Im Bett mit dem Rivalen

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Ein Jahr lang soll sie die Frau an seiner Seite spielen, dafür wird Ethan Logan sie fürstlich entlohnen. Frances Beaumont ist entsetzt über den Vorschlag: Ethan sieht zwar atemberaubend aus und wenn er sie berührt, verspürt sie lustvolles Begehren. Doch er ist der Mann, der ihrer Familie eiskalt das Unternehmen gestohlen hat! Ihre finanzielle Not zwingt sie, dem Arrangement zähneknirschend zuzustimmen. Gleichzeitig fragt sie sich, wie sie zwölf Monate den verlockenden Lippen ihres Feindes widerstehen soll …


  • Erscheinungstag 09.03.2020
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733715793
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Mis – ter Logan“, knarzte es aus der altmodischen Gegensprechanlage auf Ethans Schreibtisch.

Er starrte das Gerät finster an. Wieder einmal hatte seine Sekretärin seinen Namen so seltsam verstümmelt. „Ja, Delores?“ Er hatte noch nie in einem Büro gearbeitet, das eine Gegensprechanlage besaß, und er fühlte sich, als wäre er in die 1970er zurückversetzt worden. Wahrscheinlich stammte die Anlage auch aus jenem Jahrzehnt. Schließlich saß er im Hauptquartier der Beaumont-Brauerei. Dieser Raum mitsamt seinen Antiquitäten war wahrscheinlich nicht mehr renoviert worden seit …

Einer sehr langen Zeit. Die Beaumont-Brauerei bestand schließlich schon seit hundertsechzig Jahren.

Mis – ter Logan“, knarzte Delores wieder, ihre Abneigung ihm gegenüber war unüberhörbar. „Wir werden die Produktion der Linien Mountain Cold und Mountain Cold Light anhalten müssen.“

„Was? Warum?“ Das Letzte, was er jetzt brauchte, war noch ein Produktionsstillstand.

Ethan leitete diese Firma nun schon seit fast drei Monaten. Sein Unternehmen, die Corporate Restructuring Services, kurz CRS, hatte einige prominente Firmen aus dem Rennen geworfen, um den Auftrag für die Reorganisation der Beaumont-Brauerei zu erhalten. Er durfte sich keinen Fehler erlauben. Wenn er – und damit CRS – es schaffte, dieses altmodische Unternehmen in ein modernes Geschäft zu verwandeln, wäre sein Ruf in der Branche gefestigt.

Er hatte Widerstand erwartet. Das war nur natürlich. Er hatte bereits dreizehn Firmen umstrukturiert, ehe er das Steuer bei der Beaumont-Brauerei übernommen hatte. Jede Firma war nach seiner Reorganisation schlanker, effizienter und wettbewerbsfähiger gewesen.

Ja, dreizehn Erfolgsgeschichten.

Dennoch hatte ihn nichts auf die Beaumont-Brauerei vorbereitet.

„Die Grippe geht um“, sagte Delores. „Fünfundsechzig Mitarbeiter haben sich krankgemeldet.“

Die Grippe? Sollte das ein Scherz sein? Letzte Woche war es eine Erkältung gewesen, die siebenundvierzig Angestellte außer Gefecht gesetzt hatte. Und in der Woche davor waren nach einer Lebensmittelvergiftung vierundfünfzig Leute nicht zur Arbeit erschienen.

Ethan war kein Idiot. Bei den ersten beiden Malen hatte er sich nachsichtig gezeigt, um das Vertrauen der Arbeiter zu gewinnen. Aber jetzt war es an der Zeit, ein Machtwort zu sprechen.

„Feuern Sie jeden, der sich heute krankgemeldet hat.“

Sehr zu Ethans Freude herrschte am anderen Ende der Anlage Schweigen. Einen Augenblick lang verspürte er ein Siegesgefühl, was allerdings nicht lange anhielt.

