Was verbirgst du vor mir, Geliebte?

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König Zacchaeus heiratet Prinzessin Nalini bloß aus einem Grund: um den Frieden für sein Land zu sichern! Doch seine schöne Braut weckt nicht nur verzehrendes Verlangen in ihm, sondern auch nie gekannte romantische Sehnsucht – und gefährdet so sein kühl kalkuliertes Vorhaben …


  • Erscheinungstag 05.05.2022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751514729
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es war kein Fehler. Es war kein Fehler.

Immer wieder gingen Nalini diese Worte durch den Kopf, während sich das Boot von ihrer Heimatinsel Mattan entfernte – und von dem Schloss, das seit sechsundzwanzig Jahren ihr Zuhause gewesen war. Mit einem elenden Gefühl im Magen zwang sie sich, nach vorn zu blicken.

Vor ihr wurde allmählich die Burg von Kirtida sichtbar. Sie würde bald schon ihr neues Heim werden. Beim Anblick des weitläufigen, düster wirkenden Gebäudes wurde ihr schwer ums Herz.

Nein, ich habe mich nicht falsch entschieden, versuchte sie sich zu ermutigen.

„Wir sind gleich da, Prinzessin“, hörte sie Zacchaeus sagen.

Sie erschauerte. Nicht nur wegen der kühlen Brise, sondern wegen der Nähe dieses Manns … mit dem sie jetzt verlobt war: König Zacchaeus von Kirtida.

Ihre Heimat Mattan, dazu die Nachbarinsel Kirtida und Aidara als drittes Königreich, bildeten seit Jahrhunderten die so genannte Allianz der drei Inseln. Sie war lange stark und geeint gewesen, bis Zacchaeus einige Monate zuvor seinen Vater in einem Putsch vom Thron gestoßen und sich selbst zum König gemacht hatte.

Das hatte Anlass zu Sorge gegeben, vor allem, als er sich anschließend geweigert hatte, mit seinen Allianzpartnern zu kommunizieren. An dem traditionellen Staatsbankett – das im Wechsel jedes Jahr von einem der Königreiche ausgerichtet wurde und das dazu diente, das Bündnis zu stärken – hatte er auch nicht teilgenommen. Das hatte Nalinis Bruder König Xavier von Mattan und Leyna, die Königin von Aidara, zum Handeln veranlasst. Sie hatten ihre Verlobung bekannt gegeben, und prompt hatte Zacchaeus einen Tag später Kontakt mit ihnen aufgenommen.

Und das war der Grund dafür, warum sie, die Prinzessin Nalini von Mattan, sich jetzt auf dem Weg in ihre neue Heimat befand.

Sie wandte sich Zacchaeus zu und empfand plötzlich heftige Schuldgefühle, weil sie seine starke Anziehungskraft spürte. Dunkle Haare, hellbraune Haut – wie Karamell –, ein festes Kinn mit einem Anflug von Bart. Dazu markante, wie gemeißelte Gesichtszüge, auf denen ein ernster, intensiver Ausdruck lag. Zacchaeus war ganz in Schwarz gekleidet, was fast ein bisschen Furcht einflößend wirkte und seine Macht demonstrieren sollte. Ja, er war ein mächtiger Mann. Und gut aussehend. Das übte eine geradezu magnetische Wirkung auf sie aus.

Ja, ich finde ihn faszinierend, dachte Nalini mit schlechtem Gewissen. Sie sollte sich nicht zu diesem Mann hingezogen fühlen. Egal, ob seine hochgerollten Ärmel muskulöse Arme freigaben und seine Hose kräftige, wohlgeformte Beine umschloss … denn er hatte verlangt, dass sie ihn heiratete. Als Bedingung dafür, dass er die Dokumente unterzeichnete, mit denen Kirtidas Verbleib in der Allianz bekräftigt werden sollte.

Bis zu dieser Unterzeichnung war ihr Königreich Mattan in Gefahr.

„Ich habe Essen für uns vorbereiten lassen“, informierte Zacchaeus sie, als sie auf Kirtida anlegten, und sprang vom Boot.

Dann hielt er ihr die Hand hin, und sie zögerte kurz, bevor sie die Hilfe annahm.

Nalini spürte ein seltsam unbehagliches Gefühl bei dem Kontakt. Hitze durchströmte sie ganz kurz. Aber nein, es war Unbehagen! Sie brachte es nicht über sich, Zacchaeus anzusehen.

„Ich nehme an, du bist hungrig?“, fragte er nach.

„Du müsstest nichts annehmen, wenn du einfach fragen würdest“, erwiderte sie leichthin und schüttelte ihr unangenehmes Gefühl ab.

Nalini hatte sich aus eigenem Antrieb dafür entschieden, nach Kirtida zu kommen. Sie hatte sich ohne Druck durch ihren Bruder entschieden, ihr Königreich Mattan zu retten, indem sie Zacchaeus heiratete. Die Zeit zu wählen war vorbei. Nun musste sie höflich zu ihrem Verlobten sein.

„Aber ich hätte gern etwas zu essen, danke“, fügte sie daher hinzu.

Er nickte nur. Dann wies er die Diener an, die vor der Burg bereitstanden, ihre Sachen in die Suite zu bringen, in der sie wohnen würde, während sie die Hochzeit plante. Anschließend forderte er Nalini auf, ihm zu folgen.

Eine Gänsehaut überlief sie, als sie die Burg betrat, aber sie riss sich zusammen und straffte die Schultern.

Das Innere war eine wunderschöne Kombination aus Altem und Neuem. So waren beispielsweise die Steinsäulen antik, die Holzfußböden hingegen modern. Im Esszimmer wurde sie von den Dienern an einen Platz neben dem von Zacchaeus geführt.

Sie setzte sich, wartete einen Moment und erkundigte sich dann: „Kommt sonst noch jemand zum Essen?“

„Nein.“ Ein Schatten flog über sein Gesicht.

„Und deine Eltern?“, zwang sie sich zu fragen. „Leben sie noch … hier?“

Seine Miene verdüsterte sich noch mehr. Nalini erwartete, dass sie nun zu hören bekäme, sie solle sich gefälligst um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern, aber Zacchaeus machte ein ausdrucksloses Gesicht und sah ihr in die Augen. Seine hatten eine faszinierend hellbraune Farbe, wie eine Mischung aus Zimt und Honig.

„Ich habe meine Eltern nicht aus Kirtida verbannt, falls es das ist, was du denkst, Nalini.“

„Ich weiß nicht, was ich denken soll. Schließlich bin ich nicht vertraut damit, wie es nach einem Staatsstreich weitergeht.“

In seinen Augen flackerte ein undefinierbares Gefühl auf, und ihr wurde mulmig zumute. Das hätte ich jetzt nicht sagen sollen, ermahnte sie sich. Aber sie hatte auch keine Lust, sich den Rest ihres Lebens ständig auf die Zunge zu beißen. Oder zu gehorchen, nur weil man es von ihr erwartete! Nein, sie war nach Kirtida gekommen, um einem Leben unter ständigem Erwartungsdruck zu entkommen. Sie würde sich hier nicht mit einer anderen Version davon abfinden!

„Meine Eltern leben allerdings nicht in der Burg, nur in der Nähe“, erklärte Zacchaeus weiter und riss sie damit aus den Gedanken.

„Werde ich sie zu sehen bekommen?“

„Ich bin mir nicht sicher“, antwortete er gelassen. „Möglicherweise bleibt vor der Hochzeit nicht genug Zeit dafür.“

„Aber sie zu planen wird durchaus eine Weile dauern“, hielt sie dagegen.

„Sicher. Doch wir wollen schließlich nicht so tun, als wärst du nur hier, um das Fest vorzubereiten. Du bist auch deswegen auf Kirtida, weil ihr – du und deine Familie – wissen wollt, ob ich tatsächlich beabsichtige, die Dokumente für die Allianz zu unterzeichnen.“

Sie fragte ihn nicht, woher er das wusste. Stattdessen entschied sie sich für Ehrlichkeit.

„Du hast recht, Zacchaeus. Bis auf eins: Ich will es wissen, nur ich. Immerhin bin ich diejenige, die dich heiratet, um deine Unterschrift zu sichern.“

„Du hast mein Ehrenwort“, erwiderte er, und es klang aufrichtig. „Sobald ich mich mit König Xavier und Königin Leyna wegen der Schutzklauseln geeinigt habe, werden wir heiraten, und ich unterzeichne die Dokumente.“

„Und wenn ich dir das nicht glaube?“, fragte Nalini, denn eine innere Stimme warnte sie vor zu viel blindem Vertrauen.

Auf diese Stimme hatte sie damals als Teenager leider nicht gehört.

„Du bist doch hier, um herauszufinden, ob du mir vertrauen kannst. Dann tu das, Nalini.“

Nun wurde das Essen serviert, und sie brauchte vorerst nichts zu erwidern. Sie hätte auch nicht gewusst, was sie sagen sollte.

Sehr schnell zogen sich die Diener wieder zurück, und sie blieb erneut mit Zacchaeus allein.

„Was deine Angehörigen angeht“, begann er und griff nach seinem Weinglas, „hatten sie denn nichts dagegen, dass du hier bei mir die Hochzeit planen willst – statt von Mattan aus – und zugleich herausfinden willst, ob du mir trauen kannst?“

Fast hätte Nalini ihm jetzt die Wahrheit gesagt und zugegeben, dass ihre Mutter und ihre Großmutter gar nicht erfreut waren. Beide hielten sie für leichtsinnig und unbedacht. Das taten sie seit neun Jahren, obwohl sie sich so viel Mühe gegeben hatte, diese Einschätzung zu ändern.

Sogar Xavier dachte es anscheinend, dabei hätte sie Besseres von ihm erwartet.

Die Wahrheit war aber zu komplex, um gern daran zu denken – oder sie ihrem Verlobten zu enthüllen.

„Es macht Sinn“, antwortete Nalini. „Da die Hochzeit hier stattfindet, ist es doch eine logische Entscheidung, sie hier zu planen.“

„Triffst du immer logische Entscheidungen?“, fragte er skeptisch.

„Klingt es wie eine logische Entscheidung von mir, einen Mann zu heiraten, den ich kaum kenne?“, konterte sie.

Er lächelte verhalten. „Dann eben vernünftig.“

„Nein, das ist es auch nicht. Jedenfalls nicht für eine normale Person. Aber wir sind ja keine normalen Menschen, also ist es in dem Sinn sowohl logisch als auch vernünftig“, meinte sie. „Dein Volk hat positiv auf die Nachricht unserer Verlobung reagiert. Wenn sie jetzt sehen, dass die zukünftige Königin zusammen mit dem König die Hochzeit plant, wird es ihre Unterstützung dieser Heirat stärken.“

„So hast du es deiner Familie erklärt, und sie war einverstanden, dass du hierherkommst?“, fragte er.

Ihr wurde unbehaglich zumute. „Du fragst dich vermutlich, ob mein Bruder mich geschickt hat. Das hat er nicht. Tatsächlich war er gar nicht glücklich über meinen Entschluss.“

„Weil er befürchtet hat, ich könnte herausfinden, warum du wirklich hier bist?“, fragte Zacchaeus.

Nein, weil er mich immer noch für einen verantwortungslosen Teenager hält, antwortete Nalini im Stillen. Laut sagte sie: „Weshalb sollte er das befürchten? Es ist kein Geheimnis, dass wir wissen wollen, ob wir dir trauen können oder nicht.“

„Warum also wollte er nicht, dass du nach Kirtida kommst?“ Er ließ nicht locker.

„Wahrscheinlich, weil er mich dann nicht länger beschützen kann.“

„Xavier glaubt, du müsstest beschützt werden? Vor mir?“ Einen kurzen Augenblick lang sah er direkt unglücklich aus.

„Kannst du ihm das zum Vorwurf machen? Du hast ihn gezwungen, entweder mich oder sein Königreich zu schützen.“

„Und er hat sich für sein Reich entschieden.“

„Nein, ich habe mich für unser Königreich Mattan entschieden“, betonte sie. „Xavier wollte es gar nicht. Als Bruder hat er Bedenken, wenn seine Schwester einen Mann zu heiraten beabsichtigt, von dem nicht sicher ist, wie weit man ihm trauen kann. Aber er hat meinen Entschluss verstanden.“

„Warum bist du bereit, einen Mann zu heiraten, den du kaum kennst?“, wollte er wissen.

Ihr fielen sehr viele Antworten dazu ein, aber keine, die sie ihm hätte sagen wollen. „Du hast uns ja keine Alternative gelassen. Deine Aktionen in den letzten Monaten haben uns bewiesen, wozu du fähig bist. Als ich eben sagte, ich hätte mich entschieden, meinte ich das in dem Sinn, dass nicht Xavier die Entscheidung für mich getroffen hat. Aber ich hatte schließlich keine andere Wahl, wenn es um die Sicherheit unserer Reiche geht. Oder?“

Zacchaeus sah unglücklich aus. Dabei hatte er doch die jetzige Situation verursacht, ja, geradezu erzwungen!

„Richtig, es gibt keine Alternative dazu. Deshalb sind wir ja in der jetzigen Lage“, gab er zu.

„Weil Macoa mit Sanktionen gegen Kirtida gedroht hat?“, hakte Nalini nach.

Er nickte, führte es aber nicht weiter aus. Dabei hätte sie gern eine Erklärung bekommen, warum Macoa, ein bisheriger Verbündeter der Allianz, Drohungen ausstieß und das nach Jahren friedlicher Zusammenarbeit.

„Warum brauchst du überhaupt Schutz gegen Macoa? Als deine zukünftige Frau würde ich das gern wissen.“

„Es ist kompliziert“, antwortete er düster.

„Ich werde demnächst Königin deines Volkes, also kannst du ruhig auch komplizierte Dinge mit mir besprechen, die dein Reich betreffen.“

„Du bist noch nicht Königin. Wenn es so weit ist, werde ich dir alles sagen, was du wissen musst“, erwiderte er.

„Und das entscheidest du, richtig?“, erwiderte sie frustriert. „Dann sag mir wenigstens, warum ich hier bin.“

„Das weißt du doch, Nalini! Ohne unsere Ehe gibt es keine Garantie, dass Kirtidas Platz in der Allianz nicht durch Xaviers und Leynas Ehe unterminiert wird, die ein ganz neues und enges Band zwischen Mattan und Aidara knüpft.“

„Ich würde gern dein wahres Motiv erfahren“, sagte sie eindringlich. „Es gibt die Garantie erst, wenn du die Dokumente unterzeichnet hast.“

„Und das tue ich erst, wenn wir verheiratet sind. Oder hast du auf ein Schlupfloch gehofft? Weil du jetzt bei diesem Gespräch gemerkt hast, dass es ein Fehler von dir war, in die Verlobung einzuwilligen?“ Er lehnte sich vor. „Wünschst du dich vielleicht in die Sicherheit Mattans zurück?“

„Ich bin auch hier sicher“, erwiderte sie und blickte zur Tür, wo ihre Leibwächter postiert waren, die ihr als Königin von Kirtida weiterhin zu Diensten sein würden.

„Das habe ich nicht gemeint“, stellte Zacchaeus klar.

„Aha. Unsere Kommunikation wird wohl besser funktionieren, wenn du deutlich sagst, was du meinst, statt mich raten zu lassen“, empfahl sie ihm.

„Einverstanden. Also, Nalini, ich werde meinen Entschluss nicht ändern. Du wirst mich heiraten.“

Ihr wurde schwer ums Herz, aber sie zwang sich, ihrem Verlobten in die Augen zu sehen. Sie hatte sich für dieses Leben entschieden, nun musste sie mit dieser Entscheidung leben.

Als Teenager war sie so voller Hoffnung gewesen und hatte geglaubt, ein Mann – ein bestimmter junger Mann – würde ihr die Freiheit verschaffen, nach der sie sich so sehr sehnte. Diese Hoffnung war dann mit einem Schlag zerstört worden – und ihr hatte man das Herz gebrochen. Danach hatte sie keine eigenen Entscheidungen mehr treffen wollen.

Bis jetzt.

Sie war nicht länger das junge Mädchen, das auf Liebe hoffte und Freiheit suchte, das rebellierte und Fehler machte. Ihre Familie sah sie allerdings noch immer in diesem Licht, seit damals. Und was noch schwerer wog: Auch ihre Selbsteinschätzung hatte sich damals geändert.

Ihren Entschluss, Zacchaeus aus Staatsräson zu heiraten, hatte sie als Chance gesehen, für diesen Fehler Wiedergutmachung zu leisten und sich und ihrer Familie zu beweisen, dass sie mehr war als jemand, der keine Verantwortung übernehmen konnte.

Davon hatte sie ihre Angehörigen freilich noch nicht überzeugen können. Wenn sie nun hierblieb und tatsächlich die Ehe mit dem König von Kirtida einging, würde sie ihre Heimat retten. Dann würde ihrer Familie gar nichts anderes übrig bleiben, als in ihr einen verantwortungsbewussten Menschen zu sehen.

Ohne dass ich mich ständig bemühen muss, es zu beweisen, dachte Nalini.

2. KAPITEL

„Da unsere Heirat beschlossene Sache ist, sollten wir die Zeit bis dahin nutzen, um eine gute Basis für unsere Ehe zu schaffen“, sagte Nalini energisch. „Ein Fundament gegenseitigen Respekts.“

Zacchaeus betrachtete seine Verlobte nachdenklich. Mehr Zeit miteinander verbringen, um sich gegenseitig besser kennenzulernen? Das kam gar nicht infrage!

Obwohl er durchaus von Nalini fasziniert war.

Ihm war jedoch klar, dass sie ihn nicht nur heiratete, um ihre Heimat zu schützen. Ihre Zukunft wäre ein zu großes Opfer für die Sicherheit Mattans. Also musste Nalini noch ein weiteres Motiv haben.

Oder nicht? Immerhin tat er dasselbe und opferte sich für sein Reich.

„Stimmst du mir zu?“, fragte sie und blickte ihm in die Augen.

Kurz konnte er seinen Blick nicht abwenden, und fast hätte er sich hinreißen lassen, ihr zuzustimmen. Er stoppte sich noch rechtzeitig und zwang sich zur Konzentration.

Nur weil er sie gern betrachtete – ihre blaugrauen Augen, die vollen rosigen Lippen, die dunklen, glänzenden Locken mit einzelnen helleren Strähnen –, durfte er nicht vergessen, warum sie hier war.

Er hatte ihr schon zu viel verraten. Zum Beispiel, dass seine Eltern – besser gesagt, sein Vater – noch auf Kirtida lebten. Nalinis Frage, ob sie seine Eltern sehen könnte, hatte ihn in Panik versetzt. Doch das hatte er sich nicht anmerken lassen.

Wenn Nalini seinen Vater aufsuchte, würde sie merken, dass er krank war. Dann würde sie sich bestimmt nach seiner Mutter erkundigen und herausfinden, dass sie Kirtida schon vor zwei Monaten verlassen hatte.

Seine Verlobte würde irgendwie erfahren, dass der Staatsstreich nur vorgetäuscht worden war, um die Krankheit des alten Königs zu vertuschen, und dass die Königin Schuld an der Bedrohung für das Königreich Kirtida hatte.

Nein, ich darf mich durch ihre Schönheit nicht ablenken lassen, ermahnte Zacchaeus sich. Und befahl sich, immer daran zu denken, warum sie wirklich hier war. Auf keinen Fall, damit sie beide sich besser kennenlernten!

„Ich stimme dir zu, dass unsere Heirat wichtig ist.“ Er machte eine kurze Pause, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen. „Für das Wohl unserer beiden Reiche.“

„Aber nicht für unsere Beziehung?“

„Wir brauchen keine Zuneigung, um verheiratet zu sein“, erwiderte er schroff und dachte an seine Eltern, die ihm genau das vorgelebt hatten.

Nalini war mit dieser Antwort offensichtlich nicht glücklich. Sie quittierte sie mit einem Schweigen, das immer drückender wurde. Die Spannung zwischen ihnen stieg. Beide dachten gar nicht mehr ans Essen, das schon kalt geworden war.

„Wie sehen dann die kommenden Wochen für uns aus?“, fragte Nalini schließlich.

„Du bist unter dem Vorwand hier, die Hochzeit zu planen, also solltest du das auch tun“, empfahl er ihr.

„Allein?“

„Natürlich!“

„Und was machst du?“

„Ich verhandle mit deinem Bruder und deiner zukünftigen Schwägerin über die Schutzklausel“, informierte er sie.

„Du erwartest also von mir, dass ich mich die ganze Zeit mit der Festplanung beschäftige?“

„Ich habe dir mein Ehrenwort gegeben, dass ich die Dokumente unterzeichne, wenn die Zeit gekommen ist. Du brauchst meine Vertrauenswürdigkeit also nicht auf den Prüfstand zu stellen.“

„Stattdessen soll ich dir einfach blind glauben.“

„Ja.“

„Warum kannst du dann nicht dasselbe tun und mir glauben, dass ich dich auch heirate, wenn du vor der Eheschließung den Vertrag mit Mattan und Aidara unterschreibst?“

„Weil für mich mehr auf dem Spiel steht. Es geht um mein ganzes Königreich“, antwortete Zacchaeus und fügte im Stillen bedrückt hinzu: Und um das, was von meiner Familie noch übrig ist. „Da kann ich mich nicht nur auf dein Wort verlassen.“

„Hörst du dir eigentlich selber zu?“ Sie sah ihn starr an. „Hörst du nicht die Heuchelei in deinen Worten?“

Er zuckte, scheinbar ungerührt, die Schultern. „Du hast den Bedingungen zugestimmt, die ich bisher gestellt habe. Was du möchtest, hatten wir bisher nicht besprochen – und ich stimme nicht zu.“

Ihre blaugrauen Augen blitzten, und er fühlte sich, wie gegen seinen Willen, zu ihr hingezogen. Das konnte gefährlich werden …

„Ich soll also deinem Wort trauen, ohne zu wissen, ob ich auch dir trauen kann, Zacchaeus?“, fasste sie die Lage präzise zusammen.

„Und was, wenn du entdeckst, dass du das nicht kannst?“, konterte er. „Würdest du nach Mattan zurückgehen?“

Etwas flackerte in ihrem Blick. „Es würde zumindest die Lage ändern.“

„Ach, ja? Du würdest Xavier und Leyna erklären, dass du leider, leider die Hochzeit nicht durchstehen kannst und damit die ganze Allianz in Gefahr bringst?“

„Interessant, wie du die Dinge verdrehst. Du warst es doch, der die Allianz in Gefahr gebracht hat in dem Moment, als du den Thron okkupiert und dich anschließend geweigert hast, Xavier und Leyna zu treffen. Jetzt sind wir sozusagen deine Geiseln.“

Nalini hat recht, gestand Zacchaeus sich im Stillen ein. Daran durfte er aber nicht weiter denken, sonst würde er von seinen negativen Gefühlen überwältigt werden. Er musste sich stattdessen ganz auf Kirtidas Notlage fokussieren.

Wenn Macoa die angedrohten Wirtschaftssanktionen ausführte, würden die Weizenimporte eingestellt, die für die Bevölkerung von Kirtida überlebensnotwendig waren. Sie würden quasi ausgehungert werden. Dann wäre er gezwungen, den Forderungen Macoas nachzugeben.

Das würde seinen Vater umbringen.

Dieser Weg war also keine Option.

„Ich werde so oder so bei meinem Entschluss bleiben, dich zu heiraten“, sagte Nalini nun, mit etwas weniger Nachdruck als vorher. „Aber ich würde mich besser fühlen, wenn du vorher mehr Zeit mit mir verbringen würdest. Daher frage ich dich noch einmal: Wirst du das tun?“

„Ich bin der König. Ich habe keine Zeit.“

„Nimm sie dir!“, beharrte sie. „Um die Frau kennenzulernen, die bald an deiner Seite sein wird, während du dein Reich regierst.“

Er hätte so gern Ja gesagt! Etwas an ihr weckte in ihm das Bedürfnis, ihr jeden Wunsch zu erfüllen – und keine Geheimnisse vor ihr zu haben.

Zum Beispiel die Krankheit seines Vaters, die Flucht seiner Mutter und das Chaos, das sie ihm damit hinterlassen hatte, und das er nun aufräumen musste.

Aber gerade wegen dieser Geheimnisse durfte er nicht Ja sagen.

Egal, wie sehr Nalinis bittender Blick und ihre Schönheit ihm zu Herzen gingen!

„Tut mir leid, Nalini, ich kann dir nicht zustimmen“, wies er sie ab.

Also will Zacchaeus keine Zeit mit mir verbringen, dachte Nalini traurig.

Sie fühlte sich zurückgestoßen. Als Person. Aber sie würde jetzt nicht weiter darum betteln, dass er ihr zukünftig mehr Gesellschaft leistete!

„Ich soll also deiner Meinung nach meine gesamte Zeit damit verbringen, die Hochzeit zu planen?“, fragte sie kühl.

„Meine Sekretärin wird dir eine Liste zusammenstellen mit Dingen, die du auf Kirtida unternehmen kannst“, versprach er ihr. „Vor lauter Aktivitäten wirst du gar nicht merken, dass du allein bist.“

Autor

Therese Beharrie
<p>Autorin zu sein war immer Therese Beharries Traum. Doch erst während ihres letzten Studienjahres, als der Arbeitsalltag in einem Unternehmen bereits auf sie wartete, wurde ihr klar, dass sie diesen Traum bald zur Wirklichkeit machen wollte. Also machte sie sich ernsthaft ans Schreiben. Inzwischen verdient sie tatsächlich ihren Lebensunterhalt mit...
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