sie das Problem gelöst. „Okay, Jess. Dann ist es heute deine Aufgabe, dich um Baloo zu kümmern.“

Jess schluckte. Sie wusste, sie war als Mädchen für alles eingestellt und eine Ablehnung wäre Vertragsbruch. Würde die Filmgesellschaft ihr deshalb kündigen, würde ihr die Zeitarbeitsagentur, für die sie nun schon etliche Monate erfolgreich gearbeitet hatte, bestimmt keine Stellen mehr vermitteln. Das konnte sie sich bei ihren angespannten finanziellen Verhältnissen nicht erlauben.

„Hier, ich muss zurück zum Set. Ich habe schon viel zu viel Zeit mit unnötigem Gerede verschwendet.“ Ohne ihr ins Gesicht zu sehen, drückte Luke McKenzie ihr die Leine in die Hand, machte auf dem Absatz kehrt und verschwand.

Jess versuchte, die Ruhe zu bewahren. Vielleicht gab es ja doch noch eine Möglichkeit, sich der Verpflichtung zu entziehen. „Ich … ich habe doch viel wichtigere Arbeiten zu erledigen“, argumentierte sie.

Ayesha zuckte lediglich die Schultern. „Unser Erfolgsrezept besteht darin, die Stars bei Laune zu halten. Deshalb müssen wir sie hofieren und ihre Marotten ernst nehmen.“ Sie seufzte. „Luke hat mich gerade ziemlich enttäuscht, es ist das erste Mal, dass er Starallüren an den Tag legt. Bei Mimi hatte ich damit gerechnet, bei ihm nicht.“

„Warum hat er überhaupt seinen Hund mit zum Set gebracht? Er muss doch wissen, dass er alles zerkaut, was ihm zwischen die Zähne kommt.“

„Frag mich was Leichteres.“

„Und weshalb hat er keine Box mitgebracht? Dann hätte sich Baloo wenigstens zurückziehen können, die vielen fremden Menschen und der ungewohnte Ort verstören sie doch nur zusätzlich.“

Ayesha zog erstaunt die Brauen hoch.

„Du scheinst ja etwas von Hunden zu verstehen.“

„Nicht viel“, behauptete Jess, was eine glatte Lüge war. Sie hatte Tierpsychologie studiert und lange Jahre bei der Polizei sowohl Hunde als auch Hundeführer ausgebildet.

„Das nehme ich dir nicht ab. Meiner Ansicht nach ist Baloo bei dir in besten Händen.“

Jess biss sich auf die Lippe. Weshalb hatte sie nicht behauptet, allergisch gegen Hunde zu sein oder sich vor ihnen zu fürchten? Doch dieser Luke McKenzie hatte sie in Rage gebracht. Sein Hund schien für ihn nur ein Accessoire zu sein – ein Statussymbol.

„Wenn man keine Zeit für einen Hund hat, sollte man sich auch keinen anschaffen!“, ereiferte sie sich. „Das gilt auch für einen Filmstar!“ Sie schnaufte verächtlich. „Meine Schwester und meine beste Freundin himmeln Luke McKenzie an, für sie ist er der Traumprinz schlechthin. Ich bin enttäuscht von ihm. Im echten Leben ist er selbstherrlich und aufgeblasen.“

„Ich bin auch überrascht“, stimmte Ayesha ihr nachdenklich zu. „Bisher habe ich ihn ganz anders erlebt. Bei den Aufnahmen zu seinem vorletzten Film habe ich schon einmal mit ihm zusammengearbeitet. Da war er völlig pflegeleicht, kannte selbst die letzte Hilfskraft bei Namen, war stets rücksichtsvoll und bedankte sich für die kleinste Handreichung. Alle Frauen am Set schwärmten für ihn, denn sein Charme war nicht gespielt, sondern kam von Herzen.“ Ayesha seufzte. „Anscheinend hat das letzte Jahr ihn verändert. Es muss die Hölle für ihn gewesen sein.“

Jetzt fiel es Jess auch wieder ein. Im Internet und in der einschlägigen Presse war ausführlich über die Scheidung von Luke und Fleur McKenzie und den damit verbundenen Rosenkrieg berichtet worden. Eine Trennung fand Jess schon schlimm genug. Wenn jedes Detail in der Öffentlichkeit breitgetreten wurde, musste es jedoch die reinste Tortur sein.

