Wild erwacht die Begierde

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Für seinen Bruder inszeniert Matthew Beaumont die High-Society-Hochzeit des Jahres. Alles muss perfekt werden! Doch dann trifft er die Trauzeugin und beste Freundin der Braut - die skandalumwitterte Whitney Wildz, einen ehemaligen Teeniestar auf Abwegen! Schon mit sechzehn hat er heftig für sie geschwärmt. Nun steht sie wirklich vor ihm und ist wahrhaftig kein unreifes Mädchen mehr. Als sie buchstäblich in Matthews Arme stolpert, wird sein Begehren erneut entfacht ... und erwidert. Sorgt er nun selbst für den Skandal, den er unbedingt verhindern wollte?


  • Erscheinungstag 24.02.2020
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729714
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Matthew Beaumont sah erstaunt in sein E-Mail-Postfach. Dass die Presseleute sich wie Aasgeier auf seine Familie stürzen würden, damit hatte er gerechnet. Dennoch war die schiere Menge an Anfragen nach mehr Informationen eindrucksvoll.

TMZ, Perez Hilton und PageSix.com – sie alle hatten ihm in den letzten zwanzig Minuten gemailt, und sie alle wollten das Gleiche wissen: Wer zum Henker war Jo Spears, die Glückliche, die in die Beaumont-Familie und das zugehörige Vermögen einheiratete? Und warum hatte der Playboy Phillip Beaumont, Matthews Bruder, ausgerechnet sie auserwählt – eine Frau, von der noch niemand etwas gehört hatte. Denn Phillip hätte doch jedes Supermodel und jedes Hollywood-Starlet haben können!

Matthew rieb sich die Schläfen. Die Wahrheit war tatsächlich recht langweilig: Jo Spears war eine angesehene Pferdetrainerin, die in den letzten zehn Jahren unter anderem mit den teuersten Pferden der Welt gearbeitet hatte. So weit gab es nicht viel Stoff für die Klatschseiten.

Aber wenn die Presse tiefer grub und irgendwann herausfand, dass Jo Spears in Wahrheit Joanna Spears hieß, würde man auch Zeitungsartikel über einen Autounfall finden, der ein Jahrzehnt zurücklag. Joanna war damals Beifahrerin gewesen, und der stark alkoholisierte Fahrer war bei dem Crash umgekommen. Eventuell würde die Presse dann auch einige Leute ans Tageslicht zerren, die damals oft und gerne mit Joanna gefeiert hatten.

Die Presse könnte diese Hochzeit in ein Paparazzi-Spektakel verwandeln.

Das Signal für eine neue E-Mail erklang. Vanity Fair hatte geantwortet. Matthew überflog die E-Mail. Ausgezeichnet. Sie würden einen Fotografen schicken, wenn der Reporter offiziell als Gast eingeladen wurde.

Matthew wusste, dass die für Heiligabend geplante Beaumont-Hochzeit nur dann nicht in ein Spektakel ausarten würde, wenn er die Informationen kontrollierte. Er musste Feuer mit Feuer bekämpfen, auch wenn das bedeutete, die Presse mit einzubeziehen.

Ja, es war toll, dass Phillip heiraten würde. Zum ersten Mal hatte Matthew das Gefühl, dass sein Bruder auf dem Weg war, sein Leben in den Griff zu bekommen.

Für Matthew bedeutete diese Hochzeit allerdings mehr als nur den Schritt seines Lieblingsbruders in den Hafen der Ehe. Diese Hochzeit war auch eine einmalige PR-Chance: Matthew musste der Welt zeigen, dass die Familie Beaumont weder zerbrach noch zerstritten war.

Es hatte weiß Gott genug derartige Gerüchte gegeben, nachdem Chadwick Beaumont die Beaumont-Brauerei verkauft und seine Sekretärin geheiratet hatte – was etwa zur selben Zeit geschehen war, wie die Geschichte, als Phillip in aller Öffentlichkeit abgestürzt und im Entzug gelandet war. Und die Aufzählung schloss noch nicht einmal die Eskapaden seiner Stiefmütter und Halbgeschwister mit ein.

