Wie führt man den Boss in Versuchung?

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Chadwick Beaumont, Erbe eines mächtigen Imperiums, hat gelernt, Nein zu sagen. Sogar bei ungeheuer erotischen Versuchungen wie der schönen Serena Chase. Denn sie ist nicht nur seine Assistentin, sondern hat auch einen Freund. Da muss er als Boss die Distanz wahren. Bis auf einmal alles, wofür er gearbeitet hat, infrage gestellt wird, und er dazu erfährt, dass Serena wieder Single ist. Warum soll er jetzt noch Nein sagen? Warum soll er nicht zum ersten Mal in seinem Leben das tun, was er mehr als alles andere will: Serena küssen und ihr zeigen, wie heiß er sie begehrt?


  • Erscheinungstag 10.02.2020
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729691
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Miss Chase, kommen Sie bitte in mein Büro?“

Serena zuckte zusammen, als sie die Stimme von Mr. Beaumont hörte, die durch die altmodische Gegensprechanlage auf ihrem Schreibtisch drang. Blinzelnd schaute sie sich um. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie einen Moment brauchte, um zu registrieren, wo sie war.

Wie war sie eigentlich hierher ins Büro gekommen? Sie blickte an sich hinunter. Sie trug einen Hosenanzug, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, ihn angezogen zu haben. Vorsichtig berührte sie ihr Haar – es saß perfekt. Alles war also wie immer.

Mit der kleinen Ausnahme, dass sie schwanger war. Insofern war nichts wie immer.

Serena war sich ziemlich sicher, dass es ein Montag war. Die Uhr des Computers zeigte Punkt neun an – genau um diese Zeit traf sie sich für gewöhnlich zur Besprechung mit Chadwick Beaumont, dem Geschäftsführer und Präsidenten der Beaumont-Brauerei.

Seit sieben Jahren arbeitete sie als seine persönliche Assistentin. Davor hatte sie ein einjähriges Praktikum absolviert, dem ein Jahr in der Personalabteilung gefolgt war. Die wenigen Montage, an denen ihre Neun-Uhr-Besprechung ausgefallen war, konnte sie an einer Hand abzählen.

Es gab also keinen Grund, den Termin wegen einer Kleinigkeit wie einer zufälligen Schwangerschaft abzusagen.

An diesem Wochenende war ihr Leben völlig aus den Fugen geraten. Sie war nicht einfach nur ein bisschen müde oder ein bisschen gestresst. Sie hatte sich auch nicht einfach nur ein bisschen erkältet – sie hatte herausgefunden, dass sie seit drei Monaten und zwei Wochen schwanger war. Sicher sein konnte sie sich nicht zuletzt deswegen, weil sie genau wusste, dass sie zu jenem Zeitpunkt das letzte Mal mit Neil geschlafen hatte.

Neil. Sie musste es ihm sagen. Er hatte ein Recht, es zu erfahren. Großer Gott, sie wollte ihn eigentlich nie mehr wiedersehen. Denn sie wollte nicht noch einmal von ihm zurückgewiesen werden. Aber hier ging es nicht darum, was sie wollte.

Was für eine Katastrophe!

„Miss Chase? Gibt es ein Problem?“ Mr. Beaumonts Stimme klang bestimmt, aber freundlich.

Sie drückte auf den Knopf der Gegensprechanlage. „Nein, Mr. Beaumont. Einen Moment bitte, ich bin sofort bei Ihnen.“

Sie saß im Büro und hatte einen Job zu erledigen – den sie gerade jetzt nötiger brauchte denn je.

Serena schickte eine kurze Mail an Neil, um ihn darüber zu informieren, dass sie mit ihm reden müsse. Dann nahm sie ihren Tablet-PC und öffnete die Tür zu Mr. Beaumonts Büro.