Mis – ter Logan“, begann Delores. „Bedauerlicherweise scheinen die Mitarbeiter aus der Personalabteilung, die für Entlassungen zuständig sind, sich heute ebenfalls krankgemeldet zu haben.“

„Natürlich“, gab er giftig zurück. Er verspürte den Drang, die Gegensprechanlage quer durch den Raum zu schleudern, aber das wäre impulsiv und kindisch gewesen, und Ethan war weder impulsiv noch kindisch. Nicht mehr.

So unbefriedigend es auch war, er schaltete die Anlage einfach nur aus und starrte seine Bürotür an.

Er brauchte einen besseren Plan.

Er hatte immer einen Plan, wenn er mit einem Auftrag begann. Seine Methode war bewährt, er konnte ein kränkelndes Unternehmen in nur sechs Monaten wieder auf Erfolgskurs bringen.

Aber das hier? Die verdammte Beaumont-Brauerei?

Und genau das war das Problem. Für jeden – die Presse, die Öffentlichkeit, die Verbraucher und ganz besonders die Angestellten – war das hier immer noch die Beaumont-Brauerei. Gut, das Unternehmen war ja rund anderthalb Jahrhunderte unter Beaumont-Leitung gewesen. Das war auch der Grund, warum AllBev, das Konglomerat, das CRS mit dieser Umstrukturierung beauftragt hatte, entschieden hatte, das „Beaumont“ im Firmennamen zu behalten. Der Wiedererkennungseffekt war einfach unbezahlbar.

Aber die Brauerei gehörte schon seit Monaten nicht mehr der Beaumont-Familie. Und je schneller die Angestellten das begriffen, desto besser.

Ethan ließ seinen Blick durch das Büro schweifen. Es war wunderschön, steckte voller Geschichte und strahlte eine Aura von Macht aus.

Ethan hatte gehört, dass der Konferenztisch eine Maßanfertigung gewesen war. So groß und so schwer, dass er direkt hier vor Ort hatte zusammengebaut werden müssen. In einer Ecke des Raums waren zwei Ledersessel und ein passender Zweisitzer um einen großen Couchtisch gruppiert. Dieser Tisch sollte – so die Beaumont-Familienlegende – aus einem der Räder des Wagens gebaut worden sein, mit dem Phillipe Beaumont im Jahr 1880 mit seinem Percheron-Gespann die Prärie durchquert hatte, um sich dann in Denver niederzulassen und Bier zu brauen.

Das einzig Moderne waren der Flatscreen-Fernseher, der über dem Sitzbereich hing, und die elektronischen Geräte auf dem Schreibtisch, der vom Stil her dem Konferenztisch nachempfunden war.

Ethan drückte wieder auf den Knopf der Gegensprechanlage. „Delores?“

„Ja, Mis…“

Er schnitt ihr das Wort ab, ehe sie seinen Namen erneut verstümmeln konnte. „Ich möchte das Büro renovieren. Der ganze alte Kram hier – die Vorhänge, die Holzsachen und der Konferenztisch – soll raus. Alles.“ Die Möbel waren Handarbeit und gut erhalten, sie würden sicher noch ein nettes Sümmchen einbringen. „Verkaufen Sie die Sachen.“

Kurz herrschte Schweigen.

„Ja, Sir.“ Einen Augenblick lang dachte er, sie würde kleinlaut klingen. Als könnte sie es nicht glauben, dass er das Herz der Beaumont-Brauerei demontieren wollte. Aber dann fügte sie in einem selbstgefälligen Ton hinzu: „Ich kenne jemanden, den ich wegen einer Schätzung anrufen könnte.“

Ethan antwortete nicht darauf, sondern widmete sich wieder seinem Computer. Zwei stillstehende Produktionslinien konnte er sich nicht leisten. Wenn eine der beiden Linien morgen keine Doppelschicht fuhr, würde er nicht auf die Personalabteilung warten, sondern selbst Mitarbeiter feuern.

Schließlich war er hier der Boss. Sein Wort zählte. Und das schloss auch die Einrichtung mit ein.