Selbst Carly, ihre Schwester, und Shannon, ihre beste Freundin, hatten es zugeben müssen: In seinem letzten Film hatte Luke McKenzie nicht wirklich überzeugen können.

Für Jess war das nicht weiter verwunderlich. Sie wusste, wie man sich fühlte, wenn einem die gewohnte Lebensgrundlage plötzlich entzogen wurde: An berufliche Höchstleistungen war in einer solchen Situation nicht zu denken, dazu fehlten die Nerven und die Kraft. Genau das war schließlich der Grund, weshalb sie ihre Karriere bei der Polizei zugunsten anspruchsloser Aushilfsjobs aufgegeben hatte. Sie brauchte Zeit und Ruhe, um wieder zu sich selbst zu finden und sich dem Alltag zu stellen.

Doch so gut sie Luke McKenzie auch verstand, seine persönliche Krise gab ihm nicht das Recht, seinen Hund im Stich zu lassen!

Als wollte Baloo sie in dieser Ansicht bestätigen, leckte das Tier ihr vertrauensvoll die Hand. Jess wurde es warm ums Herz, was sie jedoch zu ignorieren versuchte. Wenn sie überleben wollte, durfte sie keine Gefühle zulassen, die sie angreifbar machten und schwächten!

„Wir haben doch Trainer am Set, die für die Tierszenen verantwortlich sind. Könnten die sich nicht um den Hund kümmern?“, fiel ihr als letzter Ausweg ein.

Ayesha blätterte in ihrem Terminkalender. „Nein. Sie kommen nur bei Bedarf, und den haben wir heute nicht. Jess, du würdest uns allen einen Riesengefallen tun, wenn du dich um Baloo kümmern könntest. Wenn wir Luke den Hund zurückgeben, führt das garantiert zum Chaos bei den Proben. Damit würde der ganze Zeitplan durcheinandergeraten. Dabei sollen doch schon nächste Woche die Dreharbeiten beginnen.“

Sie schob den Kalender beiseite und blickte Jess an. „Unser größtes Problem ist Mimi, über deren Schuhe sich Baloo hergemacht hat. Natürlich bekommt Mimi schon heute Mittag Ersatz, trotzdem hat sie einen Riesenaufstand gemacht und verkündet, das Set sofort zu verlassen, sollte Baloo ihr noch einmal unter die Augen kommen.“ Ayesha lächelte aufmunternd. „Jess, du bist für den gesamten Stab ein echter Gewinn. Und wenn du neben dem Hundesitting noch die Terminliste für morgen auf den aktuellen Stand bringen könntest, wäre das echt super.“

Was blieb Jess bei diesen Worten anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu fügen? Sie nickte und nahm Baloo mit zu ihrem Schreibtisch.

Baloo hatte außer Leine und Halsband nichts dabei, keine Näpfe, kein Futter und keine Decke. Jess wusste weder, was die Hündin heute schon zu fressen bekommen hatte, noch wann sie wieder abgeholt wurde.

Jess hatte eine unheimliche Wut im Bauch. Dieser Schauspieler hatte seinen Hund einfach im Stich gelassen! Und ihr blieb nichts anderes übrig, als alles zu schlucken, weil sie sonst hätte Erklärungen abgeben müssen, die zu schmerzlich waren, um sie über die Lippen zu bringen. Und auf das zu erwartende Mitleid konnte sie verzichten, davon hatte sie das vergangene Jahr mehr als genug bekommen!

„Was dein Herrchen braucht, ist eine Lektion in Sachen Zusammenarbeit im Team“, erklärte sie Baloo. „Und noch mehr Unterricht braucht er, was artgerechte Hundehaltung angeht. Du hast weder dein Hundebett noch einen Kauknochen oder ein Spielzeug dabei, um dir die Zeit damit zu vertreiben.“

Baloo rückte näher an Jess heran und legte ihr vertrauensvoll den Kopf aufs Knie.

Jess kämpfte mit den Tränen. Das erste Mal seit über einem Jahr saß sie wieder mit einem Hund zu Füßen am Schreibtisch. Die Leere, die ihr geliebter Springerspaniel in ihrem Leben hinterlassen hatte, schmerzte mehr denn je.

Nach einem tiefen Atemzug stand sie entschlossen auf. Sie besorgte sich in der Kantine eine Plastikschüssel für Wasser und in der Requisitenabteilung einen Tennisball – nicht ideal, aber besser als gar nichts.