Chadwick Beaumont leitete die Brauerei in dritter Generation, und das sah man diesem Büro auch an. Seit den Vierzigerjahren schien die Zeit hier stehengeblieben zu sein. Chadwicks Großvater John hatte das Unternehmen kurz nach dem Ende der Prohibition offiziell gegründet. Drei Wände waren mit auf Hochglanz poliertem Mahagoni getäfelt, und eine eingebaute Bar mit einem riesigen Spiegel nahm fast die gesamte Fläche der vierten Wand ein. Vor der langen Fensterfront waren schwere graue Samtvorhänge drapiert. Das i-Tüpfelchen waren aufwändig geschnitzte Holztafeln, auf denen die Geschichte der Beaumont-Brauerei abgebildet war.

Der riesige Konferenztisch war eine Spezialanfertigung, extra für diesen Raum geschreinert. Serena hatte irgendwann mal gehört, dass man ihn direkt im Büro hatte zusammenbauen müssen, weil er nicht durch die Tür gepasst hätte. Daneben gab es noch eine Sitzecke, bestehend aus zwei ledernen Clubsesseln und einem passenden kleinen Sofa, die um einen Couchtisch gruppiert waren. Angeblich war dieser Tisch aus den Rädern gemacht worden, die Teil des Pferdewagens waren, mit dem Phillipe Beaumont 1880 die Prärie durchquert hatte, um sich in Denver niederzulassen und Bier zu brauen.

Serena liebte dieses Büro – hier war sie von so viel Eleganz und Geschichte umgeben wie sonst nirgendwo. Die wenigen Indizien, die darauf hinwiesen, dass man bereits im einundzwanzigsten Jahrhundert angekommen war, waren ein Flachbildfernseher, das Telefon und der Computer auf dem Schreibtisch. Dahinter befand sich, versteckt zwischen der Bar und einem Bücherregal, eine Tür, durch die man in einen Privatraum gelangte. Dort hatte Chadwick eine Dusche einbauen, ein Laufband und diverse andere Trainingsgeräte aufstellen lassen. Serena wusste das jedoch nur, weil sie die Bestellungen dafür in Auftrag gegeben hatte. Ansonsten hatte sie Chadwicks privates Reich in den gesamten sieben Jahren noch kein einziges Mal betreten.

In diesem Büro hatte sie immer Trost gefunden – es bildete einen wohltuenden Kontrast zu ihrer Kindheit, die von Armut und Entbehrung geprägt gewesen war. Hier fand sie alles, wonach sie sich immer gesehnt hatte: Beständigkeit, Geborgenheit, Sicherheit. Dinge, nach denen es sich zu streben lohnte.

Auch sie konnte ein komfortables Leben führen, weil sie fleißig, engagiert und loyal war. Vielleicht konnte sie sich nicht den gleichen Luxus leisten wie Chadwick Beaumont. Aber sie hatte es heute weit besser als in den heruntergekommenen Wohnwagen, in denen sie aufgewachsen war.

Chadwick saß am Schreibtisch und blickte auf den Monitor seines Computers. Serena wusste sehr wohl, dass sie ihn im Geiste nicht Chadwick nennen sollte – es war viel zu vertraulich. Mr. Beaumont war immerhin ihr Chef. Einer, der nie aufdringlich wurde oder sie zu nächtlichen Überstunden oder dringenden Wochenendschichten nötigte.

Sie war eine gewissenhafte Mitarbeiterin, die durchaus Überstunden machte, wenn es notwendig war. Sie leistete harte Arbeit, und er honorierte das. Für ein Mädchen wie sie, das während der Schulzeit auf die Unterstützung von Wohltätigkeitsorganisationen angewiesen gewesen war, waren eine jährliche Gehaltserhöhung von acht Prozent und eine Eintausend-Dollar-Prämie für gute Leistungen ein Geschenk des Himmels.

Es war kein Geheimnis, dass Serena für ihren Boss durchs Feuer gegangen wäre. Dass sie ihn jedoch über seinen Erfolg und sein Engagement hinaus bewunderte, war eine andere Sache. Denn Chadwick Beaumont war auch ein verdammt gut aussehender Mann. Er war stolze ein Meter neunzig groß, hatte dunkelblondes gepflegtes Haar, und er war einer jener Männer, die wie ein guter Wein mit den Jahren immer attraktiver werden. An manchen Tagen ertappte Serena sich dabei, wie sie ihn verstohlen anhimmelte.

