Wetten, du bist der Richtige?

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Lily hat das Mauerblümchendasein satt! Endlich will sie auch einmal etwas Aufregendes tun. Warum nicht den Filmstar Carson McRue verführen? Sie lässt sich auf eine verrückte Wette ein und findet dabei völlig unerwartet die Liebe ihres Lebens …


  • Erscheinungstag 20.08.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719166
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Lily Madsen beobachtete, wie der leicht ramponierte „Cowboy“ in knallengen Jeans, kariertem Baumwollhemd und Stiefeln aus seinem Geländewagen stieg. Keine Frage, dieser Mann war eine Sünde wert. Zumindest wäre er es, hieße er nicht zufällig Fletcher Hart. Von Helen Harts fünf Söhnen war der dreißigjährige Fletcher der draufgängerischste und rastloseste, berüchtigt dafür, dass er die Frauen wie seine Hemden wechselte und sich auf nichts und niemanden einließ, abgesehen von seiner florierenden Tierarztpraxis in Holly Springs, North Carolina.

„Wieso bist du bloß immer so schwierig?“ Lily griff die Unterhaltung wieder auf, die sie beide begonnen hatten, bevor Fletcher zu einem Notfall auf einer benachbarten Farm gerufen wurde und Lily abrupt stehen lassen hatte. „Du sollst mich doch nur Carson McRue vorstellen. Den Rest schaffe ich schon allein.“

„Davon bin ich überzeugt.“ Fletcher warf ihr einen spöttischen Blick zu und ließ ein anzügliches Lächeln folgen, ehe er auf den Hintereingang der Klinik zusteuerte. Ein Mann, dessen Selbstbewusstsein durch nichts zu erschüttern war. „Trotzdem, Lily, meine Antwort ist Nein.“

Schmollend folgte sie ihm in das Gebäude, wo es nach Desinfektionsmitteln roch. Ein Geruch, der im krassen Gegensatz zu dem Duft stand, den Fletcher verbreitete. Als hätte er sich gerade im Heu gewälzt. Vielleicht hat er das auch, dachte Lily bissig, als sie die verschwitzten Stellen auf seinem Hemd bemerkte.

Zielstrebig betrat Fletcher einen Raum, der durch eine Glaswand abgeteilt war, hinter der sich in Metallkäfigen Hunde und Katzen verschiedener Rassen befanden. Alle schienen sich von einer Operation oder Krankheit zu erholen und lagen schlafend oder dösend auf ihrer Unterlage. In einer Kiste im Vorraum lag ein Hund, der offensichtlich sehr schwach war.

Als Fletcher neben dem Tier niederkniete und ihm das Fell kraulte, dachte Lily frustriert, dass der kranke Hund ihn anscheinend viel mehr interessierte als das, was sie zu sagen hatte. „Was hast du eigentlich dagegen einzuwenden, dass ich den Mann kennenlerne?“, fragte sie so selbstbewusst, wie sie nur konnte. Denn immerhin war sie fünf Jahre jünger als Fletcher, und der Altersunterschied schüchterte sie etwas ein.

Fletcher fuhr fort, den Hund zu streicheln, der mit traurigen Augen zu ihm aufblickte. „Du meinst, abgesehen davon, dass er ein arroganter TV-Star ist, der nur an sich selbst interessiert ist?“

Seufzend verschränkte Lily die Arme vor der Brust und betrachtete von oben Fletchers zerzaustes goldbraunes Haar, das zum Streicheln verführte. So wie er sich benahm, hätte man denken können, er wäre selbst einer von diesen egozentrischen TV-Stars. Aber nur weil er schöne braune Augen, ein markantes Gesicht und einen sinnlichen Mund hatte, brauchte sie noch lange nicht vor ihm auf die Knie zu fallen. Und auch nicht wegen seiner breiten Schultern und der langen muskulösen Beine.

„Das kannst du doch gar nicht wissen“, protestierte sie. „Nur weil Carson McRue reich und berühmt ist …“

Ohne ihren Satz zu Ende anzuhören, lief Fletcher die Treppe zu seiner Wohnung hoch und knöpfte sich im Gehen das Hemd auf. Lily folgte ihm auf den Fersen. „Lass uns das Thema beenden, okay?“

„Auf keinen Fall …“ Lily stockte, als er sein Hemd auszog und sie seinen umwerfenden Oberkörper mit der glatten gebräunten Haut, den muskulösen Armen und dem flachen Bauch sah. Nur mit Mühe gelang es ihr, den Blick nicht noch tiefer wandern zu lassen.

