Wenn die Liebe nie vergeht

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Floras große Liebe Conner MacNeil ist zurück auf Glenmore Island! Und aus dem jugendlichen Draufgänger von einst ist ein wirklich guter Arzt geworden. Als er Flora endlich küsst, scheinen alle ihre Mädchenträume wahr zu werden. Nur warum wendet Conner sich danach so brüsk von ihr ab?


  • Erscheinungstag 10.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751505055
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Alle starrten ihn an.

Er konnte die Blicke auf seinem Rücken spüren, während er an der Reling der Fähre stand, die Beine leicht gespreizt, um den Wellengang abzufedern. Er schaute zu der Küstenlinie hinüber, die langsam größer wurde.

Das Geraune und die argwöhnischen Blicke verfolgten ihn, seit er mit seinem Motorrad auf die Fähre gefahren war, von der Sekunde an, als er den Helm abnahm und sie sein Gesicht sehen konnten.

Unter den Passagieren befanden sich auch mehrere Touristen, die ein paar Urlaubstage in der wilden Natur und der rauen Landschaft der schottischen Insel Glenmore verbringen wollten, aber die meisten waren Einheimische.

Und die Einheimischen wussten, wer er war. Selbst nach zwölf Jahren Abwesenheit hatten sie ihn gleich wiedererkannt – so wie er sich an jeden von ihnen erinnerte.

Ihre Gesichter hatte er in seinem Unterbewusstsein gespeichert, die wie Narben auf seiner Seele lagen.

Vielleicht hätte er sie begrüßen sollen. Die Inselbewohner waren gesellige Menschen. Ein Lächeln oder ein „Hallo“ hätte vielleicht der erste Schritt einer Annäherung sein können. Aber sein Mund war zu einem Strich zusammengepresst, und seine Augen strahlten eine eisige Kälte aus.

Das war der Kern des Problems. Nachdenklich musterte er die schroffen Felsen, die die Küstenlinie der Insel seit Jahrtausenden umrahmten. Er war ein Einzelgänger, und es kümmerte ihn nicht, was sie über ihn dachten. Die Meinung der anderen hatte ihn nie interessiert. Und er hatte sich nie zu ihnen zugehörig gefühlt, obwohl er auf der Insel geboren war, die ihm in den ersten achtzehn Jahren seines Lebens wie ein Gefängnis vorkam.

Nun fielen vereinzelt schwere Regentropfen vom bleigrauen Himmel und trieben die Passagiere unter Deck. Er aber blieb an der Reling stehen, während er auf die Felsenküste starrte, die im Regen nur noch verschwommen zu sehen war. Die Insel hatte in ihrer Geschichte grausame Zeiten erlebt, als die Wikinger sie eroberten und eine Schreckensherrschaft errichteten.

Die Bewohner der Insel glaubten, dass Glenmore eine Seele habe, eine Persönlichkeit. Sie waren davon überzeugt, dass die ständig wechselnde Witterung dort Ausdruck ihrer Stimmungsschwankungen sei.

Mit einem zynischen Lächeln sah er zum Himmel empor. Wenn an der Meinung der Inselbewohner etwas dran war, dann hatte der Felsbrocken heute ausgesprochen schlechte Laune.

Als die Fähre sich der Hafenbucht näherte, drängten sich ihm die Erinnerungen an seine Jugend auf. Erinnerungen an wilde Jugendjahre, an Zorn und Trotz. Seine Vergangenheit war eine endlose Kette von missachteten Vorschriften, bewussten Grenzverletzungen, ausgelebten Untugenden und zu vielen verführten Mädchen. Und das alles hatte eine Atmosphäre öffentlicher Missbilligung geschaffen, die immer feindseliger geworden war.