Jeder wusste, dass die Beaumonts, einst die angesehenste Familie in ganz Denver, so tief gesunken waren, dass sie sich vielleicht nie wieder erholen würden.

Aber wen interessierte schon, was jeder wusste?

Diese Hochzeit war Matthews Chance, sich zu beweisen – nicht nur vor der Presse, sondern auch vor seiner Familie. Er würde ihnen ein für alle Mal beweisen, dass er auch als unehelicher Sohn etwas taugte. Diese Hochzeit war seine Chance, die unglücklichen Umstände seiner Geburt in Vergessenheit geraten zu lassen.

Eine perfekt inszenierte Hochzeit mit anschließendem Empfang würde aller Welt zeigen, dass die Beaumonts stärker denn je waren, und es lag an Matthew, dem ehemaligen PR-Experten der Beaumont-Brauerei und jetzigem Marketing-Chef der Percheron-Brauerei, das alles zu arrangieren.

„Wer die Presse kontrolliert, kontrolliert die Welt – so halten wir Beaumonts die Sache“, hatte sein Vater Hardwick Beaumont ihm einst erklärt, als Matthew mal wieder einen Skandal abgewehrt hatte. Es war einer der raren Momente gewesen, in denen Hardwick seinem dritten Sohn etwas Nettes gesagt hatte. Ein Moment, in dem sein Vater ihn hatte spüren lassen, dass er ein Beaumont war, nicht nur das Ergebnis einer Liebschaft.

Matthew war gut darin, die Presse zu kontrollieren, und mit dieser Hochzeit konnte er den Ruf der Beaumonts wiederherstellen.

Er hatte die beste Hochzeitsplanerin von Denver engagiert, die historische Kapelle auf dem Campus der Colorado Heights University gemietet und zweihundert Gäste zur Trauung eingeladen. Der Empfang für sechshundert Gäste sollte in einer der angesagtesten Adressen der Stadt, der Mile High Station, stattfinden, und das glückliche Paar sollte je nach Wetter in einer Kutsche oder in einem Schlitten vorfahren, jeweils gezogen von einem Percheron-Gespann. Das Menü war abgesprochen, der Hochzeitskuchen bestellt, die Gastgeschenke vorbereitet und der Fotograf gebucht. Matthew hatte seiner Familie – allen vier Exfrauen seines Vaters und allen seinen Geschwistern und Halbgeschwistern – das Versprechen abgerungen, sich von ihrer besten Seite zu zeigen.

Das Einzige, was er nicht kontrollieren konnte, waren die Braut und ihre Trauzeugin, eine Frau namens Whitney Maddox.

Jo zufolge war Whitney Pferdezüchterin und führte ein ruhiges Leben in Kalifornien, weshalb er keinen großen Ärger von ihr erwartete. Sie sollte zwei Wochen vor der Hochzeit eintreffen und bei Jo und Phillip auf der Farm wohnen. So konnte sie alles mitmachen, was in ihre Pflicht als Trauzeugin fiel: Anproben, Junggesellinnenabschied und so weiter. Natürlich hatte Matthew das alles bereits mit der Hochzeitsplanerin organisiert. Er ließ keinen Spielraum für Pannen.

Es musste eine perfekte Hochzeit werden. Die Welt sollte sehen, dass die Beaumonts noch immer eine Familie waren. Eine erfolgreiche Familie.

Und Matthew wollte zeigen, dass er ein legitimer Beaumont war.

Er öffnete ein leeres Dokument und fing an, seine Presseerklärung zu schreiben, als würde seine gesamte Zukunft davon abhängen.

Was ja auch der Fall war.

Whitney hielt vor dem Gebäude an, das aussah, als wären drei sehr unterschiedliche Häuser zusammengerückt worden. Nein, sie würde jetzt nicht nervös werden, weil sie zwei Wochen von ihren Pferden getrennt sein würde. Auch nicht, weil sie bei fremden Menschen wohnen würde oder wegen der Presse, die bei einer Beaumont-Weihnachtshochzeit unausweichlich dabei sein würde. Besonders der letzte Punkt machte ihr Sorgen.