Fletcher ahnte natürlich nichts von ihren anzüglichen Gedanken. „Ich weiß, dass du mit deinen Freundinnen gewettet hast, Lily“, sagte er mit spöttischem Lächeln. „Alle wissen es.“

Lily stieg die Röte ins Gesicht. Auf ihrer Geburtstagsparty letzte Woche hatte sie wohl etwas über die Stränge geschlagen. Aber das kam nur, weil ihre Freundinnen sie dazu überredet hatten, zwei Cocktails zu trinken. Wo doch alle wussten, dass sie keinen Alkohol vertrug. Außer dem Tropfen Pfefferminzlikör, den ihre Großmutter immer an Heiligabend in die Milch geträufelt hatte, hatte sie keinerlei Erfahrung mit alkoholischen Getränken. Alkohol gehörte zu den vielen Dingen, die ihre geliebte Grandma Rose zutiefst verabscheut hatte. Und Lily war immer eine brave Enkelin gewesen, weil sie wusste, wie sehr ihre Eltern Grandma Rose enttäuscht hatten.

Sie versuchte, sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. „Wer hat dir erzählt …“

„… dass du gewettet hast, mit Carson McRue in seinem Privatjet zu fliegen, wenn er North Carolina verlässt?“, beendete Fletcher ihre Frage. „Lass mich mal überlegen. Da ist meine Schwester Janey, dann Emma, die Frau meines Bruders Joe, und Hannah Reid drüben von der Autowerkstatt. Ach, und meine Cousine Susan Hart. Alle wissen, dass du auf ein Date mit diesem Schwachkopf scharf bist.“

Nun gut, Fletcher wusste also Bescheid. Aber er kannte nicht den Grund für Lilys großspurige Wette. „Carson McRue ist kein Schwachkopf und auch kein arroganter TV-Star.“

Wieder dieses spöttische Lächeln. „Und woher willst du das wissen?“ Fletcher schloss die Wohnungstür auf, durchquerte das unordentliche Wohnzimmer und lief direkt ins Bad.

Für Lily gab es jetzt zwei Möglichkeiten: ihm zu folgen oder vor der Wohnungstür stehen zu bleiben.

Es war keine Frage, was Fletcher lieber gewesen wäre, aber in ihrem Starrsinn tat sie das genaue Gegenteil. Sie lief ihm nach und lehnte sich im Flur gegen die Wand, mit dem Rücken zur offenen Badezimmertür. Während ihr das Herz bis zum Hals schlug, redete sie weiter, als würde sie jeden Tag mit Männern, die sie kaum kannte, beim Duschen plaudern. „Ich weiß es, weil ich mir seit fünf Jahren seine TV-Show ansehe.“

Nach einer harten Arbeitswoche war die Action-Serie mit dem lässigen Privatdetektiv immer ihr Lichtblick gewesen. Zeitweilig hatte sie dabei ihre Probleme völlig vergessen können.

Sollte sie ihre Wette gewinnen, schuldeten ihre Freundinnen ihr einen Tag im Thermalbad. Falls sie jedoch verlor – Lily wollte lieber nicht daran denken, was sie dann tun müsste. Und Fletcher schien es auch nicht zu wissen, denn sonst hätte er es ihr bestimmt schon unter die Nase gerieben.

Er kickte seine Stiefel weg. „Carson McRue spielt einen Krimihelden, Lily. Was du am Bildschirm siehst, ist eine Rolle, das hat nichts mit der Realität zu tun.“

„Das weiß ich auch“, gab Lily zurück, während sie hörte, wie Fletcher hinter ihr seinen Reißverschluss öffnete und seine Jeans auszog. Schnell machte sie die Augen zu, um nicht Gefahr zu laufen, Fletcher nackt zu sehen. „Aber so einfühlsam und leidenschaftlich kann man nur spielen, wenn man es wirklich ist.“ Zumindest hoffte sie das. Denn sonst könnte sie ihre Wette nicht wahr machen. Und dann müsste sie dieses Unmögliche tun …

„Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber was soll’s.“ Hinter Lily wurde der Duschvorhang zugezogen, und dann hörte sie Wasser rauschen und nahm den Duft von Seife und Shampoo wahr. Es roch irgendwie … männlich. „Jedenfalls werde ich dich nicht mit ihm bekannt machen.“ Seine Stimme übertönte das Rauschen der Dusche.

