Wette verloren - Liebe gewonnen?

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„Sie könnten doch meine Verlobte spielen.“ Was für ein unverschämter Kerl! Zuerst denkt Krissy gar nicht daran, Jonas Boyden zu einem Familientreffen zu begleiten und seinen Ring zu tragen. Nur damit er eine Wette um einen Oldtimer gewinnt, die er mit seinem Bruder abgeschlossen hat! Doch je länger sie in Jonas‘ leuchtend blaue Augen schaut und sein freches Lachen hört, desto verführerischer erscheint ihr diese pikante Idee. Bis sie impulsiv Ja sagt – und es plötzlich um viel mehr als um einen alten Rennwagen geht: um ihr unschuldiges Herz …


  • Erscheinungstag 08.03.2022
  • Bandnummer 052022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509558
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Noch immer fühlte es sich an, als könnte Tante Jane jeden Moment in das winzige, vollgestopfte Büro von „Amors Pfeil – die himmlische Partnervermittlung“ zurückkehren, um sich weiter der aufgeschlagenen Kundenakte auf ihrem Schreibtisch zu widmen.

Zweifellos war das auch ihre Absicht gewesen …

Krissy Clark setzte ihre Lesebrille auf und betrachtete das an den Anmeldebogen geheftete Foto. Es zeigte einen glatzköpfigen, bebrillten Mann in den Sechzigern. Sein schüchternes Lächeln war so verflixt hoffnungsvoll, aber darauf konnte sie jetzt keine Rücksicht nehmen. Sie brauchte lediglich seine Telefonnummer, um ihn über die aktuelle Situation zu unterrichten.

„Na los, ruf ihn an“, ermunterte sie sich laut. Mit irgendjemandem musste sie schließlich anfangen. Auf der Suche nach seinen Kontaktdaten glitt ihr Blick über das Formular und blieb an der ersten Frage hängen:

Was tun Sie, um Spaß zu haben? (Bitte keine Anzüglichkeiten ).

Krissy klappte die Mappe wieder zu. Sie wollte nicht wissen, was – sie las den Namen auf dem Aktendeckel – was dieser Alexandro Helinski tat, um sich zu amüsieren. Vor drei Tagen war ihre Tante bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und sie befand sich immer noch in einer Art Schockstarre.

Es war ganz in der Nähe passiert, nur ein paar Meter die Straße hinauf. Tante Jane wollte gerade die Straßenseite wechseln, als ein Wagen mit stark überhöhter Geschwindigkeit um die Ecke geschossen kam. Sie war sofort gestorben.

Mit sechsundsechzig Jahren!

Der Gedanke an die vielen guten Jahre, die ihre Tante noch vor sich gehabt hätte, schnürte Krissy die Kehle zu, aber sie durfte jetzt nicht schwach werden. Es gab jede Menge praktische Dinge, die erledigt werden mussten. Die sie erledigen musste – obwohl sie noch nicht einmal wusste, was sie mit Tante Janes Asche machen sollte.

Verstreu’ sie an dem Ort, den ich am meisten liebe, hätte ihre Tante gesagt, aber alles, was Krissy dazu einfiel, war Macy’s, der Laden, in dem Jane am liebsten shoppen gegangen war.

Okay, diese Entscheidung konnte noch ein bisschen warten. Am dringendsten war es jetzt, Janes Kundschaft zu informieren und zu klären, ob noch Rückzahlungsansprüche bestanden. Wenn sie es nicht schaffte, bis zum Ende der Woche alle Akten zu schließen und das Büro zu räumen, würde auch noch die Miete für den nächsten Monat von dem mageren Firmenkonto abgebucht werden, das Krissy treuhänderisch verwaltete.

Die Umsatzzahlen von „Amors Pfeil“ legten die Schlussfolgerung nahe, dass ihre Tante aus reinem Idealismus gearbeitet hatte. Und genau darum konnte – und wollte! – Krissy die Agentur nicht übernehmen. Ganz abgesehen davon, dass sie mit ihrem derzeitigen Leben vollkommen zufrieden war, fehlte ihr dieser Idealismus. Sie glaubte nicht an die Liebe. Jedenfalls nicht an diesen rosaroten Traum vom ewigen Glück, den ihre Tante verkauft hatte.