Natürlich wusste sie, wer Phillip Beaumont war – wusste das nicht jeder? Er war das attraktive Gesicht der Beaumont-Brauerei. Oder war es zumindest gewesen, bis seine Familie alles verkauft hatte. Und Jo Spears war ihre Freundin, eigentlich sogar die beste Freundin, die sie je gehabt hatte. Die einzige Freundin. Jo wusste alles über ihre Vergangenheit, und es kümmerte sie nicht. Im Gegenzug für diese bedingungslose Freundschaft war das Mindeste, was Whitney tun konnte, sich zusammenzureißen und Jos Trauzeugin zu sein.

Auf der High-Society-Hochzeit des Jahres. Mit Hunderten von Gästen. Und Fotografen. Und der Presse. Und …

Jo trat aus der Haustür.

„Du hast dich kein bisschen verändert!“, rief Whitney, während sie die Autotür hinter sich zuwarf. Sie fröstelte. Der Dezember in Denver war etwas ganz anderes als der Dezember in Kalifornien. „Außer dass du deinen Cowboyhut nicht trägst.“

„Den habe ich auch nicht getragen, als wir uns bei dir auf dem Sofa Filme angesehen haben, oder?“ Jo lächelte breit und umarmte Whitney. „Wie war die Fahrt?“

„Lang“, stöhnte Whitney. „Darum bin ich auch alleine gekommen. Ich hatte erst überlegt, die Pferde mitzubringen, aber es ist einfach zu kalt, als dass sie so lange in einem Anhänger bleiben könnten. Und meine Hunde vertragen das Autofahren nicht so gut.“

Am liebsten hätte sie Fifi, ihren alten Windhund, oder Gater, den Mischling aus Mops und … etwas anderem mitgebracht. Die beiden Hunde durften als Einzige mit ins Haus. Aber Fifi bekam das Reisen nicht gut, und Gater war nicht glücklich, wenn er von Fifi getrennt war.

Tiere legten keinen Wert auf Status. Sie lasen keine Schlagzeilen, und es war ihnen auch egal, ob man sich mit neunzehn Jahren versehentlich vor den Paparazzi entblößt hatte, oder wie oft man wegen Trunkenheit am Steuer verhaftet worden war. Für sie zählte nur, dass man sie fütterte und ihnen die Ohren kraulte.

Jo nickte, während Whitney ihr Gepäck aus dem SUV holte. „Wer sieht nach ihnen?“, fragte Jo.

„Donald. Erinnerst du dich an ihn? Von der Nachbarranch?“

„Der alte Griesgram, der nicht fernsieht?“

Jo und Whitney sahen sich an, grinsten beide, und Whitney war froh, gekommen zu sein. Jo verstand sie wie sonst niemand.

Jeder andere hielt Donald für verrückt, für einen alt gewordenen Hippie, der in den Sechzigerjahren zu viel Acid eingeworfen hatte. Er lebte weitgehend autonom, sprach über Tiere, als wären sie seine Brüder und Schwestern, und redete von Mutter Erde, als wäre sie ein menschliches Wesen.

Das bedeutete aber auch, dass Donald keine Ahnung von moderner Popkultur hatte und demnach auch nicht wusste, wer Whitney war – oder wer sie früher mal gewesen war. Für ihn war sie einfach die Nachbarin, die mehr Solarpanele auf ihrem Scheunendach anbringen lassen sollte. Und wenn sie sich gelegentlich einen Vortrag über Komposttoiletten anhören musste, dann war das ein Preis, den sie gerne zahlte.

Sie würde ihre Tiere vermissen, aber wie sie Donald kannte, würde er wahrscheinlich mit ihnen auf der Koppel hocken und den Pferden Gutenachtgeschichten erzählen.