Am liebsten hätte Lily mit dem Fuß auf den Boden gestampft. „Aber er kommt morgen mit dem Fernsehteam hierher“, erwiderte sie hitzig. Hinter ihr drehte Fletcher die Dusche ab, zog vehement den Vorhang auf und nahm sich ein Handtuch vom Haken. „Und du bist der Einzige in der Stadt, der ihn kennt.“

Sie hörte, wie Fletcher mit nackten Füßen über den Boden lief, und dann stand er plötzlich neben ihr. Es wäre feige gewesen, die Augen geschlossen zu halten, also machte Lily sie auf. Unverfroren lächelnd stand er da, ein Handtuch um die Hüften geschlungen, mit dem anderen trocknete er sich die Haare. Er sah unglaublich sexy aus.

„Ich habe ihm nur ein Pferd besorgt für die Zeit, die er hier ist. Das ist alles. Es war ein Telefongespräch, mehr nicht.“

Trotzdem ist er mit Carson McRue in Kontakt gekommen, dachte Lily voller Neid. Warum passierte ihr so etwas nie? Das musste sich auf jeden Fall ändern, sonst würde sie nie aus ihrem Mauerblümchendasein herauskommen.

Sie ließ nicht locker. „Aber du arbeitest doch auch am Set, als Tierschutzbeauftragter.“

Fletcher hob seine breiten Schultern, und Lily beobachtete fasziniert, wie sich das lose um seine Hüften gewickelte Handtuch dabei bewegte. „Das besagt gar nichts, es ist nur eine Alibifunktion. Ich habe nicht den geringsten Einfluss auf die Dreharbeiten, es sei denn, ein Tier wird ernsthaft verletzt. Aber außer dem Pferd, das Carson McRue reitet, gibt es keine Tiere.“

„Trotzdem.“ Lily war es egal, wenn sie Fletcher mit ihrem Anliegen auf die Nerven ging. „Das Filmteam ist nur für eine Woche in Holly Springs, und du bist dabei. Und ich will meine Wette gewinnen …“

Fletcher sah ihr fest in die Augen, und diesmal war sein Blick nicht spöttisch. „Eine Wette, die dich garantiert unglücklich machen wird.“

„Woher willst du das wissen?“, fragte Lily herausfordernd, wobei sie sich große Mühe geben musste, nicht zu auffällig auf das Handtuch um seine Hüften zu starren. Und auf das, was darunter war. Nicht, dass sie davon viel Ahnung gehabt hätte. In Wahrheit hatte sie noch nie einen nackten Mann gesehen! Außer im Kino. Und da sah man sie meistens nur von hinten.

Fletcher legte das Handtuch, mit dem er sich die Haare gerubbelt hatte, um seinen Hals und stützte sich mit der Handfläche dicht neben ihr an der Wand ab. „Lass uns das Ganze einmal auf den Punkt bringen“, begann er mit sanfter Stimme. „Mädchen aus der Kleinstadt, das noch nie aus Holly Springs herausgekommen ist, abgesehen von dem halben Semester auf dem College in Winston-Salem, wo sie nicht blieb, weil sie lieber in einer näher gelegenen Stadt weiterstudieren wollte, lässt sich mit einem arroganten Filmhelden ein, der reihenweise Frauen vernascht.“

Dass er ihr unter die Nase rieb, wie langweilig ihr Leben bis jetzt gewesen war, hatte ihr gerade noch gefehlt. „Ich hätte liebend gern woanders studiert, aber ich musste nach Hause zurück, weil meine Großmutter krank war. Es war niemand da, der sie zu ihren Arztterminen gefahren hätte oder ins Krankenhaus zum Röntgen und zur Chemotherapie.“ Lily schluckte, weil sie plötzlich einen Kloß im Hals hatte. „Aber ich habe es gern getan.“

Fletchers Blick wurde weich, und er berührte sie sanft am Kinn. „Das weiß ich“, sagte er mitfühlend. „Es tut mir leid, dass du sie verloren hast. Du weißt, wie sehr ich Grandma Rose gemocht habe. Und auch die vielen Haustiere, die sie über die Jahre hatte.“

Ja, das wusste Lily. Von klein auf war Fletcher in Tiere vernarrt gewesen. Seine Zukunft als Tierarzt war ihm praktisch vorbestimmt gewesen. Genauso war es bei Lily. Ganz selbstverständlich hatte sie das Blumengeschäft übernommen, das seit Generationen in ihrer Familie war. Im Unterschied zu Fletcher, der sich aus freien Stücken für seinen Beruf entschieden hatte, war Lily allerdings keine andere Wahl geblieben. Jetzt mit fünfundzwanzig, nachdem sie jahrelang für das Geschäft geschuftet hatte, war sie es leid. Sie wollte nicht mehr weitermachen wie bisher, nur weil alle es von ihr erwarteten.