Frances Beaumont warf die Schlafzimmertür hinter sich zu und sank auf ihr Bett. Noch eine Absage – viel tiefer konnte sie wirklich nicht sinken.

Sie war das alles so leid. Ihr letztes Projekt hatte sie mit Pauken und Trompeten in den Sand gesetzt, daher hatte sie ihr Luxusapartment im Zentrum von Denver aufgeben und zurück in die Beaumont-Mansion, das Herrenhaus ihrer Familie, ziehen müssen. Aber nicht nur das, sie war auch gezwungen gewesen, einen Großteil ihrer Designerklamotten zu verkaufen.

Der Grundgedanke – digitale Kunst zu fördern, indem man Aktien ausgab, um damit zu handeln – war grundsätzlich gut gewesen. Kunst war zwar zeitlos, aber die Produktion und das Sammeln von Kunst veränderten sich. Sie hatte einen beträchtlichen Teil ihres Privatvermögens und jeden Penny ihres Anteils aus dem Verkauf der Beaumont-Brauerei in Art Digitale gesteckt.

Frances seufzte tief. Was für ein epischer, niederschmetternder Reinfall. Nach monatelangen Verzögerungen und Fehlstarts – und Rechnungen in astronomischer Höhe – war Art Digitale genau drei Wochen online gewesen, ehe kein Geld mehr da war. Nicht eine Transaktion war über die Website gelaufen. In ihrem ganzen behüteten Leben hatte sie noch nie einen solchen Fehlschlag erlitten. Wie auch, sie war schließlich eine Beaumont!

Ihr geschäftliches Versagen war schon schlimm genug, aber jetzt fand sie noch nicht einmal einen neuen Job. Ihr erster Arbeitgeber, der Besitzer der Galerie Solaria, war nicht gerade vor Freude an die Decke gesprungen, als sie zurückkommen wollte, obwohl er wusste, wie gut sie darin war, den reichen Kunstmäzenen Honig um den Bart zu schmieren und dem empfindlichen Ego von Künstlern zu schmeicheln. Sie konnte Kunst verkaufen – zählte das denn gar nichts?

Außerdem war sie eine Beaumont. Noch vor einigen Jahren hätten die Leute sich vor Eifer überschlagen, mit einer der Gründerfamilien Denvers in Verbindung gebracht zu werden.

Was war nur schiefgelaufen?

Sie war gerade dreißig Jahre alt geworden, besaß kein eigenes Geld mehr und lebte im Haus ihres Bruders Chadwick und seiner Familie – plus einiger anderer Beaumonts aus den weiteren Ehen ihres Vaters.

Sie schauderte.

Als die Familie noch Besitzer der Brauerei gewesen war, hatte der Name Beaumont etwas bedeutet. Frances war nicht irgendjemand gewesen. Aber seit dieser Teil ihres Lebens verkauft worden war, war sie … ins Schlingern geraten.

Gäbe es doch nur einen Weg, die Brauerei wieder unter die Kontrolle der Familie zu bekommen.

Ja, dachte sie verbittert, als ob das passieren würde. Ihre älteren Brüder Chadwick und Matthew hatten kurzerhand ihre eigene Brauerei namens Percheron Drafts eröffnet. Phillip, ihr Lieblingsbruder unter den älteren Beaumonts, derjenige, der sie auf Partys eingeführt und geholfen hatte, ihren Ruf als It-Girl von Denvers High Society zu etablieren, hatte sich auf die Beaumont-Farm zurückgezogen und war inzwischen trockener Alkoholiker. Und ihr Zwillingsbruder Byron eröffnete gerade sein neues Restaurant.

Jeder entwickelte sich weiter, gründete eine Familie. Nur sie saß wieder in ihrem Kinderzimmer. Allein.

Frances glaubte allerdings nicht, dass ein Mann auch nur eines ihrer Probleme lösen könnte – dafür hatte ihr Vater zu viele Ehen und Ehefrauen zerstört. So etwas wie Liebe gab es nicht, oder zumindest nicht in ihrer Welt.