Sie glaubte auch an die meisten anderen Dinge nicht, die Janes Weltsicht geprägt hatten: Horoskope, Kartenlegen, Hellseherei, Reinkarnation, das Leben nach dem Tod. Und doch hatte Krissy ihre Tante heiß und innig geliebt. Jane hatte den Mut gehabt, ganz und gar sie selbst zu sein, auch wenn der Rest der Familie sie deswegen für verrückt hielt – was sie letztendlich zur einzigen Vernünftigen in dem ganzen Haufen gemacht hatte.

Mit einem Blick auf das Telefon stellte Krissy fest, dass auf der Mailbox zweiundvierzig Nachrichten eingegangen waren. Du lieber Himmel, so viele bekam sie nicht einmal in einem Jahr! Vielleicht sollte sie zuerst das Band abhören, bevor sie ihre Anrufaktion startete.

Zögernd verharrte ihr Zeigefinger über der Wiedergabetaste. „Hallo Tantchen“, murmelte sie halblaut vor sich hin. „Wenn du mich hören kannst, gib mir ein Zeichen.“

Ein Zeichen wofür?

Dass es ihr – auf welche Weise auch immer – gut ging?

Dass der Tod kein Schlusspunkt war, sondern nur ein Übergang?

Dass der einzige Mensch, von dem Krissy sich wirklich geliebt und unterstützt gefühlt hatte, nicht wirklich weg war?

Schluss jetzt mit dem Unsinn! schalt sie sich verärgert. Sie hatte während ihres Lehramtsstudiums Naturwissenschaften als Hauptfach belegt, weil sie an Fakten glaubte. An unverrückbare Gesetzmäßigkeiten mit festen Regeln und vorhersehbaren Ergebnissen.

Bisher war sie mit dieser Einstellung ausgesprochen gut gefahren. Seit zwei Jahren unterrichtete sie an einer Vorschule, und sie war stolz darauf, dass sie in diesem Hexenkessel aus Chaos und Emotionen noch nicht einmal die Nerven verloren hatte. In ihrem Privatleben lief ebenfalls alles bestens. Vor einigen Monaten hatte sie sich ein eigenes kleines Haus gekauft, und seit Kurzem besaß sie sogar einen Hund.

Okay, das war vielleicht nicht alles, was sie sich von ihrem Leben erträumt hatte, aber …

Ein plötzliches Klopfen ließ Krissy erschrocken zusammenfahren. Dann musste sie über sich selbst lachen. Für einen Moment hatte sie tatsächlich geglaubt, es wäre ihre Tante.

Während ihr das Herz noch bis zum Hals schlug, klopfte es erneut, diesmal um einiges nachdrücklicher.

Und es kam nicht aus einer himmlischen Sphäre, sondern direkt vom Eingang!

Als Krissy den Kopf hob und die Gestalt hinter der Türverglasung sah, überlief sie von Kopf bis Fuß ein Zittern. Dabei blickte ihr keineswegs der Geist ihrer toten Tante entgegen, sondern ein makellos gekleideter Mann, dessen gereizte Miene ihr deutlich mitteilte, dass er für seinen Geschmack schon viel zu lange gewartet hatte. Das Geschlossen-Schild an der Tür schien ihn ebenso wenig zu kümmern, wie die vorgerückte Stunde oder die Tatsache, dass Krissy hier ganz allein war!

Anstatt eilig aufzuspringen und ihn hereinzulassen, wie er es offenbar erwartete, musterte sie ihn mit unbewegter Miene. Blonde Männer waren nicht ihr Ding. Überhaupt war die Liste der Männer, die ihr nicht zusagten, ziemlich lang. Das erklärte vielleicht auch, warum sie noch Single war.

Für Krissy war es die ideale Lebensform, auch wenn Tante Jane immer behauptet hatte, dass sie für die Liebe geschaffen und nur noch nicht dem Richtigen begegnet sei. Noch kurz vor ihrem Tod hatte sie Krissy angerufen und ihr ganz atemlos vor Aufregung mitgeteilt, dass sie gerade den Traumpartner für sie gefunden habe.

„So jemanden gibt es für mich nicht“, hatte sie wie jedes Mal geantwortet. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie sich als asexuelles Wesen sah. Auf einer unverbindlichen Ebene konnte sie durchaus einen kleinen Flirt oder ein gelegentliches Date genießen. Und wenn sie sich einen Liebesfilm ansah oder in der U-Bahn die Werbeanzeigen für Herrendüfte betrachtete, waren es immer die großen, braun gebrannten, athletisch gebauten Männer, die sie zum Träumen brachten.