„Ich will nicht, dass du dich wegen so einem arroganten Pinsel zum Narren machst. Und auch alle anderen, die dich mögen, wollen das nicht.“

„Findest du nicht, dass das meine eigene Entscheidung ist?“ Unwillkürlich hatte Lily ihn an der Brust berührt, zog ihre Hand aber schnell wieder zurück.

„Nein“, erwiderte Fletcher, und seine Augen wurden dunkel. „Nicht, wenn es die falsche Entscheidung ist.“

„Was hast du denn bloß mit der Kleinen angestellt?“, fragte Fletchers Bruder Dylan eine Stunde später. Als Sportreporter beim Fernsehen konnte Dylan es nicht lassen, alles zu kommentieren, was um ihn herum vor sich ging. Aber so ist das schon immer gewesen, dachte Fletcher. Von klein auf hatte Dylan lieber zugesehen als selbst mit angepackt. Wogegen es Fletcher ziemlich egal war, was andere Menschen taten, einschließlich der bezaubernden Lily Madsen, wenn er nicht selbst davon betroffen war.

„Keine Ahnung, wovon du redest“, erwiderte er auf die Frage seines Bruders und schob sich ein Stück Grillfleisch mit scharfer Barbecuesoße in den Mund. Zwar freute er sich riesig, dass seine Schwester Janey einen Mann heiraten würde, der ihrer auch wert war, aber es wäre ihm lieber gewesen, sie hätte sich einen anderen Abend ausgesucht, um den Beginn ihrer Hochzeitswoche zu feiern.

Alle saßen im Garten seiner Mutter zusammen. Fletchers ältester Bruder Mac, der ohne Uniform genauso respekteinflößend wirkte wie mit, trat näher, einen Teller mit Grillfleisch in der Hand. „Stimmt, seit ihr zusammen hergekommen seid, hat Lily Madsen nur noch Augen für dich.“

„Ich hab sie nicht gefragt, ob sie mitkommen will.“ Es ärgerte ihn, dass alle so taten, als wäre Lily seine neue Freundin. „Also tut mir bitte den Gefallen und macht nicht so viel Aufhebens von der Sache.“ Lily hatte einfach nicht einlenken wollen und war ihm hinterhergelaufen, wobei sie unaufhörlich auf ihn einredete, bis sie im Garten anlangten.

„Schon okay“, bemerkte Dylan augenzwinkernd.

Sein Bruder Cal fügte grinsend hinzu: „Wenigstens warst du diesmal pünktlich.“

Fletcher zuckte nur hilflos mit den Schultern. Eigentlich hatten alle angenommen, dass Cal als Erster von den Geschwistern heiraten würde, aber dann hatte seine Verlobte Ashley ein Forschungsstipendium in Honolulu bekommen. Seitdem lebte Cal wieder wie ein Junggeselle, und obwohl er nach wie vor versicherte, dass sie sich nicht getrennt hätten, glaubte ihm keiner so richtig. Zumal das Ganze schon zwei Jahre so ging. Aber Cal würde nie eine andere Frau auch nur ansehen. Ashley war seine große Liebe.

Jetzt piepste Cals Funkgerät und zeigte ihm an, dass einer seiner Patienten nach ihm verlangte. Während er beiseitetrat und das Krankenhaus anrief, trank Fletcher genüsslich von seinem kalten Bier, froh, dass er wenigstens einen von seinen lästernden Brüdern los war.

„Mir ist einfach nicht so nach Partys“, sagte Fletcher erklärend zu den anderen.