Sie war auf sich allein gestellt.

Sie öffnete eine Nachricht ihrer Freundin Becky und starrte auf das Foto einer geborstenen Schaufensterscheibe. Sie und Becky hatten zusammen in der Galerie Solaria gearbeitet. Becky hatte weder einen berühmten Familiennamen noch einflussreiche Beziehungen, aber sie kannte sich mit Kunst aus und besaß einen bissigen Humor. Becky behandelte Frances wie einen ganz normalen Menschen, nicht wie eine Beaumont. Und aus genau diesen Gründen waren sie auch seit Langem befreundet.

Becky hatte einen Plan: Sie wollte eine Galerie eröffnen, die die Kunstformen der neuen Medien mit der klassischen Kunst verband, die die reichen Mäzene favorisierten. Nicht so avantgardistisch wie Frances’ Geschäft für digitale Kunst, aber eine solide Brücke zwischen den beiden Welten.

Das einzige Problem war, dass Frances kein Geld hatte, um zu investieren. Dabei war sie sicher, dass Beckys – und ihre – Galerie gut laufen würde. Es würde sie zwar nicht reich machen, aber Beckys Geschäftsidee würde genug Geld für eine eigene Wohnung abwerfen. Sie könnte wieder jemand sein – nicht nur irgendjemand, sondern Frances Beaumont, bekannt, respektiert, beneidet.

Als das Telefon klingelte, zuckte sie zusammen. Sie nahm das Gespräch an, ohne auch nur auf das Display zu sehen. „Hallo?“, sagte sie mürrisch.

„Frances? Frannie?“, fragte eine Frauenstimme. „Sie erinnern sich sicher nicht mehr an mich. Ich bin Delores Hahn. Ich arbeite in der …“

Der Name sagte ihr etwas. Vor ihrem geistigen Auge sah Frances eine ältere Frau mit einem strengen Haarknoten. „Oh! Delores! Ja, Sie arbeiten in der Brauerei. Wie geht es Ihnen?“

Neben ihren Geschwistern waren die einzigen Leute, die sie Frannie nannten, die Angestellten der Brauerei. Sie waren so etwas wie ihre zweite Familie – oder zumindest waren sie das früher gewesen.

„Es ging schon besser“, antwortete Delores. „Ich hätte vielleicht einen Auftrag für Sie. Sie haben doch einen Kunstabschluss, oder?“

„Was für ein Auftrag wäre das?“ Vielleicht würde ihre Pechsträhne endlich abreißen.

„Na ja“, fuhr Delores leise fort. „Dieser neue Geschäftsführer, den AllBev eingesetzt hat ...“

„Was ist mit ihm? Ich hoffe, er scheitert kläglich.“

„Bedauerlicherweise …“, fuhr Delores in einem Tonfall fort, der alles andere als bedauernd klang, „… ist eine Grippe-Epidemie in der Brauerei ausgebrochen. Wir mussten heute zwei Produktionslinien anhalten.“

Frances konnte ein Lachen nicht unterdrücken. „Oh, das ist ja großartig.“

„War es auch“, stimmte Delores zu. „Aber Mr. Logan – das ist der neue Geschäftsführer – ist inzwischen so wütend, dass er das Büro Ihres Vaters komplett renovieren will.“

Das Lachen blieb Frances im Halse stecken. „Er will Daddys Büro zerstören? Das wagt er nicht!“

„Er hat mir aufgetragen, alles zu verkaufen: den Tisch, die Bar, alles. Er würde wahrscheinlich sogar einen Exorzismus durchführen lassen, wenn er glaubte, dass es helfen würde“, fügte Delores hinzu.