Der Mann an der Tür war groß und athletisch gebaut, und sein Gesicht war von umwerfend männlicher Schönheit. In der schummrigen Flurbeleuchtung wirkten seine Augen, die Brauen und der Bartschatten auf Kinn und Wangen fast schwarz.

Nur das blonde Haar passte nicht ins Bild.

Tatsächlich war der Kontrast fast erschreckend – auch wenn das zugegebenermaßen auch einen gewissen Reiz hatte. Alles an diesem Mann strömte Erfolg und Machtbewusstsein aus, aber sein Haar ließ an wogende Weizenfelder denken. An Sonne und wellenreitende Surfer …

Als er leicht den Kopf zur Seite neigte, als wollte er sie fragen, wie lange sie noch vorhatte, ihn anzustarren, riss Krissy sich schließlich zusammen. Sie deutete auf das Geschlossen-Schild und dann auf ihre Armbanduhr, bevor sie ihre Aufmerksamkeit demonstrativ Alexandro Helinskis Anmeldeformular zuwandte.

Was tun Sie, um Spaß zu haben?

Krissy war sicher, dass der Mann vor der Tür einige interessante Antworten auf diese Frage geben könnte. Allerdings schien er etwas begriffsstutzig zu sein, denn ihre unmissverständliche Botschaft war offenbar nicht bei ihm angekommen. Unbeirrt fuhr er fort, gegen die Tür zu hämmern, bis Krissy einen entnervten Seufzer von sich gab und erneut in seine Richtung blickte.

Sobald er ihre Aufmerksamkeit hatte, drückte er etwas gegen die Glasscheibe, das wie eine Geschäftskarte aussah. Was glaubte er wohl, damit zu erreichen? Jeder Mörder konnte sich solche Karten drucken lassen. Andererseits ließ seine Miene keinen Zweifel daran, dass er sich nicht von der Stelle rühren würde, bevor er sein Anliegen losgeworden war. Ganz offensichtlich gehörte er zu der Kategorie von Männern, die es aufgrund ihres übertrieben guten Aussehens immer und überall schafften, ihren Willen durchzusetzen.

Verärgert stand Krissy von ihrem Schreibtischstuhl auf und stapfte mit finsterer Miene zur Tür. Die Karte, die er immer noch gegen das Glas presste, trug das Logo von „Amors Pfeil“. Und Tante Jane hatte darauf in ihrer unverkennbaren Handschrift einen Termin mit einem Jonathan Boyden eingetragen.

Für heute Abend um zehn Uhr.

Super! Genau das hatte ihr jetzt noch gefehlt.

Bisher hatte Krissy es nicht mal übers Herz gebracht, Janes Kunden telefonisch über deren Tod zu informieren. Sollte sie jetzt etwa die furchtbare Nachricht durch die dicke Glasscheibe schreien?

„Können wir kurz miteinander reden?“

Obwohl seine Stimme nur gedämpft durch das Glas drang, klang sie sinnlich und rau. Sein Lächeln, das makellos weiße Zähne aufblitzen ließ, sollte ihn zweifellos harmlos wirken lassen, doch es bewirkte das genaue Gegenteil. Nicht etwa, weil er wie ein blutrünstiges Raubtier aussah, sondern weil es von einem überwältigenden Ausmaß an Selbstsicherheit zeugte.

Was in aller Welt hatte ein Mann wie er bei einer Partnervermittlung verloren?

Krissy überlegte kurz, ihn zu bitten, am nächsten Tag wiederzukommen, doch dann beschloss sie, die Sache sofort hinter sich zu bringen. Vielleicht würde ihr das ja den nötigen Antrieb geben, auch den Rest ihrer To-do-Liste zügig abzuarbeiten.

Sie schob den Sicherheitsriegel zurück und öffnete die Tür einen Spalt breit, um Mr. Boyden mitzuteilen, was passiert war. Dummerweise kam es nicht mehr dazu, da im selben Augenblick die Alarmanlage losging.

Angesichts des ohrenbetäubenden Geheuls konnte Krissy nur entsetzt die Hände auf die Ohren pressen, während ihr von dem Bedienfeld neben der Tür die Aufforderung „Geben Sie den Code ein“ entgegenblinkte.