Bitter lachte er auf, als er an die bedrückende Situation in seinem Elternhaus dachte. Sein Vater war nicht einmal in der Lage gewesen, mit sich selbst fertig zu werden. Um den Sohn hatte er sich nicht gekümmert. Als die Mutter schließlich ohne Abschied wegging, war der Sohn so selten wie möglich nach Hause gekommen.

Während die Fähre anlegte, war aus dem Regen ein Wolkenbruch geworden. Er klappte den Kragen seiner Lederjacke hoch und ging zu seinem Motorrad hinüber. Er hätte den Helm aufsetzen und so den feindseligen Blicken entgehen können. Aber stattdessen drehte er sich zu den gaffenden Leuten um, als wollte er ihnen Gelegenheit geben, sich noch einmal sein Gesicht einzuprägen. Ja, er wollte, dass sie ganz genau wussten – er war wieder da!

Mit einer geschmeidigen Bewegung schwang er seinen durchtrainierten, athletischen Körper auf das Motorrad. Einen Moment lang traf sich sein Blick mit dem des Skippers. Er wusste genau, was der alte Jim in diesem Augenblick dachte – dass der Ärger an diesem Morgen auf die Insel zurückgekehrt war. Die Nachricht würde sich in Windeseile verbreiten. Wie zur Bestätigung schnappte er ein paar Fetzen der Unterhaltung der Leute auf. Arrogant, wild, unmöglich, genau wie früher. Aber er sieht verdammt gut aus …

Er lächelte, als er den Helm auf den Kopf drückte. Zum Glück gab es eine Menge Frauen, die arrogante, wilde, unmögliche und gut aussehende Männer mochten.

Er wusste, was als Nächstes geschehen würde. Die Neuigkeit von seiner Ankunft würde schnell die Runde machen. Noch bevor dieser Tag vorbei war, würde jeder Bewohner der Insel wissen, dass Conner MacNeil mit der Morgenfähre angekommen war.

Der „böse Junge“ war wieder zurück.

1. KAPITEL

„Das Wartezimmer ist bis auf den letzten Platz voll. Und dann haben noch fünf Patienten um einen Hausbesuch gebeten.“ Flora legte Logan ein Rezept zum Unterzeichnen auf den Schreibtisch. Er sieht müde aus, dachte sie. „Ich habe mit allen am Telefon gesprochen und hatte nicht den Eindruck, dass einer von ihnen ernsthaft krank ist. Also habe ich sie überzeugt, herzukommen. Das erspart dir bei diesem Wetter, auf der Insel herumzufahren.“

Logan schaute auf das Rezept. „Ohrentropfen?“

„Für Pam King. Sie hat eine Infektion. Ihr Gehörgang ist verstopft, aber die Tropfen werden ihr helfen. Ich habe mir erlaubt, einige der Patienten selbst zu untersuchen, damit die Liste für dich nicht zu lang wird. Natürlich nur diejenigen, die leichte Beschwerden haben.“

„Flora Harris, du bist ein Phänomen.“ Logan unterschrieb das Rezept. „Dass ich dich überzeugen könnte, bei mir in der Praxis als Krankenschwester zu arbeiten, war das Beste, was mir je eingefallen ist. Als Kyla und Ethan gekündigt hatten und ich plötzlich ohne Krankenschwester und zweiten Arzt dastand, dachte ich, das wäre das Ende.“

„Ich kann das Problem aber nicht völlig lösen. Du musst unbedingt bald einen Arzt finden, der Ethan ersetzt. Wie steht es mit der Suche?“

„Frag mich nach dem Mittagessen noch einmal. Dann kann ich vielleicht mehr sagen. Ich erwarte einen Bewerber mit der Morgenfähre.“

„Oh, das ist ja fantastisch“, seufzte Flora erleichtert. „Ist sie oder er gut?“

„Es ist ein Mann. Und er ist hervorragend qualifiziert.“

Erwartungsvoll sah Flora Logan an. „Und …?“

„Was ‚und‘?“

„Willst du mir nicht mehr über unseren neuen Kollegen verraten?“

„Nein.“ Logan tippte etwas in die Tastatur seines Computers und schaute angestrengt auf den Bildschirm. „Wie gefällt dir eigentlich Glenmore?“, wechselte er abrupt das Thema. „Ich habe dich noch gar nicht danach gefragt, obwohl du jetzt schon länger als einen Monat hier bist. Ist alles in Ordnung? Du hast Evannas Strandhaus gemietet, stimmt’s?“

Haben wir nicht eben noch über den neuen Arzt gesprochen?, wunderte sich Flora. Warum wich Logan ihr aus?