Diese heimliche Schwärmerei behielt sie selbstverständlich für sich. Sie hatte einen wunderbaren Job, den sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen würde, indem sie sich ganz unprofessionell in ihren Chef verliebte. Außerdem war sie fast zehn Jahre lang mit Neil zusammen gewesen, und Chadwick hatte eine Ehefrau. Zwischen ihnen bestand also lediglich eine rein geschäftliche Beziehung.

Sie hatte keinen blassen Schimmer, wie sich die Schwangerschaft auf ihren Job auswirken würde. Aber sie würde ihre Arbeit – und die Leistungen der Krankenkasse – mehr denn je brauchen.

Serena nahm wie immer auf einem der beiden Stühle vor dem Schreibtisch Platz und schaltete das Tablet ein. „Guten Morgen, Mr. Beaumont.“ Oh Gott, hatte sie heute Morgen vor lauter Panik vielleicht vergessen, Make-up aufzulegen? Hoffentlich hatte sie keine Ränder unter den Augen.

„Miss Chase“, begrüßte Chadwick sie und sah sie kurz an. Dann blickte er wieder auf den Monitor und hielt inne. Serena hatte kaum Zeit, Luft zu holen, da fragte Chadwick Beaumont sie auch schon: „Ist alles in Ordnung?“

Nein. In ihrem Leben war alles durcheinander. Nur die Tatsache, dass sie als Kind sehr viel schlimmere Situationen durchgestanden hatte, hielt sie aufrecht.

Sie hoffte, es würde ihr auch diesmal gelingen.

Serena nahm eine gerade Haltung ein und versuchte, so freundlich wie möglich zu lächeln. „Es ist Montag. Mir geht’s gut.“

Chadwick zog eine Braue hoch. „Sind Sie sicher?“

Sie log ihn nur ungern an. Sie log überhaupt nie gerne. Doch dank Neil hatte sie in letzter Zeit viel Übung darin bekommen. „Alles okay.“

Es blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich selbst zu glauben. Sie hatte sich dank harter Arbeit aus der größten Armut befreit, und ein Stolperstein – winzig wie ein Baby – würde sie nicht aus der Bahn werfen. Jedenfalls hoffte sie das.

Chadwick wandte den Blick seiner haselnussbraunen Augen von ihr ab und schien es dabei zu belassen. „Na gut. Was braut sich denn in dieser Woche zusammen?“

Wie immer, wenn er diesen Witz machte, lächelte sie. Natürlich brauten sie Bier.

Auf seinem Terminkalender standen außerdem eine Verabredung zum Lunch mit seinem Vizepräsidenten und noch ein paar andere Meetings. Er tat wirklich viel für die Firma – er war ein Chef, der mit anpackte. Es war Serenas Aufgabe, dafür zu sorgen, dass seine Termine nicht miteinander kollidierten.

„Sie haben am Dienstagmorgen um zehn Uhr einen Termin mit den Rechtsanwälten wegen der Schlichtung. Deshalb habe ich Ihr Treffen mit Matthew auf den Nachmittag verschoben.“

Mit dieser Formulierung umging sie auf diplomatische Weise die unangenehme Tatsache, dass es sich bei den Anwälten um seine Scheidungsanwälte und bei besagter Schlichtung um die Scheidung von seiner Frau Helen handelte. Das Ganze zog sich schon seit Monaten hin – dreizehn Monate, wenn sie sich nicht täuschte. Die Einzelheiten kannte sie natürlich nicht. Wer konnte schon sagen, was sich hinter den verschlossenen Türen einer Familie abspielte? Alles, was sie sagen konnte, war, dass Chadwick das Ganze ziemlich mitgenommen hatte und dass es ihn langsam zu zermürben schien.

Er seufzte. „Als ob dieses Treffen auf irgendetwas hinauslaufen würde. Die letzten fünf Male ist es auch ergebnislos geblieben. Egal. Was gibt es sonst noch?“, fügte er wieder energischer hinzu.