Krissy kannte den Code nicht. Sie war wie immer durch die Hintertür hereingekommen und hatte nicht einmal gewusst, dass es hier überhaupt eine Alarmanlage gab.

„Darf ich?“

Ohne ihre Antwort abzuwarten, schob er die Tür ganz auf und trat ein. Ein Windstoß aus dem Flur wirbelte einen Stapel Papiere auf Tante Janes Schreibtisch auf und ließ sie zu Boden flattern. Es war wie der klassische Moment in einem Gruselroman, wenn der mysteriöse Held zum ersten Mal die Szene betritt. Nur der Teil mit der Alarmanlage passte nicht ins Bild.

Er schloss rasch die Tür hinter sich, und obwohl er Krissy dabei kaum eines Blickes würdigte, bemerkte sie das ungewöhnlich tiefe Blau seiner Augen. Mit seiner überwältigenden Präsenz und den breiten Schultern unter dem erstklassig geschnittenen Jackett wirkte das kleine, zugestellte Büro noch beengter als sonst.

Krissy wich vor ihm zurück, bis sie das Bücherregal in ihrem Rücken spürte. Verrückterweise empfand sie dabei jedoch keine Spur von Angst. Stattdessen kam es ihr vor, als wäre mit ihm die beständige Ruhe und Zeitlosigkeit eines uralten Waldes hereingekommen.

Er wird wissen, was zu tun ist, sagte sie sich.

Und was wäre schon dabei, in einer Notlage wie dieser seine Hilfe anzunehmen? So etwas sollte auch einer unabhängigen Frau wie ihr gestattet sein, ohne dass es ihr gleich als Schwäche ausgelegt wurde.

2. KAPITEL

Jonas versuchte, den infernalischen Lärm so gut es ging auszublenden, während die Frau, die nach ewigem Zögern endlich an die Tür gekommen war, ratlos das Bedienfeld der Alarmanlage fixierte.

Madame Cosmos – wie er Jane Clark insgeheim nannte – war nirgendwo zu sehen. War das hier etwa die Frau, die sie für ihn ausgesucht hatte? Falls dem so war, hatte sie nicht ganz seinen Geschmack getroffen.

Unauffällig und reizlos, war das Erste, was ihm zu ihr einfiel. Die dunkel gerahmte Brille verlieh ihrem ungeschminkten Gesicht etwas Eulenhaftes. Das widerspenstige kastanienbraune Haar hatte sie auf dem Hinterkopf zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden. Bezüglich ihrer Figur konnte Jonas wegen des weiten Oberteils nur Vermutungen anstellen.

Nein, sie konnte es nicht sein! Keine Frau auf der Welt würde in Leggins, Turnschuhen und einem ausgeleierten senffarbenen Sweatshirt zum ersten Date mit ihrem möglichen zukünftigen Partner erscheinen. Hinzu kam, dass sie ganz offensichtlich nicht mit seinem Erscheinen gerechnet hatte.

Wie es aussah, hatte Madame Cosmos ihn vergessen. Und diese Person war entweder eine Bürokraft, die Überstunden machte, oder die Putzfrau.

„Wie lautet der Code?“, rief er der Frau über den Lärm hinweg zu.

Sie deutete auf ihre Ohren und funkelte ihn wütend an. Ihr Blick teilte ihm deutlich mit, dass sie den Code nicht kannte und er es bloß nicht wagen sollte, sie deswegen für eine Idiotin zu halten. Das war wirklich nicht der richtige Zeitpunkt zu bemerken, dass sie sehr hübsche kleine Ohren hatte.

Zum Glück befand sich der Sicherungskasten direkt neben dem Bedienfeld der Alarmanlage. Als Jonas den Hauptschalter umlegte, wurde es schlagartig dunkel, aber die Stille war eine unbeschreibliche Wohltat.

Erleichtert trat er von der Wand zurück und musterte sein Gegenüber. Das schwache Licht, das von einer Straßenlaterne durchs Fenster drang, zauberte rötliche Reflexe in ihr dichtes, welliges Haar. Der unattraktive Dutt war kurz davor, sich aufzulösen, und auf einmal verspürte Jonas den unwiderstehlichen Drang, ihr die Brille abzunehmen und mit beiden Händen durch diese wilde Mähne zu fahren.