„Oh, ja, Evannas Haus … es ist fantastisch dort. Von meinem Bett aus kann ich das Meer sehen. Aber wem erzähle ich das? Schließlich bist du mit Evanna verheiratet und kennst das Haus vermutlich viel besser als ich.“

„Ich war nicht sehr oft dort“, gestand er. „Und Evanna ist nach der Hochzeit zu mir gezogen, weil wir dort einfach mehr Platz haben. Aber zurück zu dir. Unterscheidet sich die Arbeit hier sehr von deinem letzten Job in Edinburgh?“

„Nicht wirklich. Nur dauert hier alles doppelt so lange, weil die Leute auf Glenmore sich so gern unterhalten.“ Flora zuckte ein wenig ratlos die Achseln. „Ich habe immer das Gefühl, die Zeit läuft mir davon.“

Conner parkte sein Motorrad vor der Praxis und nahm den Helm ab. Der Regen hatte aufgehört, und gelegentlich wagte sich die Sonne zwischen den Wolken hervor. Es war Juli, aber immer noch wehte ein frischer Wind.

Er klemmte sich den Helm unter den Arm und trat in die Empfangshalle der Praxis. Gut gemacht, Logan, dachte er nach einem schnellen Blick in die Runde. Einfache, klare Linien und helle Farben. Viel Licht.

Schon zu dieser frühen Stunde war das Wartezimmer bereits gut besetzt. Als er vorbeiging, wandten sich ihm alle Blicke zu. Er sah, wie die Augen der meisten sich überrascht weiteten.

Ohne sich etwas anmerken zu lassen, ging er am Empfang vorbei zum gegenüberliegenden Behandlungszimmer. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und eine Frau kam heraus. Als sie ihn sah, blieb sie wie angewurzelt stehen und starrte ihn mit offenem Mund an.

„Conner MacNeil!“ Ihre Stimme klang schrill und brach plötzlich ab. Er schaute sie an, zog eine Augenbraue hoch und registrierte mit einem süffisanten Lächeln ihre Verwirrung.

Wenn es noch irgendeinen Zweifel hätte geben können, wie die Einheimischen auf seine Rückkehr reagierten, dann wusste er jetzt Bescheid.

„Mrs. Graham.“ Seine Stimme klang kühl und beherrscht. Er wollte schon an ihr vorbeigehen, hielt aber im letzten Moment inne und drehte sich um. „Ich hoffe, Ihr wundervoller Garten blüht und gedeiht. Wenn ich mich recht erinnere, war er im Juli immer besonders schön.“

Er hörte, wie sie geschockt nach Luft schnappte. Ja, natürlich erinnerte sie sich wieder an den Nachmittag, als er zum letzten Mal in ihrem Garten gewesen war. Und er erinnerte sich an ihre Tochter …

Mit einem Lächeln auf den Lippen ging er weiter und trat ohne anzuklopfen in das Behandlungszimmer.

„Conner.“ Logan erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. „Es ist verdammt lange her …“

„Für einige hier offenbar nicht lange genug“, murmelte Conner. Er war sicher, dass Mrs. Graham immer noch geschockt und wütend auf die Tür starrte, die er hinter sich geschlossen hatte. „Bereite dich auf einiges vor, Logan. Die Einwohner von Glenmore sind gerade dabei, ihre Messer zu wetzen.“ Er nahm die ausgestreckte Hand und schüttelte sie.