Eigentlich war es zuletzt das Büro von Chadwick gewesen, aber Frances hatte nie aufgehört, das Büro und ihren Vater als Einheit zu sehen. „Und was ist das für ein Auftrag, von dem Sie sprachen?“

„Na ja“, erwiderte Delores. „Ich dachte, Sie könnten vielleicht die Gutachten zur Einrichtung schreiben und bei der Suche nach Käufern helfen.“

„Und …“ Frances schluckte. Die folgende Frage fiel ihr nicht leicht, aber sie war verzweifelt. „Würde dieser Mr. Logan für die Gutachten zahlen? Und wenn ich die Möbel selbst verkaufe …“ Beispielsweise an einen älteren Bruder, der fast zehn Jahre lang der Chef der Brauerei gewesen war. „Also würde ich dann eine Provision bekommen?“

„Warum sollten Sie keine bekommen?“

Delores hatte recht – wenn jemand die Beziehungen hatte, die Möbel der Familie zu verkaufen, dann Frances Beaumont. Und wenn sie in der Brauerei wieder einen Fuß in die Tür bekam, würde sie all den armen kranken Arbeitern helfen können. Sie war nicht so naiv zu denken, dass ein Konglomerat wie AllBev der Familie das Unternehmen zurückverkaufen würde, aber …

Sie würde das Leben dieses Mr. Logan ein wenig komplizierter machen. Vielleicht würde sie sich auch ein bisschen rächen können. Schließlich hatte ihre Pechsträhne mit dem Verkauf der Brauerei begonnen.

„Sollen wir dann Freitag sagen?“ Bis dahin waren es zwar nur noch zwei Tage, aber es war genug Zeit, um die Falle zu planen und aufzustellen. „Ich bringe die Donuts mit.“

Delores kicherte tatsächlich. „Ich hatte gehofft, Sie würden das sagen.“

Mis – ter Logan, der Gutachter ist da.“

Ethan blickte von den Personalbögen auf, die er gerade vor sich liegen hatte. Nächste Woche würde er die Zahl der Angestellten um fünfzehn Prozent verringern. Mitarbeiter mit mehr als einer Krankmeldung würden sich zuallererst auf der Straße wiederfinden.

„Gut, schicken Sie ihn rein.“

Es kam … niemand. Ethan wartete kurz, dann drückte er auf die Gegensprechanlage. Ehe er Delores nach dem Gutachter fragen konnte, hörte er Leute reden. Und lachen?

Es klang, als würde im Empfangsbereich eine Party gefeiert.

Er stürmte durch sein Büro und riss die Tür auf. Ja, es fand tatsächlich so etwas wie eine Party statt. Arbeiter, die er selbst nur einmal kurz gesehen hatte, hatten sich um Delores’ Schreibtisch versammelt, einen Donut in der Hand und ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht.

„Was ist hier los?“, polterte Ethan. „Das ist hier ein Unternehmen, kein …“

Dann teilte sich die Menge, und er sah sie.

Gott, wie hatte er sie vorher übersehen können? Eine Frau mit einer atemberaubenden Mähne flammend roter Haare saß mit dem Rücken zu ihm auf der Kante von Delores’ Schreibtisch. Ihr Körper war in ein smaragdgrünes Kleid gehüllt, das sich hauteng an ihre Kurven schmiegte. Ethans Finger zuckten, wie gerne hätte er jetzt ihre nackten Schultern berührt.

Sie war keine Angestellte, so viel stand fest.

Sie hielt allerdings eine Schachtel Donuts in der Hand.

Das gut gelaunte Summen der Gespräche, das er über die Gegensprechanlage gehört hatte, erstarb urplötzlich, und die Menge machte ihm Platz.

„Was ist hier los?“, fragte Ethan. Einige Mitarbeiter erblassten, doch bei der Frau in dem grünen Kleid hinterließ sein Tonfall offenbar keinerlei Eindruck.

Ganz langsam drehte sie den Kopf und sah ihn über die Schulter an.

Seine Angestellten hatte er vielleicht eingeschüchtert, aber nicht sie.

Ein kryptisches Lächeln machte sich auf ihren tiefroten Lippen breit. „Heute ist Donut-Freitag.“

Ethan sah sie verständnislos an. „Was?“

Sie drehte sich noch ein wenig mehr in seine Richtung, sodass er jetzt ihr Profil sehen konnte. Guter Gott, dieses Kleid … dieser Körper. Das schulterfreie Kleid hatte vorne einen tiefen V-Ausschnitt, der die zarte, helle Haut ihres Dekolletés perfekt in Szene setzte.