Sie hatte Baloo nur für einen Arbeitstag. Das war zu kurz, um eine emotionale Bindung aufzubauen. Oder?

Im Eiltempo lief Luke zurück zum Büro der Produktionsleitung. Dies war wirklich nicht sein Tag.

Eine Filmpartnerin, die sich für den Nabel der Welt hielt und entsprechend behandelt werden wollte, und eine astronomisch hohe Rechnung über ein Paar Schuhe mit Absätzen, auf denen besagte Partnerin kaum gehen konnte! Als wäre das noch nicht genug, war er schon viel zu spät dran, um einen Hund abzuholen, den er nie gewollt hatte. Einen Hund, der ihn die letzten beiden Tage genervt und sein Haus in ein Trümmerfeld verwandelt hatte.

Um das Fass zum Überlaufen zu bringen, fehlte jetzt nur noch ein weiterer Verriss in den Medien. Vielleicht ein Artikel von einem Kritiker, der sich mit selbstgefälligem Spott über die Frage ausließ, ob Luke McKenzies nächster Film auch sein nächster Flop sein würde.

Zwei Machwerke dieser Art hatte es bereits gegeben, und Luke war sich sicher, die Autoren dieser hämischen Artikel zu kennen: enge Freunde seiner Ex. Doch sie namentlich zu nennen und sich gegen die Verleumdungen zu wehren, wäre schlechte Publicity.

Bezog er keine Stellung, würde man ihm mangelndes Selbstvertrauen unterstellen. Und wenn er sich äußerte, würde man ihn als rachsüchtigen Ex-Ehemann belächeln. Was er auch tat, war falsch.

Ihm blieb nichts weiter übrig, als gute Miene zu bösem Spiel zu machen und zu tun, als würden ihn die schlechten Kritiken nicht treffen. Seine Scheidung war doch im Prinzip schon Schnee von gestern! Bald würden andere Skandale ins Zentrum des öffentlichen Interesses rücken. Und spätestens dann würde Fleur auch nicht mehr länger absurde Vorwürfe gegen ihn erheben, nur um von ihrem eigenen Fehlverhalten abzulenken. Das hoffte er jedenfalls.

Es gab zwar einen Weg, Fleur eindeutig als die Schuldige zu enttarnen, doch den wollte er nicht gehen. Damit würde er der Presse lediglich den Stoff für eine noch ungeheuerlichere Sensation liefern. Es gab ein schicksalschweres Geheimnis in seinem Leben, das Luke um nichts in der Welt ans Licht der Öffentlichkeit bringen würde.

Er strich sich das Haar aus der Stirn. Drei Tage noch war er für Baloo verantwortlich. Dann kehrte seine Tante aus den Staaten nach London zurück und würde die Hündin entweder selbst behalten oder an vertrauenswürdige Menschen vermitteln. Dann hatte er den Kopf wieder frei und konnte sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren.

Er war fest entschlossen, alles zu geben, um mit diesem neuen Film an seine alten Erfolge anzuknüpfen. Fleur und ihre Seilschaft in den Medien sollten nicht den geringsten Grund für einen Verriss finden.

Luke betrat das Büro, schloss die Tür hinter sich und blieb überrascht stehen. Er hatte Ayesha Milan erwartet, stand jedoch der neuen Assistentin gegenüber. Es war ihm peinlich, sich nicht mehr an ihren Namen erinnern zu können – er war bei der Vorstellung mit seinen Gedanken woanders gewesen.

Das war normalerweise nicht seine Art. Ganz im Gegenteil, er legte äußersten Wert darauf, alle Mitarbeiter am Set persönlich anzusprechen und ihnen seine Anerkennung auszudrücken. Er mochte der Star sein, doch was wäre er ohne sein Team?

Aber heute war eben nicht sein Tag, und er hatte eins seiner geheiligsten Prinzipien verraten.

„Ach, Mr. McKenzie! Endlich Zeit für Ihren Hund?“

Es war klar, was die Neue von ihm hielt. Er wollte sich für sein Verhalten am Morgen entschuldigen und ihr die Lage erklären, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen.