Schockiert über sich selbst runzelte er die Stirn. Erstens passte es nicht zu ihm, wie aus dem Nichts von derartigen Gelüsten überwältigt zu werden. Zweitens war diese Frau in keinster Weise der Typ, der einen Mann auf solche Gedanken brachte. Sie machte eher den Eindruck, als würde sie ihre Samstagabende am liebsten mit ihrer Katze auf dem Sofa verbringen.

Dennoch ging etwas Sinnliches von ihr aus. Ihre vollen Lippen und das Funkeln in ihren Augen deuteten auf eine Leidenschaft hin, die den Mann belohnen würde, der geduldig genug war, sie zum Vorschein zu bringen.

Mit Sicherheit war sie keine Tussi, wie Madame Cosmos die Frauen bezeichnet hatte, die Jonas normalerweise datete.

Sie haben viel Zeit damit verloren, sich mit dem falschen Typ von Frau zu treffen, hatte sie betrübt festgestellt, und genau an diesem Punkt hätte er das Gespräch mit ihr abbrechen sollen. Dass er es nicht getan hatte, zeigte das Ausmaß seiner Verzweiflung. Oder vielleicht auch seiner Besessenheit, diese Wette zu gewinnen.

Und wenn ich gerade meiner Seelenverwandten begegnet bin? schoss es ihm durch den Kopf. Vielleicht hatte Madame Cosmos diese junge Frau ja für ihn ausgesucht, gerade weil sie nicht in sein gewohntes Beuteschema passte.

Der Gedanke war so absurd, dass er ihn sofort wieder verdrängte. „Mein Name ist Jonas Boyden“, teilte er ihr mit. „Ich bin ein Kunde von Jane Clark und habe jetzt einen Termin mit ihr.“

„Sie suchen eine Partnerin?“ Die Skepsis in ihrem Blick war unübersehbar.

„So ist es“, bestätigte er.

„Und warum sollte ein Mann wie Sie dafür meine Tante brauchen?“

Tante?

Dann war sie also Madame Cosmos’ Nichte und nicht seine Seelenverwandte. Jonas war erleichtert. Und paradoxerweise auch eine winzige Spur enttäuscht.

„Wie meinen Sie das, ein Mann wie ich?“, hakte er nach.

Sie kniff die Augen noch etwas enger zusammen. „Fallen die Frauen Ihnen nicht reihenweise zu Füßen?“

Er zuckte leicht mit den breiten Schultern. „Schon möglich, aber ich suche nicht diesen Typ von Frau.“

„Sondern?“

„Eine himmlische Partnerin“, erwiderte er trocken. „Ist es nicht das, worauf sich Ihre Tante spezialisiert hat?“

Krissy hatte Männer von Jonas Boydens Kaliber bisher nur im Kino oder auf Fotos gesehen. Seine letzte Bemerkung deutete zwar darauf hin, dass er an einer ernsthaften Beziehung interessiert war, aber das erklärte nicht, warum er dazu professionelle Hilfe in Anspruch nahm.

Da Tante Janes Dienste nicht mehr zur Verfügung standen, gab es keinen Grund, ihn danach zu fragen – auch wenn Krissy es liebend gern getan hätte.

Sie schlug einen neutralen Tonfall an. „Ich bin sicher, dass es Ihnen auch allein gelingen wird, eine passende Ehefrau zu finden.“

„Genau genommen ist es keine Ehefrau, nach der ich suche.“

Natürlich nicht.

„Die Umstände sind etwas ungewöhnlich“, erläuterte er. „Als ich Ihrer Tante erklärt habe, dass ich für einen bestimmten Zeitraum eine Verlobte brauche, wollte sie den Auftrag zuerst nicht annehmen. Aber im Laufe unseres Gesprächs bekam sie dann doch Mitleid mit mir und hat mir ihre Hilfe versprochen.“

Eine Verlobte für einen bestimmten Zeitraum?

Das klang absolut grauenhaft. Kein Wunder, dass sich Tante Jane für so etwas nicht einspannen lassen wollte. Warum sie sich dann doch hatte überreden lassen, war Krissy schleierhaft, aber Mitleid war sicher nicht der Grund gewesen. Kein Mensch auf der Welt würde diesen Mann bemitleiden!