Serena räusperte sich. Damit waren die persönlichen Angelegenheiten, die sie miteinander teilten, abgehakt. „Am Mittwoch ist das Vorstandstreffen im Hotel Monaco.“ Sie räusperte sich abermals. „Es geht um das Angebot von AllBev. Das Nachmittagsmeeting mit den Produktionsleitern habe ich abgesagt, aber sie werden Ihnen einen Zwischenbericht schicken.“

Beim Thema AllBev wurde ihr plötzlich klar, dass sie gar nicht so sehr Angst davor hatte, ein Kind zu bekommen. Es war vielmehr die Befürchtung, deshalb ihren Job zu verlieren …

AllBev war ein internationaler Konzern, der sich auf die Übernahme von Brauereien spezialisiert hatte. Sie hatten bereits Firmen in England, Südafrika und Australien gekauft und nun die Beaumont-Brauerei im Visier. AllBev war bekannt dafür, die Führungsebene der Betriebe durch eigene Leute zu ersetzen. Die wenigen Mitarbeiter, die sie nicht entließen, mussten dann für mehr Profit als zuvor sorgen.

Chadwick stöhnte auf und ließ sich in seinen Sessel zurückfallen. „Das ist diese Woche?“

„Ja, Sir.“ Als sie Sir sagte, blickte er sie verwundert an. Serena korrigierte sich. „Ja, Mr. Beaumont. Wir haben das Treffen vorgezogen, weil Mr. Harper dabei sein wollte.“

Leon Harper besaß nicht nur eine der größten Banken Colorados, er war auch ein Vorstandsmitglied der Brauerei. Und er drängte darauf, der Übernahme durch AllBev zuzustimmen.

Was würde passieren, wenn Chadwick das Angebot akzeptierte oder wenn sich der Vorstand über seine Wünsche hinwegsetzte? Was, wenn die Beaumont-Brauerei verkauft werden würde? Dann wäre sie ihre Stelle los. Denn das Management von AllBev hatte ganz sicherlich keinen Bedarf an der Assistentin des ehemaligen Geschäftsführers. Man würde sie entlassen, und alles, was ihr von den neun Jahren in dieser Firma bliebe, wäre ein Karton, in dem sie ihre Habseligkeiten mit nach Hause nehmen konnte.

Natürlich wäre das nicht das Ende der Welt. Sie hatte immer äußerst bescheiden gelebt und die Hälfte ihrer Einkünfte angelegt. Sie müsste nicht wieder von der Sozialhilfe leben. Das wollte sie auch nicht.

Wäre sie nicht schwanger, wäre es vermutlich kein Problem, einen neuen Job zu bekommen. Denn sie hatte eine fundierte Ausbildung, und Chadwick würde ihr ein hervorragendes Empfehlungsschreiben mit auf den Weg geben. Selbst einen vorübergehenden Zeitvertrag würde sie annehmen.

Auch … ja, auch wenn sie auf die Zusatzleistungen verzichten müsste. Obwohl sie gerade jetzt dringend eine bezahlbare Krankenversicherung brauchte. Was das betraf, war die Beaumont-Brauerei einer der großzügigsten Arbeitgeber weit und breit.

Doch es ging ja nicht nur darum, die laufenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Sie konnte einfach nicht mehr in das Leben zurückkehren, das sie geführt hatte, bevor sie in der Brauerei angefangen hatte. Sie wollte nie wieder das Gefühl haben, ihr Leben nicht in den Griff zu bekommen. Oder von anderen Menschen wie ein ungebildeter Parasit behandelt zu werden, der auf Kosten der Gesellschaft lebte.

Würde ihr Kind gezwungen sein, so aufzuwachsen wie sie? Angewiesen auf die warmen Mahlzeiten der Suppenküchen und die paar Cents, die seine Mom als Kellnerin in einem Diner verdiente?

Serena erinnerte sich an die Sozialarbeiter, die ihren Eltern oft damit gedroht hatten, ihnen ihre Tochter wegzunehmen, bis sie in der Lage wären, besser für sie zu sorgen. Serena hatte immer geglaubt, weniger wert zu sein als andere Kinder, ohne eigentlich zu wissen, warum. Bis eines Tages Miss Gurgin in der vierten Klasse vor allen Mitschülern verkündet hatte, dass Serena Chase das zerschlissene T-Shirt trug, das sie in den Altkleidersack geworfen hatte. Die Lehrerin wollte es an einem Fleck im Stoff wiedererkannt haben.