„Dann hat Kate Graham dein Gesicht gleich wiedererkannt? Das wundert mich, denn du warst, wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, splitternackt, als sie dich das letzte Mal sah.“

Conner merkte, dass ihn schon wieder der Teufel ritt. „Sie konnte nur mein Gesicht sehen, weil ihre Blumen so hoch standen.“

Logan lachte laut auf. „Ich jedenfalls freue mich außerordentlich, dass du hier bist. Du siehst gut aus, Conner.“

„Ich wollte, ich könnte das Kompliment zurückgeben“, meinte Conner nach einem prüfenden Blick auf sein Gegenüber. „Du warst auch schon mal fitter. Das Leben als Inseldoktor scheint dir nicht zu bekommen. Warum suchst du dir nicht einen ruhigeren Job?“ Sein Lächeln zeigte, dass die Bemerkung nicht ganz ernst gemeint war. Conner wusste, was für großartige Arbeit sein Vetter leistete und wie wichtig er für die Insel war.

„Das Leben hier gefällt mir immer noch. Ich habe nur das Problem, geeignete Mitarbeiter zu finden.“ Logan fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Die Lage ist schwierig, seit Kyla und Ethan gleichzeitig weggingen.“

„Ich hätte nie gedacht, dass Kyla die Insel jemals verlassen würde“, meinte Conner.

„Sie hat einen Engländer geheiratet … und der wollte nicht hier leben.“

„Pech für dich.“

Logan nickte. „Für Kyla habe ich Ersatz gefunden. Und wenn du zu uns kommst, sollte es keine Probleme mehr geben.“

„Warte ab, wie die Leute auf der Insel reagieren, wenn sie hören, was du planst. Die Buschtrommeln werden bereits voll im Gange sein.“

„Stimmt. Ich hatte schon die ersten Anrufe, noch bevor du hier warst.“ Logan trank einen Schluck Kaffee. „Du hast wirklich einen bleibenden Eindruck auf die Leute gemacht, das muss man dir lassen. Was hast du heute Morgen auf der Fähre angestellt?“

„Ich war nur an Bord, sonst nichts, aber das genügte wohl.“ Conner setzte sich und streckte die Beine aus. „Es wird einen Aufstand geben. Wenn Blicke töten könnten, wäre ich jetzt bereits im Leichenhaus.“

„Am besten achtest du gar nicht darauf. Du weißt doch, wie die Einwohner sind … jede Änderung ihres gewohnten Lebens ist ihnen suspekt. Hier, lies das und unterschreibe. Es ist nur eine Formalität.“

„Du weißt, wie ich das hasse“, meinte Conner, während er etwas angewidert auf den Stapel eng beschriebener Seiten schaute, den Logan ihm hinüberreichte. „Das Leben ist viel zu kurz, um das alles durchzulesen. Was kann da schon drinstehen? Conner MacNeil darf nicht stehlen, Unruhe stiften oder auf irgendeine andere Weise die Bewohner von Glenmore belästigen.“

„Genau das. Und dass ab jetzt alle Frauen unter dreißig auf der Insel besonders wachsam sein sollten.“ Logan schmunzelte, als er Conner einen Kugelschreiber reichte. „Hier … du musst auf der Rückseite unterschreiben.“

„Wieso nur Frauen unter dreißig? Ich habe mich immer gern überraschen lassen.“ Conner griff nach dem Kugelschreiber und unterzeichnete schwungvoll am Fuß der letzten Seite.