„Die Sache ist äußerst wichtig für mich“, betonte er, „aber mir fehlt die Zeit, selbst nach jemandem mit dem passenden Profil zu suchen. Ihre Tante wollte das für mich erledigen und mir heute das Ergebnis ihrer Bemühungen mitteilen.“

„Es tut mir leid, Mr. Boyden, aber meine Tante wird Ihnen nicht mehr helfen können. Sie ist …“ Krissy hielt inne und atmete tief durch. Irgendwie musste sie es schaffen, die schrecklichen Worte über die Lippen zu bringen, ohne dabei in Tränen auszubrechen. Wieso hatte sie nicht darauf bestanden, dass er ging? Dann hätte sie ihn morgen anrufen können, nachdem sie sich darauf vorbereitet hatte.

Als sie nach längerem Schweigen immer noch kein Wort herausgebracht hatte, runzelte er die Stirn. „Sie hat niemanden für mich gefunden, stimmt’s?“

„Nein … Ich meine, ich weiß es nicht. Ich …“

Unter seinem bohrenden Blick war es Krissy unmöglich, einen auch nur halbwegs zusammenhängenden Satz über die Lippen zu bringen. Nachdem er sie sekundenlang schweigend angestarrt hatte, machte er unvermittelt einen Schritt auf sie zu. Er unternahm keinen Versuch, sie zu berühren, und doch fühlte es sich für Krissy an, als hätte er ihr gerade die Brille abgenommen und würde ihr mit beiden Händen durchs Haar fahren.

„Sie könnten das doch machen“, sagte er. Es hörte sich an, als sei die Entscheidung darüber bereits gefallen. „Sie sehen aus wie eine nette, harmlose Bibliothekarin, die in der Nachbarschaft beliebt ist.“ Er ließ erneut prüfend den Blick über sie gleiten und nickte dabei langsam. „Ja, das müsste gehen …“

„Jetzt machen Sie aber mal einen Punkt!“, protestierte Krissy energisch. „Sie erwarten doch nicht ernsthaft, dass ich mich als Ihr … temporäres Spielzeug zur Verfügung stelle!“

Er neigte den Kopf zur Seite und betrachtete sie nachdenklich. „Als Spielzeug?“, wiederholte er leise. „Nein, ich glaube eher nicht.“

Krissy ignorierte den leisen Stich in ihrer Magengrube. Es gab absolut keinen Grund, warum sie sich durch diese Bemerkung gekränkt fühlen sollte. Dass sie wie beiläufig ihre Lesebrille abnahm und auf den Schreibtisch zurücklegte, hatte nicht das Geringste damit zu tun. Die Worte „nette Bibliothekarin“ hatten sie einfach nur daran erinnert, dass sie sie noch immer trug.

„So etwas führt nur zu Komplikationen“, fügte er hinzu. „Und Komplikationen sind das Letzte, was ich will. Es wäre aber wichtig, dass wir uns vorher ein bisschen kennenlernen.“

„Wirklich?“, fragte Krissy spitz. „Wozu denn bloß?“

„Weil es sich um ein Familientreffen handelt“, erwiderte er, ohne auf ihren Sarkasmus einzugehen. „Es findet am langen Wochenende im Juli in den Catskill Mountains statt, und meine Schwester würde sofort misstrauisch werden, wenn Sie meine Lieblingsfarbe oder mein Lieblingsrestaurant oder meinen Lieblingsfilm nicht kennen.“

Zu ihrem Entsetzen stellte Krissy fest, dass sie all das plötzlich über ihn wissen wollte. Hinzu kam, dass der Gedanke an das lange Wochenende ihr seit Tagen wie ein Stein im Magen lag. Bisher hatte sie es immer mit Tante Jane verbracht. Im Gegensatz zu ihren Eltern hatte sie gewusst, wie wichtig es für eine Familie war, besondere Anlässe wie Geburtstage, Weihnachten oder eben den vierten Juli gemeinsam zu feiern.

Aber Tante Jane war nicht mehr da, und so fühlte Krissy sich tatsächlich versucht, auf seinen Vorschlag einzugehen. So musste sie die gefürchteten Feiertage nicht allein mit ihrer Trauer verbringen. Außerdem bekäme sie einen spannenden Einblick in eine Familie, über deren Mitglieder und Beziehungen zueinander sie absolut nichts wusste.

„Kommen Sie schon, geben Sie sich einen Ruck“, ermunterte er sie. „Es wird Spaß machen.“

Für Krissy bedeutete Spaß, ihren Hund auszuführen, ein gutes Buch zu lesen und ab und zu eine Broadwayshow zu besuchen. Bisher war sie vollkommen zufrieden damit gewesen, aber nun hatte sie plötzlich das Gefühl, dass irgendetwas fehlte.