„Das brauchst du uns nicht zu erzählen“, meldete Joe sich zu Wort und stopfte sich dabei Unmengen von Krautsalat, Bohnen und gegrilltem Fleisch in den Mund. „Du hast dir doch noch nie etwas aus Partys gemacht, sondern bist immer bloß mit deinen Tieren beschäftigt.“

Für seine Tierliebe brauchte Fletcher sich ja wohl nicht zu entschuldigen. „Was willst du? Das ist mein Job.“

Thad Lantz, Janeys Verlobter, setzte sich zu ihnen. „Aber doch nicht vierundzwanzig Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche.“ Thad sagte das mit derselben Bestimmtheit, mit der er zu seinem Hockeyteam redete, dessen Trainer er war. „Was ist mit deiner Partnerin? Die kann doch auch mal für dich einspringen.“

„Worauf willst du eigentlich hinaus?“, fragte Fletcher.

„Dass das Vergnügen genauso wichtig ist wie die Arbeit.“

Ja, dachte Fletcher, und dazu brauche ich nur eine Freundin, die keine Ansprüche stellt. Im selben Moment kam ihm eine hübsche Blondine in den Sinn …

„Wir sind vom Thema abgekommen“, wandte Dylan ein und sah Fletcher dabei neugierig an. „Eigentlich wollten wir wissen, was du mit Lily Madsen gemacht hast, dass sie derart wütend auf dich ist.“

Fletcher drehte sich um und sah zu Lily hinüber, die mit seiner Mutter, seiner Schwester und den Brautjungfern in eine Unterhaltung vertieft war. Schon als Kind hatte sie wie ein Engel ausgesehen, und das war immer noch so. Allerdings war sie jetzt ein erwachsener Engel … definitiv erwachsen. Schlank, mit Rundungen an den richtigen Stellen, und Beinen, denen jeder Mann hinterherstarrte. Die blonden Locken waren auf Kinnlänge geschnitten, und neuerdings trug sie sie gekonnt zerzaust, was unglaublich sexy aussah und ihn ganz verrückt machte. Ihre rosigen Lippen wirkten ausgesprochen sinnlich, und ihr Gesicht mit der schmalen Nase, den hohen Wangenknochen und den großen blauen Augen war von klassischer Schönheit.

Ob in Khakishorts und rosafarbenem T-Shirt, in denen er sie oft gesehen hatte, oder wie jetzt im knielangen geblümten Kleid und hohen Sandalen, immer wirkte sie sehr feminin. Für ihre fünfundzwanzig Jahre sah sie ungewöhnlich jung und unschuldig aus, und deshalb sollte er sich besser von ihr fernhalten. Was in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihn im Augenblick verabscheute, nicht allzu schwer sein dürfte. Gerade hatte sie ihm wieder einen vernichtenden Blick zugeworfen.

Fletcher riss sich zusammen und wandte sich wieder Thad und seinen Brüdern zu, die immer noch auf eine Erklärung warteten. „Sie will, dass ich sie mit Carson McRue zusammenbringe. Der ist ab morgen zum Dreh in der Stadt.“

„Und du hast natürlich abgelehnt“, mutmaßte Mac trocken.

Na klar, dachte Fletcher, und trank einen großen Schluck von seinem Bier. „Lily ist viel zu schade für so einen Weiberhelden“, bemerkte er betont gleichgültig.

„Lass mich raten. Du hast ihr ziemlich zugesetzt, weil sie mit ihm ausgehen will“, meldete Joe sich zu Wort.

„Nein“, erwiderte Fletcher und fühlte sich zunehmend in die Ecke gedrängt, weil Lily ihm schon wieder einen finsteren Blick zugeworfen hatte, gefolgt von den ebenso bösen Blicken seiner Mutter und der Brautjungfern. „Ich habe ihr nur gesagt, was ich davon halte. Und das hätte ich nicht getan, wenn sie mich nicht gebeten hätte, sie mit diesem McRue bekannt zu machen.“

Alle Männer ließen ihre Blicke hinüber zu der Damenrunde wandern, besonders zu Lily, die mit entrüsteter Miene dasaß. „Was genau hast du denn zu ihr gesagt?“, fragte Dylan neugierig.