Außerdem hätte sie sich um nichts in der Welt die Hochzeit ihrer besten Freundin entgehen lassen. „Du musst mir alles über dich und Phillip Beaumont erzählen.“

Jo lächelte. „Komm rein“, sagte sie, schnappte sich eine von Whitneys Taschen und ging in Richtung Haustür. „In einer Stunde gibt’s Abendessen. Bis dahin weißt du alles Wichtige.“

Das ganze Haus war über und über mit roten Schleifen und Pinienzweigen geschmückt. In einem der Erkerfenster stand eine riesige Tanne voller rot und weiß blinkender Lichterketten und mit dem größten Stern, den Whitney je an der Spitze eines Weihnachtsbaumes gesehen hatte. Die gesamte Dekoration versprühte einen solch rustikalen Charme, dass Whitney sich insgeheim darauf freute, die Weihnachtstage hier zu verbringen, statt sich allein zu Hause den sentimentalen Film „Ist das Leben nicht schön?“ anzusehen.

Ein braunes Tier mit langen Ohren kam auf sie zu getrippelt und schnupperte an ihr. „Hallo, Betty“, sagte Whitney und ging in die Hocke. „Kennst du mich noch? Im letzten Winter hast du ein paar Monate auf meiner Couch verbracht.“

Der Zwergesel roch an Whitneys Haaren und gab ein lautes I-ah von sich, ehe er seinen Kopf an Whitneys Händen rieb.

„Wenn ich mich recht erinnere“, sagte Jo, „waren deine Hunde nicht ganz so begeistert von einem Esel im Haus.“

„Nicht ganz, nein.“ Fifi war es relativ egal gewesen, solange Betty nur nicht in ihr Hundebett ging, aber Gater hatte es als persönliche Beleidigung empfunden, dass Whitney ein Huftier ins Haus gelassen hatte. Ginge es nach Gater, gehörten Huftiere in den Stall.

Whitney stand auf. Betty rieb sich an ihren Beinen, sodass Whitney ihre langen Ohren streicheln konnte.

„Du wirst es nicht glauben …“, sagte Jo und hob Whitneys andere Tasche hoch, „… aber Matthew möchte, dass Betty auf dem Weg zum Altar vorangeht. Er hat einen Korb vorbereitet, in den Blütenblätter kommen, und auf ihrem Rücken liegt ein Kissen mit den Ringen. Das Blumenmädchen wird neben ihr hergehen und die Blütenblätter verstreuen. Er meint, es würde der absolute Hingucker sein.“

Whitney sah sie fragend an. „Matthew? Heiratest du nicht Phillip?“

„Doch.“ Ein umwerfend gut aussehender Mann betrat den Raum – groß, blond und irgendwie strahlend. „Hallo“, sagte er lächelnd, während er auf Whitney zukam und ihr eine Hand entgegenstreckte. „Ich bin Phillip Beaumont.“

Der Phillip Beaumont. Da sie selbst einmal berühmt gewesen war, ließ sich Whitney von Promis normalerweise wenig beeindrucken, aber Phillip sah sie so durchdringend an, dass sie für einen Augenblick ihren eigenen Namen vergaß.

„Und du musst Whitney Maddox sein“, sagte er. „Jo hat mir vom letzten Winter erzählt, den sie bei dir verbracht hat. Sie sagte, du hättest die hübschesten Trakehner, mit denen sie je gearbeitet hat.“

„Oh. Ja!“ Whitney nickte. Phillip war als Pferdekenner berühmt, und ihre Trakehner waren ein Thema, bei dem sie sich sicher fühlte. „Joy gehört mir. Pride and Joy, meine ich.“

„Der Hengst, der bei den Weltreiterspielen Gold gewonnen hat?“ Phillip lächelte sie weiterhin an, und sie bemerkte, dass er noch immer ihre Hand festhielt. „Ich habe keine Trakehner. Das sollte ich offensichtlich ändern.“

Whitney sah zu Jo. Sie fühlte sich hilflos und mehr als ein wenig schuldig, weil Jos Zukünftiger ihr die Röte in die Wangen trieb. Doch Jo lachte nur herzlich.