„Interessiert dich gar nicht, was du da unterschreibst?“

„Ich nehme an, ein Haufen Vorschriften und Bestimmungen.“

„Und du hast trotzdem unterschrieben? Ich dachte immer, du hasst nichts mehr als Vorschriften …“

„Stimmt, aber ich vertraue dir. Bewundernswert, was du hier auf der Insel geleistet hast.“ Conner gab Logan die Papiere zurück. „Ich verspreche dir, alles für meine Patienten zu tun. Aber ich kann nicht garantieren, dass ich mich immer an alle Regeln und Vorschriften halte.“

Logan steckte die Papiere in einen Umschlag. „Das tue ich oft auch nicht, denn dann käme ich zu nichts. Ich freue mich jedenfalls, dass du hier bist.“

„Die meisten denken nicht so, wenn ich den Ausdruck auf ihren Gesichtern richtig einschätze. Anscheinend hast du sie nicht vorgewarnt.“

„Nein. Ich wollte erst mal sicher sein, dass du wirklich kommst. Aber jetzt bist du tatsächlich hier. Also können wir die Einwohner von Glenmore mit der Neuigkeit beglücken. Wie ist es dir inzwischen ergangen?“ Logan zögerte einen Moment. „Es muss hart für dich gewesen sein …“

„Zurückzukommen? Wieso meinst du das? Du weißt, dass ich diese Insel immer geliebt habe.“

Logan überhörte den Sarkasmus, während er seinen Vetter nachdenklich anblickte. „Nein, ich meine, die Army zu verlassen.“

Die Army.

Conner gestand sich ein, dass er keinen Gedanken an seine Jahre als Militärarzt verschwendet hatte, seit er auf die Fähre gegangen war. Die Erinnerung an die früheren Jahre auf Glenmore hatten seine Gedanken beherrscht.

„Es war kein Problem für mich, die Army zu verlassen“, stieß er hervor. „Ich neige nicht zu sentimentalen Rückblicken, wenn ich eine interessante Zukunft vor mir sehe.“

„Wirst du das Haus verkaufen?“

„Du redest nicht lange um die Dinge herum, was?“ Conner erhob sich und ging im Raum auf und ab. „Ja“, antwortete er schließlich, während er sich zu seinem Vetter umwendete. „Warum sollte ich es behalten?“

„Du hättest einen Platz auf Glenmore, der dir gehört.“

„Wozu sollte ich den haben wollen? Die Einheimischen halten dich sowieso für verrückt, dass du ausgerechnet mich als Aushilfe engagierst, und werden froh sein, wenn ich wieder weg bin.“

„Sie wären weniger schockiert, wenn du ihnen sagen würdest, was du alles gemacht hast, seit du vor Jahren von der Insel verschwunden bist.“

„Mich hat noch nie interessiert, was die anderen denken.“

„Ich wünschte, Flora hätte dieselbe Einstellung. Ihre Untersuchungen dauern doppelt so lange wie nötig, weil sie die Leute nicht gern unterbricht, wenn sie erzählen.“

„Flora?“

„Meine neue praktizierende Krankenschwester. Sie hat die Ausbildung, die ihr eigenständige Untersuchungen und Behandlungen erlaubt. Ich habe sie als Ersatz für Kyla eingestellt.“

„Flora Harris“, meinte Conner versonnen. „Die Tochter von Ian Harris, dem Inselanwalt? Und Nichte unserer verehrten Schuldirektorin?“

Vor Conners innerem Auge tauchte das Bild eines schüchternen und völlig unschuldigen Teenagers mit lockigem, dunklem Haar und sanften braunen Augen auf.

Logan kniff die Augen zusammen. „Du hast doch damals nicht mit ihr …?“

„Nein, sie hatte Glück, dass es so viele andere Mädchen gab, die experimentierfreudiger waren. Ich glaube, das Wort Sex war für sie noch ein Fremdwort.“

„Sie ist nicht prüde, nur zurückhaltend.“

„Jedenfalls war sie nicht der Typ Mädchen, der Jungs wild machen konnte.“ Conner versuchte, seine verspannten Schultern zu lockern. „Es überrascht mich nicht, dass sie Krankenschwester geworden ist. Sie hätte auch Bibliothekarin werden können. Weiß sie, wen du als Aushilfe engagiert hast?“