Sie verwünschte Jonas Boyden dafür. Innerhalb weniger Minuten hatte er sie dazu gebracht, ihr ruhiges, wohlgeordnetes Leben infrage zu stellen. Sich nach etwas Unerwartetem zu sehnen. Nach etwas, das ein wenig Abwechslung und Farbe in ihre Alltagsroutine brachte.

Als hätten der jahrelange Ehekrieg ihrer Eltern und Tante Janes plötzlicher Tod sie nicht gelehrt, dass unerwartete Ereignisse nur selten von der angenehmen Sorte waren!

„Tut mir leid, aber ich kann das nicht machen“, erklärte sie entschlossen.

Unwillig runzelte er die Stirn. Ganz wie man es von einem finsteren Helden erwartete, der überraschend in einer dunklen Nacht auftaucht.

Oder von einem Mann, der es nicht gewohnt war, ein Nein hinzunehmen.

Doch dann zuckte er nur gleichmütig die Schultern und sagte: „Okay, dann eben nicht.“

War sie darüber verärgert?

Die Antwort war ein klares Nein.

Krissy war einfach nur erleichtert.

3. KAPITEL

Es war, als hätte das Schicksal beschlossen, Krissys uneingestandenen Wunsch nach Abwechslung umgehend zu erfüllen. Kaum hatte sie Jonas’ fragwürdigen Vorschlag abgelehnt, fuhr ein Polizeiwagen vor dem Haus vor.

„Oh nein! Die sind bestimmt wegen des Alarms gekommen“, rief sie entsetzt, während sie durchs Fenster beobachtete, wie zwei Beamte aus dem Wagen stiegen und auf den Hauseingang zusteuerten. „Am besten, ich gehe raus und erkläre ihnen …“

„Warten Sie!“ Jonas legte ihr eine Hand auf die Schulter, um sie zurückzuhalten. „Wenn Sie jetzt aus dem Haus stürmen, vermittelt das nur den Eindruck, dass Sie eine Einbrecherin sind.“

Seine Berührung fühlte sich beruhigend an.

Seine Stimme war tief, gelassen und entspannt.

Sie fühlte sich beschützt.

Wieder sagte Krissy sich, dass es Momente gab, in denen es okay war, sich von einer anderen Person helfen zu lassen. Solange es nicht zur Gewohnheit wurde, sprach nichts dagegen.

Als seine Hand wieder von ihrer Schulter glitt, wurde ihr bewusst, dass so etwas sehr schnell zur Gewohnheit werden konnte. Wenn nicht sogar zu einer regelrechten Sucht!

„Was sollen wir Ihrer Meinung nach stattdessen tun?“, fragte sie nervös, während die Polizisten misstrauisch an der Fassade hochblickten.

„Einfach abwarten, bis sie zu uns kommen. Sie können doch sicher beweisen, dass Sie sich hier legal aufhalten.“

„Was für einen Beweis könnten sie denn verlangen?“

Jonas zuckte die Schultern. „Keine Ahnung. Vielleicht eine Vollmacht Ihrer Tante. Oder einen Nachweis, dass Sie hier arbeiten. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Das Ganze wird sich spätestens auf dem Polizeirevier klären lassen.“

Der Strahl einer Taschenlampe drang durchs Fenster und glitt über die übervollen Regale und den Aktenschrank.

„Polizeirevier?“, wiederholte Krissy panisch. „Sie werden mich doch nicht verhaften, oder?“

Er grinste, als wäre das Ganze nur ein amüsantes Spiel für ihn. „Ich glaube nicht, aber wenn es dazu kommt, gebe ich Ihnen meine ‚Sie kommen aus dem Gefängnis frei‘-Karte.“

„Nein, danke“, erwiderte Krissy gereizt. Im Monopoly des Lebens befand sie sich ständig im Gefängnis, während die anderen die Hotelkette hatten.

Autor

Cara Colter

Cara Colter hat Journalismus studiert und lebt in Britisch Columbia, im Westen Kanadas. Sie und ihr Ehemann Rob teilen ihr ausgedehntes Grundstück mit elf Pferden. Sie haben drei erwachsene Kinder und einen Enkel.
Cara Colter liest und gärtnert gern, aber am liebsten erkundet die begeisterte Reiterin auf ihrer gescheckten Stute...

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