„Das reicht jetzt“, sagte Jo zu Phillip und hakte ihn unter. „Whitney ist an so viel Charme nicht gewöhnt.“ Sie sah zu Whitney. „Tut mir leid. Phillip, das ist Whitney. Whitney, das ist Phillip.“

Whitney nickte unsicher. „Schön, dich kennenzulernen. Und Glückwunsch zu eurer bevorstehenden Hochzeit.“

Phillip grinste sie an, widmete sein umwerfendes Lächeln dann aber glücklicherweise Jo. „Danke.“

Das Paar sah sich einen langen Moment verliebt an. Whitney blickte verlegen zur Seite.

Es war lange her, dass ein Mann sie so angesehen hatte. Und ehrlich gesagt war sie sich nicht einmal sicher, ob Drako Evans sie je so angesehen hatte. Bei ihrer kurzlebigen Beziehung war es nicht um Liebe gegangen, sondern darum, ihre Mutter zu ärgern. Und es hatte funktioniert, die Schlagzeilen waren damals spektakulär gewesen. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie sie bis heute nicht vergessen konnte.

Während sie Bettys Ohren rieb, blickte Whitney sich um und sah, dass der Esstisch für vier Personen gedeckt war. Der Geruch von Essen stieg ihr in die Nase. Lasagne und frisch gebackenes Brot. Ihr Magen begann zu knurren.

„Also …“, brach Phillip das Schweigen und richtete seine durchdringenden blauen Augen wieder auf Whitney. „Matthew wird in vierzig Minuten zum Essen hier sein.“

Whitney wusste noch immer nichts mit diesem Namen anzufangen. „Und Matthew ist …“

Phillips Lächeln verlor etwas von seinem Glanz. „Matthew Beaumont. Mein Trauzeuge und kleiner Bruder.“

Whitney sah ihn fragend an. „Ach?“

„Er organisiert die Hochzeit“, fuhr Phillip fort, als wäre es das Normalste der Welt.

„Er ist überzeugt, dass es das PR-Ereignis des Jahres wird“, erklärte Jo. „Ich hatte ihm gesagt, dass mir eine standesamtliche Trauung reichen würde …“

„Oder ein Wochenende in Vegas“, ergänzte Phillip, während er seinen Arm um Jos Taille legte und sie eng an sich zog.

„Aber er bestand darauf, dass für die Beaumonts nur eine große Hochzeit infrage kommt. Und da ich bald eine Beaumont sein werde …“ Jo seufzte. „Er hat die Organisation übernommen und ein Spektakel daraus gemacht.“

Whitney sah von Jo zu Phillip und wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. Die Jo, die sie kannte, hätte sich nie und nimmer auf eine Prunkhochzeit eingelassen.

„Aber …“, fuhr Jo fort und lächelte dabei fast schüchtern, „… es wird großartig werden. Die Kapelle ist wunderschön, und wir werden in einer Kutsche mit Percherons von dort zum Empfang gebracht. Der Fotograf ist ein absoluter Profi und das Kleid …“ In ihre Augen trat ein verklärter Ausdruck. „Aber du wirst es morgen ja selbst sehen. Wir haben um zehn Uhr eine Anprobe.“

„Es klingt wirklich perfekt“, sagte Whitney und meinte es auch so. Eine Hochzeit an Weihnachten? Eine Kutsche? Ein traumhaftes Kleid? Das alles hörte sich nach einem Märchen an.

„Ich hoffe, das wird es auch.“ Phillip lachte leise.

„Komm, ich zeige dir dein Zimmer“, sagte Jo und nahm sich eine Tasche.

Whitney war erleichtert. Sie brauchte etwas Zeit für sich, um all die neuen Eindrücke und Informationen zu verarbeiten.

Jo führte sie durch das Haus und erklärte ihr, welche Teile original waren (nicht viele) und welche später hinzugekommen waren (die meisten).

Dann machte der Flur einen Knick, und sie befanden sich in einem anderen Teil des Hauses, der in den 1970ern angebaut worden war. Das war der Gästetrakt, wie Jo ihr erklärte. Whitney hatte ein eigenes Badezimmer und war weit genug vom Rest des Hauses entfernt, um ungestört zu sein.