„Noch nicht.“

„Sie wird nicht begeistert sein.“

„Selbst wenn es so wäre, würde sie das nie sagen. Flora ist sehr nett, sehr freundlich und wohlerzogen.“

„Und ich bin gar nicht nett, unfreundlich und schlecht erzogen. Ich wette, wenn sie von mir erfährt, wird sie dir sofort erzählen, wie ich damals den Chemiesaal in die Luft gejagt habe.“

„Das hatte ich ganz vergessen.“ Fragend sah Logan Conner an. „Was hast du damals benutzt – Pottasche?“

„Nein, das Zeug war zu gefährlich, das gab es in der Schule nicht. Aber Soda tat es auch.“

„Das hätte in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt werden müssen.“

„Das wurde es auch.“

Logan lachte auf. „Es wundert mich, dass sie dich nicht von der Schule verwiesen haben.“

„Mich auch. Sehr frustrierend. Dabei habe ich mir so viel Mühe gegeben.“ Conner grinste. „Also werde ich mit Flora zusammenarbeiten. Der Job gefällt mir von Minute zu Minute besser.“

„Sie ist eine hervorragende Krankenschwester. Sie hat längere Zeit in Edinburgh gearbeitet, aber vor einem Monat konnte ich sie überreden, nach Glenmore zurückzukommen. Und jetzt bist du auch wieder hier. Ich glaube, das Beste wäre, wir würden den Einwohnern hier ehrlich sagen, was du in den letzten Jahren gemacht hast.“

„Das geht sie nichts an.“

Logan seufzte. „Ich verstehe nicht, warum du dich weigerst, die Leute wissen zu lassen, dass du alles andere als ein böser Junge bist.“

„Das wird ein hartes Stück Arbeit für dich, wenn du Flora, Mrs. Graham und die anderen Inselbewohner davon überzeugen willst.“ Conner drehte sich mit einem skeptischen Lächeln um. „Die glauben doch alle, dass ich ein durch und durch verdorbener Kerl bin.“

„Lass ihnen Zeit, dich besser zu verstehen. Wann kannst du bei uns anfangen?“

„Das kommt darauf an, ab wann du miterleben willst, dass dein Wartezimmer nur noch schwach besetzt ist.“ Conner knöpfte seine Lederjacke auf. „Ich fürchte, wenn sie erst erfahren, wer der neue Arzt ist, werden sie es vorziehen, ihre Wehwehchen zu Hause selbst zu kurieren. Du wirst mir also mein Honorar dafür bezahlen müssen, dass ich den Tag mit den Füßen auf dem Schreibtisch vertrödele.“

„Unsinn. Du weißt genauso gut wie ich, dass die Frauen von Glenmore Schlange stehen werden, um sich von dir behandeln zu lassen.“ Logan wurde wieder ernst. „Sag ihnen die Wahrheit über dich, Con, bitte.“

„Ich lege keinen Wert darauf, verstanden zu werden. Der Unterschied zwischen uns beiden war immer, dass du von Natur aus ein netter Bursche bist. Und ich nicht. Dass du dir Gedanken ihretwegen machst. Ich nicht.“

„Warum bist du dann hier?“

„Bestimmt nicht, weil ich plötzlich mein Herz für die Leute entdeckt habe.“ Er verzog das Gesicht. „Ich bin hier, weil du mich gerufen hast. Lassen wir es dabei.“ Über alles andere wollte er jetzt nicht nachdenken.