„Mir ist egal, wie einflussreich Sie sind, und ob Sie veranlassen, mir zu kündigen. Aber wie Sie Ihren Hund behandeln, spottet jeder Beschreibung! Es ist eine Rücksichtslosigkeit ohnegleichen, Baloo einfach bei Fremden zurückzulassen, noch dazu, ohne auch nur einen Gedanken an Wasserschüssel, Futter, Decke und Spielzeug zu verschwenden!“

Okay, das wusste er selbst.

Doch die neue Assistentin war noch nicht am Ende. „Meine Schwester und auch meine beste Freundin halten sie für den tollsten Filmhelden aller Zeiten, aber als Hundebesitzer sind Sie ein völliger Versager!“

So hart ihn die Worte auch trafen, sie entsprachen der Wahrheit. „Ich bin ganz Ihrer Meinung und bekenne mich schuldig. Ich verstehe nichts von Hunden.“ Er machte eine Pause. „Baloo gehört mir nicht.“

Entgeistert sah sie ihn an. „Sie gehört Ihnen nicht?“

„Nein. Meine Tante ist für sie zuständig, musste jedoch eine Woche nach Amerika und hat sonst niemanden, der Baloo aufgenommen hätte. Sie kommt in drei Tagen zurück.“

Sie sah ihn kritisch an. „Das verstehe ich nicht. Man braucht nur ins Branchenverzeichnis zu sehen, da findet man Dutzende von Hundepensionen.“

„Baloo ist ein besonderer Fall, das ist eine lange Geschichte. Jedenfalls bin ich jetzt hier und erlöse Sie.“

Luke wollte gar nicht daran denken, was ihn zu Hause erwartete. Baloo zerkaute wirklich alles, selbst vor seinem Script hatte sie nicht Halt gemacht. Doch wer konnte einem Hund böse sein, der mit dem Schwanz wedelte und freudig bellte, sobald er einen nur sah? Und auch jetzt saß Baloo zu seinen Füßen und himmelte ihn regelrecht an.

„Wieso ist Baloo ein besonderer Fall?“, wiederholte die Assistentin, an deren Namen er sich noch immer nicht erinnern konnte – diesmal jedoch weitaus freundlicher. „Ihre Tante muss doch gewusst haben, wie beschäftigt sie zurzeit sind. Eine Hundepension mit Fachpersonal wäre für Baloo doch die weitaus bessere Lösung gewesen.“

„Ja, aber Baloo gehört meiner Tante gar nicht“, verriet er und ärgerte sich sofort über seine unüberlegten Worte. Das Ganze war eine ziemlich lange Geschichte!

Um sie abzulenken, bedachte er sie schnell mit einem zerknirschten Lächeln. „Entschuldigung, aber ich habe Ihren Namen bei der Vorstellung nicht richtig verstanden.

„Jess Greenacre.“

Wahrscheinlich war Jess der Rufname für Jessica. Es klang ein wenig harsch, was aber ziemlich gut zu ihr passte. Oder nicht? Jetzt, da er sie näher betrachtete, fiel ihm auf, wie hübsch sie war: weiche Gesichtszüge, ein zarter Teint und volle, sinnliche Lippen. Sie trug nicht die geringste Spur Make-up, noch nicht einmal Mascara, um ihre faszinierenden grünen Augen zu betonen.

Warum sprach ihn das an? Unwillkürlich schüttelte er sich. Natürlich, er war wieder frei und einer neuen Beziehung stand nichts im Wege. Doch von einer Frau, die auch nur im Entferntesten etwas mit Medien oder dem Filmgeschäft zu tun hatte, würde er in Zukunft die Hände lassen. Das hatte er sich nach seinen Erfahrungen mit Fleur geschworen.

„Jess, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe mich heute Morgen Ihnen gegenüber äußerst arrogant und rücksichtslos verhalten. Heute ist Ihr erster Tag am Set, oder?“

Erstaunt, dass ihm das aufgefallen war, blickte sie ihn an. „Ja, Mr. McKenzie.“

„Nennen Sie mich Luke, und willkommen im Team.“

Jess verschränkte die Arme. „Eins muss ich Ihnen lassen, wenn sie auch von Hunden nichts verstehen, mit Frauen wissen Sie umzugehen. Aber das liegt wohl an Ihrem Beruf. Ich wette, Sie spielen im Moment den perfekten Gentleman, anscheinend eine Ihrer Lieblingsrollen.“

Unwillkürlich musste er lachen. Diese Jess Greenacre war nicht nur hübsch, sondern auch erfrischend anders. Statt zu kokettieren, sagte sie ihm ihre Meinung offen ins Gesicht. Sie interessierte ihn. Normalerweise waren Produktionsassistentinnen weitaus jünger, oft hatten sie gerade erst die Schule hinter sich. Jess war eindeutig älter. Weshalb arbeitete sie dann in dieser untergeordneten Position?