Diese Erinnerung schnürte Serena die Kehle zu. Nein, dachte sie und zwang sich durchzuatmen. Das kam gar nicht infrage. Sie hatte genug Geld, um ein, zwei Jahre über die Runden zu kommen – vielleicht sogar noch länger, wenn sie sich eine günstigere Wohnung mieten und ein billigeres Auto kaufen würde. Außerdem würde Chadwick es nicht zulassen, dass das Familienunternehmen verkauft wurde. Er beschützte seine Firma. Er würde sie beschützen.

„Harper, der alte Gockel“, murmelte Chadwick und riss Serena aus ihren Gedanken. „Er ist immer noch auf einem Rachefeldzug gegen meinen Vater. Er kann die Vergangenheit einfach nicht ruhen lassen.“

Es war das erste Mal, dass Serena das hörte. „Will Mr. Harper Sie loswerden?“

Chadwick winkte ab. „Er will sich immer noch an meinem Vater Hardwick rächen, weil der mit seiner Frau im Bett war. Man munkelt, direkt nach Harpers Flitterwochen.“ Er sah sie wieder an. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht? Sie sehen blass aus.“

Wäre es doch nur ein bisschen Blässe, dann wäre alles gut. „Ich …“ Verzweifelt suchte sie nach einer Ausrede. „Das höre ich zum ersten Mal.“

„Hardwick Beaumont war ein intoleranter, frauenverachtender Betrüger und Lügner. An guten Tagen.“ Chadwick klang emotionslos, er schien einfach nur die Fakten festzuhalten. „Ich bin mir sicher, dass er es getan hat. Aber das ist Schnee von gestern und schon vierzig Jahre her. Mein alter Herr ist seit fast zehn Jahren tot.“

Chadwick seufzte und sah aus dem Fenster. In der Ferne glänzten die schneebedeckten Spitzen der Rocky Mountains in der Frühlingssonne. „Aber das scheint sich noch nicht bis zu Mr. Harper herumgesprochen zu haben. Es wäre schön, wenn Harper begreifen würde, dass ich nicht Hardwick bin.“

„Ich weiß, dass Sie nicht so sind wie er.“

Chadwick blickte sie an. Da war etwas in seinen Augen, das sie nicht deuten konnte.

„Ist das so? Sind Sie sich da sicher?“

Serena spürte plötzlich, dass sie sich auf dünnes Eis gewagt hatte.

Denn eigentlich war sie sich ganz und gar nicht sicher. Sie hatte keine Ahnung, warum Chadwick sich scheiden ließ oder ob er mit anderen Frauen im Bett gewesen war. Sie wusste nur, dass er niemals versucht hatte, mit ihr zu flirten. Er war ihr immer auf Augenhöhe und mit Respekt begegnet.

„Ja“, versicherte sie ihm. „Ganz sicher.“

Er kleines Lächeln spielte um seine Lippen. „Das bewundere ich so an Ihnen, Serena. Sie sehen immer das Gute im Menschen. Sie sorgen dafür, dass es allen um Sie herum gut geht. Und Sie machen den Leuten nichts vor.“

Oh. Oh. Ihre Wangen fühlten sich plötzlich so warm an. Lag das an dem Kompliment, das er ihr gemacht hatte, oder daran, dass er sie mit ihrem Vornamen angesprochen hatte? Normalerweise nannte er sie Miss Chase.

Das Eis wurde immer dünner.

Sie sollte das Thema wechseln. Sofort. „Am Samstagabend um neun findet der Wohltätigkeitsball der Brauerei im Denver Art Museum statt.“

Immer noch lächelnd, zog er eine Augenbraue hoch. Auf einmal sah Chadwick Beaumont weder müde noch ausgepowert aus – er sah heiß aus. Eigentlich sah er immer heiß aus, aber in diesem Augenblick sah man ihm weder die Last der Verantwortung noch die Sorge um die Zukunft seiner Firma an.