Das war es ja gerade. Fletcher konnte sich kaum erinnern, weil er viel zu sehr von ihrem Aussehen und ihrem verführerischen Duft abgelenkt war. Er schluckte, weil sein Mund plötzlich trocken war. „Na ja, was man halt so sagt.“

Joe grinste. „Und deswegen sieht sie dich jetzt an, als wolle sie dir den Hals umdrehen?“ Seit Joe im Frühsommer Emma geheiratet hatte, betrachtete sich der Profi-Leichtathlet als Experte in Frauenfragen. „Was hast du denn mit ihr angestellt?“

Ich bin vor ihren Augen unter die Dusche gegangen, weil ich hoffte, sie würde weggehen. Plötzlich sah er wieder Lilys gerötete Wangen vor sich und ihre großen blauen Augen, die an seinem Körper entlangwanderten. Er fragte sich, wie es wohl umgekehrt gewesen wäre, wenn sie nass aus der Dusche …

„Ist uns da vielleicht etwas entgangen?“ Mac beugte sich interessiert zu ihm. Als Sheriff hatte er ein Gespür für unausgesprochene Dinge. „Läuft da etwas zwischen euch?“

„Nein“, erwiderte Fletcher im Brustton der Überzeugung. Aber als er wieder einen von Lilys Blicken auffing, blickte er so durchdringend zurück, dass sie rot wurde und sich abrupt wegdrehte. „Aber es könnte etwas werden“, sagte er gedehnt.

„Ganz bestimmt, wo sie doch einen ganz anderen im Kopf hat“, spottete Dylan.

Fletcher aß den Rest von seinem Barbecue. „Traut ihr mir das etwa nicht zu?“, fragte er.

„Wir können ja wetten“, sagte Mac.

„Okay“, erwiderte Fletcher und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. „Hundert Dollar dafür, dass ich es Lily Madsen ausrede, mit Carson McRue auszugehen.“

Joe schüttelte den Kopf. „Lily wird nicht darauf eingehen, weil sie sonst ihre Wette verliert, die sie an ihrem fünfundzwanzigsten Geburtstag abgeschlossen hat.“

Aber das war Fletcher egal. „Ich werde es trotzdem schaffen. Sie wird mit mir ausgehen“, sagte er und tippte sich dabei an die Brust.

„Worüber habt ihr Männer eigentlich die ganze Zeit geredet?“, fragte Lily, als Fletcher sie zum Auto begleitete, um sie nach Hause zu fahren. Das prächtige dreistöckige Hochzeitshotel, das seine Mutter führte, lag inmitten eines gepflegten Rasens und leuchtete in der Abendsonne.

„Nichts, was dich interessieren könnte.“

Alle seine vier Brüder und Thad hatten sich an der Wette beteiligt. Die fünfhundert Dollar im Jackpot waren ein zusätzlicher Anreiz für Fletcher, dafür zu sorgen, dass Lily die Finger von Carson McRue ließ. Neben dem heimlichen Versprechen, das er Grandma Rose auf dem Sterbebett gegeben hatte.

Mit hochroten Wangen musterte Lily ihn von oben bis unten. Unter ihrem Blick wurde ihm so heiß, dass er sie am liebsten an sich gezogen und geküsst hätte. Und wenn es nur deshalb wäre, um ihre Fragen nicht beantworten zu müssen.

„Das glaube ich dir nicht“, erwiderte sie ruhig.

Fletcher zuckte die Achseln und verschränkte die Arme vor seiner breiten Brust. „Wenn du es unbedingt wissen willst, sie haben mich gelöchert, weil du mir ständig wütende Blicke zugeworfen hast.“

Wie zu erwarten, machte seine Bemerkung sie noch wütender. „Hast du ihnen auch erzählt, was für ein Schuft du bist?“, fragte sie und warf dabei trotzig den Kopf hoch.

„Wenn du das von mir denkst, dann wird es Zeit, dass ich mich auch so benehme. Was meinst du?“ Und er nahm die erstaunte Lily in die Arme und zog sie an sich.

2. KAPITEL

Lily konnte es nicht fassen. Fletcher Hart wollte sie küssen. Vor dem Haus seiner Mutter, wo gerade alle in ihre Autos stiegen, weil die Party zu Ende war! „Nicht …“, sagte sie und legte beide Hände auf seine Brust, um ihn wegzuschieben. Aber bevor sie noch weiter protestieren konnte, spürte sie schon seine Lippen auf ihren. Plötzlich war ihr Gehirn wie leer gefegt, und ihr wurde ganz schwindlig. Und dann fühlte sie nur noch seinen weichen, aber fordernden Mund und seine Zunge, die zwischen ihre Lippen drang. Von solchen Küssen hatte sie gehört und gelesen, manchmal hatte sie sogar zugesehen, wenn Freunde von ihr sich küssten. Aber noch nie hatte sie selbst etwas so Lustvolles empfunden.