Er wusste, er sollte sie nicht so anstarren. Tat er doch auch gar nicht, oder?

Sie wandte sich ihm weiter zu. „Sie müssen neu hier sein“, sagte die Frau in einem mitleidsvollen Tonfall. „Es ist Freitag, und freitags bringe ich immer Donuts.“

„Donut-Freitag?“ Er war seit Monaten hier, und heute hörte er zum ersten Mal etwas über Donuts.

„Ja“, erwiderte sie und hielt ihm die Schachtel hin. „Ich bringe für jeden einen Donut mit. Möchten Sie den letzten haben? Leider habe ich nur noch einen ohne Glasur.“

„Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?“

„Sicher dürfen Sie das“, erwiderte sie lächelnd.

Sie war zweifellos die schönste Frau, die er je gesehen hatte, aber dass sie ihn hier vor den Angestellten für dumm verkaufte …

Einige Mitarbeiter kicherten leise, als sie ihm die Hand hinhielt – nicht um sie zu schütteln, sondern um sie zu küssen, als wäre sie eine Königin.

„Ich bin Frances Beaumont und soll Ihre Antiquitäten schätzen.“

2. KAPITEL

Oh, was für ein Spaß!

„Donut?“, fragte sie noch einmal und versuchte, ein unschuldiges Gesicht aufzusetzen.

„Sie sind der Gutachter?“

Sie ließ die Donutschachtel auf ihren Schoß sinken.

Sie hatte wirklich jeden Freitag Donuts gebracht, seit sie klein gewesen war. Es war immer ihr Lieblingswochentag gewesen, weil sie dann etwas Zeit mit ihrem Vater verbringen konnte, ganz allein mit ihm. Ein paar wunderschöne Stunden an jedem Freitagmorgen war sie dann Daddys kleines Mädchen. Kein älterer Bruder war da, der sich dazwischendrängte, keine neuen Frauen oder Babys, die seine Aufmerksamkeit wollten. Nur Hardwick Beaumont und seine kleine Tochter Frannie.

Was noch dazukam: Sie konnte auch alle anderen Erwachsenen besuchen – darunter viele der Mitarbeiter, die jetzt das Gespräch zwischen ihr und Logan fasziniert verfolgten – und bekam viele Komplimente. Wie lieb sie doch war, wie hübsch sie war, wie gut ihr das Kleid stand, was für ein Schatz sie war. Die Menschen, die in den letzten dreißig Jahren für die Brauerei gearbeitet hatten, gaben ihr das Gefühl, geliebt zu werden und etwas Besonderes zu sein. Sie waren zu ihrer zweiten Familie geworden.

Selbst nach Hardwicks Tod und als die wöchentliche Donut-Tradition eingeschlafen war, hatte sie sich trotzdem zumindest einmal im Monat Zeit genommen, in der Brauerei vorbeizuschauen. Donuts – persönlich und mit einem Lächeln und einem Kompliment ausgeliefert – machten die Welt zu einem besseren Ort.

Wenn sie die Treue der Mitarbeiter vergelten konnte, indem sie einen tyrannischen Firmenchef demütigte, dann würde sie genau das tun.

Logan öffnete den Mund … und schloss ihn wieder. Dann befahl er: „Geht alle zurück an die Arbeit.“

Niemand regte sich.

Frances wandte sich wieder den Mitarbeitern zu, um ihr Siegeslächeln vor Logan zu verbergen. Niemand hörte auf ihn, alle warteten auf ihre Reaktion.

„Also“, sagte sie freundlich. „Es war sehr schön, euch alle wiederzusehen. Ich habe euch sehr vermisst, die ganze Beaumont-Familie vermisst euch. Ich hoffe, ich darf bald wieder ein paar Donuts vorbeibringen?“

Hinter sich hörte sie Logan tief Luft holen, die Leute vor ihr aber nickten freudig und lächelten. Ein paar zwinkerten ihr sogar verschwörerisch zu.