Serenas Wangen waren immer noch warm. Wieso warf sie ein einziges Kompliment so aus der Bahn? Richtig – sie war ja schwanger. Wahrscheinlich spielten ihre Hormone verrückt.

„Wer wird dieses Jahr noch gleich ausgezeichnet? Eine Essenausgabe?“

„Ja, die Rocky-Mountain-Tafel wird Wohltätigkeitsorganisation des Jahres.“

Jedes Jahr veranstaltete die Beaumont-Brauerei einen aufsehenerregenden Spendenball für eine soziale Einrichtung aus der Region, die sie zwölf Monate lang finanziell unterstützte. Es gehörte zu Serenas Job, die Bewerbungen der Organisationen zu prüfen. Mit den Fördergeldern der Brauerei und den eingenommenen Spenden kamen meistens rund fünfunddreißig Millionen Dollar zusammen – damit konnte eine soziale Einrichtung ihr Budget für die nächsten fünf bis zehn Jahre bestreiten.

Serena fuhr fort. „Diesmal hat Ihr Bruder Matthew die Veranstaltung organisiert. Sie ist der Höhepunkt der ganzen Förderaktion. Es wäre wunderbar, wenn Sie die Zeit fänden.“

Es war eine äußerst diplomatische Formulierung, mit der Serena ihm andeutete, wie wünschenswert sein Erscheinen war. Selbstverständlich fehlte Chadwick bei solchen Veranstaltungen nie. Denn er wusste nur allzu gut, dass es bei diesen Abenden nicht nur um den guten Zweck ging, sondern auch um den Ruf der Beaumont-Brauerei.

Chadwick blickte sie prüfend an. „Sie haben die Tafel für die Förderung ausgewählt, nicht wahr?“

Serena schluckte. Fast schien es, als wüsste er, dass sie und ihre Eltern von solchen Organisationen abhängig gewesen waren. Dass sie ohne ihre wöchentliche Ration an Lebensmitteln und warmen Mahlzeiten hätten hungern müssen. „Ich leite ja auch mehr oder weniger das Auswahlverfahren. Das ist meine Aufgabe.“

„Sie machen das sehr gut.“ Bevor Serena dieses zweite Kompliment auf sich wirken lassen konnte, fuhr er fort. „Kommt Neil auch?“

„Ähm …“ Normalerweise begleitete Neil, der auf Du und Du mit einflussreichen Persönlichkeiten war, sie immer zu diesen Veranstaltungen. Sie selbst nahm aber am liebsten daran teil, um sich in Schale zu schmeißen und Champagner trinken zu können – das war etwas, von dem sie als junges Mädchen nur hatte träumen können.

Doch plötzlich war die Situation anders – ganz anders. Sie spürte, dass sie einen Kloß im Hals hatte. Was für ein Desaster!

„Nein. Er …“ Fang jetzt bloß nicht an zu heulen! Nicht heulen! „Wir haben vor ein paar Monaten im gegenseitigen Einvernehmen beschlossen, unsere Beziehung zu beenden.“

Chadwick sah sie entgeistert an. „Vor ein paar Monaten? Warum haben Sie mir das nicht erzählt?“

Einatmen, ausatmen.

„Weil ich finde, Mr. Beaumont, dass persönliche Dinge nicht ins Büro gehören.“ Der Satz kam ihr erstaunlich leicht über die Lippen, nur bei dem Wort persönlich geriet ihre Stimme etwas ins Zittern. „Ich wollte Sie damit nicht belasten, und ich komme gut damit klar.“

Sie war eine professionelle, verlässliche und loyale Mitarbeiterin. Hätte sie Chadwick unter die Nase reiben sollen, Neil habe sie sitzengelassen? Und das, nachdem sie ihn in einer SMS aufgefordert hatte, Stellung zu beziehen und ihr mitzuteilen, wie ernst er es mit ihr meinte? Um ihm anzudeuten, dass er sie endlich heiraten und eine Familie mit ihr gründen sollte? Das wäre alles andere als professionell gewesen. Im Büro mochte sie alles im Griff haben, für ihr Liebesleben traf das leider nicht zu.