Jo öffnete die Tür und schaltete das Licht ein. Whitney hatte einen 70er-Jahre-Vintage-Look erwartet, aber das dekorative Grundthema des Raums waren rot-grüne Karos, wodurch er sehr weihnachtlich wirkte. Auf dem Sims eines kleinen Kamins stand sogar eine Vase mit Tannen- und Stechpalmenzweigen.

Jo ging zum Kamin und drückte auf einen Schalter, woraufhin Flammen im Feuerrost aufflackerten. „Phillip hat diese Einschaltautomatik vor einigen Jahren einbauen lassen“, erklärte sie. Dann deutete sie auf eine Kommode. „Da drinnen sind ein paar Extradecken. Hier ist es um einiges kälter als auf deiner Ranch.“

„Gut zu wissen.“ Whitney setzte ihre Tasche am Fußende des Betts ab. Die restliche Möblierung bestand aus einem kleinen Tisch mit einem Sessel. Es war gemütlich. Whitney spürte, wie die Anspannung von ihr abfiel. „Also … du und Phillip?“

„Ich und Phillip“, stimmte Jo zu und klang, als könnte sie es selbst kaum glauben. „Er ist … tja, du hast ihn ja gesehen. Er hat so eine Art, Frauen anzusehen, die irgendwie … zweideutig ist.“

„Dann habe ich mir das nicht nur eingebildet?“

Jo lachte. „Nein. So ist er einfach.“

Das erklärte allerdings noch nicht, wie Jo und Phillip zusammengekommen waren. Ein Playboy stand ganz unten auf Whitneys Liste möglicher Ehemänner für Jo. Whitney war sich allerdings nicht sicher, wie sie die Frage stellen sollte, ohne dass Jo sie falsch verstand.

„Er hat ein Pferd“, kam Jo ihr zuvor. „Sun. Kandar’s Golden Sun.“

Whitney machte große Augen. „Ich habe schon von dem Pferd gehört. Ist es nicht für sieben Millionen Dollar verkauft worden?“

„Genau. Und er war ein absolutes Nervenbündel“, fügte Jo lachend hinzu. „Es hat mich eine Woche gekostet, bis ich ihn so weit hatte, dass er einfach nur still dastand. Kannst du dir das vorstellen?“

Whitney schüttelte den Kopf. Jo war zu ihr auf die Ranch gekommen, um mit Sterling zu arbeiten, der urplötzlich Angst vor Wasser bekommen hatte. Es hatte nur wenige Stunden gedauert, bis das Pferd Vertrauen zu Jo fasste. „Eine ganze Woche?“, fragte sie ungläubig.

„Jedes andere Pferd wäre vor Erschöpfung tot umgefallen, aber nicht Sun, und genau deshalb ist er auch etwas Besonderes. Ich kann ihn dir nach dem Essen zeigen.“

„Dann hat euch das Pferd zusammengebracht?“

Jo nickte. „Ich kannte Phillips Ruf – der auch der Grund ist, warum Matthew diese große Hochzeit wollte, um der Welt zu zeigen, dass Phillip sich ernsthaft bindet. Er ist jetzt seit sieben Monaten trocken, und auf dem Empfang wird ein Suchthelfer dabei sein.“ Jo errötete. „Wenn du möchtest, kannst du …“

Whitney nickte. „Ich glaube nicht, dass es ein Problem geben wird. Ich bin seit fast elf Jahren trocken.“ Sie schluckte. „Weiß Phillip, wer ich bin?“

„Natürlich.“ Jo zog die Augenbrauen hoch. „Du bist Whitney Maddox, die bekannte Pferdezüchterin.“

„Nein, ich meine … Du weißt, was ich meine.“

„Er weiß es“, sagte Jo und bedachte Whitney mit dem gleichen Blick, den sie auch dem Alt-Hippie Donald zugeworfen hatte, als er ihr einen Vortrag gehalten hatte, dass sie auf Biodiesel umsteigen sollte. „Aber wir wissen auch, dass die Vergangenheit … eben Vergangenheit ist.“