„Habt noch einen wunderbaren Tag“, gurrte sie und winkte.

Die Menge löste sich langsam auf. Während die Leute an ihr vorbeigingen und sich bedankten oder Grüße an Chadwick und Matthew ausrichten ließen, strahlte sie und tätschelte ein paar Schultern.

Die ganze Zeit über spürte sie Logans bohrende Blicke in ihrem Rücken. Könnten Blicke töten, wäre sie jetzt tot. Aber sie beide wussten, dass sie hier die Oberhand hatte.

Als auch der letzte Mitarbeiter gegangen war, sagte Frances zuckersüß: „Delores, wenn Mr. Logan seinen Donut nicht möchte …“ Sie hielt ihm die geöffnete Schachtel hin.

Oh ja, hier hatte sie das Sagen. Das gesamte Verwaltungspersonal der Brauerei hatte seine Anweisung ignoriert und stattdessen auf sie gehört. Dieses Gefühl der Macht tat so gut.

„Nein danke“, stieß er hervor.

„Würden Sie das dann bitte für mich entsorgen?“, schloss Frances und reichte Delores die Schachtel.

„Natürlich, Miss Frances.“ Delores warf Frances einen Blick zu, der wärmer war als jede Umarmung. Dann ging sie in Richtung Pausenraum und ließ Frances mit einem stinksauren Geschäftsführer allein. Sie schlug die Beine übereinander und lehnte sich in seine Richtung, sagte aber nichts.

Der Moment schien Ewigkeiten zu dauern. Frances nutzte die Gelegenheit, um den Mann zu begutachten. Er war ziemlich attraktiv. Zwar nur ein paar Zentimeter größer als sie, aber sehr muskulös, als hätte er früher viel Sport getrieben. Sein Anzug – hochwertig und mit konservativen Nadelstreifen – war maßgeschneidert, um seinen breiten Schultern gerecht zu werden. Anhand seines Halsumfanges würde sie darauf wetten, dass auch das Hemd maßgeschneidert war. Beides war sicher nicht billig gewesen.

Er hatte einen kantigen Kiefer und hellbraunes, kurz geschnittenes Haar. Wenn er nicht gerade stinksauer dreinblickte, war er vermutlich ein wahrer Hingucker.

Während sie vom Schreibtisch aufstand, entblößte der Schlitz ihres Kleides einen großen Teil ihres Oberschenkels. Logans Blick wanderte von ihrem Dekolleté zu ihrem Oberschenkel und wieder zu ihrem Dekolleté.

„Sollen wir?“, fragte sie hoheitsvoll. „Mein Cape“, fügte sie hinzu und deutete mit dem Kinn auf einen zu ihrem Kleid passenden Umhang.

Ohne seine Antwort abzuwarten, schritt sie in das Büro, als wäre es ihr eigenes. Was es irgendwie ja auch einmal gewesen war.

Der Raum sah aus wie in ihren Erinnerungen. Frances seufzte erleichtert, alles war noch an seinem Platz. Früher hatte sie oft an dem Wagenradtisch gesessen und gemalt, während sie auf den Rest der Arbeiter wartete, um ihnen ihre Donuts zu geben. Am Konferenztisch hatte sie mit ihren Puppen gespielt. Und am Schreibtisch ihres Vaters …

Die einzigen Umarmungen von ihrem Vater hatte sie in diesem Raum erhalten. In diesen seltenen Momenten war Hardwick Bea-
umont nicht der knallharte, skrupellose Geschäftsmann gewesen. Er hatte ihr Dinge erzählt, die niemand sonst wusste, dass beispielsweise sein Vater, Frances’ Großvater John, ihn die Farbe der Vorhänge und des Teppichs hatte aussuchen lassen. Oder dass John seinen Sohn Hardwick ein ganz neues Bier hatte probieren lassen und ihn nach seiner Meinung fragte – was gut daran war und was die Brauer verbessern konnten.