Chadwick sah sie plötzlich mit einem Blick an, den sie eigentlich nur von ihm kannte, wenn man ihm ein völlig inakzeptables Angebot vorlegte: Es war eine eindrucksvolle Mischung aus Geringschätzung und Entschiedenheit. Mit diesem imposanten Blick brachte er Verhandlungspartner normalerweise dazu, ihm ein neues Angebot zu machen. Eines, das für die Brauerei besonders profitabel war.

Sie hatte er auf diese Art noch nie angesehen. Es war beinahe unheimlich. Hatte er vor, sie zu feuern, weil sie ihm Details ihres Privatlebens vorenthalten hatte? Doch dann beugte er sich vor und stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch. „Wenn das schon ein paar Monate her ist, was ist dann an diesem Wochenende passiert?“

„Wie bitte?“

„Dieses Wochenende. Irgendetwas hat Sie ganz offensichtlich sehr mitgenommen. Auch wenn Sie sich alle Mühe geben, es zu verbergen. Hat er …“

„Aber nein!“ Neil konnte zwar manchmal ein richtiger Idiot sein … Okay, er war ein Idiot und ein notorischer Fremdgeher, der panische Angst vor festen Beziehungen hatte. Aber Chadwick sollte nicht denken, Neil hätte sie geschlagen. Allerdings wollte sie auch nicht über Einzelheiten sprechen.

Ihr Hals war trocken, und Serena hatte das Gefühl, die ganze Zeit über zu blinzeln. Wenn sie hier auch nur eine Sekunde länger sitzen blieb, würde sie entweder in die Luft gehen oder in Tränen ausbrechen.

Also tat sie das einzig Vernünftige: Sie stand auf und versuchte, das Büro so souverän wie möglich zu verlassen. Gerade als sie ihre Hand an die Türklinke legte, sagte Chadwick: „Serena, warten Sie.“

Sie war nicht imstande, sich umzudrehen und ihn anzuschauen. Diesen Blick hätte sie kein zweites Mal ertragen. Serena schloss die Augen. Sie konnte zwar nicht sehen, wie Chadwick aufstand und um den Tisch herum auf sie zukam, aber sie hörte es: das Knarzen des Sessels, seine Schritte, die von dem dicken Orientteppich gedämpft wurden. Als er schließlich dicht hinter ihr stand, spürte sie die Wärme seines Körpers. So nah war er ihr noch nie gewesen.

Er fasste sie an den Schultern und drehte sie zu sich um. Sie versuchte, sich von ihm abzuwenden, doch das ließ er nicht zu. Er löste zwar seine Hände von ihren Schultern, doch als sie seinem Blick auswich, schob er einen Finger unter ihr Kinn und hob es an.

„Serena, sehen Sie mich an.“

Doch das wollte sie nicht. Ihre Wangen glühten unter seiner Berührung – ja tatsächlich, er berührte sie. Dann strich er ihr mit dem Daumen sanft übers Kinn. Wenn sie es nicht besser gewusst hätte, hätte sie gedacht, er streichle sie. Seit Monaten war sie nicht mehr so zart berührt worden. Oder war es noch länger her?

Serena öffnete die Augen. Chadwicks Gesicht war immer noch unbedenkliche dreißig Zentimeter von ihrem entfernt. Dennoch waren sie sich noch nie so nah gewesen. Er hätte sie küssen können, wenn er es gewollt hätte, und sie hätte ihn nicht davon abgehalten. Weil sie ihn nicht davon abhalten wollte.

Aber er küsste sie nicht. Sie sah ihn wie in einer Nahaufnahme vor sich; seine Augen waren eine Mischung aus Grün und Braun mit goldenen Sprenkeln. Sie spürte, wie ihre Panik langsam verflog, während sie ihn ansah. Nein, sie war nicht in ihren Chef verliebt. Punkt. Und sie war es auch nie gewesen. Und sie würde ihm auch jetzt nicht verfallen, ganz egal, welche Komplimente er ihr noch machen oder auf welche Art er sie noch berühren würde. Nein!

Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, als er sie ansah. War er genauso nervös wie sie? Sie waren dabei, eine Grenze, die sie immer respektiert hatten, zu überschreiten.

Wollte er das? War er dabei, den ersten Schritt zu machen?

„Serena“, sagte er mit einer tiefen Stimme, die sie vorher noch nie von ihm gehört hatte.

Ein Kribbeln lief ihr den Rücken hinunter und ließ sie erzittern, was Chadwick sicher nicht entging.

Er sah sie ernst an. „Was auch immer das Problem sein mag, Sie können mir alles anvertrauen. Wenn Neil Sie belästigt, werde ich mich darum kümmern. Sollten Sie Hilfe brauchen …“ Als er weiterhin mit dem Finger über ihr Kinn fuhr, erschauerte sie wieder. „Was immer Sie brauchen, ich bin für Sie da.“

Sie musste irgendetwas sagen, etwas Geistreiches, Souveränes. Aber es gelang ihr nicht, den Blick von seinen Lippen abzuwenden. Wie er wohl schmeckte? Würde er ihr den ersten Schritt überlassen? Oder würde er sie gleich an sich ziehen, leidenschaftlich und …

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie schnell. Sie wusste nicht mehr, was sie von ihm erwartete. Denn er klang nicht länger wie ein besorgter Chef, dem das Wohlergehen seiner loyalen Mitarbeiterin am Herzen lag. Dabei sollte er das. Wollte er sie etwa nach den ganzen Jahren doch verführen? Nur weil Neil ein Idiot und sie im Augenblick ziemlich wehrlos war? Oder ging es hier um etwas anderes?

Serena hatte das Gefühl, dass der Abstand zwischen ihnen geringer geworden war und Chadwick, ohne es zu bemerken, noch näher an sie herangetreten war. Oder sie war näher an ihn herangetreten.

Er wird mich küssen, schoss es ihr durch den Kopf.

Er wird mich küssen, und genau das soll er auch tun. Weil ich es mir schon immer gewünscht habe!

Doch Chadwick küsste sie nicht. Er fuhr ihr abermals mit dem Finger übers Kinn und die Wange, als wolle er sich die Konturen genau einprägen. Wie gerne hätte sie ihre Finger durch sein dunkelblondes Haar gleiten lassen und sich seinem Mund genähert. Sie wollte den Geschmack dieser Lippen probieren. Sie wollte mehr spüren als nur seine Berührung.

„Serena, Sie sind meine engste Mitarbeiterin. Sie sollen wissen, dass ich mich um Sie kümmern werde. Ganz egal, was bei der Vorstandssitzung herauskommt, ich werde dafür sorgen, dass man Sie nicht mit leeren Händen auf die Straße setzt. Ihre Loyalität wird belohnt werden.“

Serena ließ die Luft, die sie die ganze Zeit über angehalten hatte, mit einem sanften „Oh“ heraus.

Gott, wie gut es tat, das zu hören! Neil war nicht mehr für sie da, aber all die Jahre der harten Arbeit hatten sich letztlich doch ausgezahlt. Sie musste sich nicht länger den Kopf über die Sozialhilfe zerbrechen. Sie musste auch keine Privatinsolvenz anmelden oder sich wieder in einer Suppenküche anstellen.

Langsam klärten sich ihre Gedanken. „Danke, Mr. Beaumont.“

Sein Lächeln verwandelte sich plötzlich in ein freches Grinsen. „Das ist schon besser als Sir. Dennoch, nennen Sie mich einfach Chadwick. Bei Mr. Beaumont muss ich immer an meinen Vater denken.“ Als er das sagte, wirkten seine Augen plötzlich ein wenig müde. Schließlich trat er einen Schritt zurück und räusperte sich. „Fassen wir zusammen: die Anwälte am Dienstag, der Vorstand am Mittwoch und der Wohltätigkeitsball am Samstag?“

Irgendwie gelang es ihr, zu nicken. Nun bewegten sie sich wieder auf gewohntem Terrain. „Ja.“ Sie atmete noch einmal tief durch und wurde ruhiger.

„Ich hole Sie ab.“

Von wegen ruhiger. „Wie bitte?“

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Beaumont-Dynastie