„Oh.“ Whitney atmete erleichtert aus. „Gut. Sehr gut. Ich will keine Aufmerksamkeit auf mich ziehen, das ist dein – euer – großer Tag.“

„Es wird kein Problem geben“, versicherte Jo mit ruhiger Stimme. „Und du hast recht, es wird ein sehr großer Tag.“

Sie lachten beide. Es tat gut, wieder mit Jo zu lachen. Sie hätte letztes Jahr nicht zwei volle Monate bei ihr bleiben müssen – Sterling war kein so schwieriger Fall gewesen. Aber sie hatten sich sehr gut verstanden, weil sie beide wussten, dass die Vergangenheit hinter ihnen lag. Es waren zwei gute Monate gewesen, und zum ersten Mal in ihrem Erwachsenenleben hatte Whitney sich nicht so … einsam gefühlt.

Und jetzt würde sie dieses Gefühl für die kommenden zwei Wochen haben.

„Und? Bist du glücklich?“ Die Wichtigste aller Fragen.

Jos Züge wurden weicher. „Ja. Er ist ein guter Mann, der ein interessantes Leben hatte – um es mal vorsichtig auszudrücken. Er hat gelernt, auf seine Familie mit Charme zu reagieren. Er wollte dich vorhin nicht anmachen, das ist nur seine Art, mit Situationen umzugehen, die ihn nervös machen.“

„Oh? Dann muss seine Familie ja recht speziell sein.“

Jo lachte erneut. „Dazu sage ich nichts, nur dass sie anstrengend ist, aber im Ganzen gesehen sind es keine schlechten Menschen. Wie Matthew. Er ist ein kleiner Kontrollfreak, aber er will im Prinzip nur das Beste für die Familie. Und für uns.“ Sie stand auf. „Ich lasse dich jetzt allein, damit du dich frisch machen kannst. Matthew wird gleich da sein.“

„Klingt gut.“

Jo schloss die Zimmertür hinter sich und überließ Whitney ihren Gedanken.

Sie war froh, dass sie hergekommen war. Genau das hatte sie gewollt: sich normal fühlen. Normal sein. Einfach einen Raum betreten, ohne Angst zu haben, dass alle über sie Bescheid wüssten. Stattdessen würde sie auf Menschen wie Phillip treffen, der ihr auf Augenhöhe begegnete und ihr das Gefühl gab, willkommen zu sein.

Und Phillip hatte einen Bruder, der zum Abendessen kommen würde.

Wie Matthew Beaumont wohl aussehen mochte? Und viel wichtiger: Wie würde er sein?

Was, wenn Matthew Beaumont sie so anschauen würde wie sein Bruder, ohne etwas auf ihre Vergangenheit zu geben? Was, wenn er mit ihr über Pferde reden würde statt über Schlagzeilen? Was, wenn … Was, wenn er Single wäre?

Doch Whitney wollte sich auf niemanden mehr einlassen. Dieser Teil ihres Lebens war tot und begraben. Aber … eine kleine Weihnachtsromanze zwischen Trauzeugin und Trauzeuge wäre doch gar nicht so übel, oder? Es könnte sogar lustig werden.

Sie eilte ins Bad und hoffte insgeheim, dass dieser Matthew Beaumont alleinstehend war. Es klang, als würde er an einem Großteil der Planungsaktivitäten teilhaben – und sie würde ganze zwei Wochen hier verbringen. Vielleicht war es ganz praktisch, dass ihr Aufenthalt begrenzt war. So konnte sie einfach abreisen, wenn die Dinge doch nicht so gut verliefen.

Andererseits … war es schon elf Jahre her, dass sie aktives Interesse am anderen Geschlecht gezeigt hatte. Ausgerechnet mit dem Trauzeugen flirten zu wollen, war vielleicht nicht der klügste Schachzug.