„Im Moment spiele ich keine Rolle, sondern bin lediglich ich selbst“, antwortete er amüsiert. „Ein Benehmen wie heute Morgen ist bei mir die absolute Ausnahme.“

Jess lachte. „Irgendwie verständlich. Ihr Hund hatte gerade die Schuhe Ihrer Filmpartnerin vernichtet, Sie mussten die Wogen wieder glätten und waren obendrein zu spät dran. Sie waren genervt und haben Ihren Frust an anderen abgelassen.“

Jess Greenacre war also nicht nur attraktiv, sondern besaß auch Köpfchen.

„Baloo ist nicht mein Hund, das möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen. Ansonsten haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Mimi duldete keinen Hund bei den Proben, also habe ich Baloo in ihre Box gesteckt. Dort hat sie derart gejault, dass der Regisseur einen Anfall bekam. Also habe ich sie wieder rausgelassen.“

Luke seufzte. „Zuerst sah es ganz gut aus, Baloo saß ganz ruhig da und beobachtete uns. Doch plötzlich war sie verschwunden. Das Ergebnis kennen Sie. Ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, obwohl ich es besser hätte wissen sollen. In den zwei Tagen, die Baloo jetzt bei mir ist, hat sie mir das halbe Haus zerlegt.“

„Wie denn das?“ Jess runzelte die Brauen.

„Samstag hatte ich sie nach dem Aufstehen zehn Minuten allein gelassen, um mir die Zeitung und Brötchen zu holen. Als ich zurückkam, erkannte ich meine Küche nicht wieder. Baloo hatte den Vorratsschrank geöffnet und sämtliche Verpackungen aufgerissen. Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer eine Mischung aus Zucker, Kaffeemehl, Haferflocken und etlichen Packungen Backmischung zu beseitigen ist – und wie lange es dauert, bis der Fußboden wieder glänzt.“

„Wie konnten Sie einen Hund wie Baloo auch ohne Kauknochen allein lassen?“

„Meine Tante hat mir keinen mitgegeben. Ich weiß nicht, wie ich mit Baloo fertig werden soll. Sie hat drei Sofakissen zerfetzt, von meinem Text ganz zu schweigen. Sie öffnet Türen, indem sie auf die Klinke springt, und beansprucht nachts mehr als die Hälfte meines Bettes, anstatt in ihrem Korb zu schlafen.“

Jess lachte amüsiert, wurde jedoch schnell wieder sachlich. „Baloo ist nicht ausgelastet und braucht eindeutig Beschäftigung. Ein Geschicklichkeitsspielzeug, in dem Leckerchen versteckt sind, wäre ein Anfang.“

Erstaunt sah er sie an „Sie scheinen ja wirklich etwas von Hunden zu verstehen“, meinte er.

Jess senkte den Blick. „Etwas.“

„Jess, ich brauche Ihre Hilfe! Ich habe nie einen Hund besessen, Hunde sind für mich Wesen von einem anderen Stern!“

„Und warum haben Sie Baloo dann in Pflege genommen?“

„Das ist eine lange Geschichte, die ich Ihnen ein andermal erzähle. Sie haben bestimmt einen langen und anstrengenden Tag hinter sich und müssen morgen schon früh wieder hier sein. Ich will Sie nicht länger aufhalten. Geben Sie mir Baloo, und gehen Sie nach Hause.“

Luke McKenzie schien tatsächlich nicht ausschließlich an sich, sondern auch an seine Mitmenschen zu denken, selbst an sie, die unbedeutendste Mitarbeiterin am Set. Jess hatte ihn falsch eingeschätzt – und war bereit, Abbitte zu tun.

„Ich habe eine bessere Idee. Ich mache uns einen Tee, und Sie erzählen mir etwas mehr von Ihren Problemen mit Baloo“, schlug sie deshalb vor.