„Dieses Büro …“, hatte ihr Vater immer gesagt, „… hat aus mir den gemacht, der ich heute bin.“ Und dann umarmte er sie schnell und fuhr fort: „Und aus dir wird es auch das machen, was du wirklich bist, mein kleines Mädchen.“

Sie ertrug den Gedanken nicht, dass all diese geschichtsträchtigen Gegenstände – all ihre Erinnerungen – an den Höchstbietenden verkauft werden sollten. Auch wenn ihr das eine nette Provision einbringen würde.

Wenn sie den Verkauf nicht verhindern konnte, würde sie zumindest versuchen, Chadwick davon zu überzeugen, so viele Sachen wie möglich zu kaufen. Ihr Bruder hatte dafür gekämpft, dass die Brauerei in Familienbesitz bleiben sollte. Er würde verstehen, dass einige Dinge einfach nicht verkauft werden durften.

Aber das war nicht ihr Plan A.

Sie blieb mitten im Raum stehen und wartete darauf, dass Logan hinterherkam. Weder setzte sie sich anmutig auf einen der Gästestühle vor dem Schreibtisch noch drapierte sie sich verführerisch auf dem Zweisitzer. Auch dachte sie nicht einmal darüber nach, sich an den Konferenztisch zu setzen.

Sie stand einfach in der Mitte des Raums, als würde ihr alles dort gehören. Und niemand – nicht einmal ein wie ein Footballspieler gebauter Interims-Geschäftsführer – konnte sie vom Gegenteil überzeugen.

Sie war überrascht, dass er nicht die Tür hinter sich zuschlug. Stattdessen hörte sie nur ein sanftes Klicken.

Kopf hoch, Schultern gerade, ermahnte sie sich, während sie abwartete, was er als Nächstes tun würde. Sie würde ihm kein Mitleid entgegenbringen und erwartete von ihm auch keins.

Sie beobachtete, wie er zum Konferenztisch ging und ihr Cape über einen Stuhl hängte. Sie konnte spüren, dass er sie ebenfalls beobachtete. Zweifellos bewunderte er ihren Körper, während er der Versuchung widerstand, ihr den Hals umzudrehen.

Männer waren so leicht aus dem Konzept zu bringen.

Er war bestimmt einer dieser Männer, die immer sicherstellen mussten, dass sie die Situation unter Kontrolle hatten. Da es jetzt kein großes Publikum mehr gab, würde er es als moralisch unumgänglich erachten, sie zurechtzuweisen.

Sie durfte nicht zulassen, dass er die Oberhand gewann. So einfach war das.

Und sie behielt recht. Er machte einen großen Bogen um sie und versuchte nicht einmal zu verbergen, dass er sie in ihrem besten Kleid musterte, während er zu seinem Schreibtisch ging. Frances regte sich nicht, bis er fast saß. Dann griff sie in ihre kleine Handtasche – passend zum Kleid aus smaragdgrüner Seide – und holte einen Spiegel und einen Lippenstift heraus. Ohne Logan auch nur die geringste Beachtung zu schenken, zog sie ihre Lippen nach.

Kam da wirklich gerade ein leises Schnaufen aus Richtung des Schreibtischs?

Das war ja fast schon zu einfach.

Sie steckte Lippenstift und Spiegel wieder weg und holte ihr Handy hervor. Logan öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie unterbrach ihn, indem sie ein Foto vom Schreibtisch machte. Und von ihm.

Autor

Sarah M. Anderson
Sarah M. Anderson sagt, sie sei 2007 bei einer Autofahrt mit ihrem damals zweijährigen Sohn und ihrer 92-jährigen Großmutter plötzlich von der Muse geküsst worden. Die Geschichte, die ihr damals einfiel, wurde ihr erstes Buch! Inzwischen konnte sie umsetzen, wovon viele Autoren träumen: Das Schreiben ist ihr einziger Job, deshalb...
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