Sie wusch sich das Gesicht. Ein potenzieller Flirt mit Matthew Beaumont verlangte nach Make-up und Eyeliner. Mindestens. Gesagt, getan. Anschließend entschied sich Whitney für ein frisches Oberteil. Sie zog ihre schwarze Seidenbluse aus der Tasche, legte sie aber wieder zur Seite. Jo hatte Jeans und ein Flanellhemd getragen, es würde also kein schickes Abendessen werden. Ein roter Kaschmirpulli mit V-Ausschnitt machte schließlich das Rennen – weich, aber nicht zu überkandidelt. Die Art von Oberteil, die ein gut aussehender alleinstehender Mann vielleicht ganz zufällig berühren wollte. Perfekt.

Ob Matthew wohl blond war wie Phillip? Hatte er das gleiche Lächeln, die gleichen blauen Augen? Whitney bürstete sich gerade das kurze Haar, als aus einem anderen Teil des Hauses eine Glocke zu hören war.

Sie legte noch schnell etwas Lipgloss auf und verließ ihr Zimmer. Sie versuchte, sich an den Weg zu erinnern, verlief sich aber. Das Haus hatte so viele Flure, die alle in verschiedene Richtungen abzweigten. Sie ging eine Treppe hinunter, fand sich aber an ihrem Fuß vor einer verschlossenen Tür wieder. Das war der falsche Weg, auf ihrem Hinweg mit Jo war sie durch keine Tür gegangen. Sie ging wieder zurück und ignorierte die aufsteigende Panik. Hoffentlich waren nicht alle schon am Tisch versammelt und warteten nur auf sie.

Immerhin fand sie ihr Zimmer wieder. Sie ging von dort aus in die entgegengesetzte Richtung und war erleichtert, als sie den Flur wiedererkannte. Endlich. Sie beschleunigte ihre Schritte, vielleicht war sie ja doch nicht zu spät.

Sie konnte jetzt Stimmen hören – Jos und Phillips Stimme und eine ihr unbekannte tiefe und kräftige Stimme. Matthew.

Sie eilte die Stufen hinunter, bis ihr siedend heiß einfiel, dass sie einen guten Eindruck machen wollte. Und wie ein unpünktlicher Teenager irgendwo hineinzuplatzen, versprach genau die gegenteilige Wirkung.

Sie bremste ihren Schritt auf einer Stufe nahe dem Fuß der Treppe und geriet ins Straucheln. Sie stolperte die letzten beiden Stufen hinunter und fiel praktisch ins Wohnzimmer. Sie würde hinfallen, das wusste sie, und machte sich schon auf den Schmerz gefasst.

Doch der blieb aus. Statt auf dem Boden zu landen oder ein Möbelstück zu rammen, fingen zwei starke Arme sie auf, und sie prallte gegen eine warme muskulöse Brust.

„Uff“, sagte die zu der durchtrainierten Brust gehörende Stimme.

Whitney sah auf und blickte in zwei dunkelblaue Augen. Der Mann lächelte zu ihr hinunter, und diesmal hatte sie nicht das Gefühl, jede Sekunde ihren eigenen Namen zu vergessen, so wie bei Phillip. Vielmehr hatte sie das Gefühl, dass sie diesen Moment niemals vergessen würde.

„Nicht so stürmisch.“

Nicht blond, schoss es ihr durch den Kopf, eher goldbraun mit einem Rotstich, der perfekt zu ihm passte. Seine Arme lagen um ihre Taille und hielten sie fest. Sie fühlte sich sicher, und dieses Gefühl war wunderschön.

Dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck, ganz ohne Vorwarnung. Sein warmes Lächeln gefror, sein Blick wurde hart. Die starken Arme wurden zu eisernen Schraubzwingen, und ehe sie es sich versah, stieß er sie von sich.

Matthew Beaumont trat einen Schritt zurück und warf Phillip und Jo einen grimmigen Blick zu.

„Was …“, begann er im schärfsten Tonfall, den Whitney seit Langem gehört hatte, „… macht Whitney Wildz hier?“

2. KAPITEL

Matthew stemmte die Hände in die Hüften. Was hatte der ehemalige Teeniestar Whitney Wildz in Phillips Haus zu suchen? Auf die Erklärung war er gespannt.

„Matthew …“, begann Jo mit eisiger Stimme. „Ich möchte dir meine Trauzeugin Whitney Maddox vorstellen.“

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
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