„Einverstanden. Aber den Tee mache ich.“ Er öffnete die Schranktür, hinter der eine kleine Büroküche versteckt war. „So kann ich mich wenigstens etwas dafür revanchieren, dass Sie Ihre Zeit für mich und ein Schuhe klauendes Monster opfern.“

Jess fragte sich, ob sein Benehmen von Herzen kam, oder ob er ihr lediglich etwas vorspielte, um sein Ziel zu erreichen. Hatte sie es mit Luke McKenzie, dem Schauspieler, oder mit Luke McKenzie, dem Menschen zu tun?

Sie war sich nicht sicher. Heute Morgen war er rücksichtslos und arrogant gewesen, jetzt war er humorvoll und charmant. Hatte Ayesha nicht gesagt, normalerweise sei Luke ein absoluter Schatz? Nun gut, Jess wollte ihm eine zweite Chance geben.

Jeder verdiente eine zweite Chance.

Jedenfalls fast jeder. Es gab zwei Männer, die hoffentlich den Rest ihres Lebens im Gefängnis zubringen mussten. Doch daran wollte sie jetzt nicht denken.

„Das Angebot nehme ich gern an, Mr. McKenzie“, antwortete sie.

„Luke“, erinnerte er sie.

Jess kam es immer noch unwirklich vor, einem weltberühmten Filmstar gegenüber zu stehen, und jetzt sollte sie ihn sogar beim Vornamen nennen!

„Also gut, Luke.“ Sie schluckte. „Ich mag meinen Tee sehr schwach und mit viel Milch.“

„Wie kann man nur!“ Er schüttelte den Kopf und schaltete den Wasserkocher ein. „Vielleicht auch noch Zucker dazu?“

„Nein danke. Und jetzt erzählen Sie mir von Baloo.“

„Meine Tante Monica arbeitet schon lange ehrenamtlich in einem Tierheim. Nach mehreren Besizterwechseln war Baloo dort auf der Tötungsstation gelandet. Monica fand das ungeheuerlich und nahm sie kurzerhand mit nach Hause, obwohl ihr Flug nach Amerika bereits fest gebucht war. Sie wollte Baloo vor ihrer Abreise in einer Tierpension unterbringen, doch alle waren ausgebucht.“

Jess sah ihm direkt in die Augen. „Eine Frau, die ehrenamtlich im Tierschutz arbeitet, findet keine Möglichkeit, einen Hund für eine Woche unterzubringen? Diese Geschichte klingt zu unglaublich, um wahr zu sein.“

„Monica hat es mir so erzählt. Weshalb Baloo eingeschläfert werden sollte, hat sie mir allerdings nicht verraten. Meiner Meinung nach hängt es mit ihrer Zerstörungswut zusammen.“

„Gut möglich.“ Jess wiegte den Kopf. „Trotzdem, normalerweise schläfert kein Tierarzt ein junges, gesundes Tier ein. Meiner Meinung nach ist Baloo auch nicht aggressiv, sondern leidet lediglich unter Trennungsangst. Dafür spricht, dass sie stets bei Ihnen sein will. Um einem solchen Hund zu helfen, braucht man viel Zeit und Erfahrung, das müsste Ihre Tante als Fachfrau eigentlich wissen. Sie sind der denkbar ungeeignetste Mensch für diese Aufgabe.“

„Stimmt. Aus diesem Grund habe ich Monica auch lediglich versprochen, für die Zeit ihrer Abwesenheit auf Baloo aufzupassen. Wir drehen diese Woche noch nicht, und ich dachte, solange wir lediglich proben, würde es keine Probleme geben.“ Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich wusste nicht, was es bedeutet, für einen Hund verantwortlich zu sein.“

Jess nickte. „Sie sind mit Baloo eindeutig überfordert, sie ist kein Hund für Anfänger.“

„Sie verstehen eindeutig mehr von Hunden, als sie zugeben wollen.“

Da sie schon zu viel gesagt hatte, versuchte Jess gar nicht erst, Luke mit einer Lüge abzuspeisen. „Ja.“

Autor

Kate Hardy
Kate Hardy wuchs in einem viktorianischen Haus in Norfolk, England, auf und ist bis heute fest davon überzeugt, dass es darin gespukt hat. Vielleicht ist das der Grund, dass sie am liebsten Liebesromane schreibt, in denen es vor Leidenschaft, Dramatik und Gefahr knistert? Bereits vor ihrem ersten Schultag konnte Kate...
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