Auch wenn der verbliebene Rest von Verstand ihr sagte, dass Fletcher sie nur provozieren wollte, sehnte sie sich danach, dass es nie aufhörte. Als er sie fester an sich drückte und sie seinen kraftvollen Körper und seine Erregung intensiv spürte, schmiegte sie sich leise stöhnend an ihn. Doch plötzlich hörte sie etwas – das tiefe Lachen von Männern um sie herum.

Ihr war, als hätte jemand einen Eimer Wasser über ihr ausgekippt. Sie riss sich von Fletcher los und blickte sich um. Da standen seine Brüder, schüttelten die Köpfe und lachten halb amüsiert, halb triumphierend.

„Du steigst ja gleich voll ein“, bemerkte Dylan spöttisch.

„Pass auf dich auf“, warnte Mac und marschierte zu seinem Jeep, den er immer fuhr, wenn er nicht im Dienst war.

Joe, der Hand in Hand mit Emma zu seinem Wagen schlenderte, rief Fletcher zu: „Manchmal ist man schneller verheiratet, als man denkt!“

Joe war es so gegangen, erinnerte Lily sich. Kurz nach ihrer stürmischen Romanze hatten Emma und er geheiratet, und obwohl so vieles gegen eine Verbindung der beiden sprach, fand Lily, dass sie sehr glücklich aussahen.

„Ach, lasst ihn doch“, winkte Dylan ab. „Es ist doch nur ein Kuss. Ein Kuss bedeutet nichts. Habe ich recht, Lily?“

„In diesem Fall hast du vollkommen recht“, stimmte Lily vehement zu und versuchte, möglichst lässig zu wirken, als würde sie so etwas jeden Tag tun. Dabei wussten alle, dass das nicht stimmte.

„Von da, wo ich stand, hat es so ausgesehen, als ob Lily ihn wiedergeküsst hat. Und das will etwas heißen.“ Thad beugte sich bei diesen Worten zu seiner Braut und küsste sie. „Findest du nicht auch, Janey?“

„Ja, damit haben meine ganzen Probleme angefangen“, erwiderte Janey seufzend, sah dabei aber sehr glücklich aus und lehnte den Kopf an Thads Brust.

„Ich finde es eklig“, meldete sich ihr zwölfjähriger Sohn Christopher zu Wort, der neben seiner Mutter und Thad stand.

„Keine Angst, es wird nicht wieder vorkommen“, sagte Lily und sah Fletcher an. Dann drehte sie sich um und lief hinter Mac her. „Nimmst du mich mit zu meinem Wagen?“

„Mach ich gern, Lily.“ Mac lächelte ihr aufmunternd zu. „Und hab keine Angst, bei mir bist du sicher“, ergänzte er mit einem warnenden Seitenblick auf Fletcher.

Bei dem ist Lily bestimmt nicht sicher, dachte Fletcher am nächsten Morgen, als Carson McRue in einem silberfarbenen, extra für ihn ausgebauten Trailer in die Stadt gerollt kam.

Kurze Zeit später trafen sich die beiden Männer auf dem Marktplatz, um über das Pferd zu verhandeln, das Fletcher besorgt hatte. „Wer ist denn diese Schönheit da drüben?“, fragte der Schauspieler unvermittelt. Fletcher folgte Carsons Blick, der ihn direkt zu Lily führte. Sie stand auf der anderen Seite der Absperrung, die das Filmteam von den Schaulustigen trennte.

Heute Morgen sah sie besonders hinreißend aus mit ihren blonden Locken und dem hellgelben Sommerkleid, das ihre fantastische Figur betonte. Wie eine Pfirsichblüte, die darauf wartet, gepflückt zu werden, dachte Fletcher missmutig. Es würde nicht einfach werden, die starrköpfige, aber viel zu gutgläubige Lily von diesem Herzensbrecher fernzuhalten.

Autor

Cathy Gillen Thacker
Cathy Gillen Thackers erster Schreibversuch war eine Kurzgeschichte, die sie in der Mittagsstunde ihrer Kinder zu Papier bringen wollte. Monate später war ihre Kurzgeschichte auf Buchlänge angewachsen und stellte sich als Liebesroman heraus. Sie schrieb sechs weitere Romane, bevor ihr achter von einem Verlag angenommen und 1982 veröffentlicht wurde.

Seitdem hat...
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