Er schaute zu einer Fotografie hinüber, die an der Wand hing. „Sieh mal an, die kleine Evanna Duncan. Seid ihr zwei zusammen?“

„Sie heißt jetzt Evanna MacNeil.“ Logans Stimme war kühler geworden. „Ich habe sie vor einem Jahr geheiratet. Und wenn du das Foto noch länger mit diesem merkwürdigen Gesichtsausdruck anstarrst, wirst du feststellen, dass ich nicht nur nett sein kann.“

„Verheiratete Frauen waren nie mein Fall, wie du weißt.“ Conner drehte sich um und sah seinen Vetter an. „Sie hat dich schon damals angehimmelt. Habt ihr Kinder?“

„Evanna bekommt ihr erstes Kind in ungefähr fünf Wochen. Aber ich habe noch eine Tochter aus meiner ersten Ehe, Kirsty, sie ist zwei Jahre alt.“

„Dann bist du ja ein richtiger Familienvater.“ Conner sah, wie sich Logans Gesicht verdüsterte.

„Und was ist mit dir? Eine Frau? Kinder?“

„Fragst du mich das allen Ernstes?“

„Ich hatte nur die Hoffnung, dass du die weibliche Bevölkerung von Glenmore den Sommer über nicht zu sehr in Aufruhr versetzt. Übrigens – keine Techtelmechtel am Arbeitsplatz. Das wäre gegen alle Standesregeln.“ Logan erhob sich. „Du kannst das Behandlungszimmer schräg gegenüber nehmen. Willst du dich frisch machen, rasieren und dich umziehen, bevor du anfängst?“

„Und die Gelegenheit verpassen, die Leute noch mal richtig zu schocken? Nein, nein, ich bleibe, wie ich bin.“

„Ich habe Janet, unserer Empfangsdame, schon gesagt, dass sie Patienten zu dir schicken soll. Musst du noch etwas wissen, bevor du anfängst?“

„Ja“, meinte Conner, als er die Klinke schon in der Hand hielt. „Wenn ich keine Patientinnen verführen darf, wie soll ich dann der Langeweile auf Glenmore entkommen?“

„Ab und zu mal eine Runde Golf wäre für dich vermutlich keine Alternative?“

„Nein.“

„Dachte ich mir. Aber ich bin mir sicher, du wirst die Zeit trotzdem gut überstehen.“ Logan lachte. „Tu mir nur den Gefallen, dich von Mrs. Grahams Garten fernzuhalten.“

Sie musste ganz schnell mit Logan reden.

Flora huschte über den Korridor und klopfte leise an seine Tür. Ohne seine Aufforderung abzuwarten, trat sie ein und prallte gegen einen großen, dunkelhaarigen Mann. Während sie taumelte, hatte sie das Gefühl, gegen einen Felsbrocken gelaufen zu sein, aber der Mann streckte die Hand aus und hielt sie fest. Rasch griff sie nach ihrer Brille, die ihr fast von der Nase gerutscht war.

„Oh, tut mir leid“, stammelte Flora. „Ich wusste nicht, dass du einen Patienten hier hast, Logan.“

„Hallo, Flora.“ Die tiefe, männliche Stimme kam ihr beängstigend bekannt vor, sodass sie sich umdrehte.

„Oh.“ Ihr Herzschlag setzte fast aus, und ihre Knie wurden weich. Logans Stimme drang wie durch Watte an ihr Ohr.

„Du erinnerst dich doch an meinen Vetter Conner, Flora?“

Ob sie sich an ihn erinnerte? Natürlich tat sie das. Sie war zwar etwas kurzsichtig, aber immerhin eine Frau. Und egal, wie viele Herzen er gebrochen hatte, keine Frau, die jemals Conner MacNeil getroffen hatte, würde ihn vergessen.

Und sie ganz bestimmt nicht.

Autor

Sarah Morgan

Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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Sarah Morgan

Sarah Morgan ist eine gefeierte Bestsellerautorin mit mehr als 18 Millionen verkauften Büchern weltweit. Ihre humorvollen, warmherzigen Liebes- und Frauenromane haben Fans auf der ganzen Welt. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von London, wo der Regen sie regelmäßig davon abhält, ihren Schreibplatz zu verlassen. Manchmal sitzt